Allergie auf Penicillin
Oft nur vermeintlich

Allergie auf Penicillin

Übersichtsartikel
Ausgabe
2017/10
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.02892
Schweiz Med Forum 2017;17(10):236-240

Affiliations
a Allergologisch-Immunologische Poliklinik, Universitätsklinik für Rheumatologie, Immunologie und Allergologie, Inselspital, Universitätsspital Bern
b Praktizierender Internist, Mörigen/BE

Publiziert am 08.03.2017

In der ärztlichen Praxis erwähnen Patienten nicht selten, an einer Penicillinallergie zu leiden. Oft handelt es sich bei einer vermeintlichen Allergie um gängige ­Nebenwirkungen wie Diarrhoe, Nausea oder Bauchschmerzen. Die allergologische Abklärung hilft zu entscheiden, ob und welche Betalactam-Antibiotika in Zukunft eingesetzt werden können.

Einleitung

Etwa 10% der Patienten erwähnen bei der ärztlichen Untersuchung, unter einer Penicillinallergie zu leiden [1]. Die Mehrheit von ihnen, nämlich 85–90%, wird im Falle einer Behandlung Penicilline beziehungsweise Betalaktam-Antibiotika jedoch gut vertragen [2]. Man schätzt , dass potentiell gefährliche, IgE-vermittelte Reaktionen 1–2× pro 10 000 Penicillinverabreichungen auftreten [3]. Anderseits ist die Häufigkeit von Spättypreaktionen, den typischen Arzneimittelexanthemen (makulopapulöses Exanthem), nicht bekannt. Diarrhoe, Nausea oder lokaler Soorbefall sind mögliche Folgeerscheinungen einer antibiotischen Behandlung und keine Allergie. Grunderkrankungen wie beispielsweise eine rezidivierende/chronische Urtikaria können unter einer Penicillintherapie exazerbieren und als vermeintlich allergische Reaktion interpretiert werden. Durch eine detaillierte Anamnese können aufwendige und kostspielige Untersuchungen meist vermieden werden.
Ein Infekt per se kann unter der Behandlung mit einem Penicillinpräparat und ohne eine zugrunde liegenden Penicillinallergie zu kutanen, aber auch respiratorischen Symptomen führen. Aber es sind auch Verläufe von Patienten beschrieben, bei denen eine gesicherte Penicillinallergie nach Jahren nicht mehr nachweisbar war [4]. Bei einer Hochdosis-Behandlung mit Penicillinen sind auch toxische Reaktionen möglich, welche verschiedene Organe (Nephritis, Hepatitis etc.) betreffen können [5].
Meist werden bei einer mutmasslichen Penicillinallergie sämtliche Betalactam-Antibiotika gemieden. Infolgedessen werden andere und teurere Breitspektrum-Antibiotika verschrieben, welche das Erregerspektrum nicht immer optimal abdecken und die Bildung resistenter Keime fördern können.

Klinische Aspekte

Hypersensitivitätsreaktionen auf Penicilline können sich in unterschiedlicher Form äussern. Die seit 1967 bekannte und überarbeitete Klassifikation nach Gell und Coombs hilft, eine Einteilung anhand des immunologischen Pathomechanismus vorzunehmen. Bei Penicillinallergien spielen vor allem die Typ-I- (IgE-vermittelt) sowie die Typ-IV-Reaktion (T-Zell-vermittelt) eine Rolle, wobei sich die Pathomechanismen überlappen. Im klinischen Alltag erfolgt die Unterscheidung aufgrund des zeitlichen Ablaufes der Reaktion (Latenzzeit zwischen Medikamenteneinnahme und Symptomatik) zwischen Soforttyp- und Spättypreaktionen [6].

Soforttypreaktionen

Die Soforttypreaktion tritt typischerweise rasch nach Einnahme oder Applikation auf [6]. Bei der parenteralen Gabe eines Penicillinantibiotikums kann dies innerhalb von Sekunden bis Minuten sein. Zu den ­häufigsten Erstsymptomen gehören Juckreiz (oft palmoplantar, Kopfhaut), Flush, Urtikaria, Angioödeme und Dyspnoe. Selten werden gastrointestinale Reaktionen assoziiert mit kutanen Erscheinungen beobachtet. Schwere Allgemeinreaktionen zeigen sich in Form von akuter Hypotonie, kardialen Arrhythmien bis hin zur Asystolie, Bewusstseinseintrübung. Diese akuten und bedrohlichen Ereignisse werden mehrheitlich nach parenteralen Gaben beobachtet (Tab. 1).
Tabelle 1: Gefahrenzeichen bei Soforttypreaktionen sowie Risikofaktoren.
Schnelligkeit des Auftretens
Angioödeme, insbesondere der Zunge, Heiserkeit, 
Schluckstörung
Grosse Ausdehnung der Urtikaria
Bronchospasmus
Gastrointestinale Symptome
Hypotonie/Bewusstlosigkeit
Risikofaktoren für schwere Reaktion: Alter über 50, 
koronare Kardiopathie, Betablocker-Behandlung, 
Mastozytose, Behandlung mit Antihypertensiva

Spättypreaktionen

Allergische Reaktionen vom Spättyp äussern sich vorwiegend kutan mit Makulae, Papeln, Pusteln und sehr selten auch mit Blasen. Typisch bei Penicillinallergien sind die makulopapulösen Exantheme (Abb. 1). Diese treten oft am 8.–12. Behandlungstag auf, können sich aber auch erst nach Sistieren einer Therapie zeigen [7].
Abbildung 1: Makulopapulöses Exanthem.
Die Latenzzeit zwischen Medikamenteneinnahme und allergischer Reaktion kann sehr unterschiedlich sein und von einigen Stunden bis Tagen, ja bis hin zu mehreren Wochen (sehr selten) betragen. Neben kutanen Zeichen können auch weitere Organe, vor allem die Leber und die Nieren, betroffen sein. Klinische Gefahrenzeichen für einen schwereren Verlauf und für eine Organbeteiligung sind unter anderem Fieber, allgemeine Malaise, grossflächiger Befall der Haut, Schleimhautbeteiligung, Gesichtsschwellung, Lymphadenopathie und Persistenz der Klinik trotz Absetzen des auslösenden Medikaments (Tab. 2) [8]. Bei bedrohlichen Reaktionen finden sich häufig eine Eosinophilie, erhöhte Transaminasen, seltener Zytopenien oder eine eingeschränkte Nierenfunktion. Zu den gefährlichen T-Zell-vermittelten Hypersensitivitätsreaktionen zählen die akute generalisierte exanthematöse Pustulose (AGEP) [9] und die «drug rash with eosinophilia and systemic symptoms» (DRESS) [10]. Letzteres Krankheitsbild geht mit einer hohen Letalität einher.
Tabelle 2: Klinische Gefahrenzeichen bei Spättypreaktionen.
Grosse Ausdehnung des Exanthems/Erythrodermie
Bildung von Bullae, Pusteln
Schmerzhafte Haut, brennend, stechend
Beteiligung von Schleimhäuten
Gesichtsödem
Fieber
Lymphknotenschwellung/Beteiligung von inneren Organen (z.B. Leber usw.)
Auf die sehr seltenen Reaktionen vereinbar mit einem Typ-2- oder Typ-3-Mechanismus nach Gell und Coombs gehen wird in dieser Arbeit nicht ein.

Wann ist eine allergologische Abklärung indiziert?

Patienten mit einer pharmakologischen Nebenwirkung oder unspezifischen Symptomen wie Diarr­hoe, Übelkeit, Schlaflosigkeit, Verhaltensänderungen, Dysästhesie u.a.m. benötigen keine allergologischen Untersuchungen. Eine Untersuchung ist indiziert bei Soforttypreaktionen, die meist IgE-vermittelt sind, bei Komedikation mit anderen Medikamenten (insbesondere nichtsteroidalen Antirheumatika [NSAR]), bei schweren systemischen Reaktionen mit Organbetei­ligung, grossflächigem Hautbefall oder wenn die Schleimhäute betroffen sind. Grunderkrankungen wie eine Immundefizienz oder bei Klappenvitien, bei denen eine Antibiose häufiger rezeptiert wird, sind ebenfalls Indikationen für eine Abklärung. Hingegen ist bei einem an und für sich gesunden Patienten mit einem anamnestischen oder auch dokumentierten milden, kutan isolierten makulopapulösen Exanthem (in der Regel T-Zell-mediiert) eine Abklärung nicht zwingend erforderlich, zumal ­alternative Antibiotika verfügbar sind.

Abklärung bei Penicillinallergie – ­praktische Aspekte

Anamnese

Nicht nur bei Penicillin-, sondern bei allen Medikamentenallergien ist eine möglichst vollständig Dokumen­tation einer vermuteten Hypersensitivitätsreaktion wichtig. Viele Patienten erwähnen eine Penicillinallergie, ohne dass sie genauere Angaben machen können. Hilfreich kann der Hinweis einer Hospitalisation zur ­Behandlung einer Reaktion sein. Grundlegend für die Einschätzung einer Reaktionsweise und -schwere ist die Latenzzeit zwischen Einnahme des Medikaments sowie den Erstsymptomen der Reaktion (Soforttyp- versus Spättypreaktion). Die Angabe des zeitlichen Verlaufs einer Reaktion hilft denn auch bei der Festlegung der notwendigen Testverfahren. Seitens der Klinik sind alle objektivierbaren Zeichen zu vermerken, die abschliessend eine Einschätzung des Schweregrads der allergischen Reaktion erlauben. Immer wieder stellt sich in Akutsituationen – lediglich Eintrag «Penicillinallergie» im Notfallausweis, Patient mag sich an die Reaktion nicht mehr erinnern – die Frage, ob Penicilline verabreicht werden dürfen. In solchen Situationen, bei Medikation mit oralen Antihistaminika und/oder Steroiden, Art der notwendigen Abklärung usw. kann sich eine «bed side»-Abklärung als schwierig gestalten. Die Abgabe eines Allergieausweises mit dem alleinigen Vermerk «Penicillin­allergie» ist somit unzureichend.
Bei Antibiotika-induzierten Allgemeinreaktionen sind bei der Beurteilung auch die Angaben zur Indikation der Therapie sowie bestehende Grundkrankheiten und zusätzliche Medikamente bei der Beurteilung hilfreich. So können Infekte per se, oft auch erst unter Behandlung mit einem Antibiotikum, mit einem Exanthem einhergehen. Dies ist insbesondere bei Kindern recht häufig der Fall [11]. Risikofaktoren, eine Reaktion auf Penicilline zu entwickeln, sind ein akuter Epstein-Barr-Virus(EBV)-Infekt, eine HIV-Infektion, weibliches Geschlecht, genetische Polymorphismen sowie eine Vorgeschichte mit bereits bestehenden Allergien auf Medikamente [12].

Hauttestung

Bei Verdacht auf eine Penicillinallergie ist die stan­dardisierte Hauttestung die Untersuchung der Wahl (Abb. 2).
Abbildung 2: Abklärungsschritte bei Penicillinallergie.
Im Allgemeinen werden Intradermaltests mit parenteral verfügbaren Penicillinpräparaten in entsprechenden Verdünnungen verwendet [13]. Diese Testmethode eignet sich zur Diagnostik sowohl von Soforttypreaktionen (mit Ablesung 20 min nach Applikation, Abb. 3) wie auch von Spättypreaktionen (mit Ablesung nach 24–48 h).
Abbildung 3: Positiver Intradermaltest.
Bei schweren Indexreaktionen empfiehlt sich vorgängig zu den Intradermaltests eine Pricktestung mit den Intradermaltest-Konzentrationen durchzuführen, da gelegentlich auch In-vivo-Tests systemische Reaktionen bis hin zum Blutdruckabfall und Kollaps auslösen können [14]. Bei sehr bedrohlichen Spättypreaktionen wie beim DRESS oder Steven-Johnson-­Syndrom wird im Allgemeinen ebenfalls von einer ­Intradermaltestung abgeraten, weil durch dieses Testverfahren eine «flare-up»-Reaktion ­ausgelöst werden kann. In dieser Situation ist die Epikutan- oder Patchtestung angezeigt (Abb. 4). Diese Testmethode wird häufig auch bei milden Spättypreaktionen zusammen mit dem Intradermaltest angewendet, was zur Verbesserung der Sensitivität beiträgt. Bei der Testung werden neben dem kausal vermuteten Penicillin vielfach auch die Haupt- (Penicilloyl-Poly­lysine, PPL) und Nebenallergendeterminanten («minor determinant mixture», MDM) des Penicillins sowie mögliche kreuzreaktive Betalactame (insbesondere Cephalosporine) geprüft. Die kommerziellen PPL- und MDM-Lösungen werden einzig für die Überprüfung ­einer Soforttypreaktion verwendet.
Abbildung 4: Positiver Epikutantest auf Amoxicillin und ­Ampicillin.
Grundsätzlich haben Hauttests mit Penicillinen eine hohe Spezifität. Leider ist die Sensitivität mit rund 70% bei den Soforttyp- und 10–30% bei den Spättypreaktionen gering [13]. Eine Allergie kann bei einem negativen Hauttest also nur bedingt mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Die Sensitivität der Tests nimmt zudem ab, je länger der Zeitraum zwischen einer Indexreaktion und der Testung zurückliegt. Optimalerweise empfiehlt sich eine Abklärung innerhalb der ersten sechs Monate nach einer allergischen Reaktion, frühestens nach vier bis sechs Wochen [15].

In-vitro-Testung

Neben Hauttests werden verschiedene In-vitro-Analysen zum Nachweis einer Sensibilisierung auf Penicilline bei Verdacht auf eine Allergie angeboten. Alle aktuellen serologischen Testverfahren haben aber eine geringere Sensitivität als die Hauttests und sind somit weniger aussagekräftig als vielfach angenommen. Als ergänzende Analysen sind sie jedoch durchaus wertvoll [16]. Bei Soforttypreaktionen kommt die Bestimmung spezifischer IgE-Antikörper auf Penicillin V/G und Amoxicillin sowie der Basophilenaktivierungstest (BAT) mit den kausalen Penicillinen zum Einsatz. Bei Spättypreaktionen hingegen ist der Lymphozytentransformationstest (LTT) eine Option. Diese In-vitro-Untersuchungen können in unklaren Situationen –zum Beispiel bei nicht eindeutigen Hauttestbefunden, nicht durchführbaren Hauttests und vor allem bei schweren Allgemeinreaktionen – als primäre Testverfahren hilfreich sein.

Provokationstestung

Bei einer gesicherten Penicillinallergie vom Soforttyp kann eine orale Provokation zur Prüfung alternativer Antibiotika durchgeführt werden. Beispielsweise wird bei einer Amoxicillinallergie ein Cephalosporin der zweiten oder dritten Generation verabreicht, sofern testmässig keine Sensibilisierung besteht. Eine weitere Indikation zur Provokationstestung ist eine anamnestische Penicillin­allergie ohne Nachweis einer Sensibilisierung (z.B. vage Angaben aus der Kindheit).
Dem Patienten wird das gewählte Alternativantibiotikum unter ärztlicher Kontrolle verabreicht. Generell wird mit einer niedrigen Dosis begonnen [17]. Falls subjektiv keine Nebenwirkungen vermerkt und objektiv keine Symptome registriert werden (Dokumentation der Vitalparameter inklusive Peak-Flow und Haut­status), wird die Medikamentendosis bei einer Soforttypreaktion in 15–30-Minuten-Intervallen gesteigert, bis die angestrebte therapeutische Dosis kumulativ erreicht ist. Bei schweren, lebensbedrohlichen Allgemeinreaktionen oder einer bestehenden Sensibilisierung auf das entsprechende Antibiotikum ist eine Provokation kontraindiziert.
Bei einer Spättypreaktion sollen in der Regel keine Provokationstestungen durchgeführt werden, da unter anderem Erfahrungen mit Dosis und Verabreichungsintervallen fehlen sowie Reaktionen auch erst Tage nach stattgehabter Provokation auftreten können. Zudem stehen im Falle einer solchen Reaktion keine spezifischen Gegenmassnahmen zur Verfügung.

Dürfen Cephalosporine, Carbapeneme und Monobactame eingesetzt werden?

Daten zur Kreuzreaktivität von Penicillinen mit anderen Betalactamen basieren grösstenteils auf IgE-vermittelten Allergien. Daten zur Kreuzreaktivität bei Spättypreaktionen (T-Zell-vermittelten Reaktionen) sind spärlich [18].
Penicilline weisen mit anderen Betalactam-Antibiotika zwei strukturell ähnliche Komponenten auf: zum einen den Betalactamring und zum anderen die Seitenketten. Bei Aminopenicillinen ist die Kreuzreaktivität mehrheitlich durch die Seitenkette bedingt [19]. Einige Betalactam-Antibiotika, speziell die Cephalosporine der ersten und der zweiten Generation, haben eine identische oder zumindest eine analoge Seitenkette wie die Aminopenicilline. Kreuzreaktionen zwischen Penicillinen und Cephalosporinen werden je nach Studie zwischen 0 und 10,5% angegeben [20]. Es kann davon ausgegangen werden, dass Cephalosporine ab der dritten Generation, respektive diejenigen mit differenten Seitenketten, weniger häufig zu Kreuzreaktionen führen [21] und somit bei Patienten mit einer Penicillinallergie meistens verordnet werden können. Dennoch soll die Verträglichkeit eines Cephalosporins nach einer Soforttypreaktion auf Penicilline mittels einer oralen Provokation verifiziert werden. Bei milden Spättypreaktionen auf Penicilline ist eine direkte Exposition mit Cephalosporinen bei negativen Hauttests vertretbar. Es empfiehlt sich, primär Cephalosporine ab der dritten Generation (und allenfalls Cefuroxim) einzusetzen. Kreuzreaktionen zu Carbapenemen sind zwar möglich, insgesamt jedoch selten und betreffen weniger als 1% der penicillinallergischen Personen [22]. Die erste Gabe soll, analog zur Provokationstestung, fraktioniert mittels eines «graded challenge» [17] verabreicht werden. Zwischen Penicillinen und Monobactamen sind bislang keine Kreuzreaktionen bekannt (Tab. 3) [23].
Tabelle 3: Kreuzreaktivität von Penicillinen.
Penicilline zu Cephalosporinen<10% (meist Seitenkette)
Penicilline zu Carbapenemen<1%
Penicilline zu MonobactamenKeine Kreuzreaktivität, einzig zwischen Ceftazidim und Monobactamen möglich
Der Nachweis einer Penicillinallergie führt generell zur Empfehlung, diese Substanzgruppe gänzlich zu meiden. Bei zwingender Indikation (z.B. Behandlung einer Lues oder schwangeren Patientin) kann bei einer IgE-vermittelten Allergie ein betroffenes Betalactam-Antibiotikum mittels Desensibilisierungsschema ­verabreicht werden [24]. Dabei wird die Dosierung des Antibiotikums, beginnend mit einer sehr hohen Verdünnung, innerhalb von einigen Stunden kontinuierlich gesteigert, womit eine vorübergehende Toleranz erreicht wird. Die Medikation kann in der Folge bei guter Verträglichkeit in den gewünschten Dosierungen und Intervallen verabreicht werden, wobei die Toleranz nur solange bestehen bleibt, wie das Antibiotikum eingesetzt wird [24]. Bei Spättypreaktionen respektive T-Zell-vermittelten Penicillin-Betalaktam-
Allergien ist eine Desensibilisierung nicht realisierbar.

Das Wichtigste für die Praxis

• Die Mehrheit der Patienten, die eine Penicillinallergie erwähnen, vertragen Penicilline ohne Probleme.
• Penicillinallergien können IgE-vermittelt (Soforttyp) oder T-Zell-vermittelt (Spättyp) sein.
• Bei einer vermuteten Medikamentenallergie ist eine gute Dokumentation wichtig.
• Bei einer vermuteten Penicillinallergie ist die Hauttestung die einfachste Untersuchung mit raschem Ergebnis und guter Spezifität trotz eingeschränkter Sensitivität.
• In-vitro-Analysen haben eine geringere Sensitivität als die Hauttestung.
• Die Kreuzreaktivität mit Cephalosporinen, insbesondere der dritten Generation und höher, wird meist überschätzt.
• Zur Prüfung alternativer (z.B. potentiell kreuzreaktiver) Antibiotika bietet sich der orale Provokationstest an.
• Bei einer IgE-vermittelten Allergie kann bei gegebener Indikation eine Desensibilisierung durchgeführt werden.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Dr. med. Lukas Jörg
Oberarzt
Universitätsklinik für Rheumatologie, Immunologie und Allergologie
Inselspital
Universitätsspital Bern
Freiburgstrasse
CH-3010 Bern
lukas.joerg[at]insel.ch
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