Blutdrucksenkende Behandlungen und Frakturen

Blutdrucksenkende Behandlungen und Frakturen

Und anderswo ...?
Ausgabe
2017/18
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.02908
Schweiz Med Forum 2017;17(18):400

Publiziert am 02.05.2017

Blutdrucksenkende Behandlungen
und Frakturen

Fragestellung

Arterielle Hypertonie und Osteoporosefrakturen sind Erkrankungen, die mit steigendem Alter zunehmen. Sie stehen miteinander in Zusammenhang, da bei Hypertonikern mehr Frakturen auftreten. Eine Metaanalyse hat ergeben, dass Thiaziddiuretika aufgrund ihrer positiven Wirkung auf die Kalziumbilanz und möglicherweise aufgrund eines direkten stimulierenden Effekts auf die Osteoblasten Frakturen verringern. Die Wirkung von ACE-Hemmern und Ca-Antagonisten auf das Frakturrisiko ist weniger bekannt. Studien haben gezeigt, dass ACE-Hemmer die Knochendichte erhöhen, indem sie die Osteoklastenaktivität verringern. Bis dato fehlte eine klinische Studie, die das Frakturrisiko der mit einem Thiazid, ACE-Hemmer oder Ca-Anta­go­nisten behandelten Pat. untersucht. In einer Sekundärmetaanalyse wurde nun genau dies getan.

Methode

Die Pat. stammten aus der ALLHAT-Studie (Antihypertensive and Lipide Lowering Treatment to Prevent Heart Attack Trial). Sie erhielten entweder Chlorthalidon, Lisinopril oder Amlodipin als First-Line-Therapie. Ein Doxazosin-Arm (Alpha-1-Blocker) wurde abgebrochen. Die Patienten waren 55 Jahre alt oder älter mit einem BDs von wenigstens 140 und einem BDd von wenigstens 90 mm Hg. Alle wiesen mindestens einen bestätigten kardiovaskulären ­Risikofaktor auf. Sie erhielten doppelt verblindet 12,5–25 mg Chlorthalidon (n = 15 255), 2,5–10 mg Amlodipin oder 10–40 mg Lisinopril. Die Dosierung wurde entsprechend angepasst, um den BD-Zielwert von höchstens 140/90 mm Hg zu erreichen. Die Zahl der Hüft- oder Beckenfrakturen wurde durch die Zentren von Medicaire, Medicaid und der Veteranenbehörde erfasst. Das Follow-up der doppelt verblindeten Phase dauerte durchschnittlich 5 Jahre. Die weitere Nachbeobachtung erfolgte unverblindet.

Resultate

Das Durchschnittsalter der Studienpopulation betrug 70,4 Jahre, 43% waren Frauen, 50% Kaukasier, 31% Afroamerikaner und der Rest gehörte anderen Bevölkerungsgruppen an. Während des 5-jährigen Studienzeitraums traten 338 Frakturen auf. Die Pat. unter Chlorthalidon hatten eine HR für Frakturen von 0,75 und im Vergleich zu denjenigen unter Lisinopril ein um 25% geringeres relatives Risiko. Zwischen der Chlorthalidon- und Amlodipingruppe gab es keine Unterschiede.

Probleme

Es handelt sich um Post-hoc-Daten. Es gab keine Plazebogruppe. Es fehlen sowohl Angaben zum Menstruationsstatus und Testosteronspiegel, welche möglicherweise eine Verzerrung bewirkt haben, als auch zu den Frakturumständen.

Kommentar

Dies ist ein gutes Beispiel für die Komplexität einer derartigen Studie aufgrund zahlreicher möglicher Störfaktoren, die nicht alle berücksichtigt werden konnten. Dennoch ist sie wichtig, da gezeigt wird, dass die drei untersuchten Medikamente dieselben Blutdruckzielwerte erreichen und unter dem Thiazid das Frakturrisiko sinkt. Nichtsdestotrotz kann, z.B. bei jungen Patienten mit geringem Frakturrisiko, wahrscheinlich weiterhin ein ACE-Hemmer als First-Line-Therapie eingesetzt werden. Bei einer alten gebrechlichen Frau mit Osteoporose erscheint es hingegen logischer, ein Thiazid als Behandlung erster Wahl zu verschreiben.
Puttnam R, et al. JAMA Intern Med. 
2017;177:67–76.

Ohrenschmalzpfropfen: Richtlinien

Die American Academy of Otorhinolaryngology hat ihre Richtlinien für eine sehr häufige und mitunter äusserst unangenehme Beeinträchtigung aktualisiert. Die erste Empfehlung lautet, dass ein durch Ohrenschmalz (OS) beeinträchtigter Pat. zu behandeln oder an einen Facharzt zu überweisen ist. Weitere Empfehlungen: (1) OS, welches eine Ohruntersuchung nicht verhindert und asymptomatisch bleibt, ist nicht therapiebedürftig. (2) Von der Verwendung von «Ohrkerzen» («ear candling») wird dringend abgeraten. Dabei handelt es sich um eine komplementärmedizinische Methode, bei der ein z.B. in Bienenwachs getränktes Stoffröhrchen in den Gehörgang eingeführt und angezündet wird. Dadurch soll das OS angeblich aufgeweicht werden. Einige meinen sogar, dass diese merkwürdige Prozedur von «spirituellem Wert» sei. Was es nicht alles gibt! (Und noch dazu kann es gefährlich sein …). (3) Es werden die Anwendung von Cerumenolytika (Salz­lösung, Polysorbat) sowie die instrumentelle Entfernung empfohlen.
Schwartz SR, et al. Otolaryngol Head Neck Surg. 2017;156(1S):S1–29. http://journals.sagepub.com/doi/pdf/10.1177/0194599816671491

Testosteron und venöse Thromboembolie: Gefahr?

Fast 19 200 Menschen mit TVT oder Lungenembolie wurden mit 910 000 durchschnittlich 65 Jahre alten Kontrollpersonen gematched. Nach der Bereinigung um zahlreiche Störfaktoren war das Risiko einer venösen Thromboembolie bei Testosteronanwendern um 25% und in den ersten 6 Monaten der Einnahme sogar um 63% erhöht. Überdies ist bekannt, dass die Auswirkung von Testosteron auf gewisse erwünschte Eigenschaften mehr als unwahrscheinlich ist …
Martinez C, et al. BMJ. 2016;355:i5968.
http://www.bmj.com/content/355/bmj.i5968

Mumps: Epidemie trotz Impfung

Durch die Impfung wurde die Mumpsinzidenz drastisch auf 1 Fall pro 1 Mio. Personen reduziert. Nichtsdestotrotz kann es zu Überraschungen kommen. An der New-York University wurde durch einen einzigen Mumpsfall eine Epidemie ausgelöst. Der Bluttest war negativ und die Diagnose wurde nicht sofort gestellt, wodurch 56 weitere Fälle auftraten. 96% der Erkrankten waren geimpft. Im Zweifelsfall ist der Bluttest keine zuverlässige Untersuchung. Die Echtzeit-PCR ist hingegen bei Zweifeln die Diagnosemethode der Wahl, um eine Virusübertragung zu verhindern. Möglicherweise hält die durch die Impfung erworbene Immunität nicht das gesamte Leben an …
Patel LN, et al. Clin Infect Dis. 2017;64(4):408–12.