Arthritis beim Kind
Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist wichtig

Arthritis beim Kind

Übersichtsartikel AIM
Ausgabe
2017/17
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.02959
Schweiz Med Forum 2017;17(17):378-386

Affiliations
Kinderrheumatologie, Kinderspital Luzern

Publiziert am 26.04.2017

Muskuloskelettale Beschwerden im Kindesalter gehören zu den häufigsten Konsultationsgründen beim Kinder- oder Hausarzt. Zumeist kann rasch eine Diagnose ­gestellt werden wie eine Grünholzfraktur, eine «pronation douloureuse» oder ­sogenannte Wachstumsschmerzen. Die Diagnose einer chronischen Arthritis ist schwieriger, da Kinder ihre Beschwerden nicht beschreiben können und selten über Schmerzen klagen. Vielmehr neigen sie dazu, die betroffene Region zu schonen oder gewisse Aktivitäten zu meiden.

Einleitung

In der pädiatrisch-rheumatologischen Sprechstunde stehen entzündlich-rheumatische Erkrankungen im Vordergrund. Am häufigsten ist dabei die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) mit einer Prävalenz von 1/1000 Kindern in Europa. Dies entspricht auch den epidemiologischen Daten aus dem Register, das seit 2004 in der Schweiz geführt wird.
Bereits 1897 beschrieb Georg F. Still in einer Publikation «On a form of chronic joint disease in children» [1] das Krankheitsbild der systemischen juvenilen Arthritis. Still hatte die wichtige Erkenntnis ­gewonnen, dass sich die entzündlichen rheumatischen Gelenkerkrankungen wesentlich von den Krankheitsbildern bei Erwachsenen unterscheiden. Mitte des letzten Jahrhunderts nahmen sich die ersten Ärzte – allen voran Barbara Ansell (1923–2001) – der spezifischen Probleme der Kinder an. In der Folge entstanden ab 1969 in der Schweiz die ersten kinderrheumatologischen Sprechstunden – anfänglich auf Grundlage einer Zusammen­arbeit zwischen Pädiatern und Rheumatologen. Zu dieser Zeit konnten sich Kinder mit Arthritis glücklich schätzen, wenn sie durch Rheumatologen behandelt wurden. Auch mit den besten verfügbaren Therapien war aber ihre Kindheit gekennzeichnet durch Schmerzen und Einschränkungen. Inzwischen hat die Kinderrheumatologie enorme Fortschritte gemacht. Die spezialisierte Betreuung sowie die Entwicklung neuer Medikamente hat die Prognose der juvenilen Arthritis dramatisch verbessert.

Ursachen der Arthritis

Wie bei Erwachsenen stehen auch bei Kindern differentialdiagnostisch infektiöse respektive parainfek­tiöse Ursachen einer Arthritis im Vordergrund. Eine post­virale Arthritis kann sich unmittelbar nach der Infektion oder einige Wochen später manifestieren. Die Gelenke der unteren Extremität sind vermehrt betroffen. Die häufigste Ursache für Hüftschmerzen im Alter zwischen drei und zehn Jahren ist die Coxitis fugax, der sogenannte Hüftschnupfen. Dieser Begriff beinhaltet bereits, dass die Erkrankung harmlos verläuft und folgenlos nach einigen Tagen oder wenigen Wochen wieder verschwindet. Typisch sind die Symptome Schonhinken und Bewegungseinschränkung (insbesondere der Abduktion und Innenrotation) aufgrund des aseptischen Ergusses. Der Schmerz wird von betroffenen Kindern oft nach distal projiziert, sodass bei Knieschmerzen auch das Hüftgelenk untersucht werden muss. Bei länger andauernden Verläufen muss die transiente Coxarthritis von einem Morbus Perthes abgegrenzt werden, der sich ebenfalls in diesem Alter ähnlich manifestieren kann.
Jede Monarthritis ist primär verdächtig auf eine osteoartikuläre Infektion (OAI) im Sinne einer septischen Arthritis und/oder Osteomyelitis, wobei bei Kindern die Erregerinvasion zumeist hämatogen bedingt ist. Als häufigster Erreger wird Staphylococcus aureus nachgewiesen, neben Strepto- und Pneumokokken. Haemophilus influenzae Typ B hat glücklicherweise seit Einführung der HiB-Impfung in den Schweizerischen Impfplan drastisch abgenommen.
Heutzutage ist Kingella kingae der am häufigsten gefundene Keim bei einer OAI des Kleinkindes. Die durch K. kingae bedingten OAI zeichnen sich durch ihr diskretes klinisches Bild und die meist nur wenig veränderten Laborparameter aus. Es ist mühsam, den Erreger zu isolieren. Oft verbleiben Kulturen aus der Synovialflüssigkeit oder dem Knochenpunktat negativ. Die scheinbare Zunahme an K. kingae-bedingten Infektionen kann durch die besseren Erfassungsmethoden (spezifische «real-time»-PCR) erklärt werden [2].
Das rheumatische Fieber ist in unseren Breitengraden eine Rarität geworden. Wesentlich häufiger tritt ein bis drei Wochen nach einer Angina eine Poststreptokokken-Arthritis auf. Die Diagnose kann mit einem posi­tiven Antistreptolysin-Titer bestätigt werden, allerdings ist nur ein signifikanter Titeranstieg nach drei bis sechs Wochen relevant. Reaktive Arthritiden und die Lyme-Arthritis sind bei älteren Kindern und Jugend­lichen zu beobachten und verlaufen dann auch ähnlich wie im Erwachsenenalter. Kristallarthropathien sind bei Kindern eine Rarität. Hingegen sollten bei Kindern genetische Krankheiten, die mit einer Arthritis einhergehen, berücksichtigt werden. Hierzu ­gehören periodische Fiebersyndrome wie das familiäre Mittelmeerfieber oder PAPA-Syndrom (Pyogene Arthritis, Pyoderma gangraenosum, Akne). Auch Kinder mit Immundefekten können autoimmun bedingt eine Arthritis aufweisen.

Die juvenile idiopathische Arthritis

Der Begriff «juvenile idiopathische Arthritis» (JIA) umschliesst eine Gruppe heterogener Erkrankungen mit sieben Subgruppen (Tab. 1). Gemeinsam ist die Arthritis unklarer Ätiologie über eine Dauer von mindestens sechs Wochen mit Beginn vor dem 16. Lebensjahr.
Tabelle 1: Klassifikation der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA).
JIA-SubtypDefinierende klinische MerkmaleHäufigkeit
Systemische Arthritis– Tägliches Fieber während mindestens 2 Wochen
– Arthritis
– Mit einem/mehreren der folgenden Symptome:
• Flüchtiges Exanthem
• Generalisierte Lymphadenopathie
• Hepato/Splenomegalie
• Serositis
7%
Oligoarthritis
– persistierend
– erweitert
1–4 Gelenke während den ersten 6 Monate
– Nie mehr als 4 Gelenke betroffen
– >4 Gelenke betroffen nach den ersten 6 Monaten
53%
Polyarthritis
RF-negativ– 5 oder mehr Gelenke betroffen während den ersten 6 Monaten
– Negativer Rheumafaktor (RF)
14%
Polyarthritis
RF-positiv– 5 oder mehr Gelenke betroffen während den ersten 6 Monaten
– RF zweimal positiv
2%
Arthritis mit Enthesitis– Arthritis und Enthesitis oder
– Arthritis oder Enthesitis mit mindestens 2 der folgenden Kriterien:
• Druckschmerz über den Iliosakralgelenken / entzündlicher Wirbelsäulenschmerzen
• HLA-B27 positiv
• Knabe 6-jährig oder älter
• Akute anteriore Uveitis
• Familienanamnese 1. Grades positiv für HLA-B-27-assoziierte Erkrankungen
14%
Psoriasisarthritis– Arthritis und Psoriasis, oder
– Arthritis und mindestens 2 der folgenden Kriterien:
• Daktylitis
• Nagelveränderungen
• Psoriasis bei einem Verwandten 1. Grades
2%
Undifferenzierte 
ArthritisArthritis, die keiner oder mehr als einer Kategorie zugeordnet werden kann8%
Die Subgruppen unterscheiden sich wesentlich hinsichtlich Klinik, Demographie und Genetik. So ist zum Beispiel die Prävalenz der JIA bei der schwarzen Bevölkerung geringer, schwere Verläufe wie die Polyarthritis aber häufiger als bei Kaukasiern. Die Heterogenität der einzelnen Subgruppen manifestiert sich auch hinsichtlich der Klinik, des Zytokinprofils sowie dem unterschiedlichen Ansprechen auf die Therapie und bezüglich Prognose.

Diagnose

Das Erkennen der JIA basiert hauptsächlich auf der klinischen Einschätzung. Falls vermutet, ist eine vollständige klinische Evaluation notwendig mit speziellem Augenmerk auf die Schmerzsymptomatik und Morgensteifigkeit. Die ausführliche klinische Untersuchung muss alle Gelenke berücksichtigen (Abb. 1) und wird durch wenige spezifische Laborbefunde ergänzt. Am häufigsten finden sich bei Kindern positive antinukleäre Antikörper (ANA), es sind allerdings auch bei 7% aller gesunden Kinder erhöhte Titer im Serum vorhanden. Deshalb kann die Interpretation nur im Zusammenhang mit der Klinik sinnvoll sein. Die JIA ist eine Ausschlussdiagnose. Ein Überblick über die häufigsten ­Differentialdiagnosen ist in Tabelle 2 dargestellt.
Abbildung 1: Schwellung perimalleolär bei Sprunggelenks­arthritis rechts.
Tabelle 2: Differentialdiagnose der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA).
InfektionenViren (Parvovirus B19, Hepatitis B + C, Röteln, EBV u.a.)
Bakterien
Lyme-Arthritis
Tuberkulose
PostinfektiösViral
Post-Streptokokken
Reaktiv (Shigellen, Salmonellen, Campylobacter u.a.)
Nicht entzündlichHypermobilität
Trauma
CRPS Typ I
Fremdkörper-Synovitis
Femoropatelläres Schmerzsyndrom
Osteochondrosis dissecans
Osteonekrosen
Epiphysiolysis capitis femoris
HämatologischSichelzellanämie
Hämophilie
Kollagnosen/VaskulitidenSystemischer Lupus erythematodes
Juvenile Dermatomyositis
Sklerodermie
Morbus Behçet
Purpura Schönlein-Hennoch
Kawasaki-Syndrom
OnkologischNeuroblastom
Leukämie
Lokalisierter Knochentumor
VerschiedenesImmundefekte wie Wiskott-Aldrich-Syndrom, 
Di-George-Syndrom u.a.
Sarkoidose
Periodische Fiebersyndrom wie FMF, CAPS, MWS, PAPA
Abkürzungen: EBV = Epstein-Barr-Virus, CRPS = «complex regional pain syndrome», 
FMF = familiäres Mittelmeerfieber, CAPS = Cryoporin-assoziierte periodische Syndrome,
MWS = Muckle-Wells-Syndrom, PAPA = Pyogene Arthritis, Pyoderma gangraenosum, Akne
Konventionell-radiologische Untersuchungen sind zum Ausschluss ossärer Pathologien bei Erkrankungsbeginn sinnvoll. Hervorragend geeignet ist die Sonographie, sowohl diagnostisch wie auch zur Verlaufskontrolle. Die Magnetresonanztomographie (MRT) erlaubt die klare Abgrenzung nicht entzündlicher Pathologien und die Darstellung sonographisch schwer zugäng­licher Gelenke wie in der Wirbelsäule oder der Kiefergelenke. Eine MRT bei jüngeren Kindern (bis ca. 7 Jahre) bedarf aber ­einer Sedation und Begleitung durch die Anästhesie.

Oligoarthritis

Der häufigste Subtyp der JIA ist die Oligoarthritis. Diese Form ist definiert durch eine Arthritis an maximal vier Gelenken in den ersten sechs Monaten. Sie betrifft typisch das Kleinkindalter (<6 Jahre) und viermal häufiger Mädchen. Der Beginn ist typischerweise schleichend. Oft geben die Kinder keine Schmerzen an, sondern ­zeigen eine Verhaltensänderung wie Schonhaltung oder «Sich-tragen-lassen». Die Arthritis verläuft asymmetrisch; am häufigsten betroffen ist das Kniegelenk, gefolgt vom Sprunggelenk und den kleinen Gelenken der Hand. Über 50% der Kinder mit früh beginnender juveniler Oligoarthritis sind ANA-positiv. Sie haben ein höheres Risiko für eine Iridozyklitis und sollten alle ­drei Monate vom Augenarzt untersucht werden. Folgezustände sind Muskelatrophien, Gelenkfehlhaltungen und Wachstumsstörungen (Abb. 2). Therapeutisch werden vorwiegend nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und intraartikuläre Steroide eingesetzt. Bei extendierendem Verlauf oder auch im Rahmen einer Uveitis kann eine Basistherapie notwendig sein, vorzugsweise mit Methotrexat. Nach sechs bis zehn Jahren beträgt die Remissionsrate 23–47%.
Abbildung 2: Muskelatrophien, Fussfehlstellung, Genua valga als Folge 
der chronischen Arthritis.

Systemische juvenile idiopathische Arthritis

Die systemische juvenile idiopathische Arthritis (sJIA) ist eine systemisch-inflammatorische Erkrankung, charakterisiert durch die Arthritis, aber auch systemische Symptome. Wichtigstes Merkmal ist zu Beginn das sepsisähnliche, rekurrierende Fieber vergesellschaftet mit weiteren extraartikulären Organmanifestationen (Tab. 1/Abb. 3).
Abbildungen 3A und B: Exanthem und Gonarthritis rechts bei Erstmanifestation der systemischen juvenilen idiopathischen Arthritis.
Bei etwa einem Drittel der Patienten besteht zu Beginn nur eine Arthralgie. Die extraartikulären Manifesta­tionen können der Arthritis um Wochen oder Monate vorausgehen. Jedes Gelenk kann betroffen sein. Handgelenke, Knie, Sprunggelenke sind besonders häufig involviert, aber auch die Halswirbelsäule (HWS), Hüften und das Temporomandibulargelenk.
Die sJIA kann unterschiedliche Verläufe zeigen: Bei ­einem Teil der Patienten verschwinden die Allgemeinsymptome nach einigen Monaten und die Gelenkproblematik steht im Vordergrund, bei den anderen persistiert die systemisch-inflammatorischen Sym­ptomatik. Auch die Prognose ist sehr variabel. Etwa die Hälfte der Pa­tienten erholt sich vollständig, insbesondere diejenigen mit einer oligoartikulären Form. Die anderen Fälle münden bei chronisch-rezidivierender oder persistierender Entzündung in eine destruktive Polyarthritis.
Die sJIA unterscheidet sich von den anderen Subtypen hinsichtlich Klinik, aber auch Immunpathologie. Bei der sJIA geht man nicht von einer autoimmunen, sondern von einer autoinflammatorischen Erkrankung aus [3]. Laborchemisch sind eine Leukozytose mit Neutrophilie, eine Thrombozytose und ein erhöhtes Ferritin typisch, hingegen finden sich keine Autoantikörper. Die Zytokinspiegel von IL-1, IL-6, GM-CSF und IL-18 sind im Serum deutlich erhöht und korrelieren mit der Krankheitsaktivität. IL-6 verhält sich nicht nur parallel zum Fieberschub, sondern spielt auch eine Rolle in der Ausbildung der mikrozytären Anämie und der Wachstumsstörung, die bei ungenügender Behandlung zu Kleinwuchs führen kann (Abb. 4). TNF-α ist hingegen in der Synovialflüssigkeit erhöht. TNF-α-Inhibitoren zeigen bei der sJIA ein schlechteres Ansprechen als bei den übrigen Subgruppen [4]. Ein gutes Wirkungsprofil vor allem hinsichtlich der systemischen Sym­ptome haben die monoklonalen Antikörper gegen Il-1 und IL-6, die als «second-line treatment» eingesetzt werden [5].
Abbildung 4: Rolle von Interleukin 6.
Patienten mit sJIA werden primär mit NSAR behandelt, falls dies nicht ausreicht, werden Steroide (Prednisolon 1–2 mg/kg Körpergewicht/Tag) eingesetzt. Die weitere Therapie richtet sich danach, ob die systemischen oder artikulären Symptome im Vordergrund stehen.
Vor der Ära der Biotherapien war die Krankheit bei ­etlichen Patienten schwierig zu kontrollieren (Abb. 5). Jahrelange Steroidbehandlungen führten zu schweren ­Nebenwirkungen, allen voran Kleinwuchs und Osteoporose.
Abbildung 5: 18-jähriger Patient mit systemischer juveniler idiopathischer Arthritis. Ankylose der Dornfortsätze im Bereich der Halswirbelsäule (A) und destruktive Polyarthritis (B).
Die Ausbildung einer Amyloidose ist heutzutage aufgrund der verbesserten Therapiemodalitäten eine Rarität. Die sJIA weist aber weiterhin sowohl die höchste Morbidität als auch Mortalität auf, unter anderem aufgrund der Komplikation eines Makrophagenaktivierungssyndroms.

Makrophagenaktivierungssyndrom

Das Makrophagenaktivierungssyndroms (MAS) ist eine schwere, potentiell lebensbedrohliche Erkrankung, die nicht selten schon zu Beginn der sJIA auftritt. Es ist charakterisiert durch eine unkontrollierte Aktivierung von T-Lymphozyten und Makrophagen sowie massive Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen. Auslösende Faktoren können verschiedene Virusinfektionen oder Medikamente (Aspirin®, NSAR, Salazopyrin u.a.) sein. Die Hämophagozytose führt zu einer Zytopenie. Gleichzeitig ist die massive Erhöhung des Serumferritins auf Werte über 10 000 mg/ml verdächtig für ein MAS. Die definierenden Symptome zeigt Tabelle 3. Neben einem rheumatischen Schub ist das MAS differentialdiagnostisch von einer Sepsis abzugrenzen.
Tabelle 3: Symptome bei Makrophagenaktivierungssydrom.
Persistierendes Fieber
Hepato-/Splenomegalie
Beteiligung des Zentralnervensystems
Ferritin erhöht (>684 ng/ml)
Transaminasenanstieg
Hypofibrinogenämie
Zytopenie

Polyarthritis

Die Rheumafaktor(RF)-positive Polyarthritis, die der seropositiven Polyarthritis des Erwachsenen entspricht, ist der seltenste Subtyp der JIA. Sie tritt meist bei adoleszenten Mädchen zwischen 12 und 16 Jahren auf. Der Verlauf ist wie bei Erwachsenen charakterisiert durch einen progressiven Gelenkbefall, frühe radiologische Veränderungen und Deformitäten.
Die RF-negative Polyarthritis ist wesentlich häufiger und kann sich während des ganzen Kindesalters manifestieren. Die Arthritis ist symmetrisch; grosse und kleine Gelenke sind befallen, häufig mit einer Beteiligung der Flexorensehnen. Die HWS kann ebenfalls in den Krankheitsprozess einbezogen sein, mit der Sym­ptomatik einer Torticollis.
Insgesamt macht die Polyarthritis etwa 16% der JIA aus. Ein Grossteil dieser Kinder braucht eine langjährige Medikation, therapiefreie Intervalle sind selten.
Die Behandlung der JIA wurde bisher gemäss einem Stufenschema durchgeführt. Nach Beginn mit der schwächsten Medikation erfolgte eine Therapieintensivierung über mehrere Monate. Heute wird bei Pa­tienten mit hoher Krankheitsaktivität ein frühes aggressives Therapiekonzept diskutiert mit Beginn einer Kombinationstherapie von «disease modifying antirheumatic drugs» (DMARD), Biologika und Steroiden. Es wurde mehrfach nachgewiesen, dass die Kombination eines Biologikums mit einem DMARD einer Monotherapie überlegen ist. Bei einer frühen aggressiven Therapie kann bei der Mehrzahl der Patienten eine klinisch inaktive Erkrankung erreicht werden. Das ist entscheidend, da es sich gezeigt hat, dass die Krankheitsaktivität in den ersten zwei Jahren der wichtigste Faktor für den weiteren Krankheitsverlauf ist.

Psoriasisarthritis

Die Prävalenz der Psoriasis im Kindesalter beträgt etwa 0,5%. Der Anteil der Kinder mit einer zusätzlichen Arthritis muss als noch geringer eingestuft werden. Mädchen sind auch hier etwas häufiger betroffen. Die Psoriasisarthritis (JPsA) kann aber unabhängig vom Hautbefall bereits im Kleinkindesalter auftreten. In vielen Fällen geht die Arthritis der dermatologischen Symptomatik voraus. Die Klassifikationskriterien beinhalten die klinischen Zeichen einer Arthritis, Psoriasis, Daktylitis und Nageltüpfelung sowie eine positive Familienanamnese bezüglich Psoriasis.
Bei der Psoriasisarthritis ist am häufigsten das Kniegelenk betroffen, aber es gibt auch eine eindeutige Prädilektion für die kleinen Gelenke. (Abb. 6). Eine Daktylitis mit Beteiligung der proximalen und distalen Interphalangealgelenke (PIP bzw. DIP), einer Tendinitis sowie einer diffusen periartikulären Schwellung ist auch bei Kindern typisch. Die Psoriasisarthritis ist ebenfalls assoziiert mit einer akuten Uveitis anterior. 30–60% der Patienten mit Psoriasisarthritis sind ANA-positiv. Die Behandlung richtet sich nach dem Gelenkbefall.
Abbildung 6: Psoriasisarthritis.

Juvenile Arthritis mit Enthesitis

Die juvenile Arthritis mit Enthesitis beginnt als Oligo­arthritis und tritt ab dem Schulalter auf. Typisch ist eine entzündliche Aktivität an den unteren Extremitäten, auch die Hüfte kann bei dieser Gruppe involviert sein. Die Enthesitis kann die Plantarfaszie, die Achillessehne oder weitere Sehnenansätze betreffen. Bei ca. 40% kann die Erkrankung während der Adolszenz weiter fortschreiten und die Iliosakralgelenke (ISG) und/oder die Gelenke der Wirbelsäule befallen. Obwohl die Ar­thritis mit Enthesitis bei Kindern charakterisiert ist durch einen grösseren Anteil an extraaxialen Symptomen, gehört diese Erkrankung in die Gruppe der Spondylarthropathien. Etwa 70% sind HLA-B27-positiv. Eine akute Iridozyklitis ist bei Kindern seltener.

Kiefergelenkarthritis

Die Kiefergelenkarthritis wurde bereits von Still in ­seiner ersten Fallserie von 1897 bei Kindern mit chronischer Arthritis beschrieben. Die Problematik des «temporomandibular joint» (TMJ) wurde im Folgenden vernachlässigt, vor allem weil es klinisch schwierig ist, eine entzündliche Aktivität zu erfassen. So konnten erst Langzeitschäden im Sinne einer Retrognathie aufgrund der mandibulären Wachstumsstörung festgestellt werden. Da die Wachstumszone beim TMJ direkt unterhalb des Gelenkknorpels liegt, ist das Risiko für eine Wachstumsstörung bei diesem Gelenk speziell hoch.
Mit der MRT ist das Kiefergelenk besser beurteilbar ­geworden – entzündliche Veränderungen können sicher erfasst werden. Die MRT ist heute der Goldstandard zur Diagnostik der Kiefergelenkarthritis. Die Inzidenz einer TMJ-Beteiligung bei JIA-Patienten liegt etwas bei 60%. Folgen der länger andauernden Arthritis sind eine eingeschränkte Kaufunktion, Malokklusion, Mikrognathie bei beidseitigem Befall respektive Gesichtsasymmetrie bei einseitiger Verkürzung der Mandibulae.

Uveitis

Die Uveitis ist die häufigste extraartikuläre Manifestation der JIA. Das Risiko ist für die verschiedenen Untergruppen unterschiedlich gross. Die Prävalenz ist hoch bei jungen Kindern mit einer Oligoarthritis, insbesondere wenn sie ANA-positiv sind. Die Uveitis ist zu Beginn oft schleichend mit chronischem Verlauf, definiert über eine Dauer von drei Monaten ohne zwischenzeitliche Remission. Symptome wie eine Rötung des Auges fehlen meist. Hinzu kommt, dass kleine Kinder entsprechende Symptome (Photophobie, Visusminderung) nicht als solche wahrnehmen und artikulieren können. Die mit der JIA assoziierte chronische Uveitis anterior ist häufig bilateral (65–87%).
Pathophysiologisch kommt es zu einer Aufhebung der Blut-Augen-Schranke, erkennbar an Zellen und Proteinen in der vorderen Augenkammer (Tyndall-Effekt), die mittels Spaltlampenuntersuchung erfasst und quantifiziert werden können (Abb. 7 und 8). Die Beurteilung der Uveitis erfolgt derzeit in allen Uveitiszentren anhand der SUN-Kriterien («Standardization of Uveitis Nomenclature»).
Abbildung 7: Uveitis anterior mit retrokornealen Präzipitaten.
Abbildung 8: Spaltlampenuntersuchung (die Publikation erfolgt mit dem Einverständnis der Eltern).
Die Folgen einer Uveitis können schwerwiegend sein: Bei ca. 20% der Patienten kommt es zu einer Sehbehinderung am betroffenen Auge aufgrund eines Katarakts, Glasköpertrübungen und Makulaveränderungen. Die Visusminderung kann sich auch auf den Schulbesuch oder den Beruf auswirken. Der frühen Dia­gnose kommt deshalb eine herausragende Bedeutung für die Langzeitprognose zu. Daher sollte unmittelbar nach Diagnose einer JIA ein Screening begonnen werden. Damit und unter Ausschöpfung der aktuellen Therapieoptionen lässt sich das Risiko für irreparable Folgeschäden und die damit verbundene Minderung der Lebensqualität deutlich senken, ist aber im Vergleich zu den Uveitisformen im Erwachsenenalter immer noch sehr gross. Um Komplikationen zu verhindern, muss die intraokuläre Entzündung unbedingt beherrscht werden, denn selbst eine leichte residuelle Entzündung kann zu schweren intraokulären Komplikationen führen. Die kindliche Uveitis bedarf einer spezialisierten Betreuung. Diese ist optimal, wenn sich die verschiedenen Fachleute, bestehend aus behandelndem Kinderarzt, Augenarzt und Rheumatologen, gemeinsam um das Kind kümmern.

Grundsätze der Therapie

Obwohl wir bisher keine Medikamente besitzen, die JIA zu heilen, hat sich die Prognose durch die Fortschritte in der Behandlung unglaublich verbessert. Am wichtigsten war die Entwicklung der Biologika, die für Patienten mit ungenügendem Ansprechen auf die konventionellen Antirheumatika eine wertvolle Behandlungsoption darstellen.
NSAR waren lange der Hauptpfeiler in der Behandlung. Auch heutzutage haben sie ihre Bedeutung, häufig wird die Therapie mit einem NSAR gestartet. Es sind nur wenige Substanzen für das Kindesalter zugelassen: Na­proxen, Ibuprofen, Indomethacin und Celecoxib. Sie werden meist gut toleriert. Nebenwirkungen, vor allem gastrointestinal, sind seltener als bei Erwachsenen.
Nach Entdeckung des Kortisons 1949 wurden Steroide mit erheblichen Nebenwirkungen verabreicht. Ein erster wirklicher Fortschritt in der Behandlung kam mit dem Einsatz der steroidsparenden DMARD wie Methotrexat, Azathioprin und Ciclosporin, die allerdings bei Kindern zunächst sehr zurückhaltend eingesetzt wurden. Methotrexat ist heute das weltweit am häufigsten eingesetzte DMARD bei der Behandlung der JIA. Es wird bei allen Subgruppen eingesetzt und zeigt auch einen guten Effekt auf die Uveitis. Die häufigsten Nebenwirkungen sind gastrointestinal mit Nausea und Erbrechen, was gelegentlich einen Therapiewechsel bedingt. Alternativ kann auf Leflunomid gewechselt werden. Das Hämatogramm und Leberwerte müssen bei beiden Medikamenten regelmässig kontrolliert werden.
Im Jahr 2000 wurde der erste TNF-α-Inhibitor Etanercept, ein vollständig humaner TNF-Inhibitor, als erstes Biologikum für die Anwendung bei der juvenilen idiopathischen Polyarthritis zugelassen. Die durchgeführten Studien konnten aufzeigen, dass Etanercept die ­radiologische Progression der Gelenkzerstörung reduziert, die Gelenkfunktion und Lebensqualität verbessert. Eine vollständige Remission konnte bei 50% der Patienten erreicht werden. TNF-α-Inhibitoren haben nicht nur im Gelenk einen antiinflammatorischen Effekt, sondern wirken auch systemisch, sodass auch Symptome wie Müdigkeit verschwinden. TNF-α-Inhibitoren sind effektiver, wenn sie früh eingesetzt und mit einem DMARD oder Prednison kombiniert werden.
Die Palette an Antizytokinen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen und richtet sich neben TNF- α auch gegen Interleukine (IL-6, IL-12, IL-17, IL-23) sowie gegen die Rezeptoren IL-1α und IL-1β. Auch wenn das Spektrum der Biologika in der Pädiatrie aufgrund mangelnder Zulassungsstudien eingeschränkter ist, stehen doch mehrere Biologika zur Verfügung (Tab. 4).
Tabelle 4: Biologika, welche bei pädiatrisch-rheumatischen Erkrankungen in der Schweiz zugelassen sind.
NameWirkstoffTargetDosierungIndikation
Enbrel®EtanerceptTNF-α0,8 mg/kg KG s.c wöchentlichpJIA, erweiterte Oligoarthritis 
ab 2. LJ; 
ERA, Psoriasis-Arthritis ab 12 J.
Humira®AdalimumabTNF-α24 mg/m2, max. 40 mg s.c. 
2-wöchentlichpJIA ab 4 J.
Orencia®AbataceptCTLA410 mg/kg KG i.v., 4-wöchentlichpJIA ab 6 J.
Actemra®TocilicumabIL-68 mg/kg KG s.c., 4-wöchentlichpJIA ab 2 J.
8 mg/kg KG (<30 kg) bzw. 12 mg/kg KG (>30 kg) s.c., jeweils 2-wöchentlichsJIA ab 2 J.
Ilaris®CanakinumabIL-12–4 mg/kg KG s.c., 4-wöchentlichsJIA ab 2. J.
KG = Körpergewicht, LJ = Lebensjahr, pJIA = polyartikuläre juvenile idiopathische Arthritis, 
sJIA = systemische juvenile idiopathische Arthritis, ERA = enthesitis-related arthritis
Unter der immunsupressiven Therapie ist das Risiko einer Infektion, insbesondere auch viraler Infektionen wie Varizellen, oder einer Reaktivierung einer Tuberkulose erhöht. Das Risiko muss vor Therapiebeginn sorgfältig mittels Anamnese (Exposition, Aufenthaltsort, Impfungen) und bestimmter Screeningtests evaluiert werden. Der Impfstatus sollte vervollständigt werden. Dabei wird empfohlen, die Lebendimpfungen mindestens vier Wochen vor Therapiebeginn zu verabreichen. Die Grippeimpfung sollte jährlich durchgeführt werden [6].
Ob TNF-α-Inhibitoren mit einem erhöhten Malignom­risiko einhergehen, ist nicht geklärt. Eine 2013 veröffentlichte Studie ergab bei mit Etanercept behandelten Kindern eine höhere Inzidenz für Hodgkin-Lymphome verglichen mit der Allgemeinbevölkerung [7]. Die Interpretation ist jedoch nicht eindeutig, da Patienten mit JIA per se eine erhöhte Inzidenz für Malignome haben.
Die heute zu Verfügung stehenden Medikamenten erlauben, als Ziel die vollständige Kontrolle der Krankheit zu definieren: «treat to target». Dabei wird therapeutisch eine klinische Remission angestrebt, um Langzeitschäden zu verhindern sowie die körperliche und psychologische Integrität des Kindes zu erhalten. Hierfür brauchen die Patienten eine kontinuierliche Begleitung zur regelmässigen Erfassung der Krankheitsaktivität und Monitorisierung der Therapie.

Prognose

Die Prognose der JIA hängt neben der Aktivitätsdauer auch von der Anzahl der betroffenen Gelenke sowie den extraartikulären Manifestationen ab.
Die JIA ist keine harmlose verlaufende Kinderkrankheit, sie kann erhebliche Folgeerscheinungen mit sich bringen. Etwa 30% der Patienten weisen als junge Erwachsene eine Funktionsminderung sowie artikuläre oder extraartikuläre Folgeschäden auf. Ein gängiges Missverständnis ist, dass die kindliche Arthritis bis zur Pubertät verschwindet. Langzeitstudien zeigen jedoch, dass je nach Subtyp die Erkrankung in mehr als 50%
der Fälle ins Erwachsenenalter übergeht. Entsprechend wichtig ist eine erfolgreiche Transition zum Erwachsenenrheumatologen mit einer lückenlosen und kompetenten Betreuung auch im Erwachsenenalter.

Das Wichtigste für die Praxis

• Das Erkennen der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) basiert auf klinischen Befunden und wird durch wenige spezifische Laborbefunde und radiologische Untersuchungen ergänzt. Ungezielte Laboruntersuchungen («Rheumablock») sind unnötig.
• Kindliches Rheuma muss hinsichtlich der Subform differenziert werden in Bezug auf die spezifische Langzeittherapie, Prognose sowie Komplikationen.
• Die bessere Betreuung der Kinder mit JIA sowie die Behandlung bestehend aus länger etablierten Medikamenten kombiniert mit Biologika haben die Prognose erheblich verbessert. Aktuelle Studien belegen den deutlichen Rückgang von Patienten mit schwerwiegenden langfristigen Einschränkungen.
• Bei der Behandlung der JIA ist eine gute Zusammenarbeit mit den betreuenden Kinder- und Hausärzten wichtig, insbesondere beim Einsatz immunsuppressiver Therapien. Sie sind zuständig für die Durchführung der Impfungen und erste Anlaufstelle bei Infekten.
Die Autorin hat keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Dr. med. Daniela Kaiser
Leitende Ärztin
Pädiatrie
Kinderspital Luzern
daniela.kaiser[at]luks.ch
1 Still GF. On a form of chronic joint disease in children. Med Chir Trans. 1897;80:47–60.9.
2 Francescato M, Cherkaoui A, Merlini L, Schrenzel J, Ceroni D. Osteoartikuläre Kingella kingaella-Infektionen beim Kleinkind. Pediatrica. 2011;22(2):7–8.
3 Mellins ED, Maaubas C, Grom AA. Pathogenesis of systemic juvenile idiopathic arthritis: some answers, more questions.
Nat Rev Rheumatol. 2011;7: 416–26.
4 Southwood TR, Forster HE, Davidson JE, et al. Duration of etanercept treatment and reasons for discontinuation in a cohort of juvenile idiopathic arthritis patients. Rheumatology (Oxford). 2011;50:189–95.
5 Woerner A., Uettwiller F., Melki I. et al. Biological treatment in systemic juvenile idiopathic arthritis: achievement of inactive disease or clinical remission on a first, second or third biological agent. RMD Open. 2015;1.
6 Davies HD. Infectious complications with the use of biologic response modifiers in infants and children. Pediatrics. 2016;138(2).
7 Hooper M, Wenkert D, Bitman B et al. Malignancies in children and young adults on etanercept: summary of cases from clinical trials and post marketing reports. Pediatr Rheumatol Online J. 2013;11(1):35.