Fokus auf … refraktäre Hypertonie

Fokus auf … refraktäre Hypertonie

Kurz und bündig
Ausgabe
2017/38
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.03073
Schweiz Med Forum 2017;17(38):805

Publiziert am 20.09.2017

Fokus auf … Refraktäre Hypertonie

Definition:

Persistierend erhöhte Blutdruckwerte (ausserhalb der Praxis gemessen) trotz optimaler Dosierung von drei Antihypertensiva, darin eingeschlossen ein Diuretikum.

Wichtige Fragen vor Abklärung auf sekundäre Hypertonie­ursachen:

– Werden die Lebensstil- und Diätanweisungen eingehalten?
– Braucht der Patient dazu (nochmals) Hilfe(n)?
– Sind alle Blutdruck-steigernden Substanzen anhaltend abgesetzt? Z.B. Sympathomimetika, NSAR, anabole Steroide, Süssholzextrakte in Lutschtabletten, Drogen (Alkohol und Koffein im Übermass, Nikotin, Amphetamine, Kokain).
– Werden Medikamente vertragen? Compliance? Dosierungs­intervalle korrekt?
Clin J Am Soc Nephrol. 2017;12:524–35.

Praxisrelevant

Chronische Aphasie nach Schlaganfall: kein Grund (mehr) zum Nihilismus!

In einer randomisierten und kontrollierten ­Studie an mehreren Zentren in Deutschland wurde der Effekt einer intensiven Sprach- und Gesprächstherapie mit Standardbetreuung bei je 78 Patienten und Patientinnen untersucht. Die Pa­tienten waren bis 70 Jahre alt und die Aphasie persistierte 6 Monate nach Erleiden des zerebrovaskulären Insultes. Die intensive Sprach- und Gesprächstherapie (≥10 Stunden/Woche!) war in der Lage, die verbalen Kom­munika­tionsfähigkeiten bei den Patienten der Behandlungsgruppe signifikant zu verbessern. Die Studie etabliert dadurch diese zugegebenermassen Ressourcen-intensive Therapie als wirksam und evidenzbasiert. Weitere Untersuchungen sollten nun die minimale Thera­pie­dauer und -frequenz etablieren.
Lancet. 2017;389(10078):1528–38.
Verfasst auf Hinweis von Dr. Carmen Lienert (Walzenhausen)

Neues aus der Biologie

Mechanismus chronischer Nieren­erkrankungen bei Schwarzen

Gegenüber «Kaukasiern» weisen Schwarze ein stark erhöhtes Risiko auf, an chronischen Nierenerkrankungen zu leiden und diese Erkrankungen schreiten eher und wahrscheinlich auch schneller bis ins Endstadium voran. Schwarze sind dazu leider genetisch prädisponiert, verantwortlich sind die Genotyp-Varianten G1 und G2 des Apolipoporteins L1 (APOL1), welche in dieser Population für 70% der nicht-diabetischen chronischen Nierenerkrankungen und für 40% der ersatzpflichtigen ter­minalen Niereninsuffizienz verantwortlich sind. Diese Varianten sind assoziiert mit fokal und segmentaler Glomerulosklerose, HIV-assoziierter Nephropathie und der hypertensiven Nephropathie. Die einzig bekannte Funktion von APOL1 ist die Schutz­wirkung gegen die ­afrikanische Schlafkrankheit (Abtötung von Trypanosoma brucei rhodesiense). Aktuell konnte mit transgener Expression (Einführung von G1- und G2-Varianten) in gesunde Mäuse eine chronische Nierenerkrankung mit einem entzündungsvermittelten Podozytenschaden und konsekutiver Glomerulosklerose induziert werden. Somit ist die Assoziation durch die Kausalität ersetzt worden und dieses Tiermodell könnte sich für die weitere Prävention und Therapie dieser global eminent wichtigen Erkrankungen bei Schwarzen als nützlich erweisen.
Nat Med. 2017;23:429–38.

Immer noch lesenswert

Mumps-Impfung

Vor 50 Jahren wurde eine prospektive, beispielgebende Feldstudie publiziert, welche die Wirksamkeit eines attenuierten Lebendimpfstoffes gegen Mumps untersuchte. Die Wirksamkeit betrug 95–97% und hatte mindestens 8 Monate angedauert.
N Engl J Med. 1967;276:252–8.

Das hat uns gefreut

Fortschritte bei der Resistenzüberwindung von Tuberkulose-Medikamenten

In alarmierender Art haben sich multiresistente oder extensiv resistente Mycobacterium-tuberculosis-Stämme weltweit verbreitet. Viele Tuberkulostatika sind sogenannte Pro-Drugs, bei denen der Resistenzmechanismus eine Verhinderung der notwendigen Bioaktivierung umfasst. Eine neue Substanz (Spiro­isoxazolin) aktiviert bei Ethionamid-Resistenz einen alternativen Bio­aktivierungsweg. Sie konnte die Ethionamid-Resistenz umgehen, führte zur Heilung von Tuberkulose bei Ethionamid-resistenten Mäusen und erhöhte sogar noch die basale Sensitivität der Mykobakterien auf Ethionamid.
Science. 2017;355:1206–11.

Das hat uns weniger gefreut

Keine Cholera-Impfungen in ­Jemen

Die Cholera-Epidemie in Jemen hat bislang mehr als 320 000 Menschen betroffen und davon etwa 1750 getötet. Um das Krankenhauspersonal wegen der Impfung nicht von der zeitlich ­intensiven Pflege der Infizierten ab­zuziehen und weil es im von kriegerischen Konflikten weiterhin erschütterten Land unsicher ist, ob die Impfung auch effektiv durchgeführt wird, hat die jemenitische Regierung auf die Aus­lieferung der ersten 500 000 (von 1 Million) ­bestellten Impfstoffe verzichtet! Die Cholera-Impfung wirkt am besten prophylaktisch und im Jemen leben 26 Millionen nicht oder eher noch nicht (?) infizierte Menschen!
Science. 2017;357:232.

Evidenz scheint in der Politik nicht zu gelten …

Ein Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus wurde wissenschaftlich mehrmals und zweifelsfrei, das letzte Mal im Rahmen ­einer Meta-Analyse an 1,3 Millionen Kindern [1], verworfen. Auf Antrag von Robert J. Kennedy Jr. will nun die Administration Trump eine «commission for vaccine safety and scientific in­tegrity (!)» ins Leben rufen. Der Präsident sei «very troubled – by questions of links between certain vaccines and neurodevelopmental disorders» [2].
1 Vaccine. 2014;32(29):3623–9.
2 Science. 2017. doi:10.1126/science.aal0604

Wussten Sie?

Screening auf eine genitale Infektion mit Chlamydia trachomatis bei Frauen (mittels Vaginalabstrich durch die Frau oder den Arzt) wird empfohlen, wenn (1–3 der Antworten können richtig sein):
A. ... die Frau jünger als 25 Jahre alt ist.
B. ... die Frau einen Harnwegsinfekt aufweist.
C. ... die Frau eine Gonorrhoe aufweist.
Auflösung auf S. 815.

Antwort von Seite 805


Richtig sind A und C.
Screening-Untersuchungen werden empfohlen bei Frauen unter 25 Jahren, ebenso bei jenen, die einen neuen oder verschiedene aktuelle Sexualpartner haben, und bei Frauen, die in der Vergangenheit oder aktuell eine Geschlechtskrankheit aufweisen sowie bei Schwangerschaft und Sexarbeiterinnen.
N Engl J Med. 2017;376:765–73.