Dabigatran oder Rivaroxaban bei Vorhofflimmern?

Dabigatran oder Rivaroxaban bei Vorhofflimmern?

Und anderswo ...?
Ausgabe
2017/13
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.02868
Schweiz Med Forum 2017;17(13):297

Publiziert am 28.03.2017

Dabigatran oder Rivaroxaban bei ­Vorhofflimmern?

Fragestellung

Vitamin-K-Antagonisten sind die älteste Behandlung zur Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern (VHF). Ihr Preis ist ein erhöhtes Risiko für intra- und extrakranielle Blutungen. Zudem kann es schwierig sein, die Pa­tienten im therapeutisch wirksamen Bereich zu halten. Später kamen die neuen oralen Antikoa­gulanzien (NOAK) auf den Markt. Dabigatran (D) ist ein direkter Thrombin-Inhibitor und Rivaroxaban (R) ein Faktor-Xa-Inhibitor. Mehrere Studien haben entweder die Über- oder die Nichtunterlegenheit der NOAK in der Schlaganfallprävention bei nicht-valvulärem VHF im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten gezeigt. Bei den NOAK besteht ebenfalls ein Blutungsrisiko, das sich jedoch zwischen D und R zu unterscheiden scheint. Diese Daten stammen aus der RE-LY und der ROCKET-AF-Studie. Dabei handelte ­es sich jedoch nur um einen indirekten Vergleich. Daher war ein ­direkter Vergleich des Blutungsrisikos von D und R erforderlich, was in der nachfolgend zusammen­gefassten Studie geschehen ist.

Methode

In die Studie wurden Patienten >65 Jahre eingeschlossen, die bei der amerikanischen Versicherungsgesellschaft Medicare versichert waren. Sie wurden zwischen Ende 2012 und Juni 2014 rekrutiert. Ihr Einschluss erfolgte ab der Verschreibung von 2 × täglich 150 mg Dabigatran oder 20 mg Rivaroxaban/Tag und sie wurden bis zum Ende oder der Nichterneuerung der Verschreibung innerhalb von 3 Tagen nachbeobachtet. Primäre Endpunkte waren ein thromboembolischer Schlaganfall, eine intrakranielle Blutung, eine schwere extrakranielle Blutung oder Tod.

Resultate

Es wurden etwa 120 000 Patienten eingeschlossen. Dabei wurden statistische An­passungen vorgenommen, um die D- und ­R-Gruppe vergleichen zu können. ~52 000 Patienten erhielten D und ~66 000 R. R wies ein deutlich erhöhtes Risiko für intrakranielle, HR 1,65 und schwere extrakranielle Blutungen, HR 1,48, auf, jedoch ohne höhere Sterblichkeit. Bezüglich der Prävention von Schlaganfällen und anderen embolischen Ereignissen waren beide Medikamente gleich wirksam.

Probleme

Das Follow-up ist mit durchschnittlich 4 Monaten kurz, einige Patienten wurden jedoch bis zu 300 Tage nachbeobachtet. Bei der Studie handelt es sich um eine retrospektive ­Beobachtungsstudie, obgleich unerkannte Stör­faktoren möglich sind. Es wurden lediglich Pa­tienten >65 Jahre (Mindestalter für die Ver­sicherung bei Medicare) eingeschlossen und es ist unbekannt, ob der festgestellte Unterschied auch auf jüngere Patienten zutrifft.

Kommentar

Diese Studie ist sehr wichtig. Der Grund für den Anstieg des Blutungsrisikos unter Riva­roxaban ist unbekannt. Eventuell spielt die Pharmakokinetik eine Rolle: Rivaroxaban wird 1 ×, Dabigatran 2 × täglich verabreicht. Die Halbwertszeiten sind in etwa vergleichbar. Mö­glicherweise ist die Wirkspitze der Antikoagulation bei R ausgeprägter als bei D. Dessen Antikoagulationswirkung ist stabiler, wodurch auch das Blutungsrisiko geringer ausfällt. Einer der Pluspunkte der Studie besteht darin, dass die Daten unter Alltagsbedingungen erfasst wurden, da die Patienten ambulant behandelt und von ihrem Arzt ­betreut wurden. Daher sollte, wie auch ein Editorialist schreibt, in dieser Population ­Dabigatran der Vorzug vor Rivaroxaban ge­geben werden.
Graham DJ, et al. JAMA Int Med. 2016;
176:1662–71.

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