Endokrinologie und Diabetologie: Primärer Hyperaldosteronismus – was können wir besser machen?
Endokrinologie und Diabetologie

Endokrinologie und Diabetologie: Primärer Hyperaldosteronismus – was können wir besser machen?

Schlaglichter
Ausgabe
2017/5152
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.03170
Schweiz Med Forum 2017;17(5152):1150-1151

Affiliations
Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährung, UniversitätsSpital Zürich

Publiziert am 20.12.2017

Trotz der Häufigkeit der Erkrankung wird der primäre Hyperaldosteronismus weithin nicht konsequent diagnostiziert und einer zielgerichteten Therapie zugeführt. Dieses Schlaglicht soll mögliche Gründe für diese Situation aufzeigen und Strategien zu einer Verbesserung beitragen.

Hintergrund

Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System hat wesentlichen Einfluss auf die Wasser- und Elektrolyt-Homöo­stase. Eine inadäquat hohe Ausschüttung von Aldosteron führt deswegen zu einem hohen Blutdruck und – in ausgeprägten Fällen – zu einer Hypokaliämie. Der primäre Hyperaldosteronismus (PA), auch Conn-Syndrom genannt, gilt mit einer Häufigkeit von ca. 6% aller Bluthochdruckpatienten als die häufigste Ursache einer sekundären Hypertonie [1]. Ein unilaterales Adenom ist bei 60–90% der Patienten mit klassischem hypoka­liämischem PA der Auslöser der Erkrankung, eine bilaterale Hyperplasie nur bei etwa 10–40%. Umgekehrt ist bei Patienten mit normokaliämischem PA eine bilaterale Hyperplasie mit etwa 60% häufiger.

Screening-Empfehlungen und Diagnostik

Patienten mit einem PA haben im Vergleich zu Patienten mit essentieller Hypertonie eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit, kardiovaskuläre Komplikationen – wie Schlaganfall, Myokardinfarkt oder Vorhofflimmern – zu erleiden. Eine frühe Therapie kann allerdings eine Normalisierung einer Übersterblichkeit ­erreichen. Die Inzidenz des PA steigt mit zunehmender Schwere der Hypertonie weiter an und die Anwesenheit einer Hypokaliämie ist ein zusätzlicher wesentlicher Grund, nach der Erkrankung zu suchen. Alleine basierend auf klinischen Parametern kann ein PA allerdings nicht von einer essentiellen Hypertonie unterschieden werden.
In den aktuellen Leitlinien der Amerikanischen Fachgesellschaft [2] werden auf Basis der zu erwarteten Häufigkeit der Erkrankung die Empfehlungen zum Screening gegeben (Tab. 1). Die wichtigste Screening-Untersuchung besteht in der Messung des Aldosteron-Renin-Quotienten. Diese Bestimmung ist einfach bei ambulanten Patienten durchzuführen, wird aber durch viele Blutdruckmedikamente beeinflusst. Eine Handhabe zur Umstellung der Medikation ist in Abbildung 1 zusammengefasst.
Tabelle 1: Indikation zum PA-Screening und Angabe 
der Prä-Test-Wahrscheinlichkeit (in Klammern).
Moderate (Stadium 2, >160/100 mm Hg) ­Hypertonie(8%)
Schwere (Stadium 3, >180/110 mm Hg) ­Hypertonie(13%)
Therapierefraktäre Hypertonie(17–23%)
Unter 4 Antihypertensiva kontrollierte ­Hypertonie 
Hypertonie + spontane (oder Diuretika-­induzierte) Hypokaliämie 
Nebennieren-Inzidentalom und Hypertonie(1,1–10%, ­Median: 2%)
Hypertonie und Schlafapnoe(34% bei neu diagnostizierten Patienten)
Patienten mit erstgradigen Verwandten mit PA oder positive Familienanamnese auf frühzeitig auftretende Hypertonie 
PA = primärer Hyperaldosteronismus
Abbildung 1: Umstellung der antihypertensiven Therapie vor Bestimmung des Aldosteron-Renin-Quotienten (ARQ). ACE = «angiotensin converting enzyme», AT = Angiotensin.
Die weitere Diagnostik beinhaltet die Durchführung ­eines Bestätigungstests sowie der weiteren Differen­tialdiagnostik. Als häufigster Bestätigungstest hat sich der Kochsalz-Belastungstest etabliert, der im Rahmen ­einer ambulanten Untersuchung durchgeführt werden kann. Die Differentialdiagnose erfordert hingegen in der Regel eine invasive Katheterisierung der Nebennierenvenen, um die Quelle der Aldosteronsekretion zu sichern. Die alleinige Schnittbildgebung hat hingegen eine geringe Sensitivität und Spezifität. Die wesentliche therapeutische Konsequenz dieser Untersuchung ist die Zuordnung der Patienten, denen eine Operation angeboten werden kann im Gegensatz zu denen, die einer medikamentösen Therapie mit ­Aldosteron-Rezeptor-Antagonisten zugeführt werden ­sollten.

Diskussion

Eine Verbesserung der Diagnostik und Therapie von Patienten mit PA könnte durch eine Reihe von Schritten erreicht werden.
Ein wesentlicher Faktor in der Detektion von PA-Pa­tienten ist die konsequente Durchführung der Screening-Untersuchung. Hier sind vor allem Patienten zu nennen, die einen schwer einstellbaren Bluthochdruck aufweisen, und solche mit einer spontanen oder auch Diuretika-induzierten Hypokaliämie. Gerade aber auch jüngere Patienten, bei denen ein Bluthochdruck erstdiagnostiziert wird, bieten sich für eine Screening-Untersuchung an, da hier die zum Teil problematische Umstellung von Blutdruckmedikamenten entfällt.
Aktuelle Daten aus einer internationalen Studie zeigen, dass von denjenigen Patienten, die einer Operation unterzogen werden, vor allem diejenigen von dem Eingriff profitieren, die jünger sind, die eine kurze Laufzeit der Hypertonie haben sowie Frauen [3]. Diese Patientengruppen sollten deswegen mit besonderer Konsequenz einer Screening-Untersuchung zugeführt werden.
Während die Screening-Untersuchung in aller Regel von Hausärzten durchgeführt werden kann – und in Anbetracht der Häufigkeit der Erkrankung auch dort durchgeführt werden sollte – sind Bestätigungsteste in der Regel Endokrinologen vorbehalten. Auch wenn die Untersuchung zum Beispiel eines Kochsalz-Belastungstests technisch nicht schwierig ist, sind meist organisatorische Voraussetzungen notwendig, welche die Durchführung und Interpretation erleichtern. Spätestens die Durchführung des Nebennierenvenenkatheters ist beschränkt auf wenige spezialisierte Zen­tren, in denen ein geübter interventioneller Radiologe tätig ist und die Interpretation der Untersuchung durch erfahrene Endokrinologen vorgenommen werden kann. Auch der operative Eingriff der laparoskopischen unilateralen Adrenalektomie sollte durch in dieser Technik erfahrene Operateure erfolgen.
In Anbetracht der insgesamt aufwändigen Differen­tialdiagnose sehen die neuen Leitlinien [2] ausdrücklich die Möglichkeit vor, die Diagnostik auf Wunsch des Patienten oder bei relevanten Komorbiditäten, die eine weitere Diagnostik erschweren, nicht vollständig zu durchlaufen. In jedem Fall sollte aber aus der bisher durchgeführten Diagnostik eine therapeutische Konsequenz gezogen werden: Wenn ein hinreichender Verdacht auf einen PA besteht, sollte versuchsweise eine Therapie mit einem Aldosteron-Rezeptor-Antagonisten eingeleitet werden. Eine solche Konstellation kann bestehen etwa bei einem Patienten mit einem klar pathologischen Aldosteron-Renin-Quotienten und schwer einstellbarem oder hypokaliämischem Bluthochdruck oder bei einem Patienten mit einem auffälligen Bestätigungstest.
Aktuelle Forschungsansätze zielen auf eine weitere Vereinfachung der Diagnostik und Differentialdia­gnostik ab – etwa durch den Einsatz von Multi-Steroid-Analysen und funktioneller Bildgebung. Auch wenn hier mittelfristig Fortschritte erwartet werden können, wird eine möglichst konsequente Umsetzung von Empfehlungen aus Leitlinien auch in Zukunft einen wesentlichen Anteil in der Versorgung von PA-Patienten haben.
Der Autor hat keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Prof. Dr. med.
Felix ­Beuschlein
Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährung
UniversitätsSpital Zürich
Rämistrasse 100
CH-8091 Zürich
Felix.beuschlein[at]usz.ch
1 Kayser SC, Dekkers T, Groenewoud HJ, van der Wilt GJ, Carel Bakx J, van der Wel MC, et al. Study Heterogeneity and Estimation of Prevalence of Primary Aldosteronism: A Systematic Review and Meta-Regression Analysis. J Clin Endocrinol Metab. 2016;101:
2826–35.
2 Funder JW, Carey RM, Mantero F, Murad MH, Reincke M, Shibata H, et al. The Management of Primary Aldosteronism: Case Detection, Diagnosis, and Treatment: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline. J Clin Endocrinol Metab. 2016;101:1889–916.
3 Williams TA, Lenders JWM, Mulatero P, Burrello J, Rottenkolber M, Adolf C, et al. Primary Aldosteronism Surgery Outcome (PASO) investigators. Outcomes after adrenalectomy for unilateral primary aldosteronism: an international consensus on outcome measures and analysis of remission rates in an international cohort. Lancet Diabetes Endocrinol. 2017;5(9):689–99.