Chirurgie: Forschung am Menschen im Operationssaal
Chirurgie

Chirurgie: Forschung am Menschen im Operationssaal

Schlaglichter
Ausgabe
2017/5152
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.03137
Schweiz Med Forum 2017;17(5152):1148-1149

Affiliations
Service de Chirurgie Viscérale, Département de Chirurgie, Hôpitaux Universitaires de Genève,Services Organization and Clinical Interventions Unit, Service Delivery and Safety, World Health Organization, Geneva

Publiziert am 20.12.2017

Jegliche Forschung am Menschen muss im Einklang mit dem Bundesgesetz stehen, das diese Tätigkeit regelt und 2014 in Kraft trat. Um Verstössen dagegen vorzubeugen, laden wir alle medizinischen Fachkräfte, die an einem Forschungsprojekt mit Patientenbeteiligung teilnehmen, dazu ein, sich mit den wesentlichen Punkten des Gesetzes vertraut zu machen.

Hintergrund

Das Bundesgesetz über die Forschung am Menschen aus dem Jahr 2011 ist am 1. Januar 2014 offiziell in Kraft getreten [1]. Es regelt detailliert die Rahmenbedingungen, unter denen Forschung an lebenden oder verstorbenen Personen praktiziert werden darf. Seit jeher ­betreiben Chirurgen im Operationssaal Forschung vielfältiger Art, sei es zur Erprobung neuer Operationsmethoden oder Instrumente oder zur Entnahme menschlichen Gewebes, um Proben zu analysieren, die auf anderem Weg nicht gewonnen werden könnten. Bei diesen Forschungen ist stets das Bundesgesetz von 2014 zu beachten; nachstehend erinnern wir an einige wesentliche Punkte.

Wesentliche ethische Grundsätze

Notwendigkeit einer Bewilligung durch 
die zuständige Ethikkommission

In den Artikeln 45 bis 47 des Bundesgesetzes ist festgelegt, dass jegliche Forschungstätigkeit am Menschen eine Bewilligung durch die zuständige Ethikkommission erfordert. In den meisten Fällen ist die Ethikkommission des Kantons zuständig, in dessen Gebiet die Forschung durchgeführt wird. Der Grossteil der Kantone hat seit 2014 eine kantonale Ethikkommission eingerichtet, nur in einigen Fällen haben sich mehrere Kantone zusammengeschlossen, um gemeinsam eine Ethikkommission zu bilden.
Bei einem multizentrischen Forschungsprojekt ist eine Bewilligung derjenigen Ethikkommission erforderlich, die am Tätigkeitsort der das Projekt koordinierenden Person zuständig ist. Sie holt die Stellungnahme der betreffenden Ethikkommissionen der anderen Kantone ein.

Notwendigkeit einer Einwilligung 
nach Aufklärung

Die Artikel 16 und 17 sehen vor, dass eine lebende Person in ein Forschungsprojekt nur dann einbezogen werden darf, wenn sie nach hinreichender Aufklärung eingewilligt hat (Einwilligung nach Aufklärung). Die Einwilligung ist schriftlich zu erteilen. Ist bei der Entnahme von biologischem Material die Weiterverwendung für die Forschung beabsichtigt, so ist die Einwilligung der betroffenen Person einzuholen beziehungsweise diese Person über ihr Widerspruchsrecht zu informieren.

Kommerzialisierungsverbot

In Artikel 9 des Bundesgesetzes ist verankert, dass der menschliche Körper oder dessen Teile als solche zu Forschungszwecken nicht gegen Entgelt oder einen andern geldwerten Vorteil veräussert oder erworben werden dürfen.

Ausfuhr

Laut den Artikeln 42 bis 44 des Bundesgesetzes darf biologisches Material nur dann zu Forschungszwecken ins Ausland ausgeführt werden, wenn die betroffene Person nach hinreichender Aufklärung eingewilligt hat. Dies gilt ebenfalls für verstorbene Personen.

Vergehen

In den Artikeln 62 bis 64 des Bundesgesetzes sind die Sanktionen im Falle vorsätzlich oder fahrlässig begangener Vergehen festgelegt. Zum Beispiel kann mit einer Freiheitsstrafe von drei Jahren bestraft werden, wer ein Forschungsprojekt ohne Bewilligung einer Ethikkommission durchführt und dadurch die Gesundheit der teilnehmenden Personen gefährdet. Mit einer Geldbusse kann bestraft werden, wer ein Forschungsprojekt ohne Bewilligung einer Ethikkommission durchführt, ohne dass die Gesundheit der teilnehmenden Personen gefährdet wird. Eine Geldbusse kann ebenfalls verhängt werden, falls biologisches Material weiterverwendet wird, ohne dass die erforderliche Einwilligung oder eine entsprechende Bewilligung der zuständigen Ethikkommission vorliegen.

Diskussion

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat mehrere Dokumente veröffentlicht, in denen Anleitungen für die Forschung am Menschen vorgeschlagen werden. Im Jahr 2011 veröffentlichte die WHO operative Leitlinien für Ethikkommissionen im Rahmen von Forschung am Menschen [2]. Darin sind Empfehlungen zur Zusammensetzung und Ausbildung der Mitglieder von Ethikkommissionen enthalten. Darüber hinaus arbeitet die WHO mit dem Rat für Internationale Organisationen der medizinischen Wissenschaft («Council for International Organization of Medical Sciences» [CIOMS]) zusammen, der die Ethikrichtlinien für die Forschung am Menschen regelmässig aktualisiert [3].
Die WHO unterstützt zudem die Leitlinien des Weltärztebundes («World Medical Association»), der 1964 die Deklaration von Helsinki verabschiedet hat: Sie enthält die ethischen Grundsätze für die medizinische Forschung am Menschen und wurde mehrfach aktualisiert [4].
Jegliche Forschung am Menschen muss im Einklang mit dem Bundesgesetz stehen, das 2014 in Kraft trat [1]. Um Verstössen dagegen vorzubeugen, laden wir alle medizinischen Fachkräfte, die an einem Forschungsprojekt mit Patientenbeteiligung teilnehmen, dazu ein, sich mit den wesentlichen Punkten des Gesetzes vertraut zu machen.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Prof. Dr. med. Leo H. Bühler
Service de Chirurgie Viscérale
Département de Chirurgie
Hôpitaux Universitaires de Genève
CH-1211 Genève 14
leo.buhler[at]hcuge.ch
1 Bundesgesetz über die Forschung am Menschen vom 30. September 2011 (Stand am 1. Januar 2014). https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20061313/index.html
2 Standards and operational guidance for ethics review of health-related research with human participants, 2011.
http://www.who.int/ethics/research/en/#
3 International ethical guidelines for health-related research involving humans, 2016. https://cioms.ch/wp-content/uploads/2017/01/WEB-CIOMS-EthicalGuidelines.pdf
4 Medical Ethics Manual, World Medical Association, 2016.
https://www.wma.net/wp-content/uploads/2016/11/Ethics_manual_3rd_Nov2015_en.pdf