Behandlung der venösen Thromboembolie, Fokus Lungenembolie
Schweizer Expertenkommentare zu den 10. ACCP-Richtlinien über antithrombotische Therapie

Behandlung der venösen Thromboembolie, Fokus Lungenembolie

Aktuell
Ausgabe
2016/4950
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2016.02833
Schweiz Med Forum 2016;16(4950):1062-1066

Affiliations
a Universitätsklinik für Angiologie, Inselspital Bern; b Abteilung für Angiologie, Kantonsspital Fribourg; c Regionalspital Locarno;
d Abteilung für Angiologie, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois (CHUV), Lausanne

Publiziert am 06.12.2016

Einleitung

Es ist bereits eine kleine Tradition, dass Schweizer Experten jeweils Kommentare zu den neuesten Behandlungsrichtlinien des «American College of Chest Physicians» (ACCP) veröffentlichen. Dies soll insbesondere dazu dienen, die international akzeptieren ACCP-Richtlinien auf die Schweiz zu übertragen und die Sicht der Schweizer Experten in Kürze zusammenzufassen [1].
Wie im Editorial zu den bisher letzten, 9. ACCP-Guidelines von 2012 angekündigt, werden die 10. ACCP-Guidelines nicht mehr als Gesamtausgabe, sondern jeweils als Updates einzelner Kapitel publiziert [2]. Das erste dieser Updates zum Thema «Behandlung der venösen Thromboembolie» wurde nun im Februar 2016 veröffentlicht [3]. Insgesamt wurden 12 Themen der neunten Ausgabe aktualisiert und drei neue erarbeitet:
– Aspirin® für die verlängerte Erhaltungstherapie;
– Behandlung der subsegmentalen Lungenembolie;
– Management bei VTE-Rezidiv unter Antikoagula­tionstherapie.
Im Folgenden werden die Empfehlungen zur Behandlung der akuten LE diskutiert.

Eine Auswahl der wichtigsten 
ACCP-Empfehlungen

1. Die Dauer der Antikoagulation bei Patienten mit akuter Lungenembolie (LE) oder proximaler tiefer Venenthrombose (TVT) beträgt mindestens drei Monate. Danach hängt die weitere Behandlungsdauer vom individuellen Rezidiv- und Blutungs­risiko ab.
2. Neu werden die direkten oralen Antikoagulantien (DOAK) Apixaban, Dabigatran, Edoxaban oder Rivaroxaban als die Therapie der ersten Wahl bei nicht tumorassoziierter venöser Thromboembolie (VTE) vorgeschlagen.
3. Bei tumorassoziierter VTE wird für die ersten drei Monate eine Therapie mit niedermolekularen Heparinen (NMH) bevorzugt.
4. Kommt bei Patienten mit einer unprovozierten proximalen TVT oder LE eine verlängerte Antikoagulation nach dreimonatiger Behandlung nicht in Frage, kann niedrig dosierte Aspirin® zur Rezidivprophylaxe verschrieben werden.
5. Die Einlage eines Vena-Cava-Filters ist bei Patienten mit VTE, die antikoaguliert werden können, nicht indiziert.
6. Bei der Diagnose einer subsegmentalen LE sollte mittels Duplexsonographie eine proximale TVT ausgeschlossen werden. Sollte keine proximale TVT vorhanden sein, kann je nach individuellem Risiko für ein VTE-Rezidiv entweder eine klinische Überwachung (inkl. serielle Duplexsonographien der proximalen Venen) oder eine Antikoagulation entschieden werden.
7. Bei sämtlichen Patienten mit LE empfehlen wir eine formelle Risikostratifizierung, um das 30-Tage-Mor­talitätsrisiko abzuschätzen.
8. Hochrisiko-LE (systolischer Blutdruck <90 mm Hg oder systolischer Blutdruckabfall von ≥40 mm Hg während ≥15 min und nicht durch Arrhythmie, Hypovolämie oder Sepsis verursacht) sollten unverzüglich mit unfraktioniertem Heparin (UFH) und einer Reperfusionstherapie (systemische Thrombolyse oder vorzugsweise katheterbasierte Thrombus­entfernung) behandelt werden.
9. Nicht-Hochrisiko-Patienten können anhand validierter Scores in Niedrigrisiko- und Intermediär­risiko-Patienten unterteilt werden. Erstere können neu unter gewissen Umständen ambulant behandelt werden.
10. Intermediärrisiko-Patienten sollten hospitalisiert, und bei Vorhandensein von bildgebenden Zeichen der Rechtsherzdysfunktion (Echokardiographie, Computertomographie) und positiven Biomarkern (z.B. Troponine) auf der Überwachungsstation monitorisiert werden, um bei allfälligen Zeichen einer hämodynamischen Verschlechterung eine Reperfusionstherapie einzuleiten.
11. Bei einem VTE-Rezidiv unter Antikoagulation wird vorgeschlagen, vorübergehend (z.B. einen Monat) auf eine Therapie mit NMH zu wechseln, oder die Dosis der NMH Therapie um ein Viertel bis ein Drittel zu erhöhen.

Änderungen gegenüber letzter Ausgabe

Unverändert wird bei Patienten mit akuter LE oder proximaler TVT eine mindestens dreimonatige Antikoagulation (Evidenzgrad 1B gemäss ACCP-Adaptation der GRADE-Klassifizierung [4]) empfohlen. Aufgrund mehrerer seit 2012 publizierter grosser randomisierter Studien [5–7] und wachsender klinischer Erfahrung werden jedoch neu bei Patienten ohne aktive Krebs­erkrankung nicht mehr die Vitamin-K-Antagonisten (VKA), sondern die DOAK Apixaban, Dabigatran, Edoxaban oder Rivaroxaban (in alphabetischer Reihenfolge) als Therapie der ersten Wahl vorgeschlagen (2B). Die Schweizer Experten möchten hierzu jedoch anmerken, dass bei sämtlichen randomisierten VTE-Studien mit dem Vergleich DOAK versus Standardtherapie (Enoxaparin und VKA) Patienten mit akuter LE ausgeschlossen wurden, die mittels Reperfusionstherapie oder Vena-Cava-Filter behandelt wurden. Bei tumor­assoziierter VTE wird weiterhin eine Behandlung mittels NMH bevorzugt (2C), wobei die DOAK neu als gleichwertige Alternative zu den VKA bei Krebspatienten ohne NMH-Behandlung gelten.
Das Rezidivrisiko je nach Ursache der VTE (provoziert durch transienten chirurgischen oder nicht chirurgischen Risikofaktor, tumorassoziiert oder unprovoziert/idiopathisch) und das individuelle Blutungsrisiko bleiben weiterhin die entscheidenden Faktoren für die Planung der Antikoagulationsdauer. Neu ist hingegen der Vorschlag, dass man nach drei Monaten Erhaltungs­therapie mit derselben Antikoagulation weiterfahren kann, sofern eine verlängerte Antikoagulationsdauer beschlossen wurde (2C). Im neu geschaffenen Kapitel zum Thema Rezidivprophylaxe mittels Aspirin® werden die beiden seit der letzten ACCP-Ausgabe publizierten randomisierten Studien ASPIRE und WARFASA zusammengefasst [8, 9]. Im Vergleich zu Plazebo vermindert niedrigdosiertes Aspirin® die VTE-­Rezidivrate um rund ein Drittel, weshalb in den neuen ACCP-Empfehlungen bei Patienten mit unprovozierter LE oder proximaler TVT nach mindestens dreimonatiger Antikoagulation Aspirin® zur Rezidivprophylaxe in Erwägung gezogen werden kann (2B), jedoch nur sofern eine verlängerte Antikoagulation nicht in Frage kommt.
Betreff der Rolle des Vena-Cava-Filters konnte die 2015 publizierte PREPIC2-Studie aus Frankreich zeigen, dass entfernbare Vena-Cava-Filter zusätzlich zur Antikoa­gulation bei Patienten mit akuter LE und assoziierter akuter TVT oder oberflächlicher Venenthrombose der unteren Extremitäten sowie eines zusätzlichen Risikofaktors (z.B. Alter über 75 Jahren, Krebserkrankung, Herzinsuffizienz etc.) im Vergleich zur Standard­behandlung mit Antikoagulation ohne Filter die VTE-Rezidivrate nicht reduziert [10]. Bei Patienten mit akuter VTE, die mittels Antikoagulation behandelt werden können, rät das ACCP deshalb weiterhin vom Gebrauch eines Vena-Cava-Filters ab (1B). Die Rolle des Vena-Cava-Filters bei antikoagulierten Hochrisiko-LE-Patienten bleibt jedoch ungeklärt.
Ein neues Kapitel widmet sich der Problematik der subsegmentalen LE. Leider gibt es zu diesem Thema noch keine randomisierten Studien und die Evidenzlage beruht mehrheitlich auf Kohortenstudien [11–13]. Aufgrund der immer leistungsfähigeren kontrastmittelverstärkten Computertomographie (CT) hat sich die Diagnose der subsegmentalen LE in den letzten Jahren verdoppelt (4,7 vs. 9,4% mit Single- vs. Multidetektor- CT), ohne dass sich die VTE-Rate bei nicht behandelten Patienten mit negativer CT-Angiographie verändert hätte [11], weshalb die Notwendigkeit der Antikoagulation aktuell umstritten ist. Es wird deshalb angenommen, dass viele Subsegmentale-LE-Diagnosen falsch positive Resultate sind, da der positiv prädiktive Wert und die Interobserver-Reproduzierbarkeit bei distaleren Lungenarterien deutlich abnehmen. Andererseits ist möglich, dass subsegmentale LE von kleineren TVT verursacht werden, deren Prognose insgesamt besser ist [3]. Das ACCP hat verschiedene Kriterien zusammengestellt, welche die korrekte Diagnose («true positive») einer subsegmentalen LE wahrscheinlicher machen (Tab. 1). Zusätzlich wird das Risiko einer rezidivierenden oder progressiven VTE bei Patienten, die hospitalisiert sind oder aus anderem Grund eine reduzierte Mobilität haben, eine aktive Krebserkrankung oder keinen reversiblen VTE-Risikofaktor aufweisen, als erhöht betrachtet, sollten sie nicht antikoaguliert werden. Wird bei Patienten mit subsegmentaler LE erwogen, nicht zu antikoagulieren, sollte auf jeden Fall mittels Ultraschall eine proximale TVT ausgeschlossen werden. Das ACCP zieht deshalb in Anbetracht dieser verschiedenen Punkte bei Patienten mit subsegmentaler LE ohne assoziierte proximale TVT und niedrigem VTE-Rezidivrisiko eine klinische Überwachung (vorzugsweise kombiniert mit seriellen Duplexsonographien der proximalen Venen) der Antikoa­gulation vor (2C), während bei Patienten mit hohem VTE-Rezidivrisiko die Antikoagulation favorisiert wird (2C). Bei Patienten mit schlechter kardiopulmonaler Reserve oder schwerer Dyspnoe ohne andere Erklärung sollte eher antikoaguliert werden, während Patienten mit hohem Blutungsrisiko eher nicht antikoaguliert werden sollten.
Tabelle 1: Diagnosekriterien für eine subsegmentale Lungenemboliegemäss ACCP.
Die korrekte Diagnose («true positive») einer subsegmentalen Lungenembolie (LE) ist wahrscheinlicher, wenn:
CT-Angiographie von hoher Qualität mit guter Darstellung 
der distalen Lungenarterien
Multiple intraluminale Kontrastmittelaussparungen der ­distalen Lungenarterien vorhanden
Kontrastmittelaussparungen proximalere, d.h. grössere 
subsegmentale Lungenarterienbetreffen
Kontrastmittelaussparungen auf mehreren Bildern ­vorhanden
Kontrastmittelaussparungen von Kontrastmittel umgeben und nicht wandadhärent
Kontrastmittelaussparungen in mehr als einer Projektion 
vorhanden
Patient symptomatisch
Vortestwahrscheinlichkeit für eine LE hoch
D-Dimere erhöht (besonders wenn ohne anderweitige ­Erklärung deutlich erhöht)
ACCP =American College of Chest Physicians
CT = ­Computertomographie
Seit der letzten ACCP-Ausgabe wurden keine weiteren randomisierten Studien zum Thema ambulante Therapie der LE veröffentlicht. Neu schlägt das ACCP vor, dass ausgewählte LE-Patienten mit niedrigem Risiko nicht mehr nur früh entlassen werden («early dis­charge»), sondern komplett ambulant behandelt werden können (2B). Verschiedene Parameter (z.B. der «Pulmonary Embolism Severity Index», PESI) werden zwar als Entscheidungshilfe erwähnt, jedoch nicht formell empfohlen.
Betreff der Behandlung der akuten LE mit systemischer Thrombolyse wurden seit der letzten ACCP-Ausgabe drei weitere randomisierte Studien publiziert, eine davon mit mehr als 1 000 Patienten (PEITHO Trial) [14]. Letztere konnte zeigen, dass eine systemische Thrombolyse bei Patienten ohne Hypotension, jedoch mit Zeichen der Rechtsherzbelastung (Echokardiographie oder CT) sowie positiven Blutmarkern (Troponin I oder T), den kombinierten Endpunkt Mortalität und hämodynamische Dekompensation im Vergleich zur Standardtherapie mit UFH signifikant reduzierte (2,6 vs. 5,6%), jedoch mit einem deutlich erhöhten Risiko für schwere Blutungen (11,5 vs. 2,4%), inklusive hämorragischer Schlaganfälle (2,0 vs. 0,2%), assoziiert war. Mehrere Metaanalysen bestätigten daraufhin die positiven Effekte der systemischen Thrombolyse – Verminderung der Gesamt- (Odds Ratio [OR] 0,59) und LE-verursachten Mortalität (OR 0,29), der LE-Rezidivrate (OR 0,50), und der hämodynamischen Dekompensation oder Tod (OR 0,34) – jedoch zum Preis eines erhöhten Blutungsrisikos (schwere Blutungen: OR 2,91, tödliche oder intrakranielle Blutung: OR 3,18) [3, 15]. Bei Patienten mit akuter LE und Hypotonie (z.B. systolischer Blutdruck <90 mm Hg) wird weiterhin eine systemische Thrombolyse vorgeschlagen (neu 2B, vorher 2C). Bei den meisten Patienten ohne Hypotonie wird jedoch weiter empfohlen, keine systemische Thrombolyse zu verabreichen (neu 1B, vorher 1C), wobei bei ausgewählten Patienten mit niedrigem Blutungsrisiko, bei denen sich der klinische Zustand nach begonnener Antikoa­gulation verschlechtert, eine systemische Thrombolyse in Betracht gezogen werden sollte (2C). Die systemische Thrombolyse wird aufgrund der besseren Studienlage weiterhin der katheterbasierten Thrombus­entfernung vorgezogen (2C), die chirurgische Embolektomie wird in den aktuellen ACCP-Richtlinien überraschenderweise nicht erwähnt. Die katheterbasierte Thrombus­entfernung wird jedoch bei LE-Patienten mit Hypo­tonie in Zentren mit der entsprechenden Expertise vorgeschlagen (2C), sofern a) ein hohes Blutungsrisiko besteht, b) die systemische Thrombolyse nicht funktioniert hat oder c) der klinische Verlauf tödlich sein könnte, bevor die systemische Thrombolyse (d.h. innerhalb weniger Stunden) wirken kann.
Die Problematik des VTE-Rezidivs unter Antikoagulation wurde erstmals in den ACCP-Richtlinien behandelt. Randomisierte Studien oder prospektive Kohortenstudien gibt es zu diesem Thema bisher nicht. Es gibt jedoch Evidenz dafür, dass NMH zumindest bei Krebspatienten effizienter sind als VKA. Die ACCP-Richtlinien schlagen deshalb bei allen Patienten mit einem VTE-Rezidiv unter VKA oder DOAK vor, zumindest temporär (z.B. einen Monat) auf eine Therapie mit NMH zu wechseln (2C). Tritt das Rezidiv unter NMH auf, wird eine Dosiserhöhung um rund einen Viertel bis einen Drittel in Betracht gezogen (2C). Wichtig ist in diesem Zusammenhang sicherlich herauszufinden, ob es sich tatsächlich um ein VTE-Rezidiv handelt, ob die verschriebene Antikoagulation in der richtigen Dosierung vom Patienten eingenommen wurde und ob eine noch nicht diagnostizierte Krebserkrankung oder eventuell ein Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom die Ursache für das Rezidiv sein könnten.

Kommentare der Schweizer Experten

Bei Patienten mit einer Indikation für eine verlängerte Erhaltungstherapie schlägt das ACCP vor, mit derselben Therapie wie in den ersten drei Monaten fortzufahren (2C). Die bisher einzige randomisierte Studie mit einem direkten Vergleich zwischen VKA und DOAK (Dabigatran) für die Rezidivprophylaxe zeigte weniger Blutungskomplikationen unter Dabigatran bei ähnlich guter Effizienz [16]. Eine Post-hoc-Analyse der Patienten mit verlängerter Erhaltungstherapie der randomisierten Hokusai-VTE-Studie (Edoxaban vs. VKA) zog dieselben Schlussfolgerungen [17]. Im Vergleich zu ­Plazebo konnten zudem verschiedene Phase-II-Studien mit Apixaban, Dabigatran oder Rivaroxaban eine rund 80% verminderte VTE-Rezidivrate zeigen, bei nur kaum erhöhtem Blutungsrisiko [16, 18, 19]. Die Schweizer Experten ziehen deshalb bei nicht tumorassoziierter VTE für die verlängerte Erhaltungstherapie eine Behandlung mit DOAK vor. Hingegen gehen die Schweizer Experten mit der ACCP-Empfehlung einig, dass Aspirin® nicht als gleichwertige Alternative zur verlängerten Antikoagulation zu betrachten ist.
Im Einklang mit den aktuellen Richtlinien der «European Society of Cardiology» (ESC) von 2014 sind die Schweizer Experten der Meinung, dass sämtliche ­Pa­tienten mit einer akuten LE initial einer formellen ­Risikostratifizierung unterzogen werden sollten (Abb. 1), um das 30-Tage-Mortalitätsrisiko abzuschätzen (Evidenzgrad 1B gemäss ESC) [20]. Patienten werden als Erstes anhand der klinischen Präsentation in Hochrisiko-(systolischer Blutdruck <90 mm Hg oder systolischer Blutdruckabfall von ≥40 mm Hg während ≥15 min und nicht durch Arrhythmie, Hypovolämie oder Sepsis verursacht) und Nicht-Hochrisiko-LE eingeteilt. Hochrisiko-Patienten sollten unverzüglich mit UFH behandelt werden (ESC 1C) und eine primäre Reperfusionstherapie wird empfohlen (ESC 1B). Bei Kon­traindikationen für die systemische Thrombolyse oder Therapieversagen wird eine chirurgische Embolektomie (ESC 1C) oder alternativ eine katheterbasierte Thrombusentfernung vorgeschlagen (ESC 2aC). Eine randomisierte Studie mit direktem Vergleich zwischen der systemischen Thrombolyse und der Kathetertherapie gibt es bisher leider nicht. Die randomisierte ULTIMA-Studie (UFH vs. UFH plus ultraschallverstärkte Katheterthrombolyse bei Intermediärrisiko-LE) und zwei prospektive Multizenter-Registerstudien bei Hochrisiko- und Intermediärrisiko-Patienten (mit 92 respektive 150 Patienten) konnten im Vergleich zur systemischen Thrombolyse einen gleich guten Effekt der Katheterthrombolyse auf die rechtsventrikuläre Funktion zeigen, die Rate der Blutungskomplikationen war bei Verwendung der Kathetertherapie jedoch deutlich tiefer, insbesondere wurden keine intrakraniellen Blutungen beschrieben [21–23]. Die Schweizer Experten sind deshalb der Meinung, dass die katheterbbasierte Thrombusentfernung nach Möglichkeit der systemischen Thrombolyse vorgezogen werden sollte.
Abbildung 1: Algorithmus zum Vorgehen bei klinischem Verdacht auf eine Lungenembolie (LE). 1 Falls die CT-Angiographie nicht sofort zur Verfügung steht, sollte eine Echokardiographie mit der Frage nach Zeichen der akuten RV-Belastung durch­geführt werden. Bei positivem Echokardiographiebefund kann eine Reperfusionstherapie eingeleitet werden oder der Befund bei stabilisiertem Patienten mit einer CT-Angiographie bestätigt werden.
2 Bei niedriger/intermediärer (oder «unlikely» im binären System) Vortestwahrscheinlichkeit D-Dimere bestimmen, bei hoher (oder «likely» im binären System) Vortestwahrscheinlichkeit oder positiven D-Dimeren CT-Angiographie durchführen.
3 Diagnosekriterien für eine subsegmentale LE sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
4 Falls bei der diagnostischen Abklärung eine Echokardiographie durchgeführt wurde und diese Zeichen einer RV-Dysfunktion zeigt oder das CT eine 
RV-Vergrösserung (Verhältnis RV über LV von ≥0,9) zeigt, sollten Laborbiomarker bestimmt werden (ausser bei Patienten, bei denen z.B. aufgrund 
von schweren Komorbiditäten oder limitierter Lebenserwartung eine Reperfusionstherapie nicht in Frage kommt).
5 Wurden bei der initialen diagnostischen Abklärung (z.B. wegen Brustschmerzen) bereits positive Laborbiomarker für eine Myokardläsion (z.B. ­erhöhtes Troponin) oder RV-Dysfunktion (z.B. erhöhtes NT-proBNP) gemessen, sollte eine Echokardiographie zur Beurteilung der RV-Funktion in Betracht gezogen werden oder das CT in Bezug auf eine RV- Vergrösserung (neu) beurteilt werden.
6 Falls die Option besteht, den Patienten mit einer subsegmentalen LE nicht zu antikoagulieren, sollte mittels Duplexsonographie eine proximale TVT der unteren Extremitäten sowie an anderen Risikolokalisationen (z.B. TVT der oberen Extremitäten bei zentralvenösem Katheter) ausgeschlossen werden.
7 Patienten mit PESI Class I–II oder sPESI von 0 Punkten, jedoch mit positiven Laborbiomarkern oder bildgebenden Zeichen der RV-Dysfunktion, sollte auch in die Intermediär-Niedrigrisiko-Kategorie eingeteilt werden, da diese Patienten wahrscheinlich keine Kandidaten für eine ambulante Therapie sind.
8 Patienten mit positiven Troponinwerten sollten monitorisiert werden, auch wenn bildgebend keine RV-Dysfunktion besteht.
9 Entscheidung je nach individuellem VTE-Rezidiv- und Blutungsrisiko. Bei Patienten mit erhöhtem Risiko für rezidivierende oder progressive VTE (z.B. hospitalisierte Patienten, reduzierte Mobilität, aktive Krebserkrankung oder kein reversibler VTE-Risikofaktor), mit schlechter kardiopulmonaler 
Reserve oder schwerer Dyspnoe wird eher eine Antikoagulation empfohlen, ansonsten werden eher klinische und duplexsonographische (zum ­Ausschluss einer proximalen TVT) Verlaufskontrollen empfohlen, insbesondere bei erhöhtem Blutungsrisiko.
Abkürzungen: AK = Antikoagulation; CT = Computertomographie; PESI = Pulmonary Embolism Severity Index; RV = rechter Ventrikel; sPESI = simplified PESI; TVT = tiefe Venenthrombose; VTE = venöse Thromboembolie; LV = linker Ventrikel.
Nicht-Hochrisiko-LE Patienten können anhand des PESI oder seiner vereinfachten Form (sPESI) weiter in Intermediärrisiko- und Niedrigrisiko-LE unterteilt werden (ESC 2aB). Bei Letzteren kann eine ambulante Therapie in Betracht gezogen werden, sofern die äusseren Umstände und die Antikoagulation dies erlauben (ESC 2aB). Intermediärrisiko-Patienten können aufgrund von bildgebenden Zeichen der Rechtsherzdysfunktion (z.B. CT, Echokardiographie) und erhöhten Laborbiomarkern (z.B. Troponin, NT-proBNP) weiter in Intermediär-Hochrisiko- (beides positiv) und Intermediär-Niedrigrisiko-Patienten (nur ein Test positiv) unterteilt werden (ESC 2aB). Erstere sollten auf einer Überwachungsstation monitorisiert werden, um bei allfälliger hämodynamischer Verschlechterung zeitnah eine Reperfusionstherapie – vorzugsweise katheterbasiert – durchzuführen (ESC 1B). Intermediär-Niedrigrisiko-Patienten sollten zumindest kurzzeitig hospitalisiert werden.
Die Diagnostik der LE wurde auch in der neuen ACCP-Ausgabe nicht speziell thematisiert, und wir verweisen auf das entsprechende ausführliche Kapitel der ESC-Richtlinien 2014 [20].
Dr. Engelberger erhielt Speaker-Honorare oder Entschädigungen für Teilnahme an Advisory Boards von Bayer HealthCare und Sanofi-Aventis; PD Dr. Stricker erhielt Entschädigungen für Teilnahme an Advisory Boards von Bayer HealthCare, Boehringer-­Ingelheim, Bristol Myers Squibb und Sanofi-Aventis; Prof. Mazzolai erhielt Entschädigungen für Teilnahme an Advisory Boards von Bayer HealthCare, Pfizer und Sanofi-Aventis; Prof. Kucher erhielt Forschungsbeiträge und Speaker-Honorare von Bayer HealthCare, Bristol Myers Squibb, Pfizer und Sanofi-Aventis.
Prof. Dr. med. N. Kucher
Universitätsspital – ­Inselspital
Schweizer Herz- und ­Gefässzentrum
Freiburgstrasse
CH-3010 Bern