Die alveoläre Echinokokkose
Erkrankung durch den «Fuchsbandwurm»

Die alveoläre Echinokokkose

Übersichtsartikel AIM
Ausgabe
2017/36
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.03046
Schweiz Med Forum 2017;17(36):760-766

Affiliations
a Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin, Universitätsspital/Inselspital Bern
b Institut für Parasitologie der Vetsuisse und der Medizinischen Fakultät, Universität Bern

Publiziert am 06.09.2017

Bei der alveolären Echinokokkose handelt es sich um eine tumorähnliche Leber­erkrankung mit Metastasierungspotenzial in Lunge, Hirn und andere Organe. Die Prävalenz des verursachenden Parasiten Echinococcus multilocularis hat in vielen Gebieten Mittel- und Osteuropas in den letzten Jahren massiv zugenommen, in zahlreichen Ländern stieg demzufolge die jährliche Anzahl neuer Fälle signifikant an. Zusätzlich tritt die alveolären Echinokokkose gehäuft bei Personen mit eingeschränkt funktionierendem Immunsystem auf. Umgekehrt zeigte sich, dass die meisten exponierten immunkompetenten Personen gegenüber der Erkrankung resistent sind.

Einführung

Über Jahrzehnte hinweg galt die Infektion mit dem Larvalstadium des Fuchsbandwurmes Echinococcus multilocularis (Abb. 1) als sehr seltene Infektion. Die Schweiz verzeichnete zu den Zeiten vor 2000 ca. 8–12 neue Fälle der alveolären Echinokokkose (AE) pro Jahr [1]. Im Rahmen der letzten 10–20 Jahre kam es zu einer massiven, sowohl geographischen als auch numerischen Zunahme respektive Ausweitung des europäischen Endemiegebietes einschliesslich Holland, Belgien, Dänemark sowie den Baltischen Staaten Polen, Slovakei, Rumänien und Slovenien und neuerdings auch Schweden [2], wobei genaue Vergleichszahlen fehlen. Auch die Schweiz wurde von dieser Zunahme erfasst, indem nun jährlich ca. 24–30 neue AE-Fälle pro Jahr diagnos­tiziert werden, was einer Verdreifachung gegenüber früher entspricht. Ähnliche Zunahmen der Inzidenz wurden auch in Frankreich, Deutschland und Österreich (historisch als «traditionelle» Endemiegebiete Europas geltend) beobachtet.
Abbildung 1: Entwicklungszyklus von Echinococcus multilocularis : Hauptendwirte sind Füchse und Hunde, die im Dünndarm die adulten E. multilocularis -Bandwürmer (1) beherbergen. Diese Bandwürmer beginnen ab Tag 28 nach Infektion mit der ­Produktion von Bandwurmeiern (2), welche für Zwischenwirte (vorwiegend Kleinnager/Mäuse, akzidentiell Mensch) infektiös sind. Im Zwischenwirt entwickelt sich primär in der Leber der sogenannte Metacestode, welcher aus einem tumorartigen (3) vesikulierten Gewebe besteht (4); in den einzelnen kleinen flüssigkeitsgefüllten Vesikeln bilden sich später Kopfanlagen ­(Protoskolices) (5) des Bandwurmes. Nachdem ein Entwirt eine infektiöse Maus gefressen hat, schliesst sich der Entwicklungszyklus, indem sich im Dünndarm des Endwirtes aus den ausgestülpten Protoskolices wiederum adulte Bandwürmer entwickeln.
Als Gründe für die Ausweitung des europäischen Endemiegebietes sowie für die Zunahme der AE-Fälle beim Menschen wurden mehrere wichtige Faktoren ermittelt:
– Die Fuchspopulation und die Parasitenpopulation selbst hat sich einerseits aufgrund der erfolgreichen Tollwutbekämpfung und anderseits durch die Urbanisierung der Füchse vermehrt.
– Da nebst Füchsen auch Hunde als Endwirte agieren, konnte der Parasit auch über diese Tierart («reisende» Hunde und Hundtranslokationen) in neue Gebiete eingeführt werden. Demzufolge konnte sich England bisher mittels strenger Hunde-Einfuhrkontrollen frei von E. multilocularis halten, im Gegensatz zum Beispiel zu Schweden.
– Mit der Zunahme an immunmodulierenden Therapien beim Menschen tritt parallel dazu die AE als opportunistische Infektion häufiger auf [3].
Die stark gestiegene Umweltkontamination mit infektiösen E. multilocularis-Eiern hat infektiologische Konsequenzen. Dies spiegelt sich in der Tatsache wider, dass bisher kaum betroffene Tierarten wie zum Beispiel Primaten in Zoos, Haushunde, Biber, Hasen und andere nun auch an AE erkranken. Diese neuen Zwischenwirte spielen bei der Übertragung des Parasiten auf den Endwirt keine relevante Rolle, sind jedoch als Indikator für die Umweltkontamination mit E. multilocularis-Eiern interessant. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, warum die Erkrankungshäufigkeit beim Menschen nicht noch stärker angestiegen ist. Im Rahmen früherer epidemiologischer Untersuchungen wurden erstmalig Personen diagnostiziert, bei denen die parasitenin­duzierte Leberläsion «abortiert» war, das heisst, dass das sich entwickelnde Parasitengewebe in einem Frühstadium abstarb und zu einer inerten Läsion führte, die sich in der Bildgebung als kleine verkalkte Masse darstellt. Damit ergab sich der erste Hinweis auf eine aus klinischer Sicht evidente Resistenz gegenüber einer weiteren Entwicklung des Parasiten, wobei die Zusammensetzung der immunologischen Reaktion des Wirtes als Erklärung für die Resistenz postuliert wurde [4]. Dass zellulär-immunologische Parameter die Entwicklungsdynamik des Parasitengewebes zu steuern vermögen, zeigte sich an opportunistischen AE-Fälle bei immunsupprimierten Patienten mit einer fulminanten Krankheitsentwicklung [5]. Auch zeigte sich bei den 91 Patienten, die im Inselspital Bern in den letzten zehn Jahren behandelt wurden, eine überdurchschnittliche Häufigkeit von 7,7% immunsupprimierter Patienten (Beldi G, persönliche Kommunikation). Epidemiologische Unter­suchungen bei gesunden Blutspendern lieferten des Weiteren die ersten Hinweise auf den eigentlichen Expositions- respektive Infek­tionsdruck mit dem Parasiten. Mit einem spezifischen serologischen Test wurde eine Seroprävalenz von 0,2% eruiert. Im selben Zeitraum betrug die jährliche Inzidenz der AE 0,2 Fälle pro 100 000 Einwohner, was ex­trapoliert 0,0002% der schweizerischen Bevölkerung ausmacht. Basierend auf der Annahme, dass das zeitliche Intervall zwischen Infektion und durchschnittlichem Auftreten der ersten Symptome (= Erkrankungszeitpunkt) wahrscheinlich zehn Jahre oder mehr beträgt, kann die klinische Inzidenz um einen Faktor 10 (= 0,002%) korrigiert werden. Somit ergibt sich ein faktorieller Unterschied zwischen Serokonversion (= Infektion) und Auftreten der eigentlichen AE (= Erkrankung) von 1:99. Das bedeutet, wir können annehmen, dass von 100 infizierten immunkompetenten Personen durchschnittlich nur eine an AE erkranken wird. Alle an­deren «99» resistenten Personen lassen sich klinisch in zwei Kategorien einteilen: (a) Personen, bei denen in bildgebenden Verfahren (meist als Zufallsbefund) einzelne oder multiple, vollständig verkalkte Herde meist mit Durchmessern von wenigen Millimetern bis Zentimetern nachgewiesen werden; (b) Personen mit ausschliesslicher Serokonversion, ohne nachweisbare Läsionen. Etwa 25% der serokonvertierten resistenten Personen gehören in Kategorie (a), ca. 75% in Kategorie (b).

Klinische Aspekte der AE

Bei der klinisch manifesten AE erscheint der konti­nuierlich wachsende Parasit histologisch als diffuse Masse eines fibrösen Gewebes, das unzählige Mengen an kleinen Vesikeln enthält, die in der Regel im Mikro- bis Millimeter-Durchmesserbereich liegen. Die Vesikel sind flüssigkeitsgefüllt und gegen aussen durch eine dünne Keimschicht, gefolgt von einer äus­seren PAS-positiven Laminarschicht (= parasitäre Schutzschicht) begrenzt [6]. In fortgeschrittenen Fällen kann sich eine zentrale nekrotische Zerfallshöhle bilden. Degenerative Prozesse führen zu eher diffusen, fokalen Kalzifizierungen. Da das Parasitengewebe nicht vaskularisiert ist, erfolgt die Nahrungsaufnahme des Parasitengewebes vor allem über Diffusion entsprechender Sub­stanzen aus dem anliegenden Wirtsgewebe. Dies liefert unter anderem die Erklärung, warum der Parasit in den peripheren Zonen am besten wächst und in zentraleren Zonen nekrotisiert und an Aktivität verliert. Auch antiparasitäre Me­dikamente können in der Peripherie des Parasiten­gewebes die beste Wirkung mit den Parasitenzellen ausüben, wobei dann in Richtung zentrales Parasitengewebe der Konzen­trationsgradient abnimmt und so auch die Wirkung der Medikation abnehmen wird. Dieses Phänomen könnte zur Erklärung beitragen, warum der Parasit gesamthaft nicht durch eine Albendazol-Therapie abgetötet werden kann, sondern in der Regel nur am Wachstum gehindert («sistiert») wird. Entsprechend kann man davon ausgehen, dass der Wirkstoffspiegel in zentraleren Bereichen des Parasitengewebes zu niedrig ist, um einen parasitiziden Effekt zu erzielen.
Die Inkubationszeit der AE bei immungesunden Pa­tienten ist sehr lange und beträgt durchschnittlich 5–15 Jahre. Da das wachsende Parasitengewebe nicht zu systemischen Symptomen führt, wird die Erkrankung vorwiegend durch den infiltrativen, raumverdrängenden Prozess und die damit zusammenhängenden, induzierten Funktionsstörungen der Leber verursacht. Die häufigsten klinischen Zeichen zum Zeitpunkt der Diagnose sind Hepatomegalie, Ikterus und sekundäre biliäre Zirrhose. Leberabszesse und portale Hypertension sind selten. Metastasierungen finden sich in ca. 20–35% der AE-Patienten im fortgeschrittenen Stadium und betreffen vorwiegend Hirn, Lunge und Knochen.

Bildgebung

In der Ultrasonographie stellen sich AE-Läsionen aufgrund der fibrösen Struktur nicht kontrastverstärkt dar und erscheinen eher als heterogene, hypodense Läsionen mit irregulärer äusserer Begrenzung. Die Ultrasonographie wird häufig als primäres Verfahren eingesetzt, und eignet sich auch für Screeningunter­suchungen [7]. Mittels Ultraschall können unterschiedliche Verteilungsmuster für die Diagnose einer AE typisch sein, die Ausdruck der unterschiedlichen Aktivität darstellen [8]. Unterschieden werden verschiedene Verkalkungsgrade und ob die Lä­sionen singulär oder multipel auftreten. Der differen­tielle Nachweis von hyperechogenen und hypoechogenen Zonen erlaubt den Nachweis von zen­tralen nekrotischen Höhlen.
Weitere Schnittbilddiagnostik mittels Computertomographie (CT) und gegebenenfalls Magnetresonanztomographie (MRT) sind jedoch meist indiziert. In der CT kann die AE aufgrund der typischen Verkalkungen in der ­Regel früh erkannt und diagnostiziert werden (Abb. 2A und 2B). Weiterhin wird die CT zur Charakterisierung von AE-Hirnläsionen eingesetzt. Die MRT dient zur ­Operationsplanung bei Läsionen, die zentral in der Leber und entlang von Gallenwegen wachsen. Im Gegensatz zum CT werden mittels MRT die für die AE typischen Verkalkungen nicht nachgewiesen. In den letzten Jahren wurde der Stellenwert der 18F-Fluoro-Deoxyglucose­(FDG)-Positronen-Emissions-Tomographie(PET)-CT ein­gehend untersucht. In der PET lässt sich die Aktivität der AE gut nachweisen. Somit wird dieses Verfahren primär zur Verlaufskontrolle eingesetzt, um zu beurteilen, ob die medikamentöse Therapie sistiert werden kann. Für die primäre Diagnostik ist eine Untersuchung mittels PET-CT nicht indiziert.
Abbildung 2: Computertomographie. A) Beispiel einer Patientin mit multiplen, zentral verkalkenden Herden (Pfeile). Hier handelte es sich um eine abortive Echinokokkose. B) Beispiel einer alveolären Echinokokkose der Leber mit zentralem, im Vergleich zu früheren Bildern grössenprogredientem, aktivem Herd sowie mit zentralen und peripheren (Pfeil) Verkalkungen.

Immunodiagnose der AE

Zur Serodiagnose einer Infektion mit E. multilocularis bieten sich ausgezeichnete serologische Tests an (z.B. Kombination von Em2-ELISA und Em18-ELISA, plus EmVF-Westernblot), deren diagnostische Parameter (primäre Diagnose der AE, vor Behandlung) gut charakterisiert sind: diagnostische Sensitivität 99%, Spezifität 95–99%. Häufig stellt sich jedoch primär erst die Frage nach einer Echinokokkose (Echinococcus sp.), noch ohne Bedarf nach Spezifizierung. Dazu wird im Screening ein weiterer zusätzlicher Test verwendet, der EgHF- oder EmVF-ELISA, und zur weiteren Abklärung zusätzlich Eg- und/oder Em-Westernblot. Eine serolo­gische Differenzierung zwischen AE und zystischer Echinokokkose (CE) (Abb. 3) gelingt in 95% der Echinokokkose-Fälle [6, 9].
Abbildung 3 : Schema zur Serodiagnose respektive Differentialdiagnose von alveolärer Echinokokkose (AE) und zystischer Echinokokkose (CE) mittels Antikörpernachweis und PCR. Die serologische Eingangsdiagnose wird mit einem Eg-ELISA basierend auf E. granulosus -Hydatidenflüssigkeitsantigen (EgHF) oder einem Em-ELISA basierend auf E. multilocularis -Vesikelflüssigkeitsantigen (EmVF) (1a) sowie Em-spezifischen ELISAs basierend auf Em2- 
und Em18-Antigen durchgeführt. Seren mit negativen Resultaten in allen drei ELISAs werden definitiv als negativ eingestuft (siehe Serologie 1) und nicht ­weiter geprüft. Seren mit positivem Resultat in ELISAs 1a und/oder 1b werden mittels Eg- und Em-Westernblot (WB) weiter untersucht. Seren mit negativem Resultat in 2 werden definitiv als negativ eingestuft (siehe Serologie 2). Seren, die positiv in 1a, negativ in 1b und positiv in 2 sind, deuten auf eine CE hin (siehe blauer Pfad). Seren, die positiv oder negativ in 1a, positiv in 1b und positiv in 2 sind, deuten auf eine AE hin (siehe roter Pfad). Wie in 3 angezeigt (siehe grauer Pfad), kann eine Bestätigung oder Widerlegung (dargestellt durch Fragezeichen) von Resultaten aus der Serologie mittels PCR mit allfällig vorhandenem Biopsie- oder Resek­tionsmaterial (möglichst nativ) erfolgen (Vorsicht dazu bei CE, da Feinnadelpunktion/-aspirat i.d.R. bei CE nicht indiziert!). Die PCR erlaubt einen sensitiven Nachweis und gleichzeitig eine Speziesdifferenzierung von Echinococcus sp..

Em2-ELISA

Dieser Test beruht auf der Verwendung eines Karbohy­dratantigens, das aus der azellulären Laminarschicht des Parasiten stammt. Der entsprechende Antikörpernachweis weist damit grundsätzlich auf eine Infektion mit E. multilocularis hin, das heisst einschliesslich aktiver wie auch abortiver AE-Fälle.

Em-18-ELISA

Der Anti-Em18-Antikörpernachweis korreliert relativ gut mit dem Vitalitätsstatus des Parasiten, das heisst ein signifikanter Abfall beziehungsweise ein negatives Ergebnis in der Anti-Em18-Serologie weist auf eine Inaktivierung (oder komplette Resektion) des Parasiten hin. Der Em18-ELISA wird zur serologischen postoperativen respektive therapeutischen Verlaufskontrolle bei AE-Patienten verwendet.

Em-Westernblot

Der Em-Westernblot bietet die höchste diagnostische Sensitivität und hilft, die seltenen Fälle serologisch abzuklären, die in den ELISA-Untersuchungen fragliche Ergebnisse lieferten. Aufgrund unserer Erfahrung eignet sich der Em-Westernblot insbesondere auch zur Früherfassung einer Infektion. Zur verfeinerten Spezifitätsabklärung Em-Westernblot-posi­tiver Fälle wird auf die Ergebnisse der Em-spezifischen ELISA zurückgegriffen.
Fazit: Zur optimalen serologischen Diagnose einer Infektion mit E. multilocularis beziehungsweise einer AE empfehlen wir, alle drei oben aufgeführten Tests einzusetzen. Für die serologische Verlaufskontrolle nach chirugischer Radikalresektion eignet sich die Kombination des Em2-ELISA mit dem Em18-ELISA. Für die serologische Verlaufskontrolle während einer kontinuierlichen Albendazol-Therapie ist der Em18-­ELISA von zentraler Bedeutung.

PNM Klassifizierung

Durch die World Health Organisation (WHO) wurde in Anlehnung an die TNM-Klassifizierung bei Tumoren die hepatische AE in PNM-Stadien eingeteilt: P = Parasitische Masse in der Leber, N = Miteinbezug benachbarter Organe, einschliesslich Lymphknoten, M = Metastasen. Die PNM-Angaben erleichtern die Identifikation der besten therapeutischen Verfahren [7]. Von zentraler Bedeutung ist die Beurteilung der chirurgische Resektabilität, zu welcher die Stadieneinteilung zwar Anhaltspunkte gibt, aber der Entscheid, ob ein hepatischer Befall mit E. multilocularis kurativ resezierbar ist, kann letztlich nur durch einen hepatobiliären Chirurgen mit Erfahrung in AE erfolgen und hängt zusätzlich vom Allgemeinzustand des Patienten ab.

Histologie / molekulare Diagnostik (PCR)

In PAS-gefärbten histologischen Präparaten lassen sich in der Regel die von eine Laminarschicht umhüllten mikrovesilulären Strukturen des larvalen Parasiten­gewebes gut erkennen, gegebenenfalls können solche Präparate auch mittels Immunhistochemie charak­terisiert werden [10]. Bei den seltenen dia­gnostischen Unklarheiten kann das Substrat einer Feinnadelpunktion respektive -aspiration (ggf. auch chirurgisches Resektionsmaterial) am besten mittels PCR («polymerase chain reaction») zuverlässig untersucht werden. Dazu eignet sich primär natives Gewebe. Formalinfixierte Proben können ebenfalls mittels PCR geprüft werden, Voraussetzung ist eine vorgängige Einbettung in Paraffin [11]. Die PCR-Ergebnisse erlauben spezifische Aus­sagen zur Parasitenart und ergeben die Möglichkeit einer weiteren, detaillierten Genotypisierung des Isolats. In der Regel führen jedoch Bildgebung kombiniert mit Serologie bereits zur gewünschten Speziesdiagnose, sodass eine Materialgewinnung nicht indiziert ist.

Therapie der AE

Prinzipiell bestehen zwei zentrale Behandlungsoptionen: die kurative Resektion oder die langfristige Therapie mit Albendazol bei nicht kurativ resezierbarem Befall von AE [7].

Chirurgie

Eine kurative Therapie ist nur bei radikaler chirurgischer Entfernung der gesamten Parasitenmasse möglich, dies mit adjuvanter beziehungsweise begleitender (zweijähriger) Gabe von Albendazol. Bei diesen Patienten ist eine langfristige Nachsorge indiziert, da die AE re­zidivieren kann. Initial erfolgen einmal pro Jahr Untersuchungen mittels CT, begleitet von einer Serologie. Bei stabiler Situation kann auf eine rein serologische Nachsorge gewechselt werden.
Da jeder AE-Fall spezifische morphologische Eigenheiten aufweist, sollten AE-Operationen möglichst durch AE-erfahrene Chirurgen durchgeführt werden. Zentraler Aspekt einer kurativen Resektion ist die vollständige Entfernung der Herde. Heutzutage können kurative Eingriffe auch häufig laparoskopisch erfolgen und so dem Patienten einen grösseren Eingriff ersparen. Lebertransplantationen sind aufgrund des erheblichen Rezidivrisikos unter immunsuppressiver Therapie mit einer grossen Problematik behaftet. Trotz adjuvanter beziehungsweise begleitender Therapie mit Albenadzol kann der Parasit sich in dieser Situation unkontrolliert vermehren [6].

Medikamentöse Therapie

Alle anderen, nicht radikaloperablen Fälle werden heutzutage primär chemotherapeutisch mittels täg­licher kontinuierlicher, gegebenenfalls lebenslanger Einnahme von Benzimidazolen behandelt. Eine langfristige Behandlung ist aufgrund der Tatsache indiziert, dass die beiden verwendeten Benzimidazole (Albendazol und Mebendazol) in den meisten Fällen nur para­sitostatisch und nicht parasitizid wirken. Albendazol ist der Wirkstoff der Wahl, weil dieser die beste Bioverfügbarkeit und einfachste Applikation aufweist. Die empfohlene Dosierung beträgt 10–15 mg/kg/Tag verabreicht in zwei Dosen (üblicherweise 2 × 400 mg pro Tag) mit je einer fetthaltigen Mahlzeit (nötig für eine gute Resorption). Mebendazol ist eine Alternative bei Unverträglichkeit gegenüber Albendazol und wird aufgeteilt in mindestens drei Dosen pro Tag verabreicht (Gesamtdosierung 40–50 mg/kg/Tag). Albendazol-Plasmaspiegel (vier Stunden nach Verabreichung) sollten 2, 4 und 12 Wochen nach Beginn der Therapie gemessen werden. Nach Beginn der Therapie sollen die Leberwerte (Aspartat-Aminotransferase [ASAT], Alanin-Aminotransferase [ALAT, Gamma-Glutamyltransferase [γ-GT]) zunächst alle zwei Wochen, dann monatlich und langfristig alle sechs Monate geprüft werden. Bei mehr als dreifach erhöhten Transaminasewerten sollte die Behandlung sistiert werden [7].
In der Schweiz ist Albendazol nicht für die Indikation «Echinokokkose» zugelassen. Entsprechend sind Rückfragen von den Krankenkassen nicht selten. Folgende Argumente sprechen für Albendazol anstatt Mebendazol: bessere Bioverfügbarkeit, bessere Compliance (2× täglich, geringere Tablettenmenge), einfacheres Monitoring, Kosten nicht wesentlich höher unter Berücksichtigung der grossen Anzahl benötigter Tabletten für Mebendazol-Therapie.
Mögliche Nebenwirkungen bei einer Albendazol-Therapie beinhalten neben dem relativ häufigen Anstieg der Leberenzyme seltener eine Leuko- bis Panzytopenie, Agranulozytose, Niereninsuffizienz, reversible Alopezie und erhöhten Hirndruck.
Parallel zur medikamentösen Therapie gehört ein interdisziplinäres Management akuter und chronischer Probleme, wie zum Beispiel Gallengangsobstruktionen, Abszessbildungen oder Thrombosen wichtiger Gefäs­se. Mindestens einmal pro Jahr ist eine Bildgebung als Kontrolle und zur Beurteilung allfälliger palliativer Massnahmen indiziert. Unter Umständen muss eine palliative Chirurgie als letzte Option mitberücksichtigt werden.

Nachsorge

Rezidive können auch bis 20 Jahre nach kurativer Chirurgie auftreten [12]. Aus diesem Grund sind langfristige serologische Kontrollen bei kurativ resezierten Pa­tienten anhand der Bestimmung von Anti-Em18- oder Anti-Em2-Antikörperkonzentra­tionen indiziert. Vollständiger Abfall beziehungsweise «Negativierung» des Antikörpernachweises zu nicht detektierbaren Antikörperkonzentrationen korreliert gut mit kurativer Resektion, bei einem Wiederanstieg ist hingegen von einem Rezidiv auszugehen. Die Nachsorge beinhaltet regelmässige Bildgebung mittels Ul­traschall oder MRT/CT zuerst jährlich und nach fünf Jahren alle zwei Jahre.
Es gibt zunehmende Evidenz, dass die medikamentöse Therapie bei einer kleinen Anzahl der Patienten para­sitizid wirkt. Bisher gibt es jedoch keine zuverlässigen Kriterien für den Nachweis einer medikamentösen Elimination des Parasiten. Mögliche Abbruchkriterien einer medikamentösen Therapie sind das Verschwinden von Anti-Em18-Antikörpern (Negativierung der Em18-Serologie), zunehmende Kalzifikation der Läsion und negatives PET.

Ausblick

Sofern es sich nicht um kurativ resezierte Läsionen handelt, ist die Frage nach der Dauer einer medikamen­tösen Therapie von grösster Wichtigkeit. Obwohl die medikamentöse Therapie primär parasitostatisch und nicht parasitizid wirkt, kann bei einem Teil der Patienten die AE mit der Zeit inaktiv werden. Die besten Hinweise für eine inaktive AE sind heutzutage die Seronegativierung gegen das Em18-Antigen und ein negatives PET. Letzteres wird jedoch für diese Indikation von der Krankenkassen nicht übernommen.
In Anbetracht der Zunahme der AE-Inzidenz und einer gewissen Assoziation mit immunsuppressiven Medi­kamenten oder Krankheiten muss in den kommenden Jahren abgeklärt werden, in welcher Form das oppor­tunistische Auftreten von AE mit spezifischer immunsuppressiver Therapie (z.B. Immunosuppression bei ­Organtransplantation oder chronisch entzündlichen Erkrankungen) oder Immundefizienzen zusammenhängt. Gleichzeitig muss ermittelt werden, in welchem Ausmass eine immunosuppressive Therapie bei dia­gnostizierter AE angepasst werden soll.

Das Wichtigste für die Praxis

• Die alveoläre Echinokokkose hat seit ca. 2000 aufgrund der starken Verbreitung von Füchsen und deren Urbanisierung zugenommen.
• Primäre Diagnostik erfolgt mittels Bildgebung (v.a. CT und US) und Serologie.
• Serologie: Für die Diagnostik werden gleichzeitig Em2- und Em18-ELISA sowie Em-Westernblot eingesetzt; für eine Verlaufskontrolle liefert v.a. der Em18-ELISA wichtige Hinweise auf eine allfällige Inaktivierung des Parasiten.
• Die einzige kurative Therapie ist die radikale Resektion durch ein spezialisiertes Zentrum.
• Begleitend zur kurativen Resektion erfolgt postoperativ eine 2-jährige Therapie mit Albendazol.
• Bei nicht kurativ resezierbaren Läsionen erfolgt eine langfristige (ggf. lebenslängliche) Therapie mit Albendazol.
• Albendazol wird 2 × täglich mit eine fetthaltigen Mahlzeit eingenommen (2 × 400 mg/Tag; ggf. 10–15 mg/kg/Tag).
• Langfristige Nachsorge mindestens alle 2 Jahre aller Patienten in einem Zentrum.
• Es besteht ein wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen der alveolären Echinokokkose und Immunosuppression/Immuntherapie.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Prof. Dr. Bruno Gottstein
Institut für Parasitologie
Departement für Infektionskrankheiten und
Pathobiologie
Universität Bern
Länggassstrasse 122
CH-3012 Bern
bruno.gottstein[at]vetsuisse.unibe.ch
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