Fahreignungsabklärung zur Verlängerung des Führerausweises
Was Allgemeinärzte wissen müssen

Fahreignungsabklärung zur Verlängerung des Führerausweises

Übersichtsartikel
Ausgabe
2017/07
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.02815
Schweiz Med Forum 2017;17(07):155-160

Affiliations
a Policlinique psychogériatrique, Nyon; b Policlinique Médicale Universitaire, Lausanne; c Policlinique Médicale Universitaire, Centre d’évaluation médicale de l’aptitude à la conduite, Lausanne; d Policlinique Médicale Universitaire et Centre Universitaire Romand de Médecine Légale, Lausanne

Publiziert am 14.02.2017

Vor Kurzem wurden wichtige gesetzliche Änderungen bezüglich der Fahreignungsabklärung beschlossen, von denen alle praktizierenden Ärzte betroffen sind. Überdies bieten zahlreiche Ärzteverbände nützliche Empfehlungen für Praktiker an. Nun ist es an der Zeit, die Änderungen in die tägliche Praxis zu integrieren.

Einleitung

Mit Via Sicura, das am 15. Juni 2012 vom Parlament beschlossen wurde, wollen das Bundesamt für Strassen (ASTRA) und der Bund die Verkehrssicherheit verbessern. Ziel des Programms sind weniger Verletzte und Todesopfer auf den schweizerischen Strassen. Dazu werden verschiedene Massnahmen, wie präventive oder repressive Massnahmen bei Delikten sowie Massnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur und zur besseren Durchsetzung bestehender Regeln, gestaffelt in Kraft gesetzt. Vom letzten Punkt sind die Hausärzte betroffen, welche zukünftig den Massnahmen zur Qualitätssicherung bei Fahreignungsuntersuchungen unterliegen. Diese haben zum Ziel, die verkehrsmedizinische Fahreignungsabklärung in der gesamten Schweiz zu standardisieren.

Stufen und Anforderungen 
für die Anerkennung

Die Änderungen, welche die Ärzte direkt betreffen, sind seit 1.7.2016 infolge der Revision der Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (VZV) in Kraft. Seit diesem Zeitpunkt dürfen nur noch Ärzte mit den geforderten Qualifika­tionen, die von der kantonalen Behörde anerkannt wurden, die Fahreignungsabklärungen durchführen. Die Anforderungen, welche die Ärzte erfüllen müssen, sind gesetzlich geregelt. Es gibt vier Ärztestufen, die auf aufeinander aufbauenden Modulen beruhen. Das heisst, dass die jeweils vorhergehende Stufe erworben werden muss, um die nächste Stufe zu erreichen.
– Stufe 1: Ärzte mit der Anerkennung, alle 2 Jahre die Kontrolluntersuchungen von Senioren ab 70 Jahren durchzuführen. Ausbildung: Selbstdeklaration, über die entsprechenden Kompetenzen für diese Untersuchungen zu verfügen (auf der Website www.medtraffic.ch) oder ein eintägiger (von der FMH anerkannter) Kurs. Die Voraussetzungen müssen bis spätestens 31.12.2017 (Übergangsperiode) erfüllt sein. Alle 5 Jahre müssen die Ärzte per Selbstdeklaration oder durch eine halbtägige Weiterbildung ihre Kompetenzen nachweisen.
– Stufe 2: Ärzte, welche über die Kompetenzen ver­fügen, die Fahreignung von Berufsfahrern bis zum Alter von 50 Jahren alle 5 und danach alle 3 Jahre ­abzuklären. Sie müssen Stufe 1 und einen eintägigen Zusatzkurs absolviert haben.
– Stufe 3: Zweituntersuchung nach unklarem Ergebnis der Fahreignungsabklärung durch einen Arzt der Stufe 1 oder 2. Erstuntersuchung in speziellen Fällen: insbesondere bei Bewerbern über 65 Jahre, Personen mit Körperbehinderungen, mit schweren Verletzungen oder Krankheiten beziehungsweise bei einer Meldung der IV oder eines Arztes. Voraussetzungen sind eine fachliche und eine Weiterbildung in der Erstellung von Gutachten.
– Stufe 4: Verkehrsmediziner, die alle komplexen Fragen beantworten und alle verkehrsmedizinischen Untersuchungen durchführen können. Für die Anerkennung der Stufe 4 ist eine Ausbildung zum Verkehrsmediziner erforderlich, für die der Arzt zwei Jahre in einem Zentrum für Verkehrsmedizin tätig gewesen sein und eine anerkannte Prüfung bestanden haben muss.
Fachärzte wie Augenärzte, die für einen Teil der Fahreignungsabklärung herangezogen werden können, müssen keine Anerkennung erwerben.
Die Ausbildung erfolgt durch die Schweizerische Gesellschaft für Rechtsmedizin (SGRM) gemäss Art. 5h. Die in Form von Modulen aufgebauten Kurse sind schweizweit einheitlich. Ärzte können sich auf der Internetplattform www.medtraffic.ch registrieren, wo sie sich für Kurse anmelden und ihre Ausbildung verwalten können. Die Registrierung ist für alle Ärzte mit eidgenössischem oder ausländischem Weiterbildungstitel unter 70 Jahren möglich. Die Anerkennungen sind 5 Jahre gültig und werden in Stufe 2 und 3 nach einer vierstündigen verkehrsmedizinischen Fortbildung verlängert. Die Anerkennung endet am Ende des 70. ­Altersjahres.

Durchführung der Untersuchungen und Meldung der Ergebnisse: Art. 5i der VZV

Den Ärzten werden alle Akten zur Verfügung gestellt, welche die Fahreignung der zu untersuchenden Person betreffen. Ärzte, welche die verkehrsmedizinische Untersuchung durchführen, sind nicht verpflichtet, die entsprechenden Formulare für ihre persönliche Beurteilung zu nutzen (Anhang 2 und 2a). Die Unter­suchungsergebnisse (die Beurteilung) sind jedoch per Formular (Anhang 3 und 3a) direkt an die kantonalen Behörden weiterzuleiten. Aufgrund des Fälschungs­risikos dürfen sie der untersuchten Person nicht mehr ausgehändigt werden. Bei Zweifeln an der Fahreignung oder nicht schlüssigem Untersuchungsergebnis kann der Arzt bei der kantonalen Behörde eine zusätzliche Untersuchung durch einen Arzt mit einer Anerkennung einer höheren Stufe beantragen. Die Untersuchung von über 70-jährigen Personen muss durch einen Arzt der Stufe 3 erfolgen, welcher ihre Fahreignung besser beurteilen kann (Ärzte der Stufe 2 sind auf Führerausweise von Berufsfahrern spezialisiert). Die Kosten für diese Untersuchungen gehen zu Lasten der untersuchten Person.

Verpflichtende verkehrsmedizinische Untersuchungen für Fahrzeugführer

Inhaber eines Führerausweises der Kategorien C und D sowie der Unterkategorien C1 und D1 sowie Fahrzeugführer mit einer Anerkennung zum berufsmäs­sigen Personentransport (Code 121) müssen bis zum Alter von 50 Jahren alle 5, bis zum Alter von 70 Jahren alle 3 und danach alle 2 Jahre eine Kontrollunter­suchung durchführen lassen. Inhaber eines Führerausweises der Kategorien A und B sowie der Spezialkategorien F, G und M (private Fahrten) müssen ab dem Alter von 70 Jahren alle 2 Jahre ihre Fahreignung überprüfen lassen. Eine Anhebung auf 75 Jahre ist im Gespräch, jedoch noch nicht in Kraft getreten. Diese Frist kann von der kantonalen Behörde auf Antrag eines Arztes verkürzt werden. Überdies kann das Strassenverkehrsamt eine Kontrolluntersuchung bei Personen anordnen, die an schweren körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen gelitten haben oder leiden.

Medizinische Mindestanforderungen (gemäss Anhang 1 der VZV)

Die frühere Unterteilung in drei Führerausweiskategorien wurde zugunsten einer Unterteilung in zwei Gruppen, wie in der Europäischen Union üblich, abgeschafft. Psychische Störungen und neurologische Erkrankungen sind nun zwei unterschiedlichen Rubriken zugeordnet. Die Krankheiten der Atem- und Bauch­organe wurden zusammengefasst, ebenso wie alle Krankheiten des Bewegungsapparats. Aufgrund der Wichtigkeit von Diabetes gibt es jetzt eine Rubrik für Stoffwechselerkrankungen.

Sehvermögen

Der von einem Arzt oder Optiker mit einem in der Schweiz anerkannten Diplom durchgeführte Sehtest darf zum Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs nicht mehr als 24 Monate zurückliegen. Die Mindestanforderungen bezüglich Sehschärfe und Gesichtsfeldeinschränkungen sind infolge der Anpassung an die europäischen Normen geringer geworden (Tab. 1). Nichtsdestotrotz müssen Fehlsichtigkeiten soweit möglich und verträglich korrigiert werden (Art. 7). Liegt eine Sehschärfe beim besseren Auge <0,7 oder beim schlechteren Auge <0,2 vor, ist das Gutachten eines Augenarztes einzureichen. Bei Werten ≥0,7 und ≥0,2 mit Sehhilfe ist kein augenärztliches Gutachten erforderlich, das Tragen einer Sehhilfe jedoch verpflichtend (Code 01). Zur Beurteilung der Sehschärfe wird die Snellen-Sehtafel verwendet. Ist die Sehschärfe aufgrund eines refraktiven Fehlers unzureichend, genügt eine zusätzliche Kontrolluntersuchung beim Optiker. Das Gesichtsfeld wird mittels Konfrontationstest gemessen. Der Test zum stereoskopischen Sehen (Lang-Test) ist kein Bestandteil der Mindestanforderungen mehr. Das stereoskopische Sehen spielt nur auf kurze Entfernung eine Rolle und ist für den Strassenverkehr nicht zwingend erforderlich. Bei Verdacht auf Gesichtsfeldeinschränkungen, Doppelsehen oder eine chronische Augenkrankheit muss eine Untersuchung beim Augenarzt durchgeführt werden.
Tabelle 1: Anforderungen an das Sehvermögen von Berufs- und privaten Fahrern (gemäss Anhang 1 der VZV).
SehvermögenGruppe 1 (private Fahrer)Gruppe 2 (Berufsfahrer)
SehschärfeAuf einem Auge mindestens 0,5
auf dem anderen mindestens 0,2

Einäugiges Sehen 0,6
Auf einem Auge mindestens 0,8
auf dem anderen mindestens 0,5
GesichtsfeldBeidäugiges Sehen:
– Gesichtsfeld horizontal minimal 120°
– Erweiterung nach links und rechts minimal 50°
– Erweiterung nach oben und unten minimal 20°
– ­Das zentrale Gesichtsfeld muss bis 20° normal sein.
Beidäugiges Sehen:
– Gesichtsfeld horizontal minimal 140°
– Erweiterung nach links und rechts minimal 70°
– Erweiterung nach oben und unten minimal 30°
– Das zentrale Gesichtsfeld muss auf jedem Auge bis 30° normal sein.
DoppelsehenKeine einschränkenden DoppelbilderKeine Doppelbilder, normale Augenbeweglichkeit
DämmerungssehenKeine wesentliche Einschränkung des ­DämmerungssehensKeine wesentliche Einschränkung des Dämmerungssehens
BlendempfindlichkeitKeine wesentlich erhöhte BlendempfindlichkeitKeine wesentlich erhöhte Blendempfindlichkeit
Hörvermögen– Hörweite für Konversationssprache beidseitig 3 m, bei einseitiger Taubheit 6 m
– Keine schweren Erkrankungen des Innen- oder Mittelohres
– Das Tragen eines Hörgeräts ist nicht mehr ­untersagt.

Hörvermögen

Für die erste Gruppe bestehen, selbst bei monokularem Sehen, keine Einschränkungen für gehörlose Personen mehr. Für die zweite Gruppe muss der Fahrzeugführer keine Mindestanforderungen ohne Hörgeräte mehr erfüllen. Sind Letztere erforderlich, um die Mindestanforderungen zu erreichen, muss ihre verpflichtende Verwendung in der medizinischen Beurteilung und im Führerausweis aufgeführt werden (Code 02).

Alkohol, Betäubungsmittel und psychotrop wirksame Medikamente

Es ist weder eine Abhängigkeit noch ein verkehrsrelevanter Missbrauch von Substanzen zulässig. Für die zweite Gruppe ist überdies keine Substitutionsbehandlung (z.B. Methadon) erlaubt.
Bezüglich psychotrop wirksamer Medikamente wurde von einer internationalen Arbeitsgruppe eine Liste erstellt, die im Internet abrufbar ist [1]. Dort sind die Substanzen in drei Gefahrenkategorien unterteilt. In Frankreich gibt es eine vergleichbare Klassifikation der «Agence Nationale de Sécurité du Médicament» (Nationale Agentur für die Sicherheit von Arzneimitteln und Gesundheitsprodukten, ANSM) [2]. Kurz gesagt, stellen Medikamente der Klasse 1 kein Problem dar und Medikamente der Klasse 2 (z.B. Opiate, Neuroleptika und bestimmte Antidepressiva) sind nach einer Eingewöhnungszeit zulässig. Bei Medikamenten der Klasse 3 (die meisten Benzodiazepine) sollte das Fahren hingegen in den ersten 8 Stunden nach der Medikamenteinnahme unterbleiben. Die Patienten müssen über mögliche ­Nebenwirkungen jeder neuen verschriebenen Behandlung informiert und darauf hingewiesen werden, das Fahren bei Gefährdung der Verkehrstauglichkeit zu unterlassen. Dies ist ferner in der Patientenakte zu vermerken.

Psychische Störungen

Die Richtlinien bleiben vage, da nur allgemein ange­geben wird, dass «keine psychischen Störungen mit bedeutsamen Auswirkungen auf die realitätsgerechte Wahrnehmung, die Informationsverarbeitung und -bewertung, das Reaktionsvermögen oder die situationsgerechte Verhaltenssteuerung» vorliegen dürfen. Daraus folgt, dass ein Patient mit einer kontrollierten psychiatrischen Erkrankung verkehrstauglich sein kann (nicht verkehrsrelevante Symptome dürfen vorliegen) und dieser im Falle einer dekompensierten oder schweren Erkrankung (schwere depressive Störung, manische Episode, akute psychotische Störung) fahruntauglich wird. Die zweite Gruppe darf darüber hinaus «keine ­rezidivierenden oder phasenhaft verlaufenden erheblichen affektiven oder schizophrenen Störungen» aufweisen.

Hirnleistungsstörungen

Die neuropsychologischen Funktionen dürfen nicht bedeutsam beeinträchtigt sein, was im Wortlaut von Anhang 1 der VZV wie folgt zum Ausdruck kommt: «Keine Krankheiten oder organisch bedingten psychischen Störungen mit bedeutsamer Beeinträchtigung von Bewusstsein, Orientierung, Gedächtnis, Denkvermögen, Reaktionsvermögen oder andere Hirnleistungsstörungen. Keine Beeinträchtigung von verkehrsrelevanten Leistungsreserven.» Die Kurzevaluation bestimmter kognitiver Funktionen sollte mittels «Mini Mental State Examination» (MMSE), Uhrentest sowie «Trail Making Test B» (Zahlen-Verbindungs-Test) erfolgen. Bei schweren Beeinträchtigungen in diesen Tests (insbesondere einer MMSE <25 und einem Uhrentest unter 5/7 Punkten) bestehen starke Zweifel an der Fahreignung und es wird eine geratrische/neuropsycholo­gische Fachuntersuchung empfohlen [3]. Bei Demenz ist die «Clinical Dementia RatingScale» (CDR) ein wichtiger Indikator [4]. Anhand des CDR-Score, für den die Einschätzung eines Angehörigen erforderlich ist, kann der Schweregrad der Demenz (von 0 = keine Demenz bis 3 = schwere Demenz) anhand eines strukturierten Fragebogens zu sechs Funktionen (Gedächtnis, Orientierung, Urteilsvermögen, Leben in der Gemeinschaft, Hobbys und Körperpflege) beurteilt werden. Eine leichte Beeinträchtigung (CDR = 0,5) bereitet kaum Probleme, während ein CDR ab 1 ein Risiko für eine ziemlich ­rasche Verschlechterung der Fahreignung darstellt [5]. Bei CDR 1 sollte demzufolge insbesondere bei Unfällen und/oder «Parkremplern» beziehungsweise bei Besorgnis eines Angehörigen empfohlen werden, auf das Führen eines Motorfahrzeugs zu verzichten [3].
Die CDR-Tabelle ist auf Englisch abrufbar auf der Webseite des Knight Alzheimer’s Disease Research Center (Knight ADRC) der Washington University School of Medicine, St. Louis, unter http://alzheimer.wustl.edu/cdr/cdr.htm.

Neurologische Erkrankungen

«Keine Erkrankungen oder Folgen von Verletzungen oder Operationen des zentralen oder peripheren Nervensystems mit bedeutsamen Auswirkungen auf die Fähigkeit zum sicheren Führen eines Motorfahrzeugs. Keine Bewusstseinsstörungen oder -verluste. Keine Gleichgewichtsstörungen.» Jeder Fahrzeugführer muss die körperlichen und psychischen Anforderungen ­erfüllen, um ein Fahrzeug sicher zu lenken. Nach ­einem Schlaganfall kann die Fahreignung bei Hemi­neglect, schweren motorischen Störungen oder Bewusstseinsveränderungen aufgehoben werden. Wenn die Ursache des Schlaganfalls bekannt ist, muss diese engmaschig überwacht werden, um das Rezidivkrisiko zu verringern.
Epileptiker werden ausschliesslich bei befürwortender Beurteilung eines Facharztes für Neurologie zum Strassenverkehr zugelassen. Die Verkehrskommission der Schweizerischen Liga gegen Epilepsie hat im Februar 2015 ihre Richtlinien aktualisiert. Bei einer aktiven Epilepsie ist die Fahrtauglichkeit aufgehoben. Eine Erst- oder Wiederzulassung als Motorfahrzeugführer kann in der Regel erfolgen, wenn eine Anfallsfreiheit (mit oder ohne Antiepileptikum) von einem Jahr besteht. Unter bestimmten Bedingungen kann sich diese Frist verkürzen oder verlängern. Die Details sind auf der Website der Fachorganisation einsehbar [6]. Die Schweizerische Liga gegen Epilepsie stellt auf ihrer Website ein Formular zur Verwendung in der Arzt­praxis zur Verfügung.

Kardiovaskuläre Erkrankungen

Im Allgemeinen ist keine Erkrankung mit einem er­höhten Risiko des Auftretens von Angina pectoris im Ruhezustand, Unwohlsein oder Bewusstseinsveränderungen zulässig. In der ersten Gruppe sind keine er­heblichen Blutdruckanomalien zulässig. Berufsfahrern wird die Fahreignung erteilt, wenn der Blutdruck durch eine Behandlung normalisiert werden kann. Bei einer Herzerkrankung ist ein Belastungstest vorgeschrieben und schwere Herzrhythmusstörungen sind nicht zulässig.
Es gibt keine Schweizerischen kardiologischen Richtlinien oder Empfehlungen, was sich jedoch eventuell in den kommenden Jahren ändert. In der Zwischenzeit können wir uns nach den Empfehlungen der europäischen Gesellschaften für Kardiologie richten. In jedem Fall sollte ein Kardiologe zurate gezogen werden.

Stoffwechselerkrankungen

Von einer Arbeitsgruppe der Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie wurden im Jahr 2015 neue Richtlinien erlassen [7]. In der 2. Gruppe gibt es eine strengere Regelung für Personen mit einem Führerausweis der Kategorien D oder D1 (Bus oder Kleinbus). Selbst bei geringem Hypoglykämierisiko ist die Fahreignung für Berufsfahrer der Kategorien D und D1 ausgeschlossen. In der Tat sind Diabetes und even­tuelle Hypoglykämien aufgrund der einzuhaltenden ­Zeitpläne und der Unmöglichkeit, die Fahrt auf langen Strecken häufig zu unterbrechen, schwierig zu handhaben. Inhaber von Führerausweisen der Kategorien C und C1 (Lastkraftwagenfahrer) sowie Taxifahrer unter Medikamenten mit Hypoglykämierisiko können unter bestimmten Bedingungen dennoch fahrgeeignet sein. Es gibt vier Hypoglykämierisikostufen (Tab. 2). Diese richten sich nach der blutzuckersenkenden Behandlung und der persönlichen Krankengeschichte. Glicazid in Retardform ist der einzige Sulfonylharnstoff mit ­geringem Hypoglykämierisiko.
Tabelle 2: Massnahmen für Fahrzeugführer entsprechend des Hypoglykämierisikos.
  Massnahmen für Fahrzeugführer 
der Gruppe 1Massnahmen für Fahrzeugführer 
der Gruppe 2
Kein RisikoKeine Behandlung mit Insulin, Sulfonylharnstoffen oder GlinidenKeine Bedingungen Alle 1 bis 2 Jahre eine medizinische ­Beurteilung des behandelnden Arztes
Tiefes RisikoBehandlung mit analogem Basalinsulin allein 1× täglich oder mit Gliclazid oder Gliniden (keine Kombination dieser 
Therapien)Keine Bedingungen, aber Empfehlungen: 
– Einfache MassnahmenKeine Fahreignung für die Kategorien D und D1
Einfache Massnahmen
Einmal jährlich eine medizinische Beur­teilung des behandelnden Diabetologen oder Arztes:
– Keine Hypoglykämie Grad II und III
Erhöhtes RisikoBehandlung mit Insulin (kein analoges Basalinsulin) oder analoges Basalinsulin 1× täglich in Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Substanzen und/oder Sulfonylharnstoffen (ausser Gliclazid)Keine Bedingungen, aber Empfehlungen:
– Verschärfte MassnahmenKeine Fahreignung für die Kategorien D und D1
Verschärfte Massnahmen
Einmal jährlich eine medizinische 
Beurteilung des behandelnden Diabe­tologen oder Arztes:
– Keine Hypoglykämie Grad II und III
– Kontinuierliche Blutzuckermessung 
oder 6–8 Blutzuckermessungen täglich
Hohes RisikoBehandlung mit anderem Insulin als 
analoges Basalinsulin allein oder Kombi­nation von analogem Basalinsulin 1× 
täglich mit anderen blutzuckersenkenden Substanzen und/oder Behandlung mit 
Sulfonylharnstoffen (ausser Gliclazid) 
und erschwerende Begleitumstände:
– Vorkommen einer schweren Hypoglyk­ämie Grad II oder III in den letzten 2 Jahren
– eine fehlende Hypoglykämiewahrnehmung (Clarke Score 4 oder mehr Punkte)
– seit über 20 Jahren bestehender Diabetes mit Niereninsuffizienz (GFR <45 ml/min)
Verschärfte Massnahmen
Günstige Beurteilung des behandelnden Diabetologen:
– Keine vor Kurzem aufgetretene 
Hypoglykämie Grad II und III
– Kontinuierliche Blutzuckermessung oder 6–8 Blutzuckermessungen täglich
Keine Fahreignung für die Kategorien D und D1
Verschärfte Massnahmen
Alle 6 Monate eine medizinische Beur­teilung des behandelnden Diabetologen oder Arztes:
– Keine Hypoglykämie Grad II und III seit mindestens 3 Monaten
– Kontinuierliche Blutzuckermessung 
oder 6–8 Blutzuckermessungen täglich
Einfache Massnahmen:
– Stets 20 g schnell verfügbaren Zucker und ein Blutzuckermessgerät im Fahrzeug aufbewahren.
– Beim Gefühl einer Unterzuckerung sofort anhalten.

Verschärfte Massnahmen:
– Messen des Blutzuckerspiegels vor der Fahrt und kein Fahren, falls Blutzuckerspiegel unter 5 mmol/l. In diesem Fall muss der Blutzuckerspiegel durch die Einnahme von 20 g schnell verfügbarem Zucker (z.B 4 Stücken Würfelzucker) korrigiert und nach 20 Minuten kontrolliert werden.
– Nach einer Hypoglykämie mindestens 30 Minuten warten, bis die Weiterfahrt angetreten wird.
– Stets 20 g schnell verfügbaren Zucker im Fahrzeug aufbewahren.
– Beim Gefühl einer Unterzuckerung sofort anhalten und 20 g schnell verfügbaren Zucker einnehmen.
– Bei langen Fahrten alle 60–90 Minuten eine Pause einlegen und den Blutzuckerspiegel kontrollieren.

Die medizinische Beurteilung des behandelnden Diabetologen muss, neben einem gut eingestellten Diabetes und guter Therapieadhärenz, ein gutes Krankheitsverständnis 
und das Fehlen verkehrsrelevanter Komplikationen, welche die Fahreignung beeinträchtigen könnten, bescheinigen.

Krankheiten der Atem- und Bauchorgane

«Keine Erkrankungen mit erhöhter Tagesschläfrigkeit und keine anderen Erkrankungen oder Einschränkungen, die sich auf die Fähigkeit zum sicheren Führen ­eines Motorfahrzeugs auswirken.» Bei einem Schlaf­apnoesyndrom ist die Fahreignung nicht aufgehoben, wenn es nicht mit pathologischer Tagesschläfrigkeit (Epworth-Score ≥10/24) einhergeht oder diese durch eine Behandlung nicht vorhanden ist. In letzterem Fall müssen sich Berufsfahrer Kontrollen zur Beurteilung der Therapieadhärenz und der Wirksamkeit der Behandlung unterziehen (in der Regel einer CPAP-Kon­trolle 1×/Jahr).
Demnächst soll eine neue Richtlinie entsprechend ­Literaturangabe 8 veröffentlicht werden.

Krankheiten der Wirbelsäule und 
des Bewegungsapparates

Für beide Gruppen gelten dieselben Anforderungen. Es sind keine Missbildungen, Erkrankungen, Lähmungen, Folgen von Verletzungen oder Operationen, die nicht durch Einrichtungen genügend korrigiert werden können, zulässig.

Das Wichtigste für die Praxis

• Jeder Allgemeinarzt, der Fahreignungsabklärungen durchführen möchte, muss sich auf der Internetplattform www.medtraffic.ch registrieren.
• In Anhang 1 der VZV sind die gesetzlich vorgeschriebenen medizinischen Mindestanforderungen für die Fahreignung geregelt. Diese wurden am 1.7.2016 geändert.
• Die frühere Unterteilung in drei Führerausweiskategorien wurde zugunsten einer Unterteilung in zwei Gruppen, wie in der Europäischen Union üblich, abgeschafft.
• Ärzte, die ihre Patienten therapeutisch betreuen, sind gesetzlich nicht verpflichtet, fahruntaugliche Patienten zu melden. Wenn sie dies tun, sind sie jedoch von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden. Bei einem Fahreignungsgutachten für das Strassenverkehrsamt sind Ärzte hingegen vollumfänglich haftbar und müssen Fahruntauglichkeit melden.
• Schätzen Ärzte einen Patienten während der therapeutischen Betreuung als fahruntauglich ein, müssen sie dies in der Patientenakte vermerken.
• Bei Diabetikern sind künftig die Hypoglykämierisikostufen zu beachten, um bestimmte Empfehlungen aussprechen zu können.
• Beim Vorliegen einer Demenz stellt eine Punktzahl ab 1 gemäss «Clinical Dementia Rating Scale» ein Risiko für eine ziemlich rasche Verschlechterung der Fahreignung dar.

Das Wichtigste für die Praxis

• Jeder Allgemeinarzt, der Fahreignungsabklärungen durchführen möchte, muss sich auf der Internetplattform www.medtraffic.ch registrieren.
• In Anhang 1 der VZV sind die gesetzlich vorgeschriebenen medizinischen Mindestanforderungen für die Fahreignung geregelt. Diese wurden am 1.7.2016 geändert.
• Die frühere Unterteilung in drei Führerausweiskategorien wurde zugunsten einer Unterteilung in zwei Gruppen, wie in der Europäischen Union üblich, abgeschafft.
• Ärzte, die ihre Patienten therapeutisch betreuen, sind gesetzlich nicht verpflichtet, fahruntaugliche Patienten zu melden. Wenn sie dies tun, sind sie jedoch von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden. Bei einem Fahreignungsgutachten für das Strassenverkehrsamt sind Ärzte hingegen vollumfänglich haftbar und müssen Fahruntauglichkeit melden.
• Schätzen Ärzte einen Patienten während der therapeutischen Betreuung als fahruntauglich ein, müssen sie dies in der Patientenakte vermerken.
• Bei Diabetikern sind künftig die Hypoglykämierisikostufen zu beachten, um bestimmte Empfehlungen aussprechen zu können.
• Beim Vorliegen einer Demenz stellt eine Punktzahl ab 1 gemäss «Clinical Dementia Rating Scale» ein Risiko für eine ziemlich rasche Verschlechterung der Fahreignung dar.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Prof. Dr. med. Bernard Favrat
Policlinique Médicale ­Universitaire et
Centre Universitaire ­Romand de Médecine Légale
Rue du Bugnon 44
CH-1011 Lausanne
1 The international council on alcohol, drugs and traffic safety (www.icadts.nl) (Homepage on the internet).
2 Agence nationale de sécurité du médicament (ansm.sante.fr) (Homepage on the internet). Médicaments et conduite automobile (updated 2009).
3 Büla C, Eyer S, Von Gunten A, Favrat B, Monod S. Conduite automobile et troubles cognitifs: comment anticiper? Rev Med Suisse. 2011;316:2184–9.
4 Morris JC. The Clinical dementia rating (CDR): Current version
and scoring rules. Neurology. 1993;43:2412–4.
5 , , , , , , et al. Longitudinal driving performance in early-stage dementia of the Alzheimer type. J Am Geriatr Soc. 2003;51:1342–7.
6 Schweizerische Liga gegen Epilepsie (Homepage im Internet). Führerschein und Epilepsie (aktualisiert 2015).
7 Diabetesschweiz (Homepage im Internet). Schweizerische Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie. Richtlinien bezüglich Fahreignung und Fahrfähigkeit bei Diabetes mellitus (aktualisiert 2015).
8 Mathis J, Seeger R, Kehrer P, Wirtz G. Fahreignung bei Schläfrigkeit. Empfehlungen für Ärzte bei der Betreuung von Patienten mit vermehrter Schläfrigkeit. Swiss Medical Forum. 2007;7:328–32.