Gestationsdiabetes
Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen

Gestationsdiabetes

Übersichtsartikel AIM
Ausgabe
2017/46
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.03112
Schweiz Med Forum 2017;17(46):1009-1014

Affiliations
CHUV, Lausanne,
a Service d’Endocrinologie, Diabétologie et Métabolisme
b Département Femme-Mère-Enfant
c Division d’endocrinologie, diabétologie et obésité pédiatrique

Publiziert am 15.11.2017

In diesem Beitrag werden die Empfehlungen bezüglich des Gestationsdiabetes-Screenings, Risikofaktoren, Therapieoptionen und die postpartale Versorgung bei Gestationsdiabetes sowie die entsprechenden Auswirkungen auf die Gesundheit von Mutter und Kind vorgestellt.

Einleitung

Gestationsdiabetes (GD) ist eine erstmalig in der Schwangerschaft festgestellte Hyperglykämie, welche nicht die Kriterien eines Diabetes mellitus erfüllt [1, 2]. Nichtsdestotrotz besteht eine enge Verbindung zwischen GD und Typ-2-Diabetes, da beide in zahlreichen pathophysiologischen Aspekten, insbesondere der Insulinresistenz, übereinstimmen. Während der Schwangerschaft ist letztere hauptsächlich durch die Produktion von Plazentahormonen, welche als Insulin­antagonisten fungieren, zu erklären. GD ist eine der häufigsten Schwangerschaftskomplikationen und verläuft asymptomatisch. In der Schweiz beträgt seine Prävalenz etwa 10% [3]. Diese hohe Rate ist zum Teil mit der Zunahme des Anteils adipöser und/oder körperlich inaktiver Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter, dem Durchschnittsalter Schwangerer sowie neuen Diagnosekriterien zu erklären.

Diagnosekriterien für einen Gestationsdiabetes

Ursprünglich wurden die Diagnosekriterien aufgestellt, um Frauen mit höherem Risiko für die zukünftige Entwicklung eines Diabetes mellitus zu identifzieren. Basierend auf einer Kohorte von über 20 000 Schwangeren («Hyperglycemia and Adverse Pregnancy Outcome» [HAPO]) wurden die Kriterien entsprechend angepasst, um die Blutzuckergrenzwerte zu ermitteln, welche im Zusammenhang mit einem erhöhten Geburtsgewicht, dem C-Peptid-Spiegel in der Nabelschnur, der Kaiserschnitt-, Präeklampsie- und Frühgeburtenrate stehen. Die Blutzuckergrenzwerte wurden als ein um 75% erhöhtes Risiko (OR 1,75) definiert, da zwischen dem Blutzuckerspiegel und den meisten Risiken eine kontinuierliche Beziehung besteht.
Diese Kriterien wurden auf internationaler Ebene propagiert und von zahlreichen Ländern übernommen. Von mehreren internationalen und nationalen Fachgesellschaften für Diabetologie und Gynäkologie/Geburtshilfe, darunter auch von der «American Diabetes Association» (ADA), wird ein universelles Screening in Form eines oralen Glukosetoleranztests (OGTT) mit 75 g Glukose zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche empfohlen [4, 5]. Auch die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe empfiehlt in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie bei allen Schwangeren zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche die Durchführung eines OGTT mit 75 g Glukose (universelles Screening) [6]. Ein einziger pathologischer Wert ist ausreichend für die Diagnose eines GD (Tab. 1). Ein pathologischer OGTT sollte nicht wiederholt werden. Vor der Durchführung des OGTT müssen die Frauen 8 Stunden nüchtern gewesen sein. In den Tagen vor dem Test ist es jedoch unerlässlich, die Ernährung der Schwangeren nicht einzuschränken, um die Resultate nicht zu verfälschen.
Tabelle 1: Diagnostik des Gestationsdiabetes (GD) mittels oralem Glukosetoleranztest (OGTT) mit 75 g Glukose in der 24.–28. Schwangerschaftswoche (Blutzuckermessung aus dem venösen Plasma).
Normwertemmol/l
Nüchtern<5,1
Nach 1 Std.<10,0
Nach 2 Std.<8,5
Umrechnung mmol/l mg/dl: 18 mg/dl = 1 mmol/l, 1 mg/dl = 0,05 mmol/l. Ein Gestationsdiabetes wird diagnostiziert, wenn ­mindestens ein Normwert überschritten ist.

Gibt es Alternativen zum OGTT?

Um die Methode zu vereinfachen, wurde darüber nachgedacht, zunächst den Nüchternblutzuckerwert zu bestimmen. Beträgt dieser ≥5,1 mmol/l wird ein GD diagnostiziert. In diesem Fall ist die Durchführung eines OGTT nicht erforderlich.
Ausgehend von einer Studie in den Vereinigten Arabischen Emiraten wurde diskutiert, keinen OGTT durchzuführen, wenn der Nüchternblutzuckerwert <4,4 mmol/l beträgt. Somit müsste ein OGTT nur dann durchgeführt werden, wenn der Nüchternblutzuckerwert ≥4,4 mmol/l und <5,1 mmol/l beträgt, wodurch signifikant weniger Tests erforderlich wären. Eine vor Kurzem in Genf und Basel durchgeführte Analyse hat jedoch gezeigt, dass bei der Anwendung dieser Methode an über 2000 Frauen 21,5% der Probandinnen mit GD nicht diagnostiziert worden wären [3].
Die Bestimmung des Fructosaminwerts stellt aufgrund seiner Variabilität keine Option zur Diagnostik eines GD dar. Der HbA1c-Wert kann Komplikationen während der Schwangerschaft vorhersagen, seine Vorhersagefähigkeit liegt jedoch unter der des OGTT und es wird über die Festlegung eines eindeutigen Grenzwerts beraten. Ein HbA1c-Wert von >5,9% bei der Dia­gnose eines GD ist trotz Behandlung mit einem höheren Risiko für eine Makrosomie oder ein für das Gestationsalter zu hohes Geburtsgewicht, Kaiserschnitt und hypertensive Störungen assoziiert. Es gilt zu bedenken, dass der HbA1c-Wert in der Schwangerschaft niedriger ist (–0,5% am Ende des ersten Trimesters).

Was ist nach einem bariatrischen Eingriff zu tun?

In den letzten Jahren hat die Zahl der Schwangerschaften nach bariatrischen Eingriffen zugenommen. In der Schweiz ist der häufigste Eingriff nach wie vor der Magenbypass, die Sleeve-Gastrektomie gewinnt jedoch zunehmend an Beliebtheit. Wie alle anderen Schwangeren müssen sich auch Frauen nach einem bariatrischen Eingriff während ihrer Schwangerschaft einem GD-Screening unterziehen. Heute wird der OGTT bei ihnen nach dem gleichen Protokoll wie bei Frauen ohne bariatrischen Eingriff durchgeführt. Obgleich das Magenband keinen Einfluss auf die Glukoseresorption hat, wird diese durch einen Magenbypass doch in starkem und durch eine Sleeve-Gastrektomie in weniger starkem Masse beeinflusst. Dies führt zu Problemen bei der Auswertung der Ergebnisse des OGTT, da nach einem Magenbypass («Roux-en-Y Gastric Bypass» [RYGB]) mehrere Veränderungen des Glukosestoffwechsels auftreten. Insbesondere nach einer oralen Glukosebelastung sind ein schnellerer und höherer Blutzuckeranstieg im Vergleich zu nicht operierten Patienten sowie ein rascherer Rückgang auf den Ausgangsblutzuckerwert festzustellen. Der Blutzuckernadir nach einem OGTT liegt bei einem RYGB unter dem präprandialen Wert mit ziemlich häufigen symptomatischen Hypoglykämieepisoden 2–3 Stunden nach der Glukosebelastung (spätes Dumping-Syndrom). Vor diesem Hintergrund werden aktuell Studien durchgeführt, um die beste Methode zur Evaluation des Gestationsdiabetesrisikos in der oben genannten Population zu bestimmen.

Screening in der Frühschwangerschaft

Heute leiden immer mehr Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter an Adipositas und/oder diagnostiziertem respektive nicht diagnostiziertem Typ-2-Diabetes. Daher ist es sinnvoll, bei Frauen mit Risikofaktoren für Diabetes mellitus bereits bei ihrem ersten Frauenarztbesuch in der Schwangerschaft den Nüchternblutzucker und den HbA1c -Wert zu bestimmen. Dabei gelten dieselben Kriterien wie bei Diabetes mellitus ausserhalb einer Schwangerschaft (Tab. 2).
Tabelle 2: Internationale Diagnosekriterien (Blutzuckermessung aus dem venösen Plasma).
Blutzuckerspiegel (mmol/l)NormoglykämiePrädiabetesDiabetes
mellitus
Nüchtern<5,65,6–6,9
(IFG)
≥7,0
Nach 2 Std.<7,87,8–11,0
(IGT)
≥11,1
HbA1c-Wert (%)<5,75,7–6,4≥6,5
IFG: «impaired fasting tolerance»; IGT: «impaired glucose tolerance»
Frauen, bei denen im ersten Trimester ein GD diagnostiziert wurde, haben ein höheres Komplikationsrisiko. Angesichts fehlender Studien, welche die Auswirkung einer derartigen Intervention evaluieren, ist die GD-Diagnostik im ersten Trimester nach wie vor umstritten. Zwischenzeitlich wird laut der «International Association of Diabetes and Pregnancy Study Group Recommendation» ein venöser Nüchternblutzuckerwert von 5,1–6,9 mmol/l im ersten Trimester als ausreichend angesehen, um einen GD zu diagnostizieren. Sind die Ergebnisse dieses Screenings normal, wird ein OGTT in der 24.–28. Schwangerschaftswoche empfohlen. Denn im zweiten Trimester ist eine frühzeitigere Versorgung wirksamer.

Risikofaktoren

Die Entwicklung eines GD ist mit zahlreichen genetischen und umweltbedingten Faktoren sowie Verhaltensweisen assoziiert. Dennoch weisen lediglich 50–80% der Frauen mit GD einen oder mehrere bekannte Risikofaktoren auf.
Laut ADA sind die Risikofaktoren für GD dieselben wie für Glukoseintoleranz und Typ-2-Diabetes ausserhalb der Schwangerschaft. Diese Kriterien werden auch von anderen Fachgesellschaften verwendet. Dabei handelt es sich hauptsächlich um folgende:
– Übergewicht (BMI >25 kg/m2 oder >23 kg/m2 bei Asiaten) mit mindestens einem weiteren Risikofaktor oder Adipositas (BMI >30 kg/m2);
– früherer GD oder frühere Glukoseintoleranz;
– Typ-2-Diabetes eines Verwandten ersten Grades;
– Abstammung: afro-amerikanische, hispanische, indianische, Aborigine-Abstammung;
– polyzystisches Ovarialsyndrom (PCOS);
– körperliche Inaktivität;
– kardiovaskuläre Erkrankung oder Risikofaktoren.
In der Schwangerschaft wurden folgende weitere spezifische Risikofaktoren beobachtet:
– übermässige Gewichtszunahme in der Schwangerschaft gemäss den Empfehlungen des «Institute of Medicine»;
– körperliche Inaktivität;
– übermässige Fett-, Saccharose- oder tierische Protein- sowie unzureichende Ballaststoffzufuhr.
Überdies sind noch weitere Faktoren mit einem höheren GD-Risiko assoziiert. Zu letzteren gehören soziale Isolation, ein erhöhter Depressionsscore zu Beginn der Schwangerschaft, starke Stressexposition wie belastende Lebensereignisse und Vitamin-D-Mangel.

Die Auswirkungen von Gestationsdiabetes

In der Perinatalphase sind zahlreiche mit GD verbundene Risiken und Komplikationen wie Präeklampsie der Mutter, Kaiserschnitt, Frühgeburt, Polyhydramnion sowie Makrosomie (Geburtsgewicht >4 kg), neonatale Hypoglykämie des Kindes und seltenere Komplikationen wie Schulterdystokie, sekundäre traumatische Läsionen, Atemdepression, Hyperbilirubinämie, Hypokalziämie und/oder Aufenthalt auf der Intensivstation bekannt [5].
Die Langzeitrisiken sind jedoch weniger bekannt. So besteht bei der Mutter ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines metabolischen Syndroms, eines Typ-2-Diabetes (7× häufiger), eines weiteren GD (30–70%) sowie kardiovaskulärer Erkrankungen. Unsere Kohorte mit über 500 Frauen zeigt, dass über ein Drittel nach der Geburt eine Prädiabetesdiagnose erhält. Für die Kinder bedeutet Adipositas und/oder GD ihrer Mütter während der Schwangerschaft ein erhöhtes Risiko für kindliche Adipositas und langfristig für Typ-2-Diabetes.
In den letzten Jahren hat das Interesse für die intranatale metabolische Programmierung und sogar epigenetische Auswirkungen zugenommen. Übrigens wurde kürzlich in einer Studie nachgewiesen, dass Adipositas der Mutter häufigere Spitaleinweisungen aufgrund eines kardiovaskulären Ereignisses sowie eine erhöhte Sterblichkeit der Nachkommen zur Folge hatte [7]. Dieses Risiko wird auch bei Nachkommen übergewichtiger Mütter beobachtet, ist jedoch geringer ausgeprägt.
Die Ernährung während der Schwangerschaft und der Mangel an bestimmten Vitaminen wurden ebenfalls mit Veränderungen der Körperzusammensetzung des Neugeborenen in Verbindung gebracht Überdies verändern Stress und/oder Depressionen der Mutter während der Schwangerschaft die Expression plazentarer Glukokortikoidrezeptoren und können zu einer intrauterinen Wachstumsverzögerung führen. Letztere ist mit einer Stimulation der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse assoziiert, welche das Risiko einer zentralen Adipositas und Insulinresistenz des Kindes erhöht. Angesichts der zunehmenden Prävalenz kindlicher Adipositas und damit einhergehender metabolischer Probleme stellt der starke Zusammenhang zwischen der metabolischen Gesundheit von Mutter und Kind eine Chance dar, durch die Begleitung der Mutter in der perinatalen Phase nicht nur ihre eigene, sondern auch die Gesundheit der zukünftigen Generationen zu verbessern [5].

Therapien

Blutzuckerkontrolle

Die Blutzuckerselbstkontrolle ist die erste Massnahme nach der Diagnose eines GD. Durch die Messung des Blutzuckerspiegels kann die Wirkung entsprechender Massnahmen wie Lebensstiländerungen überprüft oder festgestellt werden, ob eine zusätzliche medikamentöse Behandlung erforderlich ist. Die kapilläre Blutzuckerbestimmung sollte mithilfe von Blutzuckermessgeräten durchgeführt werden, welche der ISO-Norm 15197:2013 entsprechen. Auf diese Weise sind die Messungen sowohl bezüglich des Absolutwerts als auch ihrer Reproduzierbarkeit zuverlässiger.
Die meisten Frauen mit GD sollten 4×/Tag, morgens im nüchternen Zustand und nach den drei Mahlzeiten, eine Selbstkontrolle des kapillären Blutzuckers durchführen. Die von den unterschiedlichen nationalen und internationalen Fachgesellschaften empfohlenen Grenzwerte beruhen auf den grössten Studien mit der besten Methodologie (Tab. 3). Dabei gilt zu beachten, dass die grossen Studien üblicherweise den Nüchternblutzucker und den Blutzuckerwert zwei Stunden postprandial untersuchen, weshalb diese Werte im klinischen Kontext am häufigsten verwendet werden. In bestimmten Situationen können Blutzuckerwerte eine Stunde postprandial geeigneter sein. Bezüglich der Blutzuckerzielwerte in der Schweiz ist anzumerken, dass es sich dabei um einen Expertenkonsens zwischen der Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie und der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe handelt, welche die Zahlen im Vergleich zu den internationalen Standards aufgerundet haben. Werden die kapillären Blutzuckergrenzwerte allein durch eine Lebensstiländerung eingehalten, kann die Häufigkeit der Kontrollen mit dem Pflegepersonal neu abgesprochen werden.
Tabelle 3: Die unterschiedlichen kapillären Blutzuckerzielwerte bei der Versorgung eines Gestationsdiabetes.
GuidelinesNüchtern1 Std. postprandial2 Std. postprandial
ADA 2017≤95 mg/dl d.h. 5,3 mmol/l≤140 mg/dl d.h. 7,8 mmol/l≤120 mg/dl d.h. 6,7 mmol/l
NICE 2017≤5,3 mmol/l≤7,8 mmol/l≤6,4 mmol/l
SGED≤5,3 mmol/l≤8,0 mmol/l≤7,0 mmol/l
ADA: «American Diabetes Association»; NICE: «National Institute for Health and Care Excellence»; SGED: Schweizerische Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie

Ernährung

Alle Fachgesellschaften sind sich einig, dass die Ernährung bei der Behandlung von GD eine massgebliche Rolle spielt. Daher wird für alle Frauen mit GD eine Ernährungsberatung empfohlen. Der Zweck letzterer besteht darin, den Blutzuckerspiegel zu verbessern und eine angemessene Nährstoffaufnahme zu gewährleisten.
Ein Ziel dabei ist die Förderung einer ausgewogenen und strukturierten Ernährung. Für Frauen mit GD gelten zunächst dieselben Ernährungsempfehlungen wie für alle Schwangeren. Der Unterschied der spezifischen Empfehlungen besteht lediglich in der Menge und Art der zugeführten Kohlenhydrate. Die «Endocrine Society» empfiehlt eine eingeschränkte Kohlenhydratzufuhr (35–45% des Gesamtkalorienbedarfs) und die englischen Empfehlungen sprechen sich für den bevorzugten Verzehr von Nahrungsmitteln mit niedrigem glykämischem Index aus. Einige Studien mit geringen Probandenzahlen haben gezeigt, dass sich eine Ernährung mit niedrigem glykämischem Index anscheinend positiv auf die Blutzuckerkontrolle und die Zahl der Patientinnen mit Insulinbehandlung auswirkt.
Ein weiteres Ziel der Ernährungstherapie besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Gewichtszunahme innerhalb der empfohlenen Grenzwerte bleibt. Für übergewichtige oder adipöse Frauen empfiehlt die «Endocrine Society» die Reduktion der Kalorienzufuhr um ein Drittel, wobei dennoch darauf geachtet werden sollte, mindestens 1600–1800 kcal/Tag zu sich zu nehmen.
Selbst bei einer kurzen Therapiezeit ist das kurz- und mittelfristige Beratungsziel wichtig. Denn die Empfehlungen der Ernährungsberatung sollen gesundheitsbewusstes Verhalten fördern, welches der Entstehung eines späteren Diabetes mellitus vorbeugen kann. Daher müssen erstere entsprechend der persönlichen und kulturellen Vorlieben individuell an die jeweilige Pa­tientin angepasst werden, damit diese sie auch nach der Schwangerschaft weiterhin umsetzt.

Körperliche Aktivität

Wenn keine geburtshilflichen Kontraindikationen bestehen, empfiehlt die «Endocrine Society» zur initialen Behandlung eines GD unter anderem mindestens 30 Minuten moderater körperliche Aktivität pro Tag. Es gibt jedoch keine spezifischen Empfehlungen dazu, welche Art oder welcher Zeitpunkt der körperlichen Aktivität sich am günstigsten auf den Blutzuckerspiegel auswirkt. Kürzlich wurden in einem Literaturreview verschiedene Interventionsstudien analysiert, deren Ziel in einer Verbesserung der Blutzuckerkon­trolle durch die Ausübung verschiedener körperlicher Aktivitäten bestand. Dabei wurden unter anderem Übungen mit aeroben Trainingseinheiten (Hometrainer, Walking oder Übungen zum Muskelaufbau mithilfe eines Elastikbands) empfohlen. Die Interventionen unterschieden sich sowohl in ihrer Dauer (20–45 Minuten) als auch in ihrer Häufigkeit (3–5-mal wöchentlich) und Intensität (leicht bis moderat) [5]. Von sieben analysierten Studien zeigten fünf eine verbesserte Blutzuckerkontrolle und/oder einen verringerten Insulinbedarf.

Psychosoziale Ansätze

Vor Kurzem hat die ADA neue Empfehlungen bezüglich des Depressions-Screenings bei Frauen mit GD veröffentlicht. Sie empfiehlt, letztere mithilfe von Tools wie dem Zwei-Fragen-Test von Whooley und der «Edinburgh Postnatal Depression Scale» zu beurteilen. Depressionen sind ein Risikofaktor für die Entstehung eines GD, da sie die Compliance mit einer Lebensstiländerung und einer Behandlung negativ beeinflussen können. Zur Behandlung von Depressionen kann eine Psychotherapie erfolgen und/oder eine Behandlung mit Antidepressiva begonnen werden.
Schlussendlich fühlen sich die meisten Frauen nach einer GD-Diagnose durcheinander und hilflos. Daher sind die psychosoziale Unterstützung und der Beistand der Gesundheitsfachleute, insbesondere in der Phase direkt nach der Diagnosestellung, entscheidend. Idealerweise sollten für ausgewählte Patientinnen qualifizierte psychologische Gesundheitsfachleute im Rahmen einer GD-Sprechstunde verfügbar sein [5].

Medikamentöse Therapien

Im Allgemeinen wird in den zwei Wochen nach der GD-Diagnose der Blutzuckerspiegel evaluiert und zunächst versucht, diesen mit Lebensstiländerungen positiv zu beeinflussen. Eine Ausnahme davon stellen sehr hohe Blutzuckerwerte oder eine bereits sehr weit fortgeschrittene Schwangerschaft dar. Wenn durch Lebensstiländerungen oder körperliche Aktivität keine gute Blutzuckereinstellung erreicht werden kann, wird eine medikamentöse Behandlung empfohlen. Dies betrifft 20–60% der Frauen mit GD.
Die pharmakologische Standardbehandlung von Frauen mit GD ist Insulin, da dieses die Plazenta­schranke nicht passiert. Die Insulintherapie dient dazu, die postprandiale Blutzuckerspitze zu verringern oder die Glukoneogenese während der Nüchternphasen zu hemmen. In der Schwangerschaft sind Basis-Insuline wie NPH-Insulin (Insulatard®, Huminsulin® Basal NPH), Insulin detemir (Levemir®) und Insulin glargin (Lantus®/Toujeo®/Abasaglar®; bei GD selten erforderlich) zugelassen. Als Mahlzeiteninsuline dürfen in der Schwangerschaft ultraschnell wirkende Insulin­analoga wie Insulin aspart (Novorapid®) und Insulin lispro (Humalog®) verwendet werden.
In der Schweiz werden orale Antidiabetika in Schwangerschaft und Stillzeit im «Off-Label-Use» eingesetzt. Ihr Einsatz als zusätzliche Behandlung bei GD könnte jedoch in Zukunft immer populärer werden, da ihre Anwendung besser akzeptiert wird, sie weniger kosten als subkutan verabreichtes Insulin und sie einfacher anzuwenden sind. Metformin entfaltet seine blutzuckersenkende Wirkung durch die Hemmung der Glukoneogenese in der Leber und die Erhöhung der Insulinsensitivität. Bei Niereninsuffizienz ist die Verordnung von Metformin jedoch kontraindiziert. Eine Metforminbehandlung kann mit gastrointestinalen Beschwerden und einer verringerten Vitamin-B12-Resorption einhergehen, während eine mütterliche Laktatazidose nur selten auftritt. Das Medikament passiert nachweislich die Plazentaschranke, seine Einnahme scheint jedoch keine fetalen Anomalien zu bewirken. Es geht nur in sehr geringen Mengen in die Muttermilch über, weshalb seine Anwendung während der Stillzeit sicher zu sein scheint, obgleich dies nur durch wenige Studien bestätigt wird. Im Jahr 2008 hat eine randomisierte Studie von Rowan et al. [8] gezeigt, dass bezüglich neonataler Hypoglykämie, Atemdepression, Ikterus, Schulterdystokie und Aufnahme auf der neonatologischen Station keine signifikanten Unterschiede zwischen Metformin und Insulin zu beobachten waren. Die Langzeitsicherheit von Metformin ist hingegen noch ungeklärt. Diesbezüglich wurden Tausende von Frauen mit GD analysiert, jedoch nicht die Langzeitfolgen für ihre Kinder untersucht. Es ist zu beachten, dass in einem Drittel der Fälle die alleinige Metforminbehandlung nicht ausreicht, um den Blutzucker einzustellen, und Insulin eingesetzt werden muss. Einige Faktoren können den Therapieerfolg mit Metformin und Insulin vorhersagen (Tab. 4).
Tabelle 4: Mögliche Indikatoren für die Behandlungswahl entsprechend der Patientinnencharakteristika (adaptiert nach [10]).
 MetforminInsulin
BMI<35 kg/m2>35 kg/m2
Nüchternblutzuckerspiegel<5,6 mmol/l>6,1 mmol/l
SSW zum DiagnosezeitpunktSpätschwangerschaftFrühschwangerschaft
VorgeschichteKein GDFrüherer GD
HypoglykämierisikoNeinJa
PatientinnenwunschAngst vor Injektionen 
BMI = Body-Mass-Index, SWS = Schwangerschaftswoche, GD = Gestationsdiabetes
Vor Kurzem wurde eine Metaanalyse mit dem Ziel durchgeführt, Insulin mit oralen Behandlungen zu vergleichen [9]. In sechs Studien, in denen Metformin mit Insulin verglichen wurde, wurden eine verringerte mütterliche Gewichtszunahme (–1 kg), eine Verringerung der neonatalen Hypoglykämien (RR 0,62), eine verringerte Schwangerschaftsdauer (–0,16 Wochen) sowie ein erhöhtes Frühgeburtsrisiko (RR 1,5) nachgewiesen. Überdies wurde eine Verringerung mütterlicher arterieller Hypertonien (RR 0,5) und eine Reduktion des postprandialen Blutzuckerspiegels (–0,14 mmol/l) gezeigt.

Das postpartale Screening

Ein GD klingt üblicherweise nach der Geburt ab. Bei einem Drittel der Frauen aus unserer Kohorte und bis zu 40% der Frauen aus anderen Populationen wird jedoch einige Wochen nach der Entbindung ein Prädiabetes diagnostiziert. Nach einem GD ist das Risiko, einen Dia­betes mellitus zu entwickeln, erhöht. Die ADA empfiehlt postpartal einen OGTT mit 75 g Glukose durchzuführen, um zu prüfen, ob nach der Schwangerschaft weiterhin ein Prädiabetes oder Diabetes mellitus bestehen. In der Schweiz wird dieses Screening aus Versicherungs- und Stoffwechselgründen 6–8 Wochen nach der Entbindung empfohlen. Die Diabeteskriterien sind dieselben wie ausserhalb der Schwangerschaft. Anschliessend wird alle 1–3 Jahre eine metabolische Kon­trolle empfohlen.

Schlussfolgerungen

GD ist eine häufige und asymptomatisch verlaufende Erkrankung. In der Schweiz wird ein universelles Screening empfohlen und die Versorgung beinhaltet die kapilläre Blutzuckerselbstkontrolle, eine Ernährungsberatung, regelmässige moderate körperliche Aktivität, den Einbezug psychosozialer Aspekte sowie gegebenenfalls eine medikamentöse Behandlung. Aufgrund der Auswirkungen auf die zukünftige Gesundheit von Mutter und Kind stellt eine umfassende Betreuung während und nach der Schwangerschaft ein wichtiges Anliegen und eine Chance für die Volksgesundheit dar.

Das Wichtigste für die Praxis

• In der Schweiz empfiehlt die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie bei allen Schwangeren zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche die Durchführung eines oralen Glukosetoleranztests (OGTT) mit 75 g Glukose. Ein einziger pathologischer Wert ist ausreichend für die Diagnose eines Gestationsdiabetes (GD).
• Die Entstehung eines GD ist mit zahlreichen Risikofaktoren assoziiert, jedoch weisen lediglich 50–80% der Frauen mit GD einen dieser Risikofaktoren auf.
• Die Blutzuckerselbstkontrolle ist die erste Massnahme nach der Dia­gnose eines GD.
• Allen Frauen mit GD wird eine Ernährungstherapie empfohlen. Tägliche moderate körperliche Aktivität gehört ebenfalls zur initialen Behandlung eines GD.
• Frauen mit GD sollten einem Screening auf Depressionen unterzogen werden, da diese die Compliance mit den Lebensstiländerungen und Behandlungen negativ beeinflussen können.
• Üblicherweise klingt ein GD nach der Geburt ab, bei einem Drittel der Frauen wird jedoch einige Wochen nach der Entbindung ein Prädiabetes diagnostiziert. Die «American Diabetes Association» empfiehlt die postpartale Durchführung eines OGTT mit 75 g Glukose, um den Glukosestoffwechsel zu evaluieren. In der Schweiz wird dieser Test 6–8 Wochen nach der Entbindung empfohlen.
Die Autoren danken Antje Horsch, Forschungspsychologin am CHUV, sowie Stefano Lanzi, Sportlehrer und Forschungsbeauftragter am CHUV, für ihre Beteiligung beim Verfassen dieses Beitrags.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Prof. Dr. med. Jardena Puder
Médecin adjointe
Consultation Diabète
gestationnel
Service d’Endocrinologie
Diabétologie et Métabolisme CHUV
CH-1011 Lausanne
jardena.puder[at]chuv.ch
 1 International Association of Diabetes and Pregnancy Study Groups Consensus Panel. International association of diabetes and pregnancy study groups recommendations on the diagnosis and classification of hyperglycemia in pregnancy. Diabetes Care. 2010;33(3):676–82.
 2 Diabète, programme cantonal. Recommandations pour la pratique clinique, diagnostic et prise en charge du diabète gestationnel. 2015.
 3 Ryser Rüetschi J, Jornayvaz FR, Rivest R, Huhn EA, Irion O, Boulvain M. Fasting glycaemia to simplify screening for gestational diabetes. BJOG. 2016;123(13):2219–22.
 4 Association, A.D., Standards of Medical Care in Diabetes-2017: Summary of Revisions. Diabetes Care. 2017;40(Suppl 1):4–5.
 5 Horsch A, Gross J, Jornayvaz FR, Lanzi S, Puder JJ. Gestational diabetes – what are the non-medical approaches? Rev Med Suisse. 2016;12(521):1089–91.
 6 Surbek D. Gestationsdiabetes: endlich eine einheitliche Screening-Strategie! Swiss Medical Forum. 2011;11(51):965–6.
 7 Reynolds RM, Allan KM, Raja EA, Bhattacharya S, McNeill G, Hannaford PC. Maternal obesity during pregnancy and premature mortality from cardiovascular event in adult offspring: follow-up of 1 323 275 person years. BMJ. 2013 Aug 13;347:f4539.
 8 Rowan JA, Hague WM, Gao W, Battin MR, Moore MP; MiG Trial Investigators. Metformin versus insulin for the treatment of gestational diabetes. N Engl J Med. 2008 May 8;358(19):2003–15.
 9 Balsells M, García-Patterson A, Solà I, Roqué M, Gich I, Corcoy R. Glibenclamide, metformin, and insulin for the treatment of gestational diabetes: a systematic review and meta-analysis.
BMJ. 2015 Jan 21;350:h102.
10 Carroll DG, Kelley KW. Review of metformin and glyburide in the management of gestational diabetes. Pharm Pract (Granada). 2014;12(4):528.