Hyperkaliämie als Ursache einer Polyneuropathie

Hyperkaliämie als Ursache einer Polyneuropathie

Kurz und bündig
Ausgabe
2017/45
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.03093
Schweiz Med Forum 2017;17(45):969-970

Publiziert am 08.11.2017

Fokus auf … Influenza

Folgende Faktoren sind mit erhöhter Morbidität und Mortalität assoziiert:
1. Alter
– >65 Jahre oder Kinder bis <5 Jahre (vor allem hohes Risiko bis 2-jährig)
– 20–40-Jährige bei Pandemien
2. Schwangerschaft
– Vor allem im letzten Trimester
3. Immunkompromittierung
– Organtransplantation, HIV mit tiefen CD4-Zellen, Immunmoduliernde Therapien
4. Komorbididäten (fast alle …)
5. Genetische Prädisposition
– Polymorphismen im Interferon-induzierten Transmembranprotein 3 (IFITM3)
The Lancet. 2017;390:697–708.
Verfasst am 12.9.2017.

Praxisrelevant

«Der Tod kommt heute längst nicht mehr von allein»

In einem lesenswerten Interview geht der Theologe und Ethiker Heinz Rüegger (Diakoniewerk Neumünster) davon aus, dass bereits heute 60 bis 75% der PatientInnen ihren Tod selber und bis zu einem gewissen, im Einzelfall aber schwierig zu definierenden Grade ­aktiv wählen – auch ohne formelle Hinzuziehung von Exit oder anderen Sterbeorganisationen. Sie tun dies, indem sie Behandlungen bewusst und informiert abbrechen oder eine neue, an sich zur Verfügung stehende Therapie (z.B. Dialyse) gar nicht beginnen.
Verfasst am 12.9.2017, auf Hinweis in der gesundheitspolitischen Aussendung von Gerhard Kocher.

Hyperkaliämie als Ursache einer Polyneuropathie

Auch dem «Kurz und Bündigen» ist bislang entgangen, dass es immer mehr neurophysiologische Evidenz dafür gibt, dass die chronische Hyperkaliämie bei Niereninsuffizienz ursächlich für die Entstehung der urämischen Neuropathie, einer axonalen Dysfunktion, verantwortlich ist [1]. Diese Neuropathie ist ein wesentlicher und sehr stö­render Morbiditätsfaktor für nierenkranke Patient­Innen.
Die Beweiskette für die genannte Kausalität ist nun durch eine kleine Interventionsstudie [2] gestärkt worden. In ­einer randomisierten, prospektiven (24 Monate) Studie bei 47 kon­sekutiv rekrutierten PatientInnen mit chronischer Niereninsuffizienz (CKD-Stadien 3 und 4, d.h. eGFR bei Studien­beginn 59 bis 15 ml/min) wurde der Effekt einer Kaliumsenkung auf einen in der Diabetologie validierten Neuropathie-Score untersucht.
Die Intervention bestand in einer diätetischen Kontrolle der Kaliumzufuhr und der Gabe ­eines Kaliumbinders (Natrium-Polystyrensulfat).
Trotz einer zwar signifikanten, aber quanti­tativ bescheidenen Senkung der Kaliumkonzentration (4,6 versus 4,8 mmol/l) war der Neuropathie-Score nach zwei Jahren in der Interventionsgruppe signifikant und deutlich gebessert. Vielleicht spielt bei der Neuro­pathie-Entstehung mehr als das einfach messbare Plasmakalium, der Kaliumbestand des Körpers und damit die interstitielle Kaliumkonzentration eine Rolle.
1 Clin Neurophysiol. 2014;125:179–85. 
doi.org/10.1016/j.clinph.2013.06.022
2 Clin J Am Soc Nephrol. 2017. 
doi.org/10.2215/CJN.00670117
Verfasst am 12.9.2017.

Das hat uns gefreut

Im Zuge der gesteigerten Transparenzan­forderungen, aber auch zumindest in Teilen als Ausdruck des gesellschaftlich gesteigerten Misstrauens gegenüber Führungspersonen, ­haben auch Universitätsprofessoren ihre Interessensbindungen offenzulegen.
Wenn wir die Medizinische Fakultät der Universität Zürich als repräsentativ für die Schweiz anschauen, sind diese Interessensbindungen meist auf leitende Mitgliedschaften in Fach­gesellschaften oder in den Redak­tionen von Zeitschriften beschränkt. Ein gutes Zeugnis für die gros­se Mehrzahl also!
Verfasst am 12.9.2017.

Das hat uns weniger gefreut

Die Interessensbedingungen von Bundesrats­kandidatInnen(H+ oder Krankenkassen), der befürchtete weitere Prämienanstieg vor der herbstlichen Publikationsrunde, die Dis­kussion um Dienstleistungserbringung ambulant vor stationär und nicht zuletzt der ­dirigistische, aber von den Vertragspartnern selber verschuldete Eingriff in den Tarmed-Tarif haben in der Tages- und Wochenpresse wieder zum bekannten Schwarz-Peter-Spiel der Schuldzuweisung als Kostenverursacher geführt. Wann endlich wird der Versicherte oder der Patient noch vermehrt in die finanzielle Verantwortung nach Massgabe seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einbezogen und der überbordende Leistungskatalog der Grundversicherung auf evidenzbasierte Leistungen zurückgestutzt?
Verfasst am 12.9.2017.

Neues aus der Biologie

Ein neues Herz aus eigenen Zellen?

Kurz nach der Geburt weisen die Kardiomyozyten der Säugetierherzen eine grosse proliferative Kapazität auf, welche nach kurzer Zeit schnell absinkt. Nach einer Schädigung des Herzmuskelgewebes (z.B. nach Infarkt) ist die Regeneration der Kardiomyozyten aber massiv eingeschränkt, sodass immer ein Gewebedefizit oder eine Defektheilung resultieren. Der grosse Teil (ca. 90%) der Kardiomyozyten weisen mehr als zwei Zellkerne auf und sind polyploid (drei und mehr Chromosomensätze), ein Ausdruck ihrer terminalen Differenzierung und des Rückzugs oder Ausschlusses vom Zellzyklus. Es gibt nun aber eine limitierte Zahl von mononukleären, di­ploiden Kardiomyozyten, die zur Regeneration fähig sind. Der prozentuale Anteil dieser Kardiomyozyten (und damit das Regenerations- oder Reparaturpotential) ist scheinbar von Spezies zu Spezies und innerhalb der Spezies in verschiedenen Stämmen (bei Mäusen) unterschiedlich hoch. Neu bekannt ist nun, dass der Anteil dieser zur Regeneration fähigen Herzmuskelzellen durch ein Sarkomer-spezifisches Enzym (eine sogenannte Kinase mit dem Kürzel Tnni3k) bestimmt wird. Durch diese Entdeckung tun sich viele Per­spektiven auf, die Regeneration des Herzens zu verbessern und die Defektheilung nach einem Insult zu reduzieren. Im Minimum wird diese Entdeckung die weitere Erforschung der Biologie der Herzregeneration neu beflügeln.
Nat Genet. 2017;49:1346–53. 
doi: 10.1038/ng.3929. 
Verfasst am 11.9.2017.

Immer noch lesenswert

Hemmung der Cyclooxygenase in den Thrombozyten durch Aspirin®

Vom Aspirin® war vor 50 Jahren bekannt, dass es die Blutungszeit verlängert und, basierend auf In-vitro-Testen, die Thrombozytenfunktion hemmt, während über die nutzbringende Wirkung beim akuten Herzinfarkt noch debattiert wurde. Burch ­et al. berichteten 1977 zunächst als Abstract [1], ein Jahr später im Journal of Clinical Investigation [2] über ihre Experimente, dass oral appliziertes Aspirin® die Cyclooxygenase in den Thrombozyten und damit – wie ­später klar wurde – die Thromboxansynthese dosisabhängig hemmt (Tab. 1). Die heutigen Dosisempfehlungen entstammen dann einer darauf folgenden langen Forschungsperiode, während der die hemmende Wirkung des ­Aspirins® auf die endotheliale (Prostazyklinproduktion) und thrombozytäre Cyclooxy­genase (Thromboxanproduktion) gegeneinander im Hinblick auf eine optimierte Plätt­chenhemmung evaluiert wurde.
Tabelle 1: Platelet cyclooxygenase activity 24 hours after oral aspirin in a single dose (mean ± 1 SD). Republished with permisson of the American Society for Clinical Inverstigation from: Burch JW, Stanford N, Majerus PW. Inhibition of platelet prostaglandin synthetase by oral aspirin. J Clin Invest. 1978;61(2):314–9; permission conveyed through Copyright Clearance Center, Inc.
ExperimentAspirin doseSubjectsCyclooxygenase acetylation 
after aspirinInactivation
 mgncpm/mg protein%
A2071,061 ± 21834
B804318 ± 5373
C1604204 ± 6282
D32516184 ± 2189
E650378 ± 31>95
1 Clin Res. 1977;25:513a.
2 J Clin Invest. 1978;61:314–9.
doi:  10.1172/JCI108941.
Verfasst am 12.9.2017.