Flugreisetauglichkeit bei frisch operierten Passagieren – was gilt es zu beachten?
Was gilt es zu beachten?

Flugreisetauglichkeit bei frisch operierten Passagieren – was gilt es zu beachten?

Übersichtsartikel
Ausgabe
2017/19
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.02958
Schweiz Med Forum 2017;17(19):420-424

Affiliations
Fliegerärztliches Institut, Dübendorf

Publiziert am 10.05.2017

Reisen gehört mittlerweile zum Alltag. Die zunehmende Reisefreudigkeit bringt daher für den Mediziner neue Herausforderungen mit sich. So ist zum Beispiel der Arzt oder die Ärztin immer häufiger mit der Frage nach der Flugtauglichkeit nach kürzlich stattgefundenen operativen Eingriffen konfrontiert. Bei der vorhandenen Mannigfaltigkeit von möglichen Operationen kann dies zu Unsicherheiten führen. In diesem Artikel soll aus flugreisemedizinischer Sicht ein kurzes praxisorientiertes Update Unterstützung bieten.

Einleitung

Für frisch operierte Patienten bedeutet eine Flugreise eine erhebliche Belastung für Körper und Geist. Eine sorgfältige Reisevorbereitung kann hier zu einer deutlichen Entlastung der anstehenden logistischen und medizinischen Herausforderungen führen. Im Speziellen muss nebst den üblichen postoperativen Fragestellungen die Flugreise gesondert betrachtet werden. So gilt es zum Beispiel unter anderem an zusätzliche belastende Faktoren wie sich verändernde atmosphärische Bedingungen von Druck und Luftfeuchtigkeit oder eingeschränkte Mobilität zu denken. Die Kriterien, welche die Rahmenbedingungen bezüglich der Flugreisetauglichkeit von Passagieren festlegen, werden von der International Air Transport Association (IATA), der International Civil Aviation Organization (ICAO), der World Health Organization (WHO)und der Aerospace Medical Association (AsMA) definiert. Ergänzend ist hier aber zu erwähnen, dass es den einzelnen Fluggesellschaften freisteht, ihrerseits zusätzliche Bestimmungen bezüglich der Reisetauglichkeit festlegen zu können [1–5].
Die häufigsten Eingriffe in der Schweiz betreffen den Bewegungsapparat und den Verdauungstrakt [6]. Als spezifisch bei Flugreisen besonders beanspruchtes Organsystem ist der Hals-Nasen-Ohren(HNO)-Trakt aufgrund der Abhängigkeit der atmosphärischen Be­dingungen bei Passagieren mit HNO-Beschwerden ebenfalls relevant. Aufgrund der therapeutischen Vielfältigkeit reicht eine generelle Empfehlung bezüglich des Flugreiseverhaltens meistens nicht aus. Somit muss der Mediziner häufig den Fall gesondert betrachten und seine Empfehlungen entsprechend anpassen. Ein von uns 2015 verfasster Artikel beschäftigt sich bereits mit den Themen Flugreisen nach Herzchirurgie, Thromboserisiken bei Flugreisen sowie Jetlag und kann in Ergänzung zu dieser Arbeit zu Rate gezogen werden [2].

Der fliegende Patient

Bei der Beratung bezüglich der Flugtauglichkeit nach chirurgischen Eingriffen müssen neben den allgemeinen postoperativen und eingriffsspezifischen Gesichtspunkten auch einige speziell flugrelevante Aspekte mit einbezogen werden. Zu den postoperativ zu beachtenden Gesichtpunkten zählen unter anderem Wundheilung und Nahtmaterialentfernung, Gewebestabilität, vermehrter Sauerstoffverbrauch durch Stress, Infek­tionsgefahr, Übelkeit, Exsikkose und Kopfschmerzen. So kann zum Beispiel nach Spinalanästhesie der reduzierte Umgebungsdruck beim Fliegen eine Leckage im Bereich der ehemaligen Punktionsstelle provozieren und entsprechend unter anderem zu Beschwerden wie Kopfschmerzen führen [7]. Zudem ist allgemein zu erwähnen, dass es bis zum Erreichen des Kabinendruckes in Reiseflughöhe zu einer Ausdehnung von eingeschlossenen Gasen kommt und zu einer Volumenabnahme beim Sinkflug [8]. Nicht nur die Nasennebenhöhlen, das Mittelohr und Darmgase sind betroffen. So muss zum Beispiel nach Laparoskopien, Laparotomien, Arthroskopien, intrakraniellen oder thorakalen Eingriffen und ophthalmologischerseits bei eingesetzten Gasplomben nach Netzhautablösung noch mit Resten von freien Gasen gerechnet werden (Tab. 1). Diese Gegebenheiten stellen bei postoperativ nicht vollständig resorbierten Gasen ein Risiko für ein Barotrauma beim Steigflug dar. Das kann nicht nur zu Schmerzen führen, sondern birgt auch die Gefahr, dauerhafte Schäden zu verursachen [9].
Tabelle 1: Flugreisetauglichkeit nach diagnostischen Eingriffen 
(modifiziert nach [4, 8, 9]).
Diagnostischer EingriffEmpfohlene minimale Wartezeit bis 
FlugreisetauglichkeitBesonderheiten
Arthroskopie24 StundenRadiologische Kontrolle empfohlen (intraartikuläre Luft)
Gastroskopie24 Stunden 
Koloskopie24 Stunden 
Laparoskopische Diagnostik24 Stunden 
Zusätzlich gilt es auch weit weniger offensichtliche Umstände bei frisch operierten Flugpassagieren zu bedenken. So ist beispielsweise die postoperative Anämie eine klassische Begleiterscheinung nach chirurgischen Eingriffen, da der Einsatz von intraoperativen Transfusionen heutzutage restriktiver gehalten wird. Hierbei kann bei ausgeprägten Anämien eine Dyspnoe durch den verminderten Sauerstoffpartialdruck in Reiseflughöhe gefördert werden. Eine gleichzeitig begleitende, etwa schmerzbedingt eingeschränkte Atem­exkursion kann eine solche Symptomatik noch zusätzlich verstärken. Weiter gilt es zu beachten, dass in der Kabinenatmosphäre mit reduzierter Luftfeuchtigkeit, Mobilitätseinschränkungen und mit beengten Platzverhältnissen zu rechnen ist. Zeitverschiebungen, Stress, Lärm und Turbulenzen sind zusätzliche Begleiterscheinungen, welche die Reise eines frisch operierten Passagiers belasten können [2, 10]. Ebenfalls kann bei längeren Flugreisen eine heutzutage übliche Reisethromboseprophylaxe das postoperative Blutungsrisiko erheblich erhöhen.
Schliesslich müssen aber auch ganz trivial erscheinende Begleiterscheinungen einer Reise wie lange Wege (zum Flughafen / im Flughafen / nach Hause respektive zum Hotel), Infrastruktur am Zielort, langes Sitzen in aufrechter Position, das Tragen von schweren Koffern sowie gegebenenfalls den Organismus belastende Klimabedingungen vor Ort bei der Reiseplanung mit berücksichtigt werden.
Die Literatur nennt als grobe Orientierungshilfe bei der Erwägung einer Flugreise, dass der betreffende Patient 50 Meter gehen oder mindestens über ein Stockwerk ohne Symptome Treppen steigen können sollte [1, 5, 8]. Wie eingangs angedeutet lohnt es sich jedoch, die Bestimmungen der einzelnen Fluggesellschaften zu studieren, vor allem in Hinblick auf die Frage, ob eine schriftliche medizinische Tauglichkeitsbestätigung («Medical Clearance Formular»; «Special Assistance Form / Medical Information Form» [SAF/MEDIF]) verlangt wird. Nicht zuletzt sind hier sicherheitsspezifische Überlegungen wie Evakuierungsfähigkeit und die Fähigkeit, aus Sicherheitsgründen aufrecht sitzen zu können, für eine Fluggesellschaft wichtig. Stuft sie das medizinische Risiko einer Flugreise als zu hoch ein, kann sie den Personentransport des frisch operierten Passagiers auch verweigern. Falls eine Flugreise grundsätzlich in Betracht gezogen werden kann, gilt es weitere transportspezifische Probleme zu klären. Sollte zum Beispiel ein Patient darauf angewiesen sein, halbliegend reisen zu können, besteht auf Langstreckenflügen die Möglichkeit des medizinisch indizierten Upgrades in die Business- oder First-Class. Die Kosten dieses Upgrades gehen zu Lasten des Kunden. Dabei muss trotzdem gewährleistet werden, dass der Patient bei Start und Landung oder Turbulenzen aufrecht sitzen kann. Ist dies nicht der Fall, gibt es die Möglichkeit spezieller Liegen, sogenannter Tragbahren oder auch «Strecher», hierbei wird jedoch eine qualifizierte Betreuungsperson verlangt [8]. Bei all diesen Überlegungen müssen stets die Sicherheit des Patienten, die Sicherheit der restlichen Passagiere und Crewmitglieder sowie die Interessen der Fluggesellschaften (planmässige Durchführung des Fluges etc.) mitberücksichtigt werden. Daher muss bei Reisen dieser Art mit Wartefristen als auch Begleitmassnahmen gerechnet werden. Von Bedeutung sind auch die Flugdauer und die medizinische Versorgung im Destinations- oder Transitland. Bei Kurzstreckenflügen darf man eventuell geringere Wartefristen in Kauf nehmen [9]. Im Zweifelsfall ist es hilfreich, mit dem medizinischen Dienst der Fluggesellschaft Kontakt aufzunehmen, auch um gegebenenfalls Unterstützung (sogenannte «Assistance») der Fluggesellschaft beziehungsweise des Flughafens zu bekommen. Dies beinhaltet zum Beispiel zusätzliche Hilfe beim Einchecken und Boarding [8]. Die Fluggesellschaften verlangen meist 48–72 Stunden Vorlaufzeit, um «Stretcher», Extrasitz, «on-board»-Rollstuhl, Sauerstoff etc. für den entsprechenden Passagier zu organisieren.

Spezifische Empfehlungen bei Eingriffen 
am Bewegungsapparat

Nach traumatologischen oder orthopädischen Eingriffen sind mögliche Turbulenzen während der Reise sowie das eingeschränkte Raumangebot im Flugzeug zu bedenken. Hier stellt sich zum Beispiel die Frage, ob ein Extrasitz oder ein «Stretcher»-Transport» (häufig nach Hüft- oder Femuroperationen) indiziert ist. Aufgrund einer möglichen anfänglichen Schwellungszunahme der betroffenen Extremität sowie einer möglichen Ausdehnung gefangener Luft unter Gipsverbänden ist es sinnvoll, vor einer Flugreise den zirkulären Gips zu spalten [5, 10, 11] (Tab. 2).
Tabelle 2: Flugreisetauglichkeit nach traumatologischen oder orthopädischen Eingriffen (modifiziert nach [4, 8, 9]).
Frakturen Empfohlene minimale Wartezeit bis FlugreisetauglichkeitBesonderheiten
Allgemein  Individuelle Betrachtung:
– Möglicherweise «Stretcher» oder Extrasitz
– Cave: Thromboseneigung
– Hämoglobin beachten
 Flugdauer <2 Stunden: 
Wartezeit 24 StundenBei gespaltenem Gips oder Gipsschiene
 Flugdauer >2 Stunden: 
Wartezeit 48 StundenBei gespaltenem Gips oder Gipsschiene
Ein ärztliches Attest kann bei Metallimplantatträgern (Gelenkprothesen, Osteosynthesematerial bei Knochenbrüchen etc.) zwecks effizienterem Passieren der Sicherheitskontrollen hilfreich sein und wird von einigen Airlines entsprechend empfohlen [12, 13].

Spezifische Empfehlungen bei bauch­chirurgischen Eingriffen

Bauchchirurgische Eingriffe bedingen ebenfalls speziell flugmedizinisch relevante Fragestellungen. So kann sich zum Beispiel aufgrund träger Darmperistaltik in­traluminales Darmgas oder aufgrund offener oder laparoskopischer Eingriffe noch im Bauchraum befindliche freie Luft im Steigflug ausdehnen und so zu unangenehmen Begleiterscheinungen wie Nausea oder Schmerzen führen [5, 9]. Zusätzliche Komplikationen wie Blutungen, Perforation, Nahtüberdehnungen oder Anastomoseninsuffizienzen sind sicherlich eher die Ausnahme, gilt es aber gleichwohl in die sorgfältigen Reisetauglichkeitsüberlegungen mit einzubeziehen [11]. Vor Reiseantritt sollte eine komplikationslose Wundheilung bereits eingetreten und die Umstellung auf orale Ernährung mit geregelter Darmtätigkeit erfolgt sein [10]. Laparoskopische Operationen sind weniger mit postoperativem Ileus assoziiert als offene Operationen. Das verbleibende CO2 wird recht schnell in das Gewebe aufgenommen [5]. Dennoch wird in der Literatur empfohlen, dass bei laparoskopischen Eingriffen durch bildgebende Diagnostik gewährleistet sein sollte, dass sich intraabdominell kein Restgas mehr befindet [9]. Für empfohlene Zeitspannen vergleiche Tabelle 3.
Tabelle 3: Flugreisetauglichkeit nach abdominell-chirurgischen Eingriffen (modifiziert nach [4, 8, 9]).
 Empfohlene minimale Wartezeit
bis FlugreisetauglichkeitBesonderheiten
Allgemein  Orale Ernährung etabliert
Mobilisierung erfolgt
Geregelte Darmtätigkeit
Unkomplizierte Wundheilung
Operationen  
Appendektomie5–10 Tage 
Herniotomie10 Tage 
Endoskopische Polypektomie7 Tage 
Laparoskopische Eingriffe5–10 TageSonographische Kontrolle empfohlen (Restgas)
Offene Cholezystektomie6 Wochen 
Gastrektomie6 Wochen 
Darmresektion6 Wochen 
Sonstige viszeral-chirurgische Eingriffe10 Tage 
Lebertransplantation4 WochenJe nach Art des Eingriffes; mögliche Abstossungsreaktion bedenken
Bauchaortenaneurysma6 WochenHämoglobin >9–10 g/dl
Zusätzliche Befunde  
Gastrointestinale Blutung2–3 WochenAusreichender Hämoglobinwert (>9–10 g/dl), endoskopisch kein Blutungsrisiko mehr
Pneumoperitoneum6 Wochen 
Darmperforation/IleusNicht flugreisetauglichCa. 6 Wochen nach Operation Neuevaluation
Zusätzlich wird generell eine nicht blähende Diät sowie das Verzichten auf kohlensäurehaltige Getränke, insbesondere bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie, empfohlen [9]. Patienten mit Anus praeter haben keine zusätzlichen Risiken zu erwarten, jedoch wird bei abnehmendem Umgebungsdruck mehr Stuhl ausgeschieden. Grössere Beutel oder häufigere Wechsel könnten notwendig werden [5, 9, 11].

Spezifische Empfehlungen bei Eingriffen 
im Hals-Nasen-Ohren-Bereich

Meistens macht der Steigflug im Gegensatz zum Sinkflug bei Eingriffen im HNO-Bereich weniger Beschwerden und der spontane Druckausgleich über die Eustachische Röhre erfolgt in der Regel problemlos. Die Gefahr eines Barotraumas ist jedoch beim Sinkflug deutlich grösser, da der obligate spontane oder induzierte Druckausgleich hier schwerer fallen kann [9]. Besonders heimtückisch ist hierbei, dass sich die Klinik des fehlenden Druckausgleichs erfahrungsgemäss erst in den letzten zwei Kilometern Sinkflug deutlich verstärkt und somit erst in einem bereits fortgeschrittenen Stadium als unangenehm empfunden wird. Es kann so zu Schmerzen, Blutungen oder Schwindel kommen, im Extremfall sogar zu Trommelfellrupturen, Otorrhoe oder Blutungen im Mittelohrbereich [5]. Die Gefahr einer Barodontitis bei entzündlich veränderten Zähnen kann bereits im Steigflug auftreten.
Nach einer Nasenoperation kann der Druckausgleich schwellungsbedingt erschwert sein. Bei festem Zudrücken des operierten Nasenskeletts besteht die Gefahr der Verschiebung im knorpeligen oder knöchernen Bereich. Zudem muss die trockene Luft in der Kabine berücksichtigt werden, welche additiv eine Schleimhautreizung provozieren kann. Somit sollten feuchtigkeitsspendende Massnahmen (zum Beispiel mit Nasensalbe) durchgeführt werden, um die Schleimhäute zusätzlich zu pflegen. Schleimhautschwellungen können natürlich auch durch allergische Reaktionen oder durch akute Infekte hervorgerufen werden. Vor Flugantritt sollte somit eine antiallergische oder antiinfektive Behandlung stattgefunden haben. Das Valsalva-Manöver (Aufbau von Überdruck bei zugehaltener Nase) oder das Toynbee-Manöver (Schlucken bei zugehaltener Nase) können bei Druckausgleichbeschwerden unterstützend Abhilfe schaffen. Zusätzlich können abschwellende Nasentropfen den Effekt unterstützen und verstärken. «Druckausgleichende Ohrstöpsel» sind nicht wirksam; sie dienen höchstens zum Lärmschutz [9, 14]. Generell gilt eine Flugreiseuntauglichkeit bei fehlendem Druckausgleich.
Nach einer Tonsillektomie kann gemäss der International Air Transport Association eine Flugtauglichkeit in weniger als zehn Tagen erteilt werden, solange ein Arzt mit flugmedizinischer Erfahrung zustimmt. Die Hauptgefahr einer Blutung nach Tonsillektomie liegt zwischen Tag eins und zwei sowie zwischen Tag sieben und zehn nach Operation [4]. Generell ohne Assessment gilt eine Wartezeit von meist zwei Wochen [5]. Dieselbe Zeitspanne gilt für Adenotomie, Uvuloplastik, Opera­tionen nach Nasen- oder Gesichtsfrakturen und schönheitschirurgische Eingriffe wie Implantate, Gesichtsstraffung, plastische Nasen- oder Ohrenoperationen sowie Dermabrasio. Patienten mit einer heutzutage sehr seltenen Unterkieferdrahtfixation dürfen nur in Begleitung einer Person mit Drahtschneider oder aber einer Schnelllösevorrichtung fliegen [9, 11] (Tab. 4). Die «Medical Guidelines for Airline Travel» empfehlen dennoch, eine Freigabe durch den Hals-Nasen-Ohren-Spezialisten oder den verantwortlichen Chirurgen einzuholen [5].
Tabelle 4: Flugreisetauglichkeit nach Eingriffen/Erkrankungen im Hals-Nasen-Ohren-
Bereich (modifiziert nach[4, 8, 9]).
Operation bzw. ErkrankungEmpfohlene minimale Wartezeit bis FlugreisetauglichkeitBesonderheiten
Allgemein Intakter Druckausgleich
Ausreichende Belüftung der Nasennebenhöhlen
Operationen im Mittelohrbereich10 Tage 
Tonsillektomie2–3 WochenEvtl. schon früher nach flugmedizinischem Assessment
UnterkieferdrahtfixationNicht flugreisetauglichAusser ggf. wenn Drahtschneider oder Schnelllösevorrichtung vorhanden
Akute Otitis media, akute SinusitisNicht flugreisetauglich 
Abschliessend bietet Tabelle 5 anhand einer Basis-Checkliste Orientierungshilfen bei Überlegungen zur Beurteilung der Flugreisetauglichkeit von frisch operierten Patienten. Bei Unklarheiten lohnt es sich, den medizinischen Dienst der Fluggesellschaften zu kontaktieren. Die Bestimmungen der einzelnen Fluggesellschaften basieren häufig auf dem «IATA Medical Manual» [4], dennoch obliegt es der Airline, den Transport bei zu hohem Risiko zu verweigern.
Tabelle 5: Basis-Checkliste zur groben Orientierungshilfe bei Flugtauglichkeits­überlegungen von frisch operierten Patienten.
Basis-ChecklisteAktion
Welcher Eingriff fand statt?Wartefrist erfüllt? (siehe Tabellen)
Rücksprache mit Spezialist / Chirurg / Flugmediziner erforderlich?
Freie Luft? Bildgebung nötig?
Wundheilung/ Gewebestabilität/ Nahtmaterialent­fernung?
Orale Ernährung etabliert? Geregelte Darmtätigkeit vorhanden? Beutelgrösse bei Anus praeter ggf. anpassen
Spinalanästhesie?
Ventilationsstörung? Atemexkursion? Schmerzen?
Kann Patient 50 m gehen oder 1 Stockwerk steigen ohne Symptome?«Assistance» notwendig? (48–72 h Vorlaufzeit) – Extrasitz, «Stretcher», Upgrade etc.? Rücksprache Medizinischer Dienst Airline nötig?
Flugdauer? 
<2 h / >2 h?Ggf. Attest bei Metallimplantaten?
Spezielle Medikation? Findet eine erstmalige Medikation während Flug statt?
Immobilisation schmerzfrei möglich? Aufrechte Sitzposition möglich?
Hämoglobin?
Reisethromboseprophylaxe möglich? (Gefahr Blutung)
Gips?
Druckausgleich möglich?Trockene Schleimhäute?
Vorbestehende Exsikkose?
Nasensalbe, Augentropfen etc. nötig? (Reduzierte Luftfeuchtigkeit)

Das Wichtigste für die Praxis

• Eine kürzlich stattgefundene Operation ist heutzutage kein Ausschlusskriterium mehr für eine Flugreise.
• Die Flugtauglichkeit nach Operation ist für jeden Patienten individuell zu betrachten. Es müssen neben allgemeinen postoperativen Gesichtspunkten spezielle flugrelevante Aspekte wie etwa sich verändernde ­atmosphärische Bedingungen von Druck und Luftfeuchtigkeit oder eingeschränkte Mobilität berücksichtigt werden.
• Für Wartefristen nach beispielsweise orthopädischen, bauchchirur­gischen und HNO-Eingriffen liegen Empfehlungen unter anderem der ­International Air Transport Association (IATA) vor.
• Bei Unklarheiten lohnt es sich, den medizinischen Dienst der Fluggesellschaften zu kontaktieren.
• Die Sicherheit des Patienten, der restlichen Passagiere und der Crew­mitglieder sollte bei Überlegungen zur Flugreisetauglichkeit immer mit einfliessen.
Wir bedanken uns bei Herrn KD Dr. med. Hans Rudolf Briner, Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten, speziell Hals- und Gesichts­chirurgie, Zentrum für Ohren-, Nasen-, Hals- und plastische Gesichts­chirurgie, Klinik Hirslanden, Zürich, für seine wertvollen Hinweise und Anregungen bezüglich der Empfehlungen im HNO-Trakt.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Schmuckbild S. 421: © Pablo Wünsch Blanco
Dr. med. Robert
von Wattenwyl
Fliegerärztliches Institut
Bettlistrasse 16
CH-8600 Dübendorf
Robert.vonWattenwyl[at]vtg.admin.ch
 1 Siedenburg J. Flugreisetauglichkeit von vorerkrankten Patienten. Beratung von Reisenden mit internistischen Erkrankungen.
Flug u Reisemed. 2014;21(2):69–78.
 2 von Wattenwyl R, Syburra T, Bron D. Reisezeit ist Flugzeit: Thromboserisiko, Jetlag und Herzoperationen. Schweiz Med Forum. 2015;15(39):860–5.
 3 World Health Organization. Travellers with medical conditions
or special needs. Int Travel Heal. 2010:19–21.
 4 International Air Transport Association IATA. Medical Manual 6th Edition. http://www.iata.org/whatwedo/safety/health/Documents/medical-manual-2013.pdf.
 5 Aerospace Medical Association Medical Guidelines Task Force. Medical Guidelines for Air Travel. Aviat Sp Environ Med. 2003;74:A1–19.
 6 Bundesamt für Medizinische Statistik der Krankenhäuser. Neuchâtel. 2015.
 7 Vacanti JJ. Post-spinal headache and air travel. Anesthesiology. 1972;37:358–9.
 8 Franzen D, Seiler O. Der Patient als Flugpassagier. Schweiz Med Forum. 2008;8(38):698–704.
 9 Siedenburg J. Flugreisetauglichkeit nach chirurgischen Eingriffen und während der Schwangerschaft. Beratung für eingeschränkt flugtaugliche Patienten. Flug u Reisemed. 2014;21(3):125–32.
10 Siedenburg J. Kompendium Flug- und Reisemedizin. Books on Demand GmbH, Norderstedt. 2010;313ff.
11 British Airways Health Services. Travelling if you have a medical condition: Your Patient and Air Travel, A Guide to Physicians. http://www.britishairways.com/engb/information/special-­assistance/medical-conditions.
12 Naziri Q, Johnson AJ, Hooper HA, Sana SH, Mont MA. Detection of Total Knee Prostheses at Airport Security Checkpoints. J Arthroplasty. 2012;27(6):1228–33.
13 Swiss International Air Lines. Gesundheit und Reisen: Für einen bedenkenlosen Flug. https://www.swiss.com/ch/DE/vorbereiten/spezielle-betreuung/gesundheit-und-reisen.
14 Jumah MD, Schlachta M, Hoelzl M, Werner A, Sedlmaier B. Pressure regulating ear plug testing in a pressure chamber. Aviat Sp Environ Med. 2010;81(6):560–5.