Chronische tophöse Gicht
Schon die Dinosaurier ...

Chronische tophöse Gicht

Coup d'œil 1
Ausgabe
2017/32
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.02993
Schweiz Med Forum 2017;17(32):669-671

Affiliations
a Praxisgemeinschaft Maggi/Oertle, Zürich
b Dipl. Pflegefachfrau HF, Seniorenresidenz Spirgarten, Zürich

Publiziert am 09.08.2017

Einleitung

Gicht ist keineswegs nur eine Krankheit der modernen Zeit. Schon der furchteinflössende, fleischfressende Tyrannosaurus Rex litt offenbar an Gicht [1]. Hippokrates beschrieb die Gicht als Krankheit, «welche es schwer macht, zu gehen» [2]. Der englische Künstler James Gillray hat zu Zeiten Napoleons die Krankheit in treffender, karikaturistischer Manier abgebildet (Abb. 1).
Abbildung 1: Die Gicht, dargestellt von James Gillray.
(Wellcome Library, London [http://wellcomeimages.org/indexplus/obf_images/c0/b0/96a7c21e5ad3e1da4a31c37ed5d3.jpg]. A swollen and inflamed foot; gout is represented as an attacking demon. Coloured etching, 1835, after J. Gillray, 1799. 1835 By: James Gillray. Licensed under Creative Commons Attribution 4.0 International [https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.en]).
Wir kennen die Gicht vor allem in dieser Form, der akuten, äusserst schmerzhaften Arthritis urica des Fusses (Podagra), selten im Bereich des Handgelenkes (Chiragra). Harnsäureablagerungen in den gelenknahen Weichteilen (Gichttophi) sehen wir dagegen dank des in den 1960er-Jahren eingeführen, urikostatisch wirkenden Xanthin-Oxidasehemmers Allopurinol kaum mehr [3].

Fallbeschreibung

Wir berichten über einen polymorbiden, 82-jährigen Mann, der an einer ausgeprägten Form einer chronischen, tophösen Gicht leidet. Dabei kann sich der Pa­tient nicht an akute Arthritiden erinnern – er beklagt aber die chronischen, diffusen Gelenkbeschwerden im Bereich der Füsse. Die Arthralgien wurden lange Zeit erfolgreich physikalisch (Kälte- und Wärmetherapie) sowie mit nichtsteroidalen Antirheumatika therapiert, eine Basistherapie der Hyperurikämie mit Allopurinol blieb beim Patienten aus.
Klinisch imponieren grosse Gichttophi an Händen und Füssen, die im Bereich der Füsse ulzerierten und den Patienten dadurch immobilisierten (Abb.  2–4).
Abbildung 2: Tophi, Metakarpophalangealgelenk III 
der rechten Hand.
Abbildung 3: Tophi, Metatarsophalangealgelenk I 
des rechten Fusses.
Abbildung 4: Ulzerierende Tophi am linken Fuss – Verlauf.
Im Labor fanden wir Entzündungszeichen und massiv erhöhte Harnsäurewerte.
Aus einem Ulkus entnahmen wir amorphes, bröckliges Material (Abb. 5), das wir in 0,9% NaCl-Lösung aufschwemmten und in der zehnfachen lichtmikro­skopischen Vergrösserung in Zusammenschau mit dem klinischen Verlauf und der typischen Nadelform als Uratkristalle identifizierten (Abb. 6).
Abbildung 5: Material aus einem ulzerierten Tophus.
Abbildung 6: Uratkristalle im Lichtmikroskop, Vergrösserung 10× (die Abbildung wurde mittels einer herkömmlichen Digital­kamera direkt durch das Okular aufgenommen).
Zur genauen Differenzierung der Gichtkristalle wurde nachträglich die Polarisationsmikroskopie eingesetzt (Abb. 7) – nur damit können die stark negativ doppelbrechenden, feinen Uratkristalle sicher von anderen Kristallarthropathien abgegrenzt werden [4].
Abbildungen 7 A+B: Mit Wasser aufgeschwemmt leuchteten die doppelbrechenden Uratkristalle unter dem Polarisationsmikro­skop blau und gelb auf, q.e.d. (Vergrösserung 40×).
Dank der sachkundigen Wundpflege und regelmässiger Spülung mit 0,9% NaCl-Lösung heilen die Ulzera jetzt über Wochen langsam ab.
Wir danken Frau Doris Lendenmann (Laborgemeinschaft 1, 8047 Zürich) für die nachträgliche Untersuchung des Nekrosematerials unter dem Polarisationsmikroskop und die Aufnahmen der Abbildungen 7 A und B.
­Die Publikation erfolgt im Einverständnis des Patienten.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Lukas Weidmann, dipl. Arzt
Assistenzarzt
Praxisgemeinschaft Maggi/Oertle
Dennlerstrasse 25
CH-8047 Zürich
Magoer[at]bluewin.ch
1 Rothschild BM, Tanke D, Carpenter K. Tyrannosaurs suffered from gout. Nature. 1997;387(6631):357.
2 Nuki G, Simkin PA. A concise history of gout and hyperuricemia and their treatment. Arthritis Research & Therapy. 2006;8(Suppl 1):S1.
3 Dalbeth N, Merriman TR, Stamp LK. Gout. Lancet. 2016;388(10055):2039–52.
4 Forster A, Krebs A. Die Gicht – lästig, aber behandelbar. Schweiz Med Forum. 2013;13(15):285–9.