Primärer Hyperparathyreoidismus
Diagnostik und Behandlung

Primärer Hyperparathyreoidismus

Übersichtsartikel AIM
Ausgabe
2017/18
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.02931
Schweiz Med Forum 2017;17(18):406-410

Affiliations
a Service de Médecine Interne et Centre des Maladies Osseuses, Départements de Médecine et de l’Appareil Locomoteur, CHUV, Lausanne; b Centre des maladies Osseuses, Département de l’Appareil Locomoteur, CHUV, Lausanne, et Cabinet médical, Yverdon-les-Bains; c Service d’Endocrinologie, Diabéto­logie et Métabolisme et Centre des Maladies Osseuses Départements de Médecine et de l’Appareil Locomoteur, CHUV, Lausanne

Publiziert am 02.05.2017

Der primäre Hyperparathyreoidismus ist eine häufige Erkrankung, deren Diagnose anhand von Laborergebnissen gestellt wird. Er bleibt lange Zeit asymptomatisch und erfordert jährliche Kontrollen. Wenn die Kriterien für eine Operation erfüllt sind, werden eine Halssonographie und eine Nebenschilddrüsenszintigraphie durchgeführt, um einen minimalinvasiven chirurgischen Eingriff vornehmen zu können. Vorübergehend kann eine medikamentöse Behandlung zum Einsatz kommen, um entweder den Kalziumspiegel oder die Knochendichte zu verbessern.

Einleitung

James Stevenson stirbt am 18. Februar 1775. Zusammen mit Herrn Thomson, seinem Assistenten, führt Dr. med. William Hunter die Obduktion durch. Nach dieser schreibt er: «The cavity of the bone is much enlarged, and was full of oil mixed with blood; no appearance of cancellae, but cross-bridges or septa here and there. The two extremities are less altered than the other parts; the cortical part thin as paper and as soft as bees-wax almost» [1]. Dies ist die erste Beschreibung von Osteitis fibrosa cystica. Bis 1981 wurde die Erstbeschreibung der Erkrankung zu Unrecht Friedrich von Recklinghausen (1891) zugeschrieben, der sich selbst jedoch auf einen von Gerhard Engel im Jahr 1864 beschriebenen Fall bezogen hatte.
Seitdem die Serumkalzium- und Parathormonwerte (PTH) aufgrund der Einführung der automatischen Analysegeräte in der klinischen Biochemie in den 70-er Jahren routinemässig bestimmt werden, wird der primäre Hyperparathyreoidismus (PHP) häufig dia­gnostiziert. Seine Häufigkeit nimmt ab dem Alter von 50 Jahren zu und betrifft öfter Frauen als Männer. Die Prävalenz des PHP beträgt mit 65 Jahren ca. 1 und mit 80 Jahren bis zu 3%. In 80% der Fälle ist die Ursache ein solitäres Adenom einer der vier Nebenschilddrüsen. Die Erkrankung ist in 80% der Fälle asymptomatisch.
In diesem Beitrag soll das Vorgehen bei der Diagnosestellung und Behandlung des PHP zusammengefasst werden. Dabei wird besonderes Augenmerk auf die labormedizinischen Besonderheiten, die klinische Präsentation und die Rolle des präoperativen Einsatzes bildgebender Verfahren gelegt.

Diagnostisches Vorgehen

Diagnosestellung

Bei PHP wird die Diagnose anhand von Laborergebnissen gestellt. Dazu muss ein erhöhter korrigierter oder im obersten Normbereich liegender Serumkal­ziumwert zusammen mit einem unverhältnismässig hohen oder normalen PTH-Wert vorliegen. Eine Bestimmung des ionisierten Serumkalziumspiegels wird nicht empfohlen. Bei dieser müssen strenge Bedingungen erfüllt sein (Entnahme, Transport) und die Kosten sind im Vergleich zur Bestimmung des Serumkalziumwerts sehr hoch [2]. Die Bestimmung des ionisierten Serumkalziumspiegels ist ausschliesslich bei einer schweren Störung des Säure-Basen-Gleichgewichts empfehlenswert. Die Diagnose ist eindeutig, wenn Kalzium- und PTH-Wert überhalb der Norm liegen. Nichtsdestotrotz können ein Kalziumwert im oberen Normbereich und ein erhöhter PTH-Wert, ein erhöhter Kalzium- und ein PTH-Wert im oberen Normbereich oder ein Kalzium- und PTH-Wert im oberen Normbereich vorliegen (Abb. 1).
Abbildung 1: Grafische Darstellung des Konzepts des primären Hyperparathyreoidismus bei normalem 25-OH-Vitamin-D-Serumwert. Ca = korrigierter Serumkalziumwert; PHP = primärer Hyperparathyreoidismus; PTH = Parathormon.
Der PTH-Wert wird, unabhängig vom Kalziumspiegel, durch den 25-OH-Vitamin-D-Wert beeinflusst. Ein verringerter 25-OH-Vitamin-D-Wert regt die PTH-Sekretion an und ist somit zu einem gewissen Grad für ­sekundären Hyperparathyreoidismus verantwortlich. Die Definition des PHP setzt einen Vitamin-D-Serumwert im idealen Normbereich (ca. 30 μg/l oder 75 nmol/l) voraus, der die PTH-Sekretion folglich nicht beeinflusst.

Ätiologie

In 80–85% der Fälle ist die vermehrte PTH-Sekretion durch ein gutartiges solitäres Adenom (monoklonale Proliferation der Hauptzellen), in 2% durch multiple Adenome, in 5–20% durch eine Hyperplasie der vier Nebenschilddrüsen (Hinweis darauf, dass nach einer genetischen Ursache gesucht werden sollte) und in <1% durch ein Nebenschilddrüsenkarzinom bedingt [3].
Hereditäre Formen sind in 5–10% der Fälle verantwortlich. Diese sind mit Genmutationen assoziiert. Zwar ist die Suche danach noch kostenintensiv, kann jedoch zur Präzisierung der Diagnose und für eine adäquate Behandlung von Begleiterkrankungen sowie bei der Betreuung der Familien sinnvoll bzw. hilfreich sein.
Die multiple endokrine Neoplasie Typ 1 (MEN 1) ist durch die Assoziation von Nebenschilddrüsentumoren, enteropankreatischen neuroendokrinen Tumoren und Adenohypophysentumoren gekennzeichnet (autosomal-dominante Vererbung, Menin-Gen, Chromosom 11q13). Die multiple endokrine Neoplasie Typ 2 (MEN 2) ist durch die Assoziation eines medullären Schilddrüsenkarzinoms mit einem Phäochromozytom sowie bei der Variante MEN 2A mit PHP gekennzeichnet (autosomal-dominante Vererbung, Mutation des RET-Gens). Das familiäre Hyperparathyreoidismus-Kiefertumor-Syndrom ist durch die Assoziation von PHP mit Tumoren in Ober- und Unterkiefer, Nieren oder Uterus assoziiert (Anomalien des HRPT2-Gens auf dem Chromosom 1 q25-32).

Pathophysiologie

Das PTH bewirkt einen Anstieg des Kalziumspiegels, indem es das Knochen-Remodeling stimuliert (Osteolyse > Knochenbildung mit Anstieg der alkalischen Phosphatase) und die gastrointestinale Kalziumresorption sowie die renal-tubuläre Kalziumreabsorption (indirekt durch Erhöhung des 1,25-OH-Vitamin-D-Werts über die Hydroxilierung in Position 1) erhöht. Trotz dieses Effekts bleibt die Kalziurie erhöht. Überdies sorgt das PTH für eine Ausscheidung von Phosphat (tubuläre Phosphatreabsorption <85%) und Bicarbonaten (durch verringerte Reabsorption im proximalen Tubus) über den Urin. Dadurch entstehen eine Hypophosphatämie sowie eine hyperchlorämische Azidose im Serum.

Klinische Präsentation

Aufgrund der häufigen labormedizinischen Bestimmungen des Kalzium- und PTH-Werts werden zunehmend mehr PHP-Diagnosen gestellt. In 80% dieser Fälle ist der PHP asymptomatisch [2]. Überdies ist die Progredienz der Erkrankung langsam. 15 Jahre lang beobachtete asymptomatische Patienten entwickeln lediglich in einem Drittel der Fälle Krankheitssymptome (symptomatische Hyperkalzämie, Nierensteine, verminderte Nierenfunktion, Frakturen, rasche Abnahme der Knochendichte) [4].
Heutzutage manifestieren sich die klinischen Anzeichen an Nieren oder Knochen, stehen im Zusammenhang mit der Hyperkalzämie oder sind unspezifisch. Fast 20% der Patienten leiden an Nierensteinen, während es nur selten zu einer Nephrokalzinose kommt. Die kortikale Knochendichte (am besten mittels Knochendichtemessung am distalen Radiusdrittel zu beurteilen) nimmt rascher ab als beim Durchschnitt und das allgemeine Frakturrisiko ist erhöht. Bestimmte Manifestationen im Skelettbereich, die früher typisch waren, wie braune Tumoren, Osteitis fibrosa cystica und pathologische Frakturen, sind heute nur noch selten zu beobachten. Die Hyperkalzämie ist mit Polyurie/Polydipsie, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Obstipation assoziiert. Des Weiteren treten mitunter neuropsychologische Manifestationen auf. Je höher der Kalziumwert, desto häufiger kommt es zu den oben genannten Manifestationen.
Häufig sind unspezifische Beschwerden wie muskulo­skelettale Schmerzen, Müdigkeit, Ängstlichkeit und neuropsychologische Symptome zu beobachten. Bei leichteren Formen werden neurokognitive Symptome diskutiert und eine neuropsychologische Untersuchung wird nicht empfohlen. Einige Patienten berichten von einer Besserung nach einem chirurgischen Eingriff (Ängstlichkeit, Depressionen, kognitive Störungen, Lebensqualität) [2].
Gefässerkrankungen oder kardiovaskuläre Beschwerden stehen nicht im Zusammenhang mit PHP, vor ­allem, wenn dieser moderat ist. Davon ausgenommen ist eine verkürzte QT-Zeit, je nach Intensität der Hyperkalzämie. Dasselbe gilt für gastrointestinale Geschwüre (ein Zollinger-Ellison-Syndrom sollte im Rahmen einer MEN 1 ausgeschlossen werden) und die früher erwähnten Pankreatitiden.

Differentialdiagnostik

Die Hauptdifferenzialdiagnose bei asymptomatischem PHP ist die familiäre hypokalziurische Hyperkalzämie (FHH). In diesem Fall sind der Kalzium- und PTH-Wert leicht erhöht und es findet quasi keine Kalziumausscheidung statt (Kalziurie <1%). In der Familienvorgeschichte sind moderate Hyperkalzämien zu finden. Die Diagnose wird durch den Nachweis einer CaSR-Mutation («calcium sensing receptor») bestätigt, ist jedoch anhand ­eines negativen Gentests nicht auszuschlies­sen. Bei der Erkrankung ist die Sensitivität des Kal­ziumrezeptors gestört, der erst auf höhere Kalziumwerte reagiert. Die betroffenen Patienten weisen keine mit der Hyperkalzämie assoziierten Komplikationen auf.
Die zweite Differentialdiagnose bei asymptomatischem PHP ist eine Lithiumbehandlung, durch welche der Kalzium- und PTH-Wert leicht ansteigen können. Wie bei FHH auch wird unter Lithium die Sensitivität des Kal­ziumrezeptors verringert. Dabei ist die Kalziurie zwar verringert, findet jedoch im Gegenteil zur FHH statt. In diesen Fällen wird meist eine Hyperplasie der vier Nebenschilddrüsen festgestellt.
Es ist wichtig (bei einer Hyperkalzämie assoziiert mit einem nicht verringerten PTH-Wert), diese beiden Differentialdiagnosen abzuklären, da es in diesen Fällen keine Therapiemöglichkeit gibt. Tatsächlich verändern sich hier die Laborwerte durch eine operative Entfernung der Nebenschilddrüse nicht.

Untersuchungen bei diagnostiziertem PHP

Laboruntersuchungen

Albumin-korrigiertes Kalzium, Phosphat, Kreatinin, alkalische Phosphatase, 25-OH-Vitamin-D, PTH, 24-h-Kalziurie mit Kalzium-Clearance. Die Bestimmung der Marker für das Knochen-Remodeling (Beta-Crosslaps, P1NP) ist optional.

Knochendichtemessung

Eine Knochendichtemessung sollte in jedem Fall unter Einbezug des distalen Radiusdrittels erfolgen, da dieses die besten Informationen über den kortikalen Knochen liefert. Idealerweise sollte parallel dazu eine Morphometrie der Wirbelsäule durchgeführt werden, um nach unerkannten Wirbelfrakturen zu fahnden. Einige Autoren empfehlen ferner eine TBS-Bestimmung («trabecular bone score»).

24-h-Kalziurie

Diese ist aus zwei Gründen empfehlenswert. Eine erhöhte Kalziurie (bei normaler Kalziumzufuhr eines Patienten mit Vitamin-D-Wert im idealen Normbereich) würde eine Indikation für die Abklärung eines asym­ptomatischen Nierensteinleidens darstellen. Eine Kalzium-/Kreatinin-Clearance-Ratio von <0,01 würde hingegen auf die Diagnose FHH hinweisen.

Abdominale Bildgebung

Obgleich eine abdominale Bildgebung (Abdomen-CT oder -Sonographie) zur Abklärung von Nierensteinen systematisch empfohlen wird, halten wir diese Untersuchung für übertrieben.

Therapie

Eine Operation ist die einzige endgültige Behandlungsmöglichkeit bei PHP. Der präoperative Einsatz bildgebender Verfahren ist indiziert, um einen minimalinvasiven chirurgischen Eingriff (unter Lokalanästhesie bei solitären Adenomen an einer Nebenschilddrüse) vornehmen zu können oder ektope Nebenschilddrüsen in mediastinaler, intrathyreoidaler oder zervikaler Lage ausfindig zu machen (in 4–16% der Fälle). Vorübergehend können Cinacalcet und Bisphosphonate zur medikamentösen Behandlung eingesetzt werden. Ohne chirurgischen Eingriff ist eine jährliche Kontrolle erforderlich.

Indikationen für eine Operation

Für eine Parathyroidektomie bestehen folgende Indikationen: (1) Alter <50 Jahre; (2) korrigierter Serumkal­ziumwert von >0,25 mmol/l über dem oberen Norm­bereich; (3) densitometrische Osteoporose (T-Score <–2,5 DS) oder pathologische Frakturen; (4) Nierensteinleiden, Nephrokalzinose oder 24-h-Kalziurie >10 mmol/l assoziiert mit einem Nierensteinleiden oder einer Kreatinin-Clearance von <60 ml/min [2]. Der angeführte Krea­tinin-Clearance-Schwellenwert ist umstritten, manche Autoren geben diesen mit <30 ml/min an. Dem möchten wir uns anschliessen, da das PTH durch eine Senkung des Kreatinin-Clearance-Schwellenwerts von 60 auf 30 ml/min kaum beeinflusst wird [5] (Tab. 1).
Tabelle 1: Chirurgische Indikationen bei primärem 
Hyperparathyreoidismus.
Alter <50 Jahre
Korrigierter Serumkalziumwert >0,25 mmol/l über 
dem oberen Normbereich
Densitometrische Osteoporose oder pathologische Fraktur
Nephrokalzinose oder Nierensteinleiden
24-h-Kalziurie >10 mmol/l und Nachweis von Nierensteinen
Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance <30 ml/min)*
Unspezifische Beschwerden**: neuropsychologische Sym­ptome, muskuloskelettale Schmerzen, Müdigkeit
* In den offiziellen Empfehlungen von 2013 wird eine Krea­tinin-Clearance von <60 ml/min angegeben [2].
** Umstrittene Indikation
Die Vorteile eines chirurgischen Eingriffs sind: (1) eine Verbesserung der Knochendichte; (2) ein Rückgang der Frakturinzidenz (Kohortenstudien); (3) eine Verringerung der Nierensteinleidenepisoden und (4) eine wahrscheinliche neurokognitive Verbesserung (nicht in rando­misierten kontrollierten Studien bestätigt).

Präoperativer Einsatz bildgebender Verfahren

Der Einsatz bildgebender Verfahren zur Darstellung der Nebenschilddrüsen ist keine diagnostische Massnahme und darf nur dann erfolgen, wenn eine Operation geplant ist. Das Ziel ist die Lokalisierung von Adenomen oder Hyperplasien der Nebenschilddrüsen, um beim solitären Befall einer Nebenschilddrüse einen minimalinvasiven chirurgischen Eingriff durchführen zu können. Können die Nebenschilddrüsen nicht lokalisiert werden, ist dies kein Hindernis, da die Erfolgsrate einer bilateralen Halsexploration durch einen erfahrenen Chirurgen mit und ohne vorherigen Einsatz bildgebender Verfahren vergleichbar ist [6]. Im Rahmen des präoperativen Einsatzes bildgebender Verfahren wird die Durchführung einer Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsensonographie sowie -szintigraphie empfohlen.
Eine Hals-Sonographie sollte bei allen Patienten durchgeführt werden, da diese den Goldstandard zur Untersuchung der Schilddrüse darstellt. In 30% der Fälle liegt eine okkulte Schilddrüsenerkrankung mit Operationsindikation vor, bei 10% davon mit bösartigem Befund. Mithilfe der Sonographie können abweichende Nebenschilddrüsen lokalisiert werden. Bei Bedarf kann auch eine Feinnadelpunktion von Nebenschilddrüsenknoten durchgeführt werden, um den PTH-Wert in situ zu bestimmen.
Zusätzlich zu den bildgebenden Verfahren kann eine Nebenschilddrüsenszintigraphie nach verschiedenen Protokollen erfolgen. Das umfassendste Protokoll ­beinhaltet eine planare in Kombination mit einer ­dynamischen Einzel-/Doppelisotopenszintigraphie mit Tc-99m-Sestamibi / Tc-99m-Pertechnetat sowie eine Einzelphotonen-Emissionscomputertomographie in Kombination mit einer Computertomographie («single photon emission computed tomography / computed tomography»; SPECT/CT). Der Grund für die Kombination mit einer Computertomographie besteht darin, insbesondere bei einer Revisionsoperation, anatomisch-chirurgische Anhaltspunkte bestimmen zu können. Die Detektionsrate der Szintigraphie in Kombination mit SPECT/CT beträgt 88% mit einem positiven prädiktiven Wert (PPV) von bis zu 95%. Mittels Szintigraphie lassen sich ektope Nebenschilddrüsen im Thymus, Mediastinum, innerhalb der Schilddrüse und hinter dem Ösophagus lokalisieren. Die Lage der ektopen Nebenschilddrüsen ist insbesondere bei genetisch bedingten Formen wichtig, bei denen üblicherweise beidseitig unter Exploration aller vier Lokalisationen der Nebenschilddrüsen operiert wird.
Bei nicht übereinstimmenden Resultaten, nicht möglicher Lokalisation oder Rezidiven nach erfolgtem chirurgischen Eingriff gibt es zwei Alternativen: Entweder wird der Patient zur Halsexploration an einen Chirurgen überwiesen oder eine dritte Bildgebung angefertigt, um die Lokalisation des Adenoms genauer zu bestimmen und eine zielgerichtete, weniger invasive Operation zu ermöglichen. In der Literatur werden verschiedene bildgebende Verfahren angeführt. Am erfolgreichsten sind jedoch vor allem die neu entwickelten nuklearmedizinischen bildgebenden Verfahren mit ihrer hervorragenden räumlichen und zeitlichen Auflösung des PET/CT dank spezifischer Marker, die zunehmend Einzug in den klinischen Alltag halten. Der erfolgversprechendste davon ist 18-F-Cholin [7]. Drei Studien haben laut der neuesten Metaanalyse, selbst bei Patienten mit negativen Resultaten beim 99Tc-MIBI-SPECT-CT (Methoxy-Isobutyl-Isonitril) oder nicht übereinstimmenden Untersuchungen, hervorragende vorläufige Resultate mit einer Sensitivität von 80–95% und einem PPV von 89–100% ergeben [7]. Derzeit muss bei der Krankenversicherung ein Antrag auf Kostenübernahme gestellt werden, da die Kostenerstattung für diese Indikation nicht genehmigt ist. Am CHUV wird damit begonnen, die Methode in besonderen Fällen einzusetzen.

Chirurgischer Eingriff

Das PTH hat eine Halbwertszeit von unter vier Minuten, weshalb ein Schnelltest möglich ist. Bestimmte Zentren bieten eine PTH-Bestimmung kurz vor und nach der Resektion der erkrankten Nebenschilddrüse(n) an. Hat sich der PTH-Wert um über 50% verringert, gilt die Operation als erfolgreich. Hat er sich nicht verringert, muss die chirurgische Exploration fortgesetzt werden.
Komplikationen kommen mit einer Mortalität von annähernd 0% und einer Schädigung des Nervus recurrens von <1% in Fachzentren sehr selten vor. Häufig tritt hingegen eine Hypokalzämie zusammen mit einem «hungry bone syndrome» unterschiedlicher Intensität auf. Bei älteren Menschen, Vitamin-D-Mangel ohne Supplementierung und schwerem PHP kommt dies häufiger vor. In diesem Fall ist, mitunter über mehrere Monate, eine Kalzium- und Calcitriolsupplementierung erforderlich.

Medikamentöse Therapien

Cinacalcet

Cinacalcet (Mimpara®) ist ein Kalzimimetikum. Es erhöht die Sensitivität des Kalziumrezeptors der Nebenschilddrüsen und verringert die PTH-Sekretion. Auf diese Weise normalisiert es den Kalziumspiegel und senkt den PTH-Wert leicht. Es hat keine Auswirkungen auf die Knochendichte. Die wichtigsten Nebenwirkungen sind Gelenkschmerzen (38%), Muskelschmerzen (27%), Diarrhoe (22%) und Übelkeit (22%). Cinacalcet ist indiziert bei kontraindizierter oder klinisch unangemessener Operation bzw. schwerem PHP im Zeitraum vor der Operation.

Bisphosphonate

Das am besten untersuchte Bisphosphonat ist Alendronat. Es verbessert die Knochendichte und das Knochen-Remodeling, hat jedoch keine bzw. kaum Auswirkungen auf den Kalzium- und PTH-Wert.
Die Wahl der Therapie hängt davon ab, ob die Knochendichte oder der Kalziumspiegel kontrolliert werden soll. Soll beides kontrolliert werden, ist eine Kombination von Cinacalcet und einem Bisphosphonat denkbar. Die medikamentösen Therapien bei PHP haben keine Fraktur-verhindernde Wirkung gezeigt (Grösse der Stichproben?).

Kontrolle

Bei fehlender Indikation für eine Operation wird empfohlen, 1 ×/Jahr den korrigierten Serumkalzium-, den Kreatinin- und PTH-Wert bestimmen zu lassen. Eine Knochendichtemessung (mit Messung des distalen Ra­diusdrittels und Morphometrie der Wirbelsäule) sollte alle zwei Jahre oder eher durchgeführt werden, wenn eine Operationsindikation besteht. Bei Rücken- oder Lendenwirbelsäulenschmerzen bzw. Abnahme der Körpergrösse besteht der Verdacht auf Wirbelfrakturen. Im Zweifelsfall ist zudem nach Nierensteinleiden zu ­suchen.
Es sollte täglich mit 800 IU Vitamin D supplementiert werden (hohe Loading-Dosen sind kontraindiziert), um einen Serumwert von 30 μg/l oder 75 nmol/l zu erreichen. Die Gesamtkalziumzufuhr (mit oder ohne Supplementierung) sollte normal sein und bei etwa 1000 mg/Tag liegen, jedoch nicht verringert werden [2].

Schlussfolgerungen

PHP ist eine häufige Erkrankung, die insbesondere ab dem Alter von 50 Jahren auftritt. Sie ist in 80% der Fälle asymptomatisch. Eine Beurteilung von Komplika­tionen an Knochen und Nieren sowie eine, häufig subjektivere, neuropsychologische Beurteilung sind erforderlich. Bei einer Operationsindikation ist der Einsatz bildgebender Verfahren in Form einer Halssonographie in Kombination mit einer Szintigraphie indiziert, um ein isoliertes Adenom (80% der Fälle) feststellen und somit einen minimalinvasiven chirurgischen Eingriff durchführen zu können.

Das Wichtigste für die Praxis

• Primärer Hyperparathyreoidismus (PHP) ist eine Diagnose, die anhand von Laborergebnissen gestellt wird. Er ist in 80% der Fälle asymptomatisch und in >80% der Fälle durch ein solitäres Adenom bedingt.
• Die Hauptdifferenzialdiagnose bei asymptomatischem PHP ist die familiäre hypokalziurische Hyperkalzämie (FHH).
• Die wichtigsten klinischen Manifestationen betreffen die Knochen, die Nieren oder sind neuropsychologischer Art. Für eine Parathyroidektomie bestehen folgende Indikationen: 1) Alter <50 Jahre; 2) korrigierter Serumkalziumwert von >0,25 mmol/l über dem oberen Normbereich; 3) densitometrische Osteoporose (T-Score <–2,5 DS) oder pathologische Frakturen; 4) Niereninsuffizienz, Nierensteinleiden oder Nephrokalzinose.
• Eine Operation ist die einzige endgültige Behandlungsmöglichkeit bei PHP. Das Ziel des präoperativen Einsatzes bildgebender Verfahren, einschliesslich Halssonographie und Nebenschilddrüsenszintigraphie, ist die Lokalisierung von Adenomen oder Hyperplasien der Nebenschilddrüsen, um beim solitären Befall einer Nebenschilddrüse einen minimal-invasiven chirurgischen Eingriff vornehmen zu können.
• Eine medikamentöse Behandlung kommt bei PHP lediglich vorübergehend zum Einsatz. Cinacalcet normalisiert den Kalziumspiegel und verringert den PTH-Wert. Bisphosphonate erhalten die Knochendichte aufrecht und senken den Kalziumwert leicht.
• Im Rahmen der Versorgung sollte täglich mit 800 IU Vitamin D supplementiert werden (hohe Loading-Dosen sind kontraindiziert), um einen Serumwert von 30 μg/l oder 75 nmol/l zu erreichen. Die Gesamtkalziumzufuhr sollte normal sein und bei etwa 1000 mg/Tag liegen.
Prof. Dr. med. Olivier Lamy
BH10-624
Rue du Bugnon 44
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