Der männliche Patient wurde aufgrund von Atemnot und Schwindel auf der Notfallaufnahme vorstellig. Kurz zuvor war eine Therapie mit Buprenorphin-Pflastern (Transtec®) begonnen worden. Es stellte sich heraus, dass der Patient die Abbildung in der Packungsbeilage fehlinterpretiert hatte und statt eines Matrixpflasters gleich zwei angebracht hatte. Die Pflaster wurden daraufhin wieder entfernt, er musste auf dem Notfall überwacht werden und konnte schliesslich in gebessertem Zustand nach Hause entlassen werden.
Klinisch pharmakologische Beurteilung
Das Matrixpflaster Transtec® enthält den Opioid-Rezeptor-Partialagonisten Buprenorphin. Buprenorphin wirkt als Agonist an µ-Opioidrezeptoren, jedoch antagonistisch an κ-Opioidrezeptoren. Aufgrund seiner physikochemischen Eigenschaften (pKa = 8,31, log P = 4,98) löst sich Buprenorphin besser im Hydrophoben. Daher ist der Wirkstoff in der Lage, die lipidreiche Barriere der Haut zu überwinden, sodass eine transdermale Applikation möglich ist. Nach transdermaler Applikation von 70 µg/h wird die für den analgetischen Effekt benötigte Plasmakonzentration von 100 pg/ml nach 12 Stunden erreicht. Nach Resorption wird Buprenorphin zu 96% an Plasmaproteine gebunden. Die Metabolisierung erfolgt hepatisch durch CYP 3A4 zu N-Dealkylbuprenorphin, welches anschliessend glukuronidiert wird. Die Elimination erfolgt zu ⅔ über die Faeces und zu ⅓ unverändert oder dealkyliert renal, wobei die Eliminationshalbwertszeit ca. 30 Stunden beträgt. Zu beachten ist, dass die kontinuierliche Absorption von Buprenorphin aus dem Hautdepot zu einer langsameren Elimination als nach intravenöser Gabe führt. Gemäss der Schweizer Fachinformation von Transtec® sollte die Dosierung jeweils auf den Patienten individuell angepasst werden. Es wird darauf hingewiesen, dass jedes Pflaster kontinuierlich bis zu 96 Stunden getragen werden sollte. Nach Entfernung des vorigen Pflasters, sollte das nächste Pflaster an anderer Stelle aufgebracht werden. Als unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind in der Fachinformation Atemdepression als selten auftretend und Schwindel als häufig auftretend dokumentiert. Unter «Überdosierung» ist in der Fachinformation beschrieben, dass Buprenorphin über eine grosse therapeutische Breite verfügt. Als Folgen einer Überdosierung sind in der Fachinformation die Opioid-typischen Symptome wie Atemdepression, Sedierung, Somnolenz, Übelkeit, Erbrechen, Kreislaufkollaps und ausgeprägte Miosis beschrieben [1].
Unter swissmedicinfo.ch ist neben der entsprechenden Fachinformation auch eine Patienteninformation hinterlegt, welche sich im Aufbau, der Diktion sowie Abbildungen unterscheidet. Darin sollen in einer patientenverständlicheren Sprache wichtige Details aufgelistet werden. Die in der Patienteninformation gezeigte Abbildung 1 stellt die empfohlenen Bereiche dar und enthält den folgenden Text: «Wählen Sie an Ihrem Oberkörper eine flache, unbehaarte Hautstelle aus.» [2]. Dies kann in der Praxis wirklich als mehrere Orte der Applikation missverstanden werden. Ein eindeutiger Hinweis darauf, dass jeweils nur eine Stelle zu wählen ist, fehlt bisher in der Patienteninformation. Auch verwenden die meisten Ärzte als Informationsgrundlage die jeweilige Fachinformation und sind mit der Patienteninformation womöglich nicht so vertraut.
Die vorliegende Problematik fällt unter «Arzneimitteltherapiesicherheit» (AMTS). Laut der Definition ist AMTS die Gesamtheit der Massnahmen zur Gewährleistung eines optimalen Medikationsprozesses mit dem Ziel, Medikationsfehler und damit vermeidbare Risiken für den Patienten bei der Arzneimitteltherapie zu verringern [3]. Dieses Konzept berücksichtigt, anders als das Konzept der Arzneimittelsicherheit (AMS), dass während des Medikationsprozesses auch Anwendungsfehler auftreten können. Ziel der AMTS ist es, Sicherheitslücken im Medikationsprozess aufzudecken und zu schliessen. Medikationsfehler können zu jedem Zeitpunkt des Medikationsprozesses entstehen und von jedem am Medikationsprozess Beteiligten (Arzt, Apotheker, Pflegekräfte, Patient, Angehörige) verursacht werden. Fehlende Information durch den verschreibenden Arzt, den abgebenden Apotheker oder aber mangelnde Aufmerksamkeit des Patienten während der Beratung sind mögliche Ursachen für den im vorliegenden Fall aufgetretenen Fehler. Auch latente Schwächen des Systems, wie Zeitmangel für ausreichende Beratung, beispielsweise aufgrund von Personalmangel, können das Auftreten von Medikationsfehlern begünstigen (Abb. 2) [4, 5]. Eine Cluster-randomisierte Studie von Köberlein-Neu und Mitarbeitern hat gezeigt, dass interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Gesundheitsberufen die Medikationssicherheit zu erhöhen vermag [6]. Eine bessere Kommunikation zwischen Arzt, Apotheker und Patienten hätte möglicherweise das Auftreten des Fehlers vermeiden können. Jedoch hat auch die nicht eindeutige Anweisung in der Patienteninformation das Auftreten des Fehlers begünstigt. Eine eindeutigere Form der Anweisung ist möglicherweise in Betracht zu ziehen.
Zwischen der Applikation der zwei Matrixpflaster und dem Auftreten von Schwindel und Atemnot liegt ein zeitlicher und plausibler Zusammenhang vor. Die Besserung nach Entfernung der Matrixpflaster stellt eine positive Dechallenge dar.
In Anbetracht des zeitlichen Zusammenhangs, der guten Dokumentation in der Fachinformation sowie unter Berücksichtigung anderer, weniger wahrscheinlicher nicht-medikamentöser Ursachen wurde die Kausalität zwischen dem Auftreten von Atemnot und Schwindel und der Anwendung von Transtec® gemäss WHO/CIOMS-Kriterien formal als wahrscheinlich beurteilt.
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Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Korrespondenz
PD Dr. med. Stefan Weiler, PhD, MHBA Klinik für Klinische Pharmakologie und Toxikologie UniversitätsSpital Zürich Raemistrasse 100 CH-8091 Zürich stefan.weiler[at]usz.ch
Literatur
1 Schweizer Fachinformation Transtec®. www.swissmedicinfo.ch, abgerufen am 15.05.2017
2 Schweizer Patienteninformation Transtec®. www.swissmedicinfo.ch, abgerufen am 15.05.2017.