Der erworbene Pes planovalgus beim Erwachsenen
Häufige und meist progrediente Fussdeformität

Der erworbene Pes planovalgus beim Erwachsenen

Übersichtsartikel AIM
Ausgabe
2017/3031
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.02988
Schweiz Med Forum 2017;17(3031):630-636

Affiliations
Fuss- und Sprunggelenkschirurgie, Universitätsklinik Balgrist, Zürich

Publiziert am 26.07.2017

Der Pes planovalgus ist eine häufig auftretende Fussdeformität, welche in ihrem Verlauf in der Regel progredient ist. Die Patienten stellen sich initial meist bei ihrem Hausarzt vor. Ein Verständnis der Pathogenese ist essentiell, um geeignete Therapie­massnahmen ergreifen und eine weitere Progredienz möglichst verhindern zu können. Die vorliegende Übersichtsarbeit soll einen Überblick über die Ätiologie und Pathogenese, die Diagnostik und die Therapie dieser Fussdeformität geben.

Einleitung

Der erworbene Pes planovalgus (Knick-Senkfuss, Plattfuss, «adult-acquired flatfoot deformity») ist eine häufig vorkommende Fussdeformität, bei welcher es zu einer kombinierten Valgusfehlstellung des Rückfusses, einer Abflachung des medialen Längsgewölbes und/oder einer Abduktionsfehlstellung des Vorfusses kommen kann. Patienten beschreiben eine veränderte Fussform, zum Beispiel eine Veränderung des nassen Fuss­abruckes auf dem Handtuch, eine breitere Fussform, ein Absinken des Fussgewölbes. Die Schmerzen projizieren sich im Initialstadium häufig auf den Innenknöchel und das Fussgewölbe. Sie werden im Mittelfuss­bereich auf Höhe des Ansatzes der Tibialis-posterior-Sehne am Os naviculare, retromalleolar medial und im Verlauf der Tibialis-posterior-Sehne beschrieben. In Fällen der fortgeschrittenen Abkippung des Rückfusses (Rückfussvalgus) sind Schmerzen lateral subfibulär nicht selten. Der Pes planovalgus tritt gehäuft bei Frauen im Alter über 40 Jahre auf mit einem Altersgipfel bei 55 Jahren [1].

Ätiologie und Pathogenese

Die Ätiologie des erworbenen Pes planovalgus ist multi­faktoriel. Mögliche Ursachen, welche die Entstehung begünstigen, sind in Tabelle 1 dargestellt. Die Schlüsselrolle der Tibialis-posterior-Sehne (Abb. 1) als primärer dynamischer Stabilisator des medialen Längsgewölbes [3] wird bei der Entstehung des erworbenen Pes planovalgus deutlich. So kann die alleinige Insuffizienz der Tibialis-posterior-Sehne zum Absinken des medialen Fussgewölbes führen. Die dadurch ausgelöste Fehlstellung des Rückfusses führt in der Folge zur Persistenz und Progredienz des Pes planovalgus.
Tabelle 1: Mögliche Ursachen eines erworbenen 
Pes planovalgus.
Mangelnde Unterstützung des medialen Längsgewölbes
Tibialis-posterior-Insuffizienz
Ruptur des Spring-Ligaments
Ruptur der Tibialis-anterior-Sehne
Instabilität des Tarso-Metatarsale(TMT)-I-Gelenkes
Rheumatologische Ursache
Fussdeformität bei Rheumatoider Arthritis etc.
Iatrogene Ursache
Überkorrigierter Klumpfuss
Posttraumatisch
Neurologische Ursache
Charcot-Neuroosteoarthropathie 
(bei Diabetes, Lepra, peripherer Polyneuropathie anderer Ursache)
Zerebrale oder periphere Paresen 
(Poliomyelitis, Myelomeningozele etc.)
Weitere prädestinierende Faktoren
Längenverhältnis Talus/Calcaneus [2]
Tarsale Coalitio
Allgemeine Bandlaxität
Familiäre Disposition
Abbildung 1: Anatomie Tibialis-posterior-Sehne (© 2016 Wirth). Die Tibialis-posterior-Sehne verläuft direkt hinter dem Malleolus medialis und setzt hauptsächlich an der Tuberositas ossis navicularis an. Am gesunden Fuss bewirkt die Kontraktion des Musculus tibialis posterior eine Inversion und Plantarflexion des Fus­ses. Am belasteten Fuss unterstützt die Tibialis-posterior-Sehne das mediale Längsgewölbe und bewirkt ein Verblocken des Mittel- und Rückfusses [4]. Dadurch ist eine effiziente Funktion des Musculus gastrocnemius möglich. 
Der einbeinige Zehenspitzenstand ist bei fehlender Tibialis-posterior-Funktion in der klinischen Untersuchung nicht demon­strierbar.
Eine chronische Überlastung (z.B. vorbestehender, bis anhin asymptomatischer Pes planovalgus) oder wiederholte Mikrotraumata führen zu einer degenerativen Tendinose der Tibialis-posterior-Sehne [5]. Unter gleichbleibender Belastung werden im degenerierten Sehnengewebe (Partial-)rupturen beobachtet, welche in der Folge zu einer Elongation der Sehne und Dysfunktion der Tibialis-posterior-Sehne führen können. Die mechanische Aufgabe als Stabilisator des medialen Fusslängsgewölbes kann so nicht mehr suffizient ausgeführt werden. Die übrigen medial stützenden Strukturen erfahren eine mechanische Mehrbelastung, welche in der Folge durch Überbelastung zu einer Schwächung derselben führt, sodass das mediale Fusslängsgewölbe weiter kollabiert. Hier ist vor allem das Spring-Ligament (Ligamentum calcaneonaviculare plantare) als wichtigster passiver Stabilisator des Talonavikulargelenks zu nennen [13]. Bei Ruptur/Insuffi­zienz des Spring-Ligaments kommt es zu einer Subluxation im Talonavikulargelenk. Der Taluskopf migriert relativ zum Calcaneus nach medial und plantar, im Sinne einer Rotationsfehlstellung. Dadurch wird das typische Bild eines Pes planovalgus verstärkt.
Analog kommt es als Folge einer Insuffizienz des Ligamentum interosseum zu einer Subluxation des Subtalargelenkes [13].
Durch die sich entwickelnde Valgusfehlstellung des Rückfusses wird zudem die Zugrichtung der Achillessehne nach lateral verlagert. Es kommt zu einem Bowstring-Phänomen, das heisst die Kontraktion der Gastrocnemius-Muskulatur bewirkt eine Verstärkung der Valgusfehlstellung, da die resultierende Kraft nicht mehr zentral wirkt. Somit verstärkt die veränderte Zugrichtung der Achillessehne die vorbestehende Valgusdeformität im Rückfuss (Abb. 2).
Abbildung 2: Durch die lateralisierte Zugrichtung der Achillessehne kommt es zu einem Bowstring-Phänomen: Durch Zug der Achillessehne wird die Valgusfehlstellung im Rückfuss verstärkt (© 2016 Wirth).
Eine zusätzliche Instabilität des Tarso-Metatarsale(TMT)-I-Gelenkes verstärkt die Entwicklung eines Pes planovalgus, da diese zu einer Insuffi­zienz des sogenannten Windlass-Mechanismus [14] führt. Physiologischerweise wird durch die Dorsalextension der Zehen beim Gehen die Plantaraponeurose gespannt. Sie verriegelt während des Abstossens vom Boden das Längsgewölbe, sodass ein kräftiges Abstos­sen durch den Musculus triceps ­surae möglich ist. Durch eine Hypermobilität im TMT-I-Gelenk wird das mediale Längsgewölbe durch die Plantaraponeurose nicht mehr kompetent verriegelt.

Klinik

Schmerzen im Bereich des medialen Fussgewölbes sowie im Bereich des Innenknöchels stellen ein frühes Symptom bei Pes planovalgus dar. Fussschmerzen im Bereich des Aussenknöchels treten erst spät im Verlauf auf.
In der Anamnese geben die Patienten in einem Frühstadium in der Regel mediale Schmerzen am Ansatz und im Verlauf der Tibialis-posterior-Sehne an, häufig kombiniert mit einer lokalen Schwellung. Tiefe, plantare Schmerzen können Ausdruck einer Läsion des Spring-Ligaments sein [15]. Häufig zeigen sich die medialen Schmerzen im Verlauf regredient, die Schwellung persistiert in der Regel. Im weiteren Verlauf berichten die Patienten von einer zunehmenden Fussdeformität [16]. Sie beschreiben ein Absinken des Fusses, der Fuss sei breiter, flacher, das Gewölbe abgesunken. In diesem Stadium klagen die Patienten häufig über Funktionseinschränkungen wie Schwäche des betreffenden Fusses oder Instabilitätsgefühl beim Gehen auf unebenem oder abfallendem Untergrund. Ausdruck einer rele­vanten Abkippung im Rückfuss sind Schmerzen am Aussenknöchel sowie äusseren Fussrand, welche ein fortgeschrittenes Stadium des Pes planovalgus charakterisieren. Die Schmerzen projizieren sich auf das Kalkaneokuboidalgelenk, den Sinus tarsi und/oder den ­lateralen Malleolus. Diese können durch eine Hyperpression im Kalkaneokuboidalgelenk verursacht oder Ausdruck eines lateralen Impingements im Subtalargelenk oder subfibulär sein [17]. Ausgeprägte Valgusfehlstellungen des Rückfusses können zu einer Ermüdungsfraktur der distalen Fibula führen.

Diagnostik

Die Anamnese und klinische Untersuchung führen zur Dia­gnose.
Die Tibialis-posterior-Sehneninsuffizienz beziehungsweise der Pes planovalgus ist hauptsächlich eine klinische Diagnose [18]. Die klinische Untersuchung zeigt im Anfangsstadium eine Schwellung und Druckdolenz im Verlauf der Tibialis-posterior-Sehne. Dies ist Ausdruck einer Tendovaginitis. Die Inversion gegen Widerstand ist häufig schmerzhaft abgeschwächt [18].
Die Rückfussachse wird bei stehenden Patienten von dorsal beurteilt. Eine vermehrte Valgusfehlstellung der Längsachse des Calcaneus zur Längsachse der Achillessehne ist typisch. Von einem vermehrten Rückfuss­valgus spricht man ab einer Valgusfehlstellung des Rückfusses über 8°. Liegt zusätzlich eine vermehrte Vorfussabduktion vor, ist das «too many toes sign» ­positiv. Bei der Inspektion von dorsal sind mehr als die üblichen 1,5 Kleinzehen sichtbar [18] (Abb. 3). In der seitlichen Betrachtung des stehenden Patienten ist ein abgeflachtes bis aufgehobenes Längsgewölbe erkennbar (Abb. 3).
Abbildung 3: Klinisches Bild eines Pes planovalgus mit Rückfussvalgus, Abflachung des Längsgewölbes und Vorfussabduktion.
Ein wichtiges klinisches Zeichen ist der «single heel rise»-Test. Dabei wird der Patient aufgefordert, wiederholt im Einbeinstand auf die Zehenspitzen zu gehen. Für eine bessere Balance soll sich der Patient dabei an der Wand leicht abstützen. Beim gesunden Fuss kommt es beim Zehenspitzenstand durch den Sehnenzug der Tibialis-posterior-Sehne zu einer Varisation der Rückfussachse (Abb. 4). Ist die Sehne tendinopathisch verändert, elongiert oder teilrupturiert, ist die Funktion eingeschränkt und die phyiologische Varisierung bleibt im Einbeinstand aus. Der Test gilt als positiv, wenn der Zehenspitzenstand im Einbeinstand nicht durchführbar ist oder die physiologische Varisation ausbleibt [1].
Abbildung 4: Im Zehenspitzenstand kommt es zu einer physiologischen Varisierung des Rückfusses, siehe Markierung.
Für die weitere Therapie essentiell ist die Beurteilung, ob die Fehlstellung flexibel oder rigide ist. Liegt eine flexible Fehlstellung vor, kommt es bei der Ausführung des Hubscher-Manövers zu einer Aufrichtung des Längsgewölbes. Hierbei wird bei stehendem Patienten eine passive Dorsalextension der Grosszehe durchgeführt. Durch die Wirkung des Windlass-Mechanismus sollte es bei flexibler Deformität zu einer Aufrichtung des Fusslängsgewölbes kommen.
Weiter ist die klinische Beurteilung der Wadenmuskulatur sinnvoll. Eine Verkürzung der Wadenmuskulatur ist im fortgeschrittenen Stadium typisch und erhält die Deformität durch den lateralisierte Zug der Achillessehne (Abb. 2).
Eine Hypermobilität des 1. Strahls unterstützt die Entstehung des Pes planovalgus. Zur Planung einer operativen Therapie ist es daher wichtig, klinisch zu beurteilen, ob eine vermehrte Beweglichkeit im TMT-I-Gelenk vorliegt. Klinisch muss hierfür die vertikale Transla­tionsamplitude im TMT-I-Gelenk beurteilt werden. Eine Hyperkeratose plantar des Metatarsale-II-Köpfchens kann auf eine bestehende Hypermobilität des 1. Strahls hinweisen.
Konventionelle, belastete Röntgenbilder sind bei der Abklärung des Pes planovalgus wegweisend (Abb. 5). In der seitlichen Aufnahme ist typischerweise ein aufgehobenes Längsgewölbe ersichtlich. Anhand von Winkelmessungen lässt sich die Fehlstellung quantifizieren (Abb. 5). In der seitlichen Aufnahme sind weiter die ­unterbrochene tarsometatarsale Achse und die reduzierte calcaneare Achse erkennbar. Die dorsoplantare Aufnahme dient der Bestimmung der talonavikulären Überdachung, welche Hinweise auf eine Vorfuss­abduktion gibt. Eine signifikante Vorfussabduktion ­besteht bei einer Überdachung von weniger als 40%. Zur radiologischen Bestimmung der Rückfussachse dienen spezielle Aufnahmen wie Saltzman-Aufnahme, «hindfoot alignement view».
Abbildung 5: Auswahl wichtiger Winkel zur Beschreibung eines Pes planovalgus im konventionellen Röntgenbild. Gelb: «calcaneal pitch»: Winkel zwischen Linie zwischen plantarstem Punkt des Calcaneus und Untergrenze des Calcaneocuboidalgelenkes sowie der Bodenauftrittsfläche. Normal 25–45°. Rot: Talometatarsaler Winkel («Meary’s angle»). Normal ca. 0°. Grün: Talometatarsaler Winkel in der d.p.-Aufnahme. Normal ca. 0°. Blau: Talocalcanearer Winkel in der d.p.-Aufnahme («Kite’s angle»). Normal 15–30°.
Zunehmende Bedeutung erfährt die Magnetresonanztomographie (MRT). Auch in frühen Stadien des Pes planovalgus ist die MRT hilfreich. Die Indikationstellung gilt der Beurteilung der Tibialis-posterior-Sehnenqualität, der Bandstrukturen sowie des Gelenkknorpels subtalar sowie talonavikulär.
Die Tibialis-posterior-Sehne ist aufgrund der anatomische Lage sehr gut sonographisch beurteilbar. Bei der alleinigen Fragestellung nach einer Pathologie der Sehne stellt die Sonographie einer sehr gute Alternative zur MRT-Abklärung dar.
Eine Computertomographie wird nur in Ausnahmefällen zur Beurteilung einer möglichen Coalitio oder zur genaueren Quantifizierung einer Arthrose herangezogen.

Klassifikation

Die weltweit gängigste Klassifikation des Pes planovalgus respektive der Tibialis-posterior-Insuffizienz wurde von Johnson und Strom erstmals beschrieben [16]. ­Später fügte Myerson noch ein Stadium IV hinzu, das eine zusätzliche Deformität des Sprunggelenkes zusätzlich zu der des Fusses beinhaltet [4] (Tab. 2). Die Klassifikation ist daher relevant, da sich stadium­abhängig die operative Therapie unterscheidet: Im Stadium I und II (flexibler Pes planovalgus) werden in der Regel gelenkerhaltende rekonstruktive Eingriffe durchgeführt, im Stadium III und IV (kontrakter Pes planovalgus) korrigierende Arthrodesen. Auch für die Wahl der geeigneten orthopädisch-schuhtechnischen Versorgung ist die Einteilung relevant.
Tabelle 2: Klassifikation der Tibialis-posterior-Insuffizienz nach Johnson & Strom [16] und Myerson [4].
 Tibialis-posterior-SehneKnöcherne 
DeformitätKlinik
Stadium I
(Johnson und Strom)
Tenosynovitis oder beginnende 
Degeneration, keine Elongation, 
Sehnenkontinuität erhaltenKeineEinbeinzehenstand möglich, Inversion 
des Fusses kräftig gegen Widerstand
Stadium II
(Johnson und Strom)
Elongation und Degeneration, 
oft chronische Partialruptur 
bis TotalrupturFlexibelAbgeflachtes Längsgewölbe, Inversionsschwäche, Einbeinzehenstand nicht möglich
Stadium III
(Johnson und Strom)
Elongation und Degeneration, 
oft chronische Partialruptur 
bis TotalrupturFixiertNicht mehr reponierbare «Pes planovalgus et abductus»-Fehlstellung
Stadium IV (Myerson)Zusätzliche Instabilität 
des Lig. deltoideumFixiert,
zusätzlich 
oberes Sprunggelenk mitbeteiligt
Nicht mehr reponierbare «Pes planovalgus et abductus»-Fehlstellung
IVa:Flexibel
IVb:Rigide

Therapie

Ein schmerzloser Pes planovalgus des Erwachsenen bedarf grundsätzlich keiner Therapie, abgesehen von grotesken Fehlstellungen mit Gefahr von Hautulzera­tionen, Gangunsicherheit etc. Zu unterscheiden sind die konservative und operative Therapie. Die konservative Therapie hat nach wie vor einen grossen Stellenwert, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Orthopädietechnik in der Bereitstellung der Hilfsmittel grosse Fortschritte gemacht hat. Die konservative Therapie sollte in der Behandlung des Pes planovalgus die erste Therapiemassnahme darstellen. Trotz optimaler orthopädietechnischer Versorgung ist nicht selten eine Progredienz der Fehlstellung zu beobachten. Der Entscheid zugunsten einer operativen Korrektur liegt letztendlich beim Patienten. Die Indikation zur operativen Korrektur ist anhand des Leidensdrucks des Pa­tienten zu stellen. Schmerzen und Progredienz der Fehlstellung trotz adäquater orthopädietechnischer Vorsorgung, Hautulzerationen, Insuffizienzfrakturen etc. lassen die orthopädisch-chirurgische Korrektur wahrscheinlich werden.

Konservative Therapie

Ein konservativer Therapieversuch ist in allen Stadien möglich [19] und als erster Schritt sinnvoll. Behandlungsoptionen sind dabei die stadiengerechte orthopädie-schuhtechnische Versorgung und Physiotherapie. Bei Vorliegen einer akuten Tendosynovitis entlang der Tibialis-posterior-Sehne sollte diese immer zuerst angegangen werden, bevor der chronische Aspekt der Erkrankung therapiert wird. Dazu können kurzzeitige analgetisch-antiphlogistische Behandlungen (nicht­steroidale Antirheumatika [NSAR], Ultraschall etc.) sowie eine kurzzeitige Ruhigstellung in einem Gips/Walker eingesetzt werden. Auf lokale Steroidinfiltrationen sollte auf jeden Fall verzichtet werden [4].
Bei flexiblem Pes planovalgus (Stadium I und II) ist primär der Versuch einer Versorgung mit Einlagen nach Mass im Sinne von Korrektureinlagen zu erwägen. Die Form der Einlagen richtet sich dabei individuell nach den Komponenten der jeweiligen Belastungsinsuffi­zienz [20]. Bei überwiegender Knickfuss-Komponente wird der Calcaneus durch eine gute Fersenfassung und einen supinierenden Keil aufgerichtet. Bei Senkfuss-Komponente wird zusätzlich das mediale Längsgewölbe unterstützt. Bei schweren Formen kann eine Schalenorthese/Innenschuhorthese notwendig sein [21], die im Falle einer Abduktion des Vorfusses weit nach dorsal des 5. Mittelfussköpfchens ziehen muss.
Bei fixierter Fussdeformität ist in der Regel eine korrigierende Einlagenversorgung schwer möglich. In diesen Fällen wird auf nichtkorrigierende Bettungseinlagen zurückgegriffen. Ziel dabei ist es, den deformierten Fuss auf einer möglichst grossen Fläche zu betten, um Druckstellen möglichst zu minimieren. In fortgeschrittenen Fällen können orthopädische Serienschuhe, orthopädische Massschuhe oder sogar Or­thesen indiziert sein [20].
Physiotherapie kann in Phasen von akuten Schmerz­exazerbationen mit der Anwendung von lokal-antiphlogistischen Massnahmen (z.B. Ultraschall, Stosswellentherapie etc.) weiterhelfen. Hauptsächlich wird die Physiotherapie aber zur Verbesserung der Propriozeption und zum gezielten Training der Muskulatur eingesetzt. So kann durch gezieltes Training des M. flexor hallucis longus und des M. flexor digitorum longus eine teilweise Kompensation des insuffizienten M. tibialis posterior erreicht werden [15, 21]. Auch Dehnungsübungen für den M. triceps surae können ein­gesetzt werden, wenn durch eine entsprechende Kontraktur die Achillessehne zu einer sekundär deformierenden Kraft wird.

Stadienabhänige operative Therapie

Wie bereits erwähnt, richtet sich die operative Therapie nach der Klassifikation der Tibialis-posterior-Insuffizienz nach Johnson und Strom: Ein flexibler Pes planovalgus (Stadium I und II) kann dabei grundsätzlich gelenkerhaltend operiert werden, im Stadium III und IV treten fxierte Deformitäten auf, die korrigierende Arthrodesen nötig machen. Tabelle 3 gibt einen Überblick über die verschiedenen operativen Therapieop­tionen.
Tabelle 3: Übersicht über das operative Behandlungsspektrum. Die verschiedenen Eingriffe werden bei Bedarf je nach Stadium der Deformität und Pathobiomechanik kombiniert.
Weichteilrekonstruktion
Tibialis-posterior-Sehne 
 Tibialis-posterior-Sehnenrekonstruktion 
 Flexor-digitorum-longus-TransferTransfer der Flexor-digitorum-longus-Sehne auf die Tibialis-posterior-Sehne
 Cobb-TransferTibialis-anterior-Sehnensplitting
 Os-tibiale-externum-Refixation 
Rekonstruktion des medialen Bandapparates 
 Raffung und Verstärkung des Spring-Ligamentes 
 Ventrale Verlagerung und Raffung 
des oberflächlichen Anteiles des Lig. deltoideum 

Additive Osteotomieverfahren 
Laterale Verlängerungsosteotomie des CalcaneusBewirkt eine indirekte Reposition des Talonavikulargelenkes unter gleichzeitiger Supination/Inversion des Rückfusses
und Adduktion des Vorfusses
 nach Evans [23]:Osteotomie 1 cm proximal des Calcaneocuboidalgelenkes
 nach Hintermann [24]:Osteotomie am tiefsten Punkt des Sinus-tarsi-Bodens
Mediale Sliding-Osteotomie des Calcaneus [25]Bei ausgeprägtem Rückfussvalgus oder lateralem Impingement
Supramalleoläre KorrekturosteotomieZusätzlich zur Korrekturosteotomien des Rückfusses 
im Stadium IVa
Plantarisierende Metatarsale-I-OsteotomieZur Korrektur einer vermehrten Supination des Vorfusses nach Calcaneus-Korrekturoteotomie
Cotton-OsteotomiePlantarisierende dorsale Open-wedge-Osteotomie im Os cuneiforme mediale zur Korrektur einer vermehrten Supination des Vorfusses nach Calcaneus-Korrekturosteotomie

Korrekturarthrodesen 
Isolierte subtalare Arthrodese 
Double-ArthrodeseArthrodese des Subtalargelenkes und des Talonavikulargelenkes
Triple-ArthrodeseArthrodese des Subtalargelenkes, des Talonavikulargelenkes und des Calcaneocuboidalgelenkes
Pantalare ArthrodeseZusätzliche Arthrodese des oberen Sprunggelenkes
Alleinige Weichteileingriffe sind nur im Stadium I indiziert. Das Spektrum reicht dabei von der Synovektomie der Tibialis-posterior-Sehne bis zu Sehnenaugmentationen und -transfers. Am gebräuchlichsten ist hierbei der Flexor-digitorum-longus-Transfer. In den späteren Stadien werden die Weichteileingriffe stets mit ossären Korrektureingriffen kombiniert.
Im Stadium II sollte eine Kombination aus korrigierenden Osteotomien sowie Weichteileingriffen angewendet werden [16]. Welche Osteotomien durchgeführt werden müssen, ist abhängig von der genauen Analyse der Fehlstellung.
Bei rigiden Deformitäten oder signifikanten Gelenkarthrosen muss die Deformität über korrigierende Ar­throdesen behandelt werden. Im Stadium III wird das Subtalargelenk in korrigierter Stellung arthrodesiert. Je nach Pathologie können zusätzlich zur Subtalar-Ar­throdese die Arthrodese des Talonavikulargelenkes (= Double-Arthrodese) und wiederum des Calcaneo­cuboidalgelenkes (= Triple-Arthrodese) nötig sein.
Im Stadium IV muss zusätzlich die Subluxationsstellung im oberen Sprunggelenk therapiert werden. Bei flexibler Deformität im oberen Sprunggelenk kann dies durch eine supramalleoläre Korrekturosteotomie geschehen. Bei rigider Deformität wird auch eine Ar­throdese des oberen Sprunggelenkes (OSG) durchgeführt im Sinne einer pantalaren Arthrodese.
Bei praktisch allen aufgeführten chirurgischen Eingriffen ist postoperativ eine längere Ruhigstellung in einem Gips für mindestens sechs Wochen indiziert. Dies insbesondere bei knöchernen Korrekturen. Je nach Verlauf der ossären Konsolidation in der 6-Wochen-Kontrolle beginnt die Aufbelastung. Viele Patienten äussern eine Verbesserung der Funktion bereits nach 3–6 Monaten. Eine vollständige Rekonvaleszenz ist aber häufig erst ein Jahr postoperativ erreicht [26]. Eine entsprechende Aufklärung des Patienten ist Bedingung, um eine gute Compliance über diesen Zeitraum aufrecht zu erhalten.
Schliesslich kann mit den bisherigen Therapieverfahren jedoch eine zuverlässige Schmerzreduktion erreicht werden. Der Erhalt der Funktionalität in den fortgeschrittenen Stadien ist bisher aber eine grosse Herausforderung.

Das Wichtigste für die Praxis

Der Pes planovalgus tritt am häufigsten bei Frauen über 40 Jahre auf.
Die Tibialis-posterior-Insuffizienz entwickelt sich chronisch und im Verlauf ist von einer progredienten Deformität auszugehen.
Eine Behandlung des Pes planovalgus beim Erwachsenen ist indiziert, wenn belastungsabhängige Schmerzen auftreten.
Für die Auswahl der geeigneten Therapieform entscheidend ist, ob die Deformität flexibel oder rigide ist – sowohl bei der konservativen als auch bei der operativen Therapie.
Ein konservativer Therapieversuch ist in allen Stadien möglich.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Dr. med. Stephan Wirth
Universitätsklinik Balgrist
Forchstrasse 340
CH-8008 Zürich
fuss[at]balgrist.ch
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