Fokus auf … Influenza
Folgende Faktoren sind mit erhöhter Morbidität und Mortalität assoziiert:
1. Alter
– >65 Jahre oder Kinder bis <5 Jahre (vor allem hohes Risiko bis 2-jährig)
– 20–40-Jährige bei Pandemien
2. Schwangerschaft
– Vor allem im letzten Trimester
3. Immunkompromittierung
– Organtransplantation, HIV mit tiefen CD4-Zellen, Immunmoduliernde Therapien
4. Komorbididäten (fast alle …)
5. Genetische Prädisposition
– Polymorphismen im Interferon-induzierten Transmembranprotein 3 (IFITM3)
The Lancet. 2017;390:697–708.
Verfasst am 12.9.2017.
Praxisrelevant
«Der Tod kommt heute längst nicht mehr von allein»
In einem lesenswerten Interview geht der Theologe und Ethiker Heinz Rüegger (Diakoniewerk Neumünster) davon aus, dass bereits heute 60 bis 75% der PatientInnen ihren Tod selber und bis zu einem gewissen, im Einzelfall aber schwierig zu definierenden Grade aktiv wählen – auch ohne formelle Hinzuziehung von Exit oder anderen Sterbeorganisationen. Sie tun dies, indem sie Behandlungen bewusst und informiert abbrechen oder eine neue, an sich zur Verfügung stehende Therapie (z.B. Dialyse) gar nicht beginnen.
Verfasst am 12.9.2017, auf Hinweis in der gesundheitspolitischen Aussendung von Gerhard Kocher.
Hyperkaliämie als Ursache einer Polyneuropathie
Auch dem «Kurz und Bündigen» ist bislang entgangen, dass es immer mehr neurophysiologische Evidenz dafür gibt, dass die chronische Hyperkaliämie bei Niereninsuffizienz ursächlich für die Entstehung der urämischen Neuropathie, einer axonalen Dysfunktion, verantwortlich ist [1]. Diese Neuropathie ist ein wesentlicher und sehr störender Morbiditätsfaktor für nierenkranke PatientInnen.
Die Beweiskette für die genannte Kausalität ist nun durch eine kleine Interventionsstudie [2] gestärkt worden. In einer randomisierten, prospektiven (24 Monate) Studie bei 47 konsekutiv rekrutierten PatientInnen mit chronischer Niereninsuffizienz (CKD-Stadien 3 und 4, d.h. eGFR bei Studienbeginn 59 bis 15 ml/min) wurde der Effekt einer Kaliumsenkung auf einen in der Diabetologie validierten Neuropathie-Score untersucht.
Die Intervention bestand in einer diätetischen Kontrolle der Kaliumzufuhr und der Gabe eines Kaliumbinders (Natrium-Polystyrensulfat).
Trotz einer zwar signifikanten, aber quantitativ bescheidenen Senkung der Kaliumkonzentration (4,6 versus 4,8 mmol/l) war der Neuropathie-Score nach zwei Jahren in der Interventionsgruppe signifikant und deutlich gebessert. Vielleicht spielt bei der Neuropathie-Entstehung mehr als das einfach messbare Plasmakalium, der Kaliumbestand des Körpers und damit die interstitielle Kaliumkonzentration eine Rolle.
1 Clin Neurophysiol. 2014;125:179–85.
doi.org/10.1016/j.clinph.2013.06.022
2 Clin J Am Soc Nephrol. 2017.
doi.org/10.2215/CJN.00670117
Verfasst am 12.9.2017.
Das hat uns gefreut
Im Zuge der gesteigerten Transparenzanforderungen, aber auch zumindest in Teilen als Ausdruck des gesellschaftlich gesteigerten Misstrauens gegenüber Führungspersonen, haben auch Universitätsprofessoren ihre Interessensbindungen offenzulegen.
Wenn wir die Medizinische Fakultät der Universität Zürich als repräsentativ für die Schweiz anschauen, sind diese Interessensbindungen meist auf leitende Mitgliedschaften in Fachgesellschaften oder in den Redaktionen von Zeitschriften beschränkt. Ein gutes Zeugnis für die grosse Mehrzahl also!
Verfasst am 12.9.2017.
Das hat uns weniger gefreut
Die Interessensbedingungen von BundesratskandidatInnen(H+ oder Krankenkassen), der befürchtete weitere Prämienanstieg vor der herbstlichen Publikationsrunde, die Diskussion um Dienstleistungserbringung ambulant vor stationär und nicht zuletzt der dirigistische, aber von den Vertragspartnern selber verschuldete Eingriff in den Tarmed-Tarif haben in der Tages- und Wochenpresse wieder zum bekannten Schwarz-Peter-Spiel der Schuldzuweisung als Kostenverursacher geführt. Wann endlich wird der Versicherte oder der Patient noch vermehrt in die finanzielle Verantwortung nach Massgabe seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einbezogen und der überbordende Leistungskatalog der Grundversicherung auf evidenzbasierte Leistungen zurückgestutzt?
Verfasst am 12.9.2017.
Neues aus der Biologie
Ein neues Herz aus eigenen Zellen?
Kurz nach der Geburt weisen die Kardiomyozyten der Säugetierherzen eine grosse proliferative Kapazität auf, welche nach kurzer Zeit schnell absinkt. Nach einer Schädigung des Herzmuskelgewebes (z.B. nach Infarkt) ist die Regeneration der Kardiomyozyten aber massiv eingeschränkt, sodass immer ein Gewebedefizit oder eine Defektheilung resultieren. Der grosse Teil (ca. 90%) der Kardiomyozyten weisen mehr als zwei Zellkerne auf und sind polyploid (drei und mehr Chromosomensätze), ein Ausdruck ihrer terminalen Differenzierung und des Rückzugs oder Ausschlusses vom Zellzyklus. Es gibt nun aber eine limitierte Zahl von mononukleären, diploiden Kardiomyozyten, die zur Regeneration fähig sind. Der prozentuale Anteil dieser Kardiomyozyten (und damit das Regenerations- oder Reparaturpotential) ist scheinbar von Spezies zu Spezies und innerhalb der Spezies in verschiedenen Stämmen (bei Mäusen) unterschiedlich hoch. Neu bekannt ist nun, dass der Anteil dieser zur Regeneration fähigen Herzmuskelzellen durch ein Sarkomer-spezifisches Enzym (eine sogenannte Kinase mit dem Kürzel Tnni3k) bestimmt wird. Durch diese Entdeckung tun sich viele Perspektiven auf, die Regeneration des Herzens zu verbessern und die Defektheilung nach einem Insult zu reduzieren. Im Minimum wird diese Entdeckung die weitere Erforschung der Biologie der Herzregeneration neu beflügeln.
Nat Genet. 2017;49:1346–53.
doi: 10.1038/ng.3929.
Verfasst am 11.9.2017.
Immer noch lesenswert
Hemmung der Cyclooxygenase in den Thrombozyten durch Aspirin®
Vom Aspirin® war vor 50 Jahren bekannt, dass es die Blutungszeit verlängert und, basierend auf In-vitro-Testen, die Thrombozytenfunktion hemmt, während über die nutzbringende Wirkung beim akuten Herzinfarkt noch debattiert wurde. Burch et al. berichteten 1977 zunächst als Abstract [1], ein Jahr später im Journal of Clinical Investigation [2] über ihre Experimente, dass oral appliziertes Aspirin® die Cyclooxygenase in den Thrombozyten und damit – wie später klar wurde – die Thromboxansynthese dosisabhängig hemmt (Tab. 1). Die heutigen Dosisempfehlungen entstammen dann einer darauf folgenden langen Forschungsperiode, während der die hemmende Wirkung des Aspirins® auf die endotheliale (Prostazyklinproduktion) und thrombozytäre Cyclooxygenase (Thromboxanproduktion) gegeneinander im Hinblick auf eine optimierte Plättchenhemmung evaluiert wurde.
Tabelle 1: Platelet cyclooxygenase activity 24 hours after oral aspirin in a single dose (mean ± 1 SD). Republished with permisson of the American Society for Clinical Inverstigation from: Burch JW, Stanford N, Majerus PW. Inhibition of platelet prostaglandin synthetase by oral aspirin. J Clin Invest. 1978;61(2):314–9; permission conveyed through Copyright Clearance Center, Inc. |
Experiment | Aspirin dose | Subjects | Cyclooxygenase acetylation
after aspirin | Inactivation |
| mg | n | cpm/mg protein | % |
A | 20 | 7 | 1,061 ± 218 | 34 |
B | 80 | 4 | 318 ± 53 | 73 |
C | 160 | 4 | 204 ± 62 | 82 |
D | 325 | 16 | 184 ± 21 | 89 |
E | 650 | 3 | 78 ± 31 | >95 |
1 Clin Res. 1977;25:513a.
2 J Clin Invest. 1978;61:314–9.
doi: 10.1172/JCI108941.
Verfasst am 12.9.2017.
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