Nuklearmedizin: «One-Stop-Shop» bei koronarer Herzkrankheit?
Nuklearmedizin

Nuklearmedizin: «One-Stop-Shop» bei koronarer Herzkrankheit?

Schlaglichter
Ausgabe
2017/5152
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.03124
Schweiz Med Forum 2017;17(5152):1163-1164

Affiliations
Universitätsspital Basel
a Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin, b Kardiologische Klinik
* Die beiden Autoren haben zu gleichen Teilen zum Artikel beigetragen.

Publiziert am 20.12.2017

Das Rubidium-PET/CT eröffnet in der nichtinvasiven Diagnostik der koronaren Herzkrankheit neue Horizonte durch die gleichzeitige Darstellung von Koronar­stenosen und der Herzdurchblutung.

Hintergrund

Für die Abklärung der koronaren Herzkrankheit und die kardiale Ischämiediagnostik steht eine Vielzahl nicht­invasiver bildgebender Methoden zur Verfügung. In der Nuklear-Kardiologie ist die myokardiale Perfusionsszintigraphie (MPS) eine über Jahrzehnte bestens eta­blierte Methode mit dem grössten Fundus an prognostischen Daten in der Ischämiediagnostik [1]. Ein Nachteil der MPS besteht zum einen in der relativ hohen Strahlenbelastung (5–10 mSv) [2] und dem Auftreten von Attenuationsartefakten. Zum anderen kann die Herzdurchblutung nur semiquantitativ gemessen werden, was die Auswertung bei Patienten mit balancierter Ischämie (d.h. bei Drei-Gefäss- oder mikrovaskulärer Erkrankung) erschwert. Mit der Einführung des Rubidium-PET/CT (Positronen-Emissions-Tomographie/Computertomographie) konnte die Strahlenbelastung deutlich gesenkt werden, die Korrektur von Attenua­tionsartefakten ist erheblich robuster als beim MPS und der myokardiale Blutfluss kann absolut quantifiziert werden [2]. Durch die hybride Bildgebung Rubidium-PET/CT kann mittels einer Untersuchung sowohl eine Aussage zur Verkalkung (Calcium-Score), zu Anatomie, Verlauf und Stenosen der Koronarien (Koronar-CT) als auch zur Myokarddurchblutung (Rubidium-PET) gemacht werden. Bis anhin wurden Rubidium-PET/CT in der Schweiz nicht im Routinebetrieb durchgeführt.

Seit 2013 im klinischen Einsatz

Durch den weit verbreiteten Gebrauch der PET-Scanner in der Onkologie sind sie heute in allen Landesteilen der Schweiz verfügbar. Zusätzlich wurden in den vergangenen Jahren generatorproduzierte PET-Isotope wie das Rubidium-82 verfügbar. Somit kann ein Rubidium-PET/CT auch ohne Zyklotron betrieben werden, im Gegensatz zum Beispiel zum Ammonium-PET.
Seit 2013 ist das Rubidium-PET/CT in der Schweiz zur Evaluation einer Myokardnarbe/-ischämie gemäss Krankenpflege-Leistungsverordnung eine vergütungspflichtige Leistung, was den klinischen Einsatz möglich gemacht hat.
Ein patientenorientierter Einsatz des Rubidium-PET/CT ermöglicht den «One-Stop-Shop» für die anatomische und physiologische Abklärung, die Risikostratifizierung und das Management der koronaren Herzkrankheit. Die beiden Komponenten erlauben einen effizienten Untersuchungsgang, der pro Patient 20–45 Minuten in Anspruch nimmt. Im Vergleich zu traditionellen nuklearkardiologischen Untersuchungen liegt die Strahlenbelastung eines Rubidium-PET/CT bei <4 mSv, dies unter anderem dank der kurzen Halbwertszeit von Rubidium (76 Sekunden) [2]. Diese Belastung liegt leicht über der jährlichen natürlichen Strahlenexposition in der Schweiz.
Das Rubidum-PET/CT weist eine höhere räumliche Auflösung (4–10 mm) als das MPS (7–15 mm) auf, ist kaum anfällig für extrakardiale Einflüsse (extrakardiale Aktivität in Leber/Gallenblase und Abdomen) und erlaubt eine nicht nur qualitative, sondern auch quantiative Erfassung der Myokardperfusion. Diese Vorteile des Rubidium-PET/CT und bei Bedarf die Kombination ­mit anatomischer Information des CT (Koronarver­kalkung/-stenosen) resultieren in einer noch höheren Qualität der Diagnostik mit den höchsten Sensi­tivitäten und Spezifitäten in der nichtinvasiven Koronardiagnostik. Ein normales Koronar-CT schliesst eine koronare Herzkrankheit in >95% aus [3]. Zeigen sich Koronarveränderungen im CT, wie starke Koronarverkalkungen, stellt sich die Frage nach deren hämodynamischer Relevanz, welche das Rubidium-PET zuverlässig beantworten kann (Sensitivität 90% und Spezifität 88%) [3]. Die Kombination der Modalitäten im Rubidium-PET/CT erreicht eine Sensitivität von 93–95% und eine Spezifität von 99–100% [4].
Nicht nur diagnostisch, sondern auch prognostisch und therapeutisch eröffnen sich neue Perspektiven: Beispielsweise ermöglicht die komplementäre Information über Koronarverkalkung, Koronarstenose, Durchblutung und Flussmessung im Herzmuskel einen differenzierten, nichtinvasiven Einblick in die koronare Herzkrankheit. Oft kann eine weitere (invasive) Abklärung vermieden werden.
Findet sich in den Koronarien kein Koronarkalk (Calcium-Score = 0), ist dies für den Zeitraum von fünf Jahren nach der Untersuchung ein hervorragender pro­gnostischer Prädiktor [5]. Während dieser Zeitspanne kann bei gleich bleibender Symptomatik in der Regel auf weitere Untersuchungen verzichtet werden.
Zeigen sich keine Durchblutungsstörungen im Herzmuskel bei verkalkten Gefässen ohne hämodynamisch relevante Stenosen (Abb. 1), steht primär eine medikamentöse Therapie (im Sinne der Prävention) ohne invasive Abklärung/Therapie im Vordergrund.
Abbildung 1: A) Das Fusionsbild CT-Koronarangiographie und Rubidium-PET zeigt kalzifizierte und nichtkalzifizierte Stenosen der Koronargefässe ohne ­hämodynamische Relevanz (d.h. ohne Durchblutungsstörung und ohne Störung der Flussreserve im Herzmuskel). B) Intermediärast mit anatomisch ­hochgradiger Stenose. C) RIVA mit nichtkalzifizierter Stenose. D) Die «Polar Plots» zeigen ein homogenes Perfusionsmuster (kein Hinweis für Narbe oder Ischämie). Die absolut quantifizierten Flussraten unter Belastung sowie die Flussreserve (vgl. Tabelle) sind normal. 
RIVA = Ramus interventricularis anterior; RCX = Ramus circumflexus; ACD = Arteria coronaria dextra; QMP = quantitative Myokardperfusion.

Diskussion

Am Universitätsspital in Basel wird das Rubidium-PET/CT seit Oktober 2016 im Routinebetrieb in nuklearmedizinischer/kardiologischer Kooperation betrieben. Bisher sind mehr als 500 Untersuchungen durchgeführt worden. Die gewonnenen Erfahrungen sollen ab 2018 in einen noch stärker auf die Bedürfnisse der Pa­tienten ausgerichteten Untersuchungsalgorithmus einfliessen («patient-tailored approach» mit «so viel Untersuchung wie nötig, so wenig wie möglich»).
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Prof. Dr. med.
Michael ­Zellweger
Kardiologische Klinik
Universitätsspital Basel
Petersgraben 4
CH-4032 Basel
Michael.zellweger[at]usb.ch
1 Shaw LJ, Hendel R, Borges-Neto S, et al. Prognostic value of normal exercise and adenosine (99m)Tc-tetrofosmin SPECT imaging: results from the multicenter registry of 4,728 patients. J Nucl Med. 2003;44(2):134–9.
2 Arumugam P, Tout D, Tonge C. Myocardial perfusion scintigraphy using rubidium-82 positron emission tomography. Br Med Bull. 2013;107:87–100.
3 Montalescot G, Sechtem U, Achenbach S, et al. 2013 ESC guidelines on the management of stable coronary artery disease: the Task Force on the management of stable coronary artery disease of the European Society of Cardiology. Eur Heart J. 2013;34(38):2949–3003.
4 Kajander S, Joutsiniemi E, Saraste M, et al. Cardiac positron emission tomography/computed tomography imaging accurately detects anatomically and functionally significant coronary artery disease. Circulation. 2010;122:603–13.
5 Sarwar A, Shaw LJ, Shapiro MD, et al. Diagnostic and prognostic value of absence of coronary artery calcification. ­JACC ­Cardiovasc imaging. 2009;2:675–88.