Parkinson-Syndrom und Parkinson-Krankheit
Nicht heilbar, aber lange gut behandelbar

Parkinson-Syndrom und Parkinson-Krankheit

Übersichtsartikel AIM
Ausgabe
2017/20
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.02962
Schweiz Med Forum 2017;17(20):448-455

Affiliations
Neurologische Universitätsklinik, Inselspital, Universitätsspital Bern

Publiziert am 16.05.2017

Bei Parkinson handelt es sich nicht nur um eine motorische Störung, es werden früh auch Psyche, Kognition und das vegetative Nervensystem (sogenannte nicht motorische Symptome) in Mitleidenschaft gezogen. Parkinson ist nicht nur eine Störung der dopaminergen Neurone in der Substantia nigra, sondern betrifft viele Neurotransmitter und im Verlauf Neurone des ganzen Gehirns und auch extrazerebral, so zum Beispiel gastrointestinal. Zwar beschränken sich die Therapiemöglichkeiten immer noch auf eine Symptombehandlung, aber diese besteht nicht (mehr) nur in der Dopaminsubstitution, sondern in multiplen pharmakologischen, physiotherapeutischen und chirurgischen Therapieoptionen.

Einführung

Abkürzungen:
PS Parkinson-Syndrom
PD «Parkinson disease»; Parkinson-Krankheit, idiopathisches Parkinson-Syndrom (IPS), Morbus Parkinson
LB «Lewy bodies»
NMS «non motor symptoms» (nicht motorische Symptome)
DBS «deep brain Stimulation» (Tiefenhirnstimulation)
Die Parkinson-Erkrankung (PD; idiopathisches Parkinson-Syndrom, Morbus Parkinson) ist nach der Alzheimer-Demenz die zweithäufigste neurodegenerative ­Erkrankung [1]. Sie wird heute als eine chronische, progrediente, multisystemische, degenerative, neuronale Erkrankung verstanden, die nicht nur das dopaminerge System, sondern auch die serotonerge, glutamaterge und GABAerge Neurotransmission betrifft. Daraus leiten sich motorische, aber auch vielseitige nicht motorische Funktionsstörungen ab.
Die typischen und den Parkinsonismus definierenden motorischen Leitsymptome (auch Kernsymptome) sind eine Verlangsamung der Bewegungsabläufe (Bradykinesie) zusammen mit einem erhöhten Muskeltonus (Rigor) oder einem Ruhetremor oder beiden [2]. Bradykinesie und Rigor führen zu der typischen Haltung und dem typischen Gangbild.
Erst in den letzten Jahren wurde den nicht motorischen Symptomen vermehrt Beachtung geschenkt, da sie bezüglich Behinderung und Einschränkung der Lebensqualität mindestens ebenso wichtig sind. Dazu gehören psychiatrische Störungen (wie Depression, Angst, Apathie, Zwangsstörungen), Schlafstörungen, kognitive Einschränkungen (dysexekutive Syndrome, Demenz), aber auch autonome Funktionsstörungen (gastrointestinale, urologische, sexuelle, orthostatische und weitere vegetative Symptome). Diese verschiedenen Symptomkomplexe müssen bei der optimalen Wahl der Anti-Parkinson-Therapie mitberücksichtigt werden. 
Einige der nicht motorischen Symptome wie Störung des Geruchsinns, Obstipation, Depression oder REM-Schlaf-Verhaltensstörung treten häufig sogar als Prodromalphase vor den motorischen Symptomen auf (prämotorische Symptome) [3]. Sie werden dann eine besondere Bedeutung für die Frühdiagnostik gewinnen, wenn es einmal möglich sein wird, die Krankheitsprogression zu beeinflussen.

Parkinsonsyndrome – Abgrenzung

Der Begriff Parkinson-Syndrom, auch als Parkinsonismus bezeichnet, umfasst eine Vielzahl von Erkrankungen, die bezüglich Pathogenese, Therapieansprechen und Prognose allerdings nur wenig miteinander gemein haben. Parkinson-Syndrome sind definiert durch die drei motorischen Kardinalsymptome Brady-/Akinese sowie Rigor oder Ruhetremor oder beides, die nicht primär durch visuelle, vestibuläre, zerebelläre oder propriozeptive Störungen zu erklären sind. Gemäss den «UK (United Kingdom) Brain Bank criteria» und den 2015 veröffentlichten «MDS (Movement Disorder Society) clinical diagnostic criteria» sind für die Diagnosestellung der Parkinson-Krankheit das Vorhandensein von Brady-/Akinese und mindestens ein weiteres Kardinalsymptom erforderlich. Es werden ­sogenannte Ausschlusskriterien (alles klinische) formuliert, die nicht vorhanden sein dürfen, sowie «red flags» (ebenfalls klinische), die für eine sichere Diagnosestellung auch nicht zugelassen sind [2]. Die Diagnosestellung erfolgt somit klinisch, kann aber in Zweifelsfällen durch eine Zusatzdiagnostik, beispielsweise nuklearmedizinische, bildgebende Methoden, ergänzt werden.
Abgesehen von den symptomatischen (sekundären) Parkinson-Syndromen, die durch metabolische (z.B. M. Wilson, Hyperparathyreoidismus, Fahr-Syndrom) oder toxische Ursachen (z.B. Kohlenmonoxid, Mangan), Schädel-Hirn-Traumata, vaskuläre Schäden, Raumforderungen oder auch eine entzündliche Ursache hervorgerufen werden können, sind die Parkinson-Syndrome Folge neurodegenerativer Erkrankungen (Tab. 1) [3].
Tabelle 1: Parkinson-Syndrome.
Idiopathisches Parkinson-Syndrom
Genetische Formen des Parkinson-Syndroms
Atypische Parkinson-Syndrome
Demenz mit Lewy-Körpern (DLK)
Multisystematrophie (MSA)
– Parkinsontyp (MSA-P)
– Zerebellärer Typ (MSA-C)
Progressive supranukleäre Parese (PSP)
Kortikobasale Degeneration (CBD)
Symptomatische (sekundäre) Parkinson-Syndrome
Medikamenteninduziert 
(u.a. klassische Neuroleptika, ­Lithium)
Tumorbedingt
Posttraumatisch
Toxininduziert (z.B. durch Kohlenmonoxid, Mangan)
Entzündlich (enzephalitisch)
Metabolisch (z.B. Morbus Wilson, Hypoparathyreoidismus)
Vaskuläre Leukoenzephalopathie
Hydrozephalus
Das idiopathische Parkinson-Syndrom (IPS), das auch als primäres Parkinson-Syndrom, Parkinson-Krankheit (PD) oder Morbus Parkinson bezeichnet wird, stellt hierbei den Hauptanteil – etwa 75% der Krankheitsfälle – von neurodegenerativen Parkinson-Syndromen dar und wird daher in der vorliegenden Übersichtsarbeit ausführlicher beschrieben.
Darüber hinaus existieren aber auch andere neurodegenerative Parkinson-Syndrome, die als atypische Parkinson-Syndrome zusammengefasst werden. Zu den häufigsten atypischen Parkinson-Syndromen werden die Multisystematrophie (MSA), die Demenz vom Lewy-Körper-Typ (DLK), die progressive supranukleäre Blickparese (PSP) und die kortikobasale Degeneration (CBD) gezählt. Die Abgrenzung dieser Entitäten sollte durch den Neurologen erfolgen und ist nicht immer einfach, aber infolge unterschiedlicher Prognosen und Therapieansprechen durchaus relevant. Hinweise für das Vorliegen eines möglichen atypischen Parkinson-Syndroms finden sich in Tabelle 2.
Tabelle 2: Warnsymptome («red flags»), die auf ein atypisches Parkinson-Syndrom hinweisen (gemäss DGN-Leitlinien).
Nichtansprechen auf hohe Dosen von L-DOPA 
(bis 1000 mg, Resorptionsstörung ausgeschlossen)
Frühzeitig im Verlauf auftretende schwere Störungen des autonomen Nervensystems (orthostatische Hypotension, Synkopen, Impotenz oder verringerte genitale Erregbarkeit, Urininkontinenz oder -retention, Anhidrose)
Zerebelläre Zeichen
Pyramidenbahnzeichen, soweit nicht anderweitig erklärt 
(z.B. Schlaganfall)
Okulogyre Krisen
Ausgeprägter Anterokollis
Deutliche (frühzeitige) Dysphagie oder Dysarthrie
Supranukleäre vertikale Blickparese
Frühe posturale Instabilität mit Stürzen 
(insbesondere nach hinten)
Apraxie und/oder Aphasie
Innerhalb des ersten Jahres auftretende Demenz 
mit Sprach- und Gedächtnisstörungen
Stark fluktuierende Vigilanz und Müdigkeit
Innerhalb des ersten Jahres auftretende fluktuierende 
visuelle Halluzinationen
Somnolenzphasen, spontan oder nach Neuroleptikagebrauch
Symmetrische Symptomatik
Akuter Beginn

Parkinsonkrankheit – Pathogenese

Die Parkinson-Krankheit zählt zu den neurodegenerativen Erkrankungen. Histopathologisches Kennzeichen ist die abnorme Akkumulation und Ablagerung von aggregiertem α-Synuclein, vorwiegend, aber keineswegs ausschliesslich, in den dopaminergen Neuronen des zentralen Nervensystems (ZNS) in Form intrazellulärer Einschlusskörperchen, der «Lewy bodies» (LB). Dies führt zu einem Verlust dopaminerger Neurone in der Substantia nigra und sekundär zu einem Mangel an Dopamin im Putamen und Nucleus caudatus.
Die Ursachen sind in den meisten Fällen eines idiopathischen PS unbekannt – aufgrund des variablen klinischen Bildes geht man von einer Kombination verschiedener pathogenetischer Einflüsse aus [4]:
1. Genetische Faktoren: Ein deutlicher Hinweis auf ein genetisch bedingtes Parkinson-Syndrom ist typischerweise der Krankheitsbeginn vor dem 40. Lebensjahr. Familiäre, monogenetische Fälle machen weniger als 5% aus. Es sind mittlerweile über 15 verschiedene Genmutationen mit autosomal dominantem oder rezessivem Erbgang bekannt. Aber auch ausserhalb monogenetischer Fälle spielt die familiäre Belastung eine Rolle: Für Geschwister von Parkinsonpatienten ist das ­Risiko 6,7-fach und für Kinder 3,2-fach erhöht, auch an PD zu erkranken.
2. Metabolische Faktoren, die zu ­erhöhtem oxydativem Stress führen, so auch mitochondriale Funktionsstörungen sowie abnorme Eliminationsmechanismen von Endo- und Exotoxinen werden postuliert.
3. Die vermehrte Exposition gegenüber bestimmten Umwelttoxinen wie Schwermetallen (v.a. Mangan, aber auch Kupfer, Blei oder Eisen), Pestiziden, Herbiziden, Schweissarbeiten und anderen ist epidemiologisch ein erwiesener Risikofaktor.
Der frühe Nachweis von Ablagerungen des abnormen α-Synucleins auch in extrazerebralen, gastrointestinalen Neuronen (Plexus und Ganglien) bei Parkinson­patienten hat der exotoxischen Hypothese wieder ­Auftrieb verliehen. Dies und die Beobachtung einer kaudokranialen Ausbreitung der LB in den ZNS-Neu­ronen, beginnend im Bulbus olfactorius und in den ­kaudalen Vagus-Kern-Neuronen, macht aktuell den Eintritt eines kausalen Agens via Nasen- oder Darmschleimhaut attraktiv (gastrointestinale Hypothese). Die PD könnte eine weitere Krankheit sein, die durch ein abnorm gefaltetes Protein, das sich Prionen-ähnlich ausbreitet, verursacht wird. Vor allem weil sich im extrazerebralen α-Synuclein-Nachweis möglicherweise ein sehr früher Biomarker der Krankheit zeigt und durch die Verhinderung der Proteinausbreitung eine Unterdrückung oder zumindest Verzögerung der Krankheitsprogression denkbar wäre, hat diese Hypothese der Parkisonforschung erst kürzlich grossen Aufschwung gegeben. Ganz neu sind Forschungsergebnisse, die aufzeigen, dass das gastrointestinale Mikrobiom bei Parkinsonpatienten sich nicht nur von dem gesunder Personen unterscheidet, sondern damit sogar ein Zusammenhang mit der Art der klinischen Symptomatik herzustellen ist.

Parkinsonkrankheit – Klinik 
und ­Diagnosestellung

Motorische Symptome

Die Diagnosestellung eines idiopathischen Parkinson-Syndroms sollte in vier Schritten erfolgen. Zunächst muss das Vorliegen eines Parkinson-Syndroms klinisch nachgewiesen sein. Die Manifestation der motorischen Kardinalsymptome kann hierbei allerdings von Patient zu Patient sehr heterogen sein. Wichtig ist ein schleichender Beginn und langsame Symptomprogredienz sowie eine stets asymmetrische (einseitig betonte) Symptomausprägung [3].

Bradykinesie/Akinesie

Bei der Bradykinesie handelt es sich um eine Verlangsamung in der Initiation der Bewegung mit progressiver Verlangsamung bei Ausführung repetitiver Bewegungen. Die Akinese stellt eine «Extremform» der Bradykinese dar und ist durch eine hochgradige Bewegungs­armut oder gar Bewegungslosigkeit gekennzeichnet. Die Brady-/Akinese kann sich nicht nur in einer Verlangsamung von Bewegungen der Extremitäten und damit auch des Gangbildes äussern, sondern kann sich auch im Gesicht in Form einer Hypomimie oder seltenem Lidschlag, in der Sprache (Dysarthrophonie) und auch im Schriftbild (Mikrographie) widerspiegeln.

Parkinsontremor

Der typische Parkinsontremor ist ein Ruhetremor mit einer Frequenz von 4–6 Hz. Dieser tritt zu Beginn der Erkrankung seitenbetont auf, wird unmittelbar nach einer Bewegungsinitiierung vorübergehend unterdrückt und tritt erst nach längerem statischen Vorhalten der Arme erneut auf («re-emergent tremor»). Bei der klassischen distalen Lokalisation an der oberen Extremität entsteht durch die Pro- und Supinationsbewegung der Hand das Bild des sogenannten «Pillendrehertremors». Durch kontralaterale Aktivierung, beim Gehen oder bei mentaler Belastung (wie z.B. Rückwärtszählen) kann sich ein latenter Ruhetremor demaskieren oder ein bereits vorhandener Ruhetremor an Amplitude zunehmen. Typisch ist beim idiopathischen Parkinson-Syndrom ein distales Verteilungsmuster (Arme/Hände, Bein), jedoch kann sich ein Ruhetremor auch im Gesicht (Kinn, Lippen und Kiefer) manifestieren. Untypische Lokalisationen sind der Kopf (Ja-Ja- oder Nein-Nein-Tremor) und auch die Stimme (Stimmtremor), die differentialdiagnostisch eher auf eine Dystonie hinweisen.

Rigor

Der Rigor ist eine Muskeltonuserhöhung, die vom ­Pa­tienten als Steifigkeitsgefühl, gelegentlich sogar schmerzhaft empfunden wird. Überprüft wird der ­Rigor durch eine passive Durchbewegung der grösseren Gelenke (Handgelenk, Nacken, Kniegelenk), wobei der Patient sich in einer entspannten Position befinden sollte. Hierbei zeigt sich der Rigor als ein zäher, gleichmässiger, «bleirohrartiger» Widerstand, der im Gegensatz zur Spastizität geschwindigkeitsunabhängig auftritt. Obwohl das «Zahnradphänomen» oft begleitend auftritt, erfüllt das alleinige Vorhandensein eines «Zahnradphänomens» ohne den zähen, «bleirohrartigen» Widerstand nicht die notwendigen Kriterien eines Rigors.

Posturale Instabilität

Die posturale Instabilität wird als Störung der reflektorischen Anpassungsbewegungen nach passiver Auslenkung aus dem Gleichgewicht / Veränderung der Körperhaltung im Raum definiert. Sie ist Ausdruck der axialen Bewegungsstörung und äussert sich in einer Pro-, Retro- und Lateropulsionstendenz, Festinationen (Propulsion im Gang) und spontaner Stand- und Gangunsicherheit. Sie zeichnet sich leider durch ein schlechtes Ansprechen auf dopaminerge Medikation aus und führt zu einem erhöhten Sturzrisiko und einer damit verbundenen erheblichen Reduktion der Lebensqualität. Bei der PD tritt die posturale Instabilität typischerweise erst nach einigen Jahren auf, deshalb gilt sie nach den neusten Dia­gnosekriterien auch nicht als Kernsymptom [2]. Das frühzeitige Auftreten einer posturalen Instabilität (<1 Jahr) gilt als «red flag» und deutet auf ein atypisches Parkinson-Syndrom, insbesondere die progressive supranukleäre Paralyse (PSP) hin.
In einem zweiten Schritt sollte gezielt durch eine ausführliche Anamnese, bildgebende Verfahren und laborchemische Untersuchungen nach einer symptomatischen (sekundären) Ursache gesucht werden (Tab. 1).
Darüber hinaus sollte auf Warnsymptome («red flags»), die auf ein atypisches Parkinson-Syndrom hindeuten können, geachtet werden (siehe Tabelle 2).
Unterstützende Kriterien, wie z.B. ein deutliches Ansprechen auf Levodopa, das Auftreten Levodopa-induzierter Dyskinesien im Krankheitsverlauf oder auch ein einseitig vorhandener Ruhetremor bekräftigen die Diagnose eines idiopathischen Parkinson-Syndroms.

Nicht motorische Symptome

Neben den motorischen Parkinson-Symptomen sollte auch den zahlreichen, nicht motorischen Symptomen (NMS) Aufmerksamkeit geschenkt werden, da diese mit einer signifikanten Reduktion der Lebensqualität der betroffenen Patienten einhergehen und zumindest ­einige von ihnen gut behandelt werden können [3]. Hierzu zählen Störungen von Verhalten und Stimmung, kognitive Dysfunktion, Störungen der Schlaf-Wach-Regulation, Dysautonomie und Schmerzen (Tab. 3).
Tabelle 3: Nicht motorische Symptome (NMS) 
bei der Parkinson-Krankheit.
Vegetative
Schlucken, Magen, Darm (~70%)
Harnblase, Sexualfunktion (~80%)
Schmerzen (~60%)
Schlafstörungen (50–90%)
Müdigkeit (~40%)
Atmung
Herz-Kreislauf; v.a. Orthostase
Riechfunktion
Sehfunktion
Haut
Psychische
Depression (40–60%)
Angststörung (~40%)
Halluzinationen
Psychose
Apathie
Verhaltensstörungen
Kognitive
Verwirrtheit
Demenz (20–30%)
Frühe NMS
REM-Schlaf-Verhaltensstörung
Obstipation
Orthostatische Hypotonie
Harndrang
Depression
Tagesschläfrigkeit
Hyposmie
Schmerzen
Therapie-assoziierte NMS
Psychose
Orthostatische Hypotonie
Tagesschläfrigkeit
Schlafattacken
Störung der Impulskontrolle

Depression

Ca. 30–40% der Parkinsonpatienten leiden an einer ­Depression. Diese kann sich ebenso wie die REM-Schlaf-Verhaltensstörung (RBD) und die Hyposmie auch vor dem Beginn der motorischen Symptome manifestieren. Die depressive Symptomatik kann sich nach ­Einnahme eines Dopaminagonisten/Pramipexol verbessern. Sollte jedoch die Einnahme eines Antidepressivums not­wendig sein, wird die Einnahme selek­tiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) empfohlen, da diese zu keiner Verschlechterung der motorischen Symptomatik führen. Leider werden viele depressive Parkinsonpatienten nicht adäquat behandelt, weil die depressive Symptomatik innerhalb der motorischen PD-Symptomatik nicht ­erkannt / nicht gezielt gesucht wird.

Halluzinationen und Psychosen

Beide Symptome können in Präsentation und Aus­prägung sehr variieren (von nicht störenden visuellen Halluzinationen bis hin zu psychotischen Zuständen mit ausgeprägten Halluzinationen oder auch Wahnvorstellungen). Hierbei empfiehlt sich in aller erster ­Linie eine Anpassung der dopaminergen Medikation, beispielsweise durch Wechsel von einem Dopamin­agonisten auf L-DOPA, Dosisreduktion oder im Ex­tremfall Stoppen sämtlicher Medikamente mit einer anticholinergen Wirkung.
Sollte dennoch der Einsatz einer antipsychotischen Medikation notwendig sein, so ist die Einnahme der atypischen Neuroleptika Quetiapin und Clozapin empfohlen, da diese die motorischen Symptome nicht beziehungsweise erst in sehr hohen Dosen ungünstig beeinflussen.

Kognitive Einschränkungen

Die Demenz ist ein grosses Problem im fortgeschrittenen Stadium, insbesondere für die pflegenden Angehörigen/Betreuenden. Die kognitive Einschränkung ist oftmals der Hauptgrund, der schliesslich zur Institutionalisierung in einem Pflegeheim führt.
Gemäss der längsten Follow-up-Studie wird das Risiko von Parkinsonpatienten, eine Demenz zu entwickeln, auf ca. 40% nach 10 Jahren und auf ca. 80% nach 20 Jahren Krankheitsdauer geschätzt. Jedoch scheint das Alter (>70 Jahre) einen ­grös­seren, relevanten Risikofaktor darzustellen als die Dauer der Erkrankung. Bei fehlenden Hinweisen auf sympto­matische, behandelbare Ursachen der kognitiven Beeinträchtigung ist der Einsatz von Cholinesterase­inhibitoren (z.B. Rivastigmin) empfohlen.

Störungen des autonomen Nervensystems

Viele der betroffenen Patienten leiden an Störungen des autonomen Nervensystems, die sich in Form von Obstipation, Blasenfunktionsstörung, orthostatischer Hypotension, erektiler Dysfunktion, Hyperhi­drosis und Speichelfluss manifestieren können.
Alltagsrelevant sind vor allem die Obstipation und die orthostatische Hypotension. Bei der Obstipation sollten zunächst alle Medikamente reduziert oder abgesetzt werden, die potenziell eine Obstipation verschlechtern können; hierzu zählen insbesondere die anticholinerge Medikation und auch die Dopaminagonisten. Wichtig ist eine regelmässige und ausreichende Flüssigkeitszufuhr, eine ballaststoffreiche Ernährung, und regelmässige körperliche Betätigung. Sollte eine abführende Medikation notwendig sein, wird am ehesten der Gebrauch von Quellstoffen wie Macrogol empfohlen.

Orthostatische Hypotension

Blutdruckregulationsstörungen stellen bei vielen Parkinsonpatienten, insbesondere im Spätstadium der Erkrankung, ein grosses Problem dar. Sie werden durch die dopaminerge Medikation noch verstärkt. Konse­kutive Stürze erhöhen die Morbidität beträchtlich. Bisher gibt es nur unzureichende Evidenz für jegliche Art der Therapie. Generell ist je nach Möglichkeit die Reduktion aller Medikamente, die eine orthostatische ­Hypotension verschlechtern können, zu empfehlen; ­daneben sind nicht pharmakologische Massnahmen (Stützstrümpfe, Schlafen mit erhöhtem Oberkörper, Erhöhung der Salz- und Flüssigkeitszufuhr) zu empfehlen. Je nach Bedarf können auch Alpha-Sympathomimetika (Midodrin) oder Mineralocorticoide (Fludrocortison) eingesetzt werden.

Parkinsonkrankheit – Zusatzdiagnostik

Zur Abgrenzung gegenüber einigen symptomatischen Ursachen (z.B. Raumforderung, Normaldruckhydrozephalus, ischämische Läsionen oder Manganintoxikation; Tab. 1) sollte im Verlaufe der Erstdiagnose eine bildgebende Untersuchung (Magnetresonanztomographie [MRT]) erfolgen. Die kranielle Kernspintomographie kann auch Befunde erbringen, die auf das Vorliegen ­eines atypischen Parkinson-Syndroms hindeuten [2].
Das Ansprechen auf L-DOPA (mehr als 30 % Verbesserung im MDS-UPDRS-Score) als bestätigendes diagnostisches Kriterium für eine PD kann durch einen Behandlungsversuch mit dopaminerger Medikation innerhalb weniger Tage oder durch den L-DOPA-Test geprüft werden. Diesbezüglich bleibt aber anzumerken, dass der Tremor gelegentlich erst auf höhere L-DOPA-Dosen anspricht und ein negativer L-DOPA-Test das Vorliegen einer PD nicht sicher ausschliesst, sodass bei klinisch dringendem Verdacht ein Behandlungsversuch mit Levodopa über mehrere Monate (L-DOPA-Trial) in jedem Fall zu empfehlen ist.
Der Einsatz von nuklearmedizinischen Techniken, die Informationen über die Integrität des präsynaptischen, nigrostriatalen Systems liefern (FP-CIT-SPECT und Fluorodopa-PET), kann zur Differenzierung zwischen essentiellem Tremor und PD oder zum Ausschluss eines medikamenteninduzierten Parkinson-Syndroms hilfreich sein. Eine sichere Unterscheidung zwischen einer PD und einem atypischen PS ist durch diese Untersuchung allerdings nicht möglich. Hierzu können Verfahren zur Darstellung der postsynaptischen Dopaminrezeptoren (IBZM-SPECT und Raclo­prid- oder Desmethoxyfallyprid-PET) von Nutzen sein. In Anbetracht der Kosten und meist fehlender therapeutischer Konsequenz sollten diese Untersuchungen nur gezielt eingesetzt werden.
Fremdanamnestische Angaben (Sprechen und Bewegungsunruhe im Schlaf, aus dem Bett fallen, lebhafte Albträume), die auf eine REM-Schlaf-Verhaltensstörung hindeuten, können ein weiterer Hinweis auf eine neurodegenerative Genese des PS (z. B. IPS oder MSA) geben und durch eine Polysomnographie erhärtet werden.
Die Durchführung eines Schellong-Tests ist bei klinischen Hinweisen für eine autonome Störung oder bei Verdacht auf eine MSA indiziert. Pathologisch ist hierbei ein systolischer Blutdruckabfall von mehr als 20 mm Hg im Stehen.
Bei Erkrankungsbeginn vor dem 50. Lebensjahr und ­klinischem Verdacht auf Morbus Wilson sollte die Bestimmung von Kupfer und Coeruloplasmin im Serum sowie von Kupfer im 24-Stunden-Sammelurin erfolgen.
Eine genetische Testung ist in der Regel bei Patienten <40 Jahren empfehlenswert. Bei einem Erkrankungs­alter >40 ist die Ausbeute der genetischen Testung unergiebig; ausser es besteht ein eindeutiger mendelischer Vererbungsmodus wie zum Beispiel eine positive Familienanamnese.

Parkinsonkrankheit – Therapie

Eine kausale Therapie des Morbus Parkinson ist bislang noch nicht möglich, auch kennen wir bislang keine Therapien zur Prävention der Krankheit oder ihrer Progression. Insbesondere in den ersten Jahren der Erkrankung lassen sich deren Symptome jedoch gut durch Medikamente und Bewegungstherapie beeinflussen, was den Patienten eine gute Lebensqualität ermöglicht [5]. Da die Krankheitsprogression nicht durch Medikamente zu beeinflussen ist, hängt der Beginn ­einer medikamentösen Therapie von den individuellen Bedürfnissen des Patienten ab. Sie sollte aber nicht nur die motorischen, sondern auch die autonomen, kognitiven und psychiatrischen Symptome sowie die kommunikativen Fähigkeiten berücksichtigen.
An Substanzen stehen aktuell L-DOPA-Präparate in Kombination mit einem Decarboxylasehemmer oder Dopaminagonisten zur Verfügung, daneben können MAO-B-Hemmer eingesetzt werden und insbesondere bei Tremor auch Anticholinergika.
Zur Verlängerung der L-DOPA-Wirkung im fortgeschrittenen Stadium können Levodopa-Präparate zusätzlich mit COMT-Hemmern (Entacapon, Tolcapon) kombiniert werden. Levodopa plus Decarboxylasehemmer plus Entacapon ist in einem Kombinationspräparat erhältlich (Stalevo®). Bei der zusätzlichen Gabe von Tolcapon zu Levodopa plus Decarboxylasehemmer muss aufgrund einer möglichen Hepatotoxizität in der Umstellungsphase eine engmaschige Kon­trolle der Transaminasen erfolgen.
Die retardierten Levodopa-Präparate (Madopar DR® oder Sinemet CR®) sollten nur zur Nacht eingesetzt werden, da die verzögerte gastrointestinale Aufnahme von Levodopa dazu führt, dass Levodopa mit Nahrungseiweissen um die gastrointestinale Resorption konkurriert, was die Bioverfügbarkeit reduziert und der erreichte Plasmaspiegel erratisch wird. Bei nicht retardierten Präparaten lässt sich dies einfach ver­meiden, indem die Medikamenteneinnahme im Abstand von 30 min vor oder 60 min nach der Mahlzeit erfolgt.
Zu Beginn der Erkrankung kann, insbesondere bei ­jüngeren und kognitiv unauffälligen Patienten eine Monotherapie mit Dopaminagonisten erfolgen. Dopaminagonisten wirken direkt an den striatalen Dopaminrezeptoren. Der Vorteil dieser dem Neurotransmitter Dopamin ähnlichen Substanzen, ist die im Gegensatz zum L-DOPA längere Wirkdauer, bei den ­Retardpräparaten ist nur eine einmalige Einnahme am Tag notwendig. Zudem kann durch den Therapie­beginn mit Dopaminagonisten und den dadurch ­späteren Einsatz von L-DOPA das Auftreten L-DOPA-­induzierter Dyskinesien verzögert werden. Der Dopamin­agonist Rotigotin ist die einzige Substanz, die zur transdermalen Applikation (Patch) zur Verfügung steht. Das bietet nebst der potentiell kontinuierlichen Medikamentenapplikation auch Vorteile, wenn zum Beispiel betont nächtliche Symptome bestehen oder wenn eine orale Applikation nur bedingt möglich ist (z.B. nach gastrointestinalen Operationen, Schluckstörungen).
Dopaminagonisten können jedoch Nebenwirkungen auf das Verhalten haben, über die der behandelnde Arzt den Patienten und insbesondere auch dessen Angehörige im Vorfeld aufklären sollte. So können Impulskon­trollstörungen wie Spielsucht, vermehrtes Risikoverhalten, Kaufsucht, Sexsucht und Esssucht auftreten, die je nach Ausprägung schwerwiegende persönliche und finanzielle Konsequenzen mit sich bringen können. Zudem können durch Dopaminagonisten eine bei der ­Parkinson-Erkrankung vermehrt auftretende Tagesschläfrigkeit verstärkt und Beinödeme begünstigt ­werden. Daneben kann ein sogenanntes «punding» auftreten (zwanghafte Faszination und wiederholtes Durchführen von Tätigkeiten wie Zusammen- und wieder Auseinanderbauen, Sammeln oder Sortieren). Das Auftreten dieser Nebenwirkungen ist individuell unterschiedlich und dosisabhängig und wird oft unterschätzt respektive nicht genügend exploriert. Diese neuropsychiatrischen Nebenwirkungen können das Nutzen/Risiko-Verhältnis zu Ungunsten der Dopaminagonisten kippen, sodass der frühe Einsatz von L-DOPA durchaus auch bei jüngeren Patienten zu bevorzugen ist.
Bei fortgeschrittener Erkrankung ist eine alleinige Therapie mit Dopaminagonisten jedoch nicht mehr ausreichend, sodass eine Kombinationstherapie von ­Levodopa-Decarboxylasehemmer und Dopaminagonisten notwendig wird. Bei Beginn der L-DOPA-Therapie ist meistens ein Einnahmeintervall von 5 Stunden und drei Einnahmedosen ausreichend. Mit zunehmender Neurodegeneration werden jedoch kürzere Einnahmeintervalle notwendig, da die Wirkdauer der Einzeldosen abnimmt. Durch die Kombination mit einen COMT-Hemmer kann die Wirkdauer etwas verlängert werden.
Mit fortschreitender Neurodegeneration nimmt die Empfindlichkeit der verbliebenen Neuronen auf schwankende Levodopa-Plasmaspiegel zu, sodass es vor allem beim Erreichen des Wirkungspeaks zu Überbewegungen, sogenannten Dyskinesien, kommt (Peak-Dose-Dyskinesien). Eine günstige Massnahme kann hier sein, die Einzeldosen zu reduzieren und die Einnahmefrequenzen zu erhöhen.
Regelmässiges Bewegungstraining (>150 min / Woche) führt auch im Langzeitverlauf und unabhängig von der Krankheitsdauer zu einer Verbesserung von Lebensqualität, Beweglichkeit und Selbständigkeit sowie einer Verlangsamung der Krankheitsprogression und des kognitiven Abbaus. Ein individuell angepasstes moderates Bewegungstraining mehrmals die Woche ist daher in jedem Krankheitsstadium sehr zu empfehlen.
Mit dem weiteren Fortschreiten der Erkrankung können sogenannte biphasische Dyskinesien auftreten. Beim Über- oder Unterschreiten eines gewissen Plasmaspiegels kommt es zu unkontrollierten ausfahrenden, brüsken und teilweise schmerzhaften Bewegungen. Die sogenannten biphasischen Dyskinesien lassen sich unterdrücken, indem der Plasmaspiegel dauerhaft oberhalb des kritischen Niveaus gehalten wird (Dosissteigerung).
Der N-Methyl-D-Aspartat(NMDA)-Antagonist Amantadin ist einerseits antihypokinetisch wirksam, zusätzlich reduziert er für eine gewisse Zeit L-DOPA-induzierte Dyskinesien. Bei kognitiv eingeschränkten Patienten sollte jedoch auf die Gefahr von Halluzina­tionen, insbesondere bei abendlicher Gabe, geachtet werden. Ebenso ist wegen der Gefahr der QT-Zeit-Verlängerung bei kardialen Patienten die entsprechende Vorsicht geboten. Amantadin ist das einzige Präparat, das intravenös gegeben werden kann.
Die kontinuierliche intrajejunale Levo-DOPA-Infusion via perkutane gastrojejunale Sonde über eine Pumpe («levodopa-carbidopa intestinal gel» [LCIG]) hat den Vorteil der kontinuierlichen L-DOPA-Plasmaspiegel, das heisst keine pulsatile Rezeptorstimulation, sowie der Unabhängigkeit der Medikamentenzufuhr von der Magenentleerung. Aufgrund der hohen Therapiekosten und des technischen Aufwands kommt diese Therapieform vor allem bei starken Wirkungsfluktuationen unter den peroralen Substanzen zum Einsatz.
Apomorphin ist ein subkutan via Pen oder kontinuierlich via Pumpe applizierbarer kurz wirksamer Dopaminagonist. Es wird angewandt bei nicht einsetzbarer oraler Medikation oder wenn die orale Medikation die Symptome wie schwere oder akut einsetzende und schmerzhafte «off»-Perioden oder Dystonien nicht kontrollieren kann.
Bei abnehmender Wirkdauer von L-DOPA, sehr häufigen Einnahmefrequenzen, intolerablen Dyskinesien oder ausgeprägten, schmerzhaften Blockaden, die medikamentös nicht ausreichend zu unterdrücken sind, kann der Einsatz einer Tiefen Hirnstimulation (DBS, «deep brain stimulation») evaluiert werden. Hier ist die adäquate Patientenselektion ein für den Erfolg ganz entscheidender Faktor.
Beim Morbus Parkinson sind hierbei drei Zielgebiete etabliert. Junge (<70 Jahre), psychiatrisch unauffällige und kognitiv nicht eingeschränkte Patienten, die unter L-DOPA keine oder nur minimale axiale Symptome zeigen, profitieren am ehesten von einer tiefen Hirnstimulation im Nucleus subthalamicus (STN).
Beim tremordominantem Parkinson-Syndrom, insbesondere im höheren Lebensalter ist der Nucleus ven­tralis intermedius (VIM) eine gute Option. Die häufig zur Tremorkontrolle nötigen hohen L-DOPA-Dosen können postoperativ deutlich reduziert werden, womit auch die beim älteren Patienten häufig störenden Nebenwirkungen der L-DOPA-Therapie wie Blutdruckregulationsstörungen und Halluzinationen ebenfalls reduziert werden können.
Die Stimulation im Globus pallidus internus (GPi) hat ebenfalls einen günstigen Effekt auf die motorischen Parkinsonsymptome, dieser ist jedoch weniger ausgeprägt als bei der Stimulation im STN. Daher kann bei einer GPi-Stimulation die L-DOPA-Dosis postoperativ nur wenig reduziert werden. Die Gefahr von postoperativen Verhaltensauffälligkeiten und Verschlechterung des Gangbildes ist bei der Stimulation im GPi ­geringer, zudem unterdrückt die Stimulation im GPi sehr gut die störenden Dyskinesien.
In den ersten Wochen nach der Operation sind regelmässige Kontrollen und Anpassungen der Stimulation wichtig, einerseits um den abklingenden Läsionseffekt (Symptomreduktion alleine durch das perifokale Ödem im Zielgebiet) abzufangen und die Therapie entsprechend anzupassen, andererseits auch um frühzeitig Komplikationen wie zum Beispiel Verhaltensauffälligkeiten zu erkennen und entsprechende Massnahmen treffen zu können.
Verschiedene NMSsind ebenfalls einer Therapie zugänglich, besonders sei auf die Depression hingewiesen. Es ist wichtig, eine Depression, die bei PD gehäuft auftritt, als solche zu erkennen und nicht einfach der Parkinsonkrankheit zu subsummieren. Die Depression beim M. Parkinson kann und soll gezielt und erfolgreich behandelt werden (z.B. mit SSRI oder SNRI, z.B. Venlafaxin, Citalopram), da dies die Lebensqualität der Patienten entscheidend verbessert.
Zusammenfassend ist der Morbus Parkinson heute eine weiterhin nicht heilbare, aber doch über lange Zeit sehr gut behandelbare Erkrankung. Da bislang keine Hinweise auf eine mögliche Verzögerung der Krankheitsprogression durch medikamentöse Massnahmen bestehen, sollte bezüglich Therapiebeginn und Therapieanpassung immer das individuelle Bedürfnis des Patienten im Vordergrund stehen.

Ausblick

Anatomisch-pathologische Studienbefunde aus Langzeituntersuchungen der letzten Jahre legen den frühen Befall extrazerebraler, gastrointestinaler Neurone nahe und haben die histopathologische Ausbreitung der «Lewy bodies» im Zeitverlauf korrelierend mit der kli­nischen Symptomatik aufgezeigt. Diese neuen Erkenntnisse wecken Hoffnungen hinsichtlich einer ­Primär- oder Sekundärprävention der PD. Dass genetische Faktoren eine Rolle spielen, zeigen epidemiologische Studien klar auf; wie aber diese bei der überwiegenden Zahl (ca. 95%) der nicht monogenetischen PD-Fälle ins Spiel kommen und über welche (metabolischen) Mechanismen, muss noch geklärt werden [4]. Man geht heute von einer Vielzahl möglicher Ursachen der PD aus, die beim individuellen Patienten unterschiedlich kombiniert sein können. Daraus ist abzuleiten, dass es wohl schwierig werden könnte, kausale Therapien zu finden. Somit sind berechtigterweise viele Forschungsanstrengungen auf restorative Therapiemethoden ausgerichtet. Hier ist von Seiten der Stammzellforschung mit dem Ziel des Ersatzes der verlorenen dopaminergen und anderer Neurone einiges zu erwarten. Mit dem Ziel einer krankheitsmodifizierenden Behandlung werden aktuell aktive und passive Immunisierung gegen α-Synuclein und Inhibitoren oder Modulatoren der α-Synuclein-Aggregation in klinischen Studien evaluiert [5].

Das Wichtigste für die Praxis

• Vor jeder Therapie steht die korrekte Diagnose. Entscheidend für Therapieerfolg und Prognose ist die Abgrenzung des idiopathischen von sekundären (symptomatischen) und anderen neurodegenerativen (atypischen) Parkinsonsyndromen.
• Die Therapie der motorischen Symptome ist in den ersten Jahren sehr effizient («honey moon»); sie umfasst Pharmako- und Bewegungstherapie. Die Wahl von Medikation und Dosis muss individuell erfolgen und beurteilt werden.
• Die nicht motorischen Symptome (NMS) können für die Beeinträchtigung der Lebensqualität dominieren und sollen gezielt erfasst und auch behandelt werden. Besonders sei hier die Depression erwähnt.
• Parkinsonpatienten sollten vom Fachneurologen erstdiagnostiziert und bezüglich Therapieerfolg mitbeurteilt werden.
• Bei ungenügendem Therapieansprechen oder Effizienzverlust im Verlauf sowie bei Therapiekomplikationen müssen eventuell invasive Therapiemassnahmen erwogen werden. Dazu soll eine Beurteilung in einem Zentrumsspital mit diesbezüglichem Angebot erfolgen.
Wir danken Frau Dr. med. Daniela Wiest, Fachärztin für Neurologie in Biel, für die kritische Durchsicht des Manuskripts.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Prof. Dr. med.
Mathias Sturzenegger
Chefarzt und Stv. Klinik­direktor
Neurologische
Universitätsklinik
Inselspital Bern
CH-3010 Bern
matthias.sturzenegger[at]insel.ch.
1 Lee A, Gilbert RM. Epidemiology of Parkinson Disease.
Neurol Clin. 2016;34(4):955–65.
2 Postuma RB, Berg D, Stern M, Poewe W, Olanow CW, Oertel W,
et al. MDS clinical diagnostic criteria for Parkinson’s disease.
Mov Disord. 2015;30(12):1591–601.
3 Christopher W. Hess, Michael S. Okun. Diagnosing Parkinson Disease. Continuum (Minneap Minn) 2016;22(4):1047–63.
4 von Coelln R, Shulman LM. Clinical subtypes and genetic heterogeneity: of lumping and splitting in Parkinson disease.
Curr Opin Neurol. 2016;29(6):727–34.
5 Oertel W, Schulz JB. Current and experimental treatments of Parkinson disease: A guide for neuroscientists. J Neurochem. 2016;139Suppl1:325–37.