Schwindelbeschwerden: ethisches oder unethisches Verhalten bei der Therapiewahl

Schwindelbeschwerden: ethisches oder unethisches Verhalten bei der Therapiewahl

Leserbrief
Ausgabe
2017/32
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.03049
Schweiz Med Forum 2017;17(32):672

Publiziert am 09.08.2017

Schwindelbeschwerden: ethisches oder unethisches Verhalten bei der Therapiewahl

Leserbrief zu: de Torrenté A. Menière-Krankheit: welche Behandlung? Schweiz Med Forum 2017;17(1516):347.
Im Artikel wird eine Studie von Patel M. zur Therapie der Menière-Erkrankung beschrieben, die in der Zeitschrift Lancet erschienen ist [1]. Es werden Therapieresultate von zwei verschiedenen Medikamenten (Antibiotikum oder Steroid) beschrieben, die ins Mittelohr injiziert wurden. Die Schwindelanfälle in den Monaten nach den Injektionen reduzierten sich gemäss Studie um 87 bis 90% gegenüber der Vorperiode. Es gab in der Studie keine Kontrollgruppe ohne Therapie, mit der Begründung, dass das unethisch gewesen wäre.
Erfahrene Ohrenärzte, die früher Schwindelanfälle ohne die beschriebenen Injektionen behandelt haben, kennen den Verlauf der Erkrankung und haben viele Fälle erlebt, die nach fulminantem Beginn bald schwindelfrei genesen sind. Eine Spontanheilungsrate von 80 bis 90% kann ich mir aus Erfahrung gut vorstellen. Leider können aber auch spätere Rezidive nicht selten beobachtet werden.
Ich stelle mir nun die Frage, ob die Wirkung der Steroid- oder Antibiotikuminjektion ins Mittelohr gegenüber einer Plazebogruppe je untersucht wurde. Gibt es Hinweise auf einen Infekt, der die Antibiotikagabe rechtfertigen würde, oder kann man sich eine langfristige gute Wirkung von Steroiden auch erklären? Ist es denkbar, dass nur einfach bekannte Wirkstoffe eingesetzt wurden, um das therapeutische Bedürfnis von Arzt und Patient zu befriedigen?
Um in Zukunft unnötige Therapien vermeiden zu können, wäre es hier ethisch gewesen, eine Gruppe ohne Therapie zu beobachten. Die Studie täuscht meines Erachtens eine gute Wirkung von Antibiotikum und Steroiden vor, die kaum als gesichert gelten kann.
1 Patel M, Agarwal K, Arshad Q, Hariri M, Rea P, Seemungal BM, et al. Intratympanic methylprednisolone versus gentamicin in patients with unilateral Ménière’s disease: a randomised, double-blind, comparative effectiveness trial. Lancet. 2016;388(10061):2753–62.