Hypertoniebehandlung: Medikamente in sehr geringer Dosierung?

Hypertoniebehandlung: Medikamente in sehr geringer Dosierung?

Und anderswo ...?
Ausgabe
2017/33
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.02971
Schweiz Med Forum 2017;17(33):675

Publiziert am 16.08.2017

Hypertoniebehandlung: Medikamente in sehr geringer Dosierung?

Fragestellung

Arterielle Hypertonie ist eine der Hauptmorbiditäts- und -mortalitätsursachen weltweit. Die meisten Patienten erreichen trotz Behandlung keine akzeptablen Blutdruckwerte. Dieser traurige Umstand resultiert aus einer suboptimalen Therapieadhärenz, mitunter komplizierten Guidelines und einer gewissen Zurückhaltung bei der Verschreibung. Häufig erhalten die Patienten lediglich eine Monotherapie. Niedrig dosierte Kombinationsbehandlungen haben vielversprechende Resultate gezeigt. Die Wirksamkeit einer Behandlung mit vier in einem Medikament, aber in ¼ der empfohlenen Dosierung kombinierten Wirkstoffen, ist jedoch noch unbekannt. Diese zu testen, war das Ziel der nachfolgend zusammengefassten Studie.

Methode

Die Studie zur «Quad-Pille» war randomisiert, doppelblind und plazebokontrolliert. Die Patienten wurden aus der australischen Bevölkerung rekrutiert. Einschlusskriterien: Alter ≥18 Jahre, in der Arztpraxis gemessener syst. BD >140 und diast. BD >90 mm Hg oder beides; zwei ambulante 24-Std.-Messungen mit einem styst. BD von >135 und einem diast. BD von >85 mm Hg oder beides. Zu den Ausschlusskriterien zählten: die bekannte Unverträglichkeit eines der getesteten Medikamente, Schwangerschaft oder eine Lebenserwartung von <3 Monaten. Die Probanden wurden im Verhältnis von 1:1 randomisiert und erhielten entweder eine Kapsel mit 37,5 mg Irbesartan, 1,25 mg Amlodipin, 6,25 mg Hydrochlorothiazid und 12,5 mg Atenolol oder ein Plazebo. Der Studienablauf war wie folgt: 4 Wochen Verum-Behandlung, 2 Wochen Auswaschphase und anschliessend 4 Wochen Plazebogabe. Die Patienten, welche zu Studienbeginn Plazebo erhalten hatten, wurden anschliessend der Verum-Gruppe zugeordnet und umgekehrt («Cross-over-Design»). Primärer Endpunkt war die Reduktion des durchschnittlichen ambulanten 24-Std.-Blutdrucks. Sekundäre Endpunkte waren u.a. die Reduktion des in der Arztpraxis gemessenen syst. und diast. BD und BD.

Resultate

18 (!) der 23 randomisierten Patienten mit ­einem Durchschnittsalter von 58 Jahren nahmen bis zum Studienende teil. Der in der Arztpraxis gemessene BD betrug 154/90 und der ambulant gemessene BD 140/87 mm Hg. Unter der Verum-Behandlung war der ambulant gemessene durchschnittliche BD um 19 und der in der Arztpraxis gemessene BD um 22/13 mm Hg ­gesunken. Unter Plazebo hatten sich die Blutdruckwerte praktisch nicht verändert. 100% der Patienten unter Verum-Behandlung erreichten den BD-Zielwert von 140/90. Die Behandlung wurde gut vertragen. Alle Ergebnisse waren signifikant.

Probleme und Kommentar

Natürlich waren die Gruppen sehr klein und es fand kein Vergleich mit einer Kombination von 2 oder 3 Medikamenten statt. Die Idee der Studie bestand darin, mehrere für Hypertonie verantwortliche Mechanismen zu hemmen. Ferner ist die rasche blutdrucksenkende Wirkung der «Quad-Pille» innerhalb weniger Tage bemerkenswert. Es ist einfacher, direkt 4 Medikamente in sehr geringer Dosierung zu verabreichen, als sich ständig durch die Erhöhung der Dosis einer Monotherapie oder die schrittweise Hinzufügung weiterer Wirkstoffe an den Zielwert herantasten zu müssen. Diese möglicherweise unerwartet guten Resultate müssen natürlich über einen längeren Zeitraum an mehr Patienten bestätigt werden. Vielleicht ist dies der Auftakt für einen Paradigmenwechsel in der Hypertoniebehandlung!
Chow CK, et al. Lancet. 2017;389(10073):1035–42.

Chronische Opioidanwendung

Eine Stichprobe von 1,3 Millionen Erwachsenen, die zum ersten Mal Opioide erhalten hatten, wurde untersucht. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie diese weiterhin dauerhaft einnahmen, betrug ein Jahr später 6 und 3 Jahre später 3%. In 27 bzw. 14% der Fälle handelte es sich dabei um langwirksame Opioide und Tramadol (ein eher schwaches Opioid). Bereits eine Opioidverschreibung von >1 Woche ist riskant!
Shah A, et al. CDC, MMWR. 2017;66(10):265–9.

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Die «American Academy of Sleep Medicine» hat neue Richtlinien für die Diagnostik des obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms herausgegeben. Quintessenz: (1.) Im Verdachtsfall (Tagesschläfrigkeit, Schnarchen, beobachtete Apnoe) werden eine Polysomnographie oder eine daheim durchgeführte 4-Stunden-Oxymetrie empfohlen. (2.) Eine Polysomnographie sollte nur erfolgen, wenn die daheim durch­geführte Oxymetrie negativ oder technisch inadäquat ist. (3.) Bei Patienten mit schwerer Herz- und Atemwegserkrankung, Schlaganfall oder starken Schlafstörungen ist die Polysomnographie die Untersuchung der Wahl. (4.) Frage­bögen und Diagnosealgorithmen müssen durch eine Oxymetrie oder eine Polysomnographie ergänzt werden.
Aufgrund der Häufigkeit und der Zunahme der Erkrankung (Übergewicht, Adipositas) wird die Zahl der Tests stark ansteigen!
Kapur VK, et al. J Clin Sleep Med. 2017;13(3):479–504.

Klimaveränderungen, Umweltverschmutzung und menschliche Gesundheit: 
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Hinzu kommen noch die Gefahren durch die Migration der Bevölkerung aufgrund eines Anstiegs des Meeresspiegels. All diesen Szenarien muss mit internationalen Aktionen anstatt mit «America First» begegnet werden ...
Sarfaty M, et al. The Medical Society Consortium on Climate & Health. 2017:1–25.

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Von 2001–2013 hat sich die gleichzeitige Einnahme von Opioiden und Benzodiazepinen verdoppelt. Bei kombinierter Anwendung war die Zahl der Opioidüberdosen, welche eine Spitaleinweisung erforderlich machten, von 2 auf 4% gestiegen. Ohne Benzodiazepine war lediglich ein Anstieg von 1,08 auf 1,35% zu verzeichnen. Folglich sollte die o.g. Kombination vermieden werden!
Sun EC, et al. BMJ. 2017;356:j760.