Pruritus – eine interdisziplinäre Herausforderung­
Die Wachsamkeit des Hausarztes ist gefragt

Pruritus – eine interdisziplinäre Herausforderung­

Was ist Ihre Diagnose?
Ausgabe
2018/07
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03153
Schweiz Med Forum 2018;18(07):154-158

Affiliations
Centre hospitalier universitaire vaudois, CHUV, Lausanne
a Service de médecine interne; b Service de gastroentérologie; c Institut de pathologie; d Service d’endocrinologie

Publiziert am 14.02.2018

Fallbeschreibung1

Eine 28-jährige Patientin kommt aufgrund eines generalisierten Pruritus, der seit mehreren Tagen zunimmt, in Ihre Konsultation. Abgesehen von einer abklingenden, mit Amoxicillin-Clavulansäure behandelten Sinusitis, weist sie keine auffällige Vorgeschichte auf. Die Vitalparameter sind, mit Ausnahme einer Herzfrequenz von 100 Schlägen/min, im Normbereich. Bei der klinischen Untersuchung stellen Sie einen Ikterus der Bindehaut ohne weitere Anomalien fest.

Frage 1: Welche Blutuntersuchung erscheint Ihnen 
am wenigsten zielführend?


a) Grosses Blutbild
b) Leberwerte und Kreatinin
c) Ferritin-Wert
d) β-HCG-Wert
e) Tryptase
Für generalisierten Pruritus gibt es zahlreiche Ur­sachen. Diese können dermatologischer, systemischer, neurologischer oder psychiatrischer Art sein (Tab. 1). In der Anamnese muss daher genau nach eingenommenen Medikamenten oder Toxinexposition, Reisen und Sexualkontakten gefragt werden. Bezüglich der initialen Laboruntersuchung gibt es keinen Konsens. Im aktuellen Fall und angesichts einer fehlenden sichtbaren Hautläsion wird ein grosses Blutbild angefertigt, um eine Eosinophilie oder eine Anämie abzuklären. Die ­Leberwerte und das Gesamtbilirubin werden bestimmt, um eine Erhöhung der Transaminasen mit oder ohne Cholestase festzustellen, der Kreatinin-Wert wird untersucht, um eine Niereninsuffizienz auszuschliessen und der Ferritin-Wert wird analysiert, um einen Eisenmangel abzuklären. Bei einer Patientin im zeugungsfähigen Alter muss ferner eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden (Pruritus gravidarum mit oder ohne Cholestase, Schwangerschaftsdermatose).
Tabelle 1: IFSI-Klassifikation: Ursachen für chronischen Pruritus (modifiziert nach [1]).
 Diagnosebeispiele
Gruppe I: Dermatologische Erkrankungen
Entzündliche DermatosenAtopische Dermatitis, Psoriasis
Infektiöse DermatosenInsektenstiche, Kopflausbefall
AutoimmundermatosenDermatitis herpetiformis, bullöses Pemphigoid, 
Dermatomyositis
GenodermatosenMorbus Darier, Morbus Hailey-Hailey
SchwangerschaftsdermatosenPolymorphe Schwangerschaftsdermatose, 
Pemphigoid gestationis, Pruritus gravidarum
NeoplasienKutanes T- oder B-Zell-Lymphom, Hautinfiltrate 
bei Leukämie
Gruppe II: Systemische Erkrankungen
Endokrinologische und metabolische ErkrankungenChronische Niereninsuffizienz, Lebererkrankung mit oder ohne Cholestase, Hyperthyreose
InfektionskrankheitenHIV, Helminthose, Parasitose
Hämatologische und lympho­proliferative ErkrankungenEisenmangel, Polycythemia vera
Viszerale NeoplasienSolide Gebärmutterhals-, Prostata- oder Kolonkarzinome
SchwangerschaftPruritus gravidarum mit oder ohne Cholestase
Medikamenteninduzierter PruritusOpiate, ACE-Hemmer, Amiodaron, Hydrochlorthiazid, Östrogen, Simvastatin, Allopurinol
Gruppe III: Neurologische Erkrankungen
Neurogene Ursache 
(ohne Nervenläsion) 
Neuropathische Ursache 
(mit Nervenläsion)Multiple Sklerose, Schlaganfall oder Rückenmarksinfarkt, postherpetische Neuralgie
Gruppe IV: Psychiatrische Erkrankungen
Somatoforme 
ErkrankungenDepressionen, Angststörungen, Schizophrenie, haptische Halluzinationen, Fatigue
Gruppe V: Gemischte Ursachen
Gruppe VI: SonstigeUnbekannte Ursache
Die Tryptase ist ein Marker für Mastzelldegranulation, Anaphylaxie oder Mastozytose. Obgleich eine medikamentöse Ursache infrage kommt, ist diese nicht vom anaphylaktischen Typ, weshalb eine Bestimmung des Tryptase-Werts in diesem Fall nicht empfehlenswert ist.
Infolgedessen veranlassen Sie die zuvor besprochenen Laboruntersuchungen. Das grosse Blutbild ist unauffällig und der Kreatinin-Wert beträgt 49 μmol/l (Normbereich 44–80 μmol/l). Die Leberwerte sind auffällig mit einem ASAT-Wert von 655 U/l (Normbereich 8–32 U/l), einem ALAT-Wert von 935 U/l (Normbereich 9–36 U/l), einem alkalischen Phosphatase-Wert von 214 U/l (Normbereich 36–108 U/l) und einem γ-GT-Wert von 92 U/l (Normbereich 6–42 U/l). Das Gesamtbilirubin beträgt 97 μmol/l (Normbereich 0–21 μmol/l), das direkte Bilirubin 93 μmol/l (Normbereich 0–10 μmol/l). Der β-HCG-Wert ist negativ (<1 U/l). Der Ferritin-Wert beträgt 200 μg/l (Normbereich 30–300 μg/l).

Frage 2: Welche Untersuchung erscheint Ihnen in diesem Stadium am wenigsten zielführend?


a) Eine zielgerichtete Anamnese bezüglich einer Toxin­exposition und/oder eingenommenen Medikamenten
b) Bluttests auf Virushepatitiden
c) Eine Bestimmung des TSH-Werts
d) Ein Screening auf eine Autoimmunhepatitis
e) Eine MRCP
Eine medikamentös bedingte Hepatitis kann aufgrund einer direkten oder idiosynkratischen Toxizität entstehen. Ihr Vorliegen sollte sorgfältig abgeklärt und in jedem Fall vermutet werden. Bei dieser Patientin liegt eine kürzliche Amoxicilin-Clavulansäure-Exposition vor. Die o.g. Diagnose kann erst anhand der Entwicklung der Laborwerte nach dem Absetzen des Medikaments bestätigt oder ausgeschlossen werden. Überdies sind der Impfstatus bezüglich Hepatitis A und B, eventuelle Reisen, Ernährungsgewohnheiten und sexuelle Praktiken genauer zu erfragen. In unseren Breiten­graden werden Bluttests auf Hepatitis A, B, C, D (bei ­positivem HBV-Screening), E (zusammen mit einem PCR-Bluttest auf Hepatitis E), CMV, EBV und HIV empfohlen. Infolge einer akuten Hepatitis kann sich eine Autoimmunhepatitis entwickeln. Aufgrund der therapeutischen Konsequenzen muss davon stets ausgegangen werden. Der entsprechende Verdacht ist durch eine immunologische Untersuchung abzuklären, indem zunächst das Gesamt-IgG, dann die antinukleären, die SMA- und die Aktin-Antikörper bestimmt werden.
Die Leberwerte können auch bei Schilddrüsenerkrankungen auffällig sein. Daher wird eine Bestimmung des TSH-Werts empfohlen.
Eine starke und eindeutig überwiegende Erhöhung des direkten Bilirubins weist auf eine sogenannte posthepatische Cholestase hin. Trotz fehlender Risikofaktoren wie Abstammung, Alter, Übergewicht, Einnahme begünstigender Medikamente und fehlender Gallenkoliken muss ein Ultraschall durchgeführt werden. ­Dadurch kann nicht nur die Struktur, sondern auch die Durchblutung der Leber beurteilt und insbesondere abgeklärt werden, ob eine Pfortader- oder Lebervenenthrombose vorliegt. Die MRCP ist ein wichtiges dia­gnostisches Tool zur Beurteilung der Bauchspeichel­drüsen- und Gallengänge sowie zum Staging von Lebertumoren. Aus Kosten- und Verfügbarkeitsgründen wird sie als Untersuchung zweiter Wahl empfohlen, wenn der Ultraschall nicht aussagekräftig ist. Aus diesem Grund ist eine Abdomensonographie einer MRCP als Untersuchung erster Wahl vorzuziehen.
Folglich veranlassen Sie zusätzlich zum grossen Blutbild serologische Untersuchungen auf die Virus­hepatitiden A, B, C und E, HIV sowie CMV, welche negativ sind. Die Tests auf Autoimmunerkrankungen sind ­positiv in Bezug auf gesprenkelte antinukleäre (1:640) und SMA-Antikörper (1:80). Der Aktin-Antikörper-Wert beträgt 15 U (<20 U). Das Gesamt-IgG ist auf 15,90 g/l erhöht (Normbereich 7,0–14,5 g/l). Der TSH-Wert ist nicht ermittelbar, weshalb eine zusätzliche Bestimmung des freien T3 und T4 veranlasst wird (siehe unten). Ferner führen Sie eine Abdomensonographie durch, welche keine sichtbaren strukturellen oder vaskulären Anomalien zeigt. Zur Präzisierung der Diagnose überweisen Sie die Patientin an einen Hepatologen. Vor dem Hintergrund der bereits erfolgten Untersuchungen ordnet dieser eine transjuguläre Leberbiopsie an. Bei der anatomisch-pathologischen Untersuchung wird eine schwere chronische Grenz­zonenhepatitis mit portaler Prädominanz eines lymphoplasmazellulären Infiltrats festgestellt, welches über die Leberläppchen hinaus ragt. Ferner werden eine Brückennekrose, einige Leberzellrosetten und Emperipolesen identifiziert (Abb. 1).
Abbildung 1: Bei der Leberbiopsie festgestellte histologische Läsionen. Die Leberbiopsie zeigt die typischen histologischen Anzeichen einer Autoimmunhepatitis: A : Bei Standardfärbung (mit Hämatoxylin-Eosin) schwere Grenzzonenhepatitis mit entzündlicher Brückennekrose, Leberzellrosetten (Kasten, im Kreis) und diffuser Emperipolese (Kasten, Pfeile). Vergrösserung: 10-fach und 40-fach. B : Bei Masson-Trichrom-Färbung sind sich entwickelnde Kollagendepots sichtbar. Vergrösserung: 10-fach.

Frage 3: Welche Diagnosen würden Sie angesichts 
der verfügbaren Resultate stellen?


a) Primär biliäre Cholangitis
b) Autoimmunhepatitis Typ 1
c) Autoimmunhepatitis Typ 2
d) Primär sklerosierende Cholangitis
e) Lupus-assoziierte Hepatitis
Autoimmunhepatitis ist eine autoimmunbedingte chronisch-entzündliche Lebererkrankung. Sie kommt selten vor und betrifft alle ethnischen Gruppen und Altersklassen, hauptsächlich jedoch Frauen. Meist schreitet sie langsam voran, kann sich jedoch auch in Form einer akuten Hepatitis mit hepatozellulärer Dysfunktion oder einer Leberzirrhose manifestieren. Die Dia­gnose wird anhand der Laborwerte, der immunologischen und anatomisch-pathologischen Untersuchung gestellt: Während eine Hypergammaglobulinämie sehr häufig mit allen Autoimmunhepatitiden assoziiert ist, geht die Autoimmunhepatitis Typ 1 mit antinukleären oder SMA-Antikörpern, die seltenere Auto­immunhepatitis Typ 2 mit LKM-1-Antikörpern oder sogenannten zytosolischen Leberantigenen und die noch seltenere Autoimmunhepatitis Typ 3 mit SLA/LP- und Ro52-Antikörpern einher. Das Resultat der anatomisch-pathologischen Untersuchung ist typisch, wenn eine schwere Grenzzonenhepatitis mit Brückennekrose, Leberzellrosetten (d.h. Leberzellen, die in runden Strukturen um einen optisch leeren Raum angeordnet sind) und Emperipolesen (d.h. das Vorhandensein von Lymphozyten im Zytoplasma der ­Leberzellen) vorliegt.
Obgleich sich die Erkrankungen unterscheiden, weisen einige Patienten mit Autoimmunhepatitis Anzeichen einer primären biliären oder primären sklerosierenden Cholangitis auf (Überlappungssyndrom), wodurch Diagnoseprobleme entstehen. In diesem Fall sind Zusatzuntersuchungen mit einer Bestimmung der antimitochondrialen Antikörper, des Gesamt-IgM, einer Cholangiographie oder einer MRCP sowie einer Leberbiopsie erforderlich.
Bei bis zu 60% der Patienten mit Lupus erythematodes sind die Leberwerte, meist ohne klinische Relevanz, auffällig. Dafür gibt es zahlreiche Ursachen und die Wachsamkeit des Hausarztes ist gefragt, um insbesondere eine vaskuläre Ursache oder eine assoziierte Viruserkrankung nicht zu übersehen.
Im Fall der beschriebenen Patientin deuten das klinische Erscheinungsbild, die Laborwerte und der anatomisch-pathologische Befund auf eine Autoimmunhepatitis Typ  1 hin (Tab. 2 und 3).
Tabelle 2: Vereinfachte Diagnosekriterien für Autoimmun­hepatitis (Nachdruck aus [2]: European Association for the Study of the Liver. EASL Clinical Practis Guidelines: Autoimmune hepatitis. J Hepatol. 2015;63(4):971–1004, © 2017, mit freundlicher Genehmigung von Elsevier, http://www.sciencedirect.com/science/journal/01688278?sdc=1; und aus [5] : Hennes EM, Zeniya M, Czaja AJ, Parés A, Dalekos GN, Krawitt EL, et al. Simplified criteria for the diagnosis of autoimmune hepatitis. Hepatology. 2008;48(1):169–76, mit freundlicher Genehmigung von 
John Wiley & Sons).
ParameterWert Score
ANA oder SMA +≥1:40+1
ANA oder SMA +≥1:80+2
LKM≥1:40+2
SLA/LP+Titerunabhängig+2
IgG> dem obersten Grenzwert+1
> dem 1,1-fachen obersten Grenzwert+2
LeberhistologieKompatibel+1
Typisch+2
Atypisch+0
Nichtvorliegen einer 
VirushepatitisNein+0
Ja+2
≥7 Punkte = Autoimmunhepatitis; ≥6 Punkte = Autoimmunhepatitis wahrscheinlich; Sensitivität 95% und Spezifizität 90%.
ANA = antinukleäre Antikörper; SMA = Antikörper gegen glatte Muskulatur; LKM = Leber-Nieren-Mikrosomen-Antikörper; SLA = Antikörper gegen lösliches Leberantigen; LP = Antikörper gegen Leber-Pankreas-Antigen.
Tabelle 3: Anzeichen für Autoimmunhepatitiden (modifiziert nach [3]).
 Autoimmunhepatitis Typ 1
(90% der Fälle)
Autoimmunhepatitis Typ 2
(10% der Fälle)
Eigenschaften der AutoantikörperANA, SMA oder Anti-SLA/LP; assoziiert mit ­HLA-DR3, -DR4 und -DR13Anti-LKM1, Anti-LC, selten Anti-LKM3; assoziiert mit ­HLA-DR3 und -DR7
Geographische VerteilungWeltweitWeltweit
ErkrankungsalterAlle Altersgruppen (bimodale Verteilung mit der ­ersten Erkrankungsspitze im Jugendalter und der zweiten zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr)Üblicherweise Kinder und junge Erwachsene
Geschlechterverhältnis Frau/Mann3:11:1
Klinischer PhänotypVariabelÜblicherweise stark ausgeprägt
HistologieVariabler histopathologischer BefundÜblicherweise fortgeschrittener histopathologischer Befund
Behandlung erster WahlPredniso(lo)n 0,5–1 mg/kg/Tag und zusätzlich ­Azathioprin 1–2 mg/kg/Tag als ErhaltungstherapiePredniso(lo)n 0,5–1 mg/kg/Tag und zusätzlich Azathioprin 1–2 mg/kg/Tag als Erhaltungstherapie
Therapie und RezidivrisikoIm Allgemeinen gutes Ansprechen auf die ­Induktionstherapie. Rezidivrisiko nach Absetzen der BehandlungHäufiges Nichtansprechen auf die Behandlung
Langfristige Erhaltungstherapie 
erforderlichVariabel100%
ANA = antinukleäre Antikörper; SMA = Antikörper gegen glatte Muskulatur; Anti-SLA/LP = Antikörper gegen lösliches Leberantigen/Leber-Pankreas-Antigen; 
LKM = Leber-Nieren-Mikrosomen-Antikörper; Anti-LC = Antikörper gegen zytosolische Leberantigene.
Sie erhalten die Resultate der zusätzlichen Schilddrüsenwerte: das freie Thyroxin (T4) beträgt 60 pmol/l (Normbereich 12–22 pmol/l) und das freie Triiodthyronin (T3) 16,9 pmol/l (Normbereich 3,1–6,8 pmol/l). Während der zielgerichteten Anamnese berichtet Ihre Patientin von Nervosität, Schlaflosigkeit, Wärme­unverträglichkeit und gelegentlichen Palpitationen. Sie ergänzen die Laboruntersuchung durch eine Bestimmung der Schilddrüsenantikörpertiter, die mit einem TSH-Rezeptor-Antikörperwert von 11,7 U/l (Normbereich <1,75 U/l) einem Thyreoperoxidase-Anti­körperwert von 439,2 kU/l (Normbereich <43 kU/l) und einem Thyreoglobulin-Antikörperwert von 346 kU/l (Normbereich <33 kU/l) eindeutig positiv sind. Beim Ultraschall der Schilddrüse wird eine Hypervaskularisation beider Schilddrüsenlappen ohne sichtbaren Schilddrüsenknoten festgestellt.

Frage 4: Aufgrund dessen diagnostizieren Sie Morbus Basedow. Welche Behandlung erscheint Ihnen für Ihre Patientin am wenigsten indiziert?


a) Propranolol
b) Ein Thyreostatikum, welches die Schilddrüsenhormonsynthese hemmt (Carbimazol oder Propylthiouracil)
c) Lorazepam
d) Colestyramin
e) Prednison
Üblicherweise werden Thyreostatika, wie Methimazol und Propylthiouracil, welche die Schilddrüsenhormon­synthese direkt hemmen und Thyroxin (T4) in Triiodthyronin (T3) umwandeln, als Behandlung erster Wahl eingesetzt. Bei sehr schlechten Leberwerten sind sie jedoch kontraindiziert. In diesem Fall sollte mit der Behandlung bis zur signifikanten Besserung der Leberwerte abgewartet werden. Zwei weitere Therapie­optionen sind die Radiojodtherapie und die chirurgische Schilddrüsenentfernung, welche jedoch üblicherweise erst nach unzureichendem Ansprechen auf Thyreostatika zum Einsatz kommen.
Betablocker werden aufgrund ihrer antagonistischen Wirkung auf die Adrenorezeptoren zur Reduktion der Symptome des sympathischen Nervensystems (Zittern, Tachykardie, Schwitzen) eingesetzt. Hochdosiert wirken sie ebenfalls hemmend auf die Umwandlung von Thyroxin in Triiodthyronin im Zellinneren. Zur symptomatischen Behandlung von Morbus Basedow werden ebenfalls Benzodiazepine wie Lorazepam eingesetzt, die hauptsächlich über die Nieren ausgeschieden werden. Cholestyramin wird üblicherweise zur Behandlung von cholestatischem Pruritus angewendet und erhöht durch die Bildung unlöslicher Komplexe im Verdauungstrakt die Ausscheidung der Gallen­säuren über den Stuhl. Ausserdem fördert es in ähnlicher Weise die Ausscheidung von Triiodthyronin.
Kortikoide verringern die Umwandlung von Thyroxin in Triiodthyronin und bewirken auf diese Weise eine rasche Abnahme des Triiodthyroninspiegels im ­Blutserum. Aufgrund ihrer kurz- und langfristigen ­Nebenwirkungen werden sie jedoch nur bei schweren Manifestationen oder OP-vorbereitend eingesetzt. Nichtsdestotrotz weist Ihre Patientin bereits eine unabhängige Indikation für eine immunsupprimierende Behandlung mit möglichem indirektem Nutzen auf die Hyperthyreosekontrolle auf.
Nach interdisziplinären Gesprächen mit Ihren Facharztkollegen für Endokrinologie und Hepatologie ­entscheiden Sie sich, eine Kortikosteroidbehandlung und zusätzlich eine symptomatische Hyperthyreose­behandlung zu beginnen. Ein Thyreostatikum, welches die Schilddrüsenhormonsynthese hemmt, kommt erst später, nach einer Besserung der Leberwerte zum Einsatz.

Frage 5: Nach der Verkündung der Diagnose Autoimmun­hepatitis hat sich Ihre Patientin im Internet informiert. Sie befragt Sie über den Wahrheitsgehalt verschiedener Informationen aus Internetforen. Welche der folgenden Aussagen ist falsch?


a) Durch die Behandlung kann es zu einer Remission kommen.
b) Es sind Rezidive zu befürchten.
c) Eine Autoimmunhepatitis ist häufig mit einer weiteren ­Autoimmunerkrankung assoziiert.
d) Wird eine Autoimmunhepatitis im Leberzirrhosestadium festgestellt, ist das Risiko für ein hepatozelluläres Karzinom erhöht.
e) Liegen keine Symptome vor, ist eine Behandlung nicht indiziert.
Eine Autoimmunhepatitis muss frühzeitig behandelt werden, um Komplikationen wie eine Leberzirrhose und Rezidive zu vermeiden. Als Behandlung erster Wahl kommt eine Therapie mit Kortikoiden und ­Azathioprin zum Einsatz, deren Remissionsrate 85% beträgt. Der Verlauf kann, insbesondere bei Auto­immunhepatitis Typ 2 oder 3, durch Rezidive gekennzeichnet sein (Tab. 3). Daher ist eine Erhaltungstherapie mit Azathioprin indiziert.
Eine Leberzirrhose ist, unabhängig von der Ursache, mit einem erhöhten Risiko für ein hepatozelluläres Karzinom assoziiert. Aufgrund dessen wird ein regelmässiges Screening empfohlen.
Eine weitere Autoimmunkrankheit, wie eine Schilddrüsenerkrankung, eine entzündliche Erkrankung des Verdauungstrakts oder Typ-1-Diabetes wird bei ca. ¼ der Patienten mit Autoimmunhepatitis beobachtet. Dies ist in bestimmten diagnostischen Scores für Autoimmunhepatitis als Kriterium enthalten.
Unter der Kortikoidbehandlung sind der klinische Verlauf und die Entwicklung der Laborwerte Ihrer Patientin positiv. Sie stellen fest, dass sich die Leberwerte und die Hyperbilirubinämie nach einem Monat normalisiert haben, woraufhin zunächst mit einer Azathioprin- und anschliessend mit einer Carbimazolbehandlung begonnen werden kann.

Diskussion

Autoimmunhepatitis ist eine seltene Erkrankung (mit einer Prävalenz von 42,9/100 000) mit zwei Erkrankungsspitzen im Kindes- und Jugendalter sowie zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. Bei auffälligen ­Leberwerten sollte diese Diagnose aufgrund ihres Therapiebedarfs zwingend abgeklärt werden. Obgleich die Erkrankung mit unspezifischen Antikörpern einhergeht, ist ihre Pathophysiologie bis dato unbekannt. Da das klinische Erscheinungsbild unterschiedlich ausfällt, wird die Diagnose anhand der Autoantikörperkonstellation und der histologischen Untersuchung gestellt, wobei auch der Typ der Autoimmunhepatitis bestimmt wird. Unter Immunsuppressiva ist der Verlauf üblicherweise gut, die Behandlung wird jedoch, insbesondere bei Autoimmunhepatitis Typ 2 und 3, häufig fortgesetzt.
Etwa 25% der Patienten mit Autoimmunhepatitis weisen eine weitere mediierte Autoimmunerkrankung auf, weshalb die Wachsamkeit des Hausarztes gefragt ist.

Antworten:


Frage 1: e. Frage 2: e. Frage 3: b. Frage 4: b. Frage 5: e.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Alexandra Schneider,
médecin assistante
Centre Hospitalier Universitaire Vaudois
Rue du Bugnon 46
CH-1011 Lausanne
alexandra.schneider[at]chuv.ch
1 Ständer S, Weisshaar E, Mettang T, Szepietowski JC, Carstens E, Ikoma A, et al. Clinical classification of itch: a position paper of the international forum for the study of itch. Acta Derm Venereol. 2007;87:291–4.
2 European Association for the Study of the Liver. EASL Clinical Practice Guidelines: Autoimmune hepatitis. J Hepatol. 2015;63(4):971–1004.
3 Heneghan MA, Yeomman AD, Verma S, Smith AD, Longhi MS. Autoimmune hepatitis. Lancet.2013;382:1433–44.
4 Burch HB, Cooper DS. Management of Graves Disease. A review. JAMA. 2015;314(23):2544–54.
5 Hennes EM, Zeniya M, Czaja AJ, Parés A, Dalekos GN, Krawitt EL, et al. Simplified criteria for the diagnosis of autoimmune hepatitis. Hepatology. 2008;48(1):169–76.