Die kindliche Monteggia-Läsion
Minimal-invasive Versorgung mittels Prevot-Nagelung

Die kindliche Monteggia-Läsion

Fallberichte
Ausgabe
2018/18
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03217
Schweiz Med Forum 2018;18(18):404-406

Affiliations
Klinik für Orthopädie, Spitalregion Rheintal Werdenberg und Sarganserland, Grabs

Publiziert am 02.05.2018

Die Mutter des achtjährigen Patienten berichtet, dass ihr Sohn mit ausgestrecktem Arm von der Schaukel gefallen sei.

Hintergrund

Unterarmfrakturen stellen einen Grossteil der kindlichen Frakturen dar. Dabei haben Monteggia-Läsionen einen Anteil von 2–5% [1]. In unserem Fall präsentierte sich ein achtjähriger Junge, welcher aus geringer Höhe auf das extendierte Ellbogengelenk stürzte. Die «Closed-Reduction» des luxierten Radiusköpfchens und die in minimal-invasiver Technik (Prevot-Nagelung) durchgeführte operative Versorgung der Ulna konnten komplikationslos durchgeführt werden. Drei Monate nach der Erstversorgung wurde der Prevot-Nagel entfernt. Auch bis heute zeigte unser Patient klinisch keinerlei Defizite im Bereich der ehemals verletzten oberen Ex­tremität.

Fallbeschreibung

Anamnese

Die Mutter des achtjährigen Patienten berichtet, dass ihr Sohn mit ausgestrecktem Arm von der Schaukel gefallen sei. Daraus resultiere die nun vorhandene Fehlstellung als auch die starken Schmerzen im Bereich des linken Ellbogengelenkes. Die Hand konnte unter Schmerzen im Ellbogengelenk weiterhin frei bewegt werden, jedoch würde ein «Verdrehen» der Hand Schmerzen im Ellbogenbereich verursachen.

Status

Arm links: Fehlstellung des Unterarms in schmerzbedingter flektierter und pronierter Schonhaltung. Integument unauffällig. Druckdolenz an der proximalen dorsalen Ulna und über dem Radiusköpfchen. Untersuchung des Bewegungsausmasses nach der Neutral-0-Methode aufgrund von Schmerzen nicht möglich. Pulse der A. radialis und A. ulnaris palpabel. Keine sensiblen Ausfälle.

Bildgebung

Röntgen ap / lateral

Radiusköpfchenluxation mit dislozierter Fraktur der Ulna und diaphysärer Fraktur des Radius.

Diagnose

Monteggia-Läsion Unterarm links (klassifiziert nach Bado I).

Klassifikation

Es existieren diverse Klassifikationen der Monteggia-Läsion. In unserem Haus wird die Klassifikation nach Bado verwendet [3]. Nach Bado werden Monteggia-Läsionen wie folgt unterteilt (Abb. 1):
Abbildung 1: Klassifikation nach Bado (© CT).
Bado I: ventrale Dislokation des Radiusköpfchens
Bado II: posteriore Dislokation des Radiusköpfchens
Bado III: ventrolaterale Dislokation des Radiusköpfchens
Bado IV: wie Bado I mit zusätzlicher Fraktur des Radiusköpfchens

Therapie

«Closed-Reduction» des Radiusköpfchen und Prevo-Nagelung der Ulna. Postoperative Immobilisation des Ellbogens mittels Oberarmgips. Zirkularisation des Gipses eine Woche postoperativ und tragen dessen für weitere drei Wochen. Metallentfernung drei Monate postoperativ.

Verlauf (Abb. 2–5)

Klinische und radiologische Kontrolle eine Woche nach Operation in unserer Sprechstunde mit anschlies­sender Zirkularisierung. Der Patient zeigte sich schmerzarm. Radiologisch konnte eine korrekte Stellung der Ulna sowie eine korrekte Artikulation des humero­radialen bzw. radioulnaren Gelenkes nachgewiesen ­werden. Die postoperative Zwölf-Wochen-Kon­trolle zeigte schmerzfreie Bewegungsausmasse (Extension/Flexion: 5°/0°/145°), bei einem 5°-Extensionsdefizit im Vergleich zur Gegenseite. Radiologisch zeigte sich die Fraktur der Ulna bereits vollständig konsolidiert.
Aufgrund des positiven Verlaufes konnte drei Monate postoperativ das Osteosynthesenmaterial problemlos entfernt werden.
Abbildung 2: Ellenbogen links ap / lateral: initiales Trauma.
Abbildung 3: Ellenbogen links ap / lateral: eine Woche postoperativ.
Abbildung 4: Ellenbogen links ap / lateral: sechs Wochen postoperativ.
Abbildung 5: Ellenbogen links ap / lateral: zwölf Wochen postoperativ.

Diskussion

Auch wenn die kindliche Monteggia-Fraktur nur 2–5% der Unterarmfrakturen in dieser Altersgruppe ausmachen, so können übersehene Monteggia-Läsionen mit erheblichen funktionellen Beeinträchtigungen im alltäglichen Leben einhergehen. Durch das altersabhängige Auftreten der Knochenkerne kann allein die radiologische Diagnostik eine grosse Herausforderung für den unerfahrenen Traumatologen darstellen [4]. Das Behandlungsergebnis hängt im Wesentlichen von der korrekten initialen Diagnostik als auch der sofortigen operativen Versorgung ab. Diese beinhaltet eine exakte anatomische Wiederherstellung der humeroradialen Artikulation, welche sich zumeist nach achsengerechter Versorgung der Ulna wieder ergibt [5, 6]. In einem «historical Review» beschrieben Shady und Mitarbeiter bereits den zeitlichen Wandel der Therapiestrategie einer solch komplexen Verletzung. Wurde die Verletzung initial (1814) noch reponiert und extrakorporal geschient, so wandelt sich dies bereits durch die neu gewonnenen Erkenntnisse bezüglich Verletzungsmuster durch Bado und später durch Jupiter und Mitarbeiter. Aber auch durch die neu vorhandenen tech­nischen Möglichkeiten wurde eine Monteggia-Läsion bereits Ende des letzten Jahrhunderts mittels offener Reposition und dorsaler Plattenosteosynthese versorgt, was auch heute noch als die Standardversorgung angesehen werden kann [7, 8]. Unserer Meinung nach sollte die minmal-invasive Versorgung mittels Prevot-Nagelung der offenen Reposition und Refixation mittels LCDCP-Platte jedoch vorgezogen werden. So konnten auch wir nach erfolgreicher Reposition des Radiusköpfchens die Ulna mittels Prevot-Nagel osteosyn­thetisch versorgen. Vorteile dieser sind aus unserer Sicht der zum einen reduzierte Weichteilschaden, die kürzere Immobilisation und ein signifikant geringeres Auftreten an sekundären Komplikationen. So beschrieben Fernandez und Mitarbeiter signifikant weniger Komplikationen bezüglich des Zugangsweges, der Operationszeit, des Krankenhausaufenthaltes und des ­ästhetischen Outcome bei einer intramedullären Nagelversorgung gegenüber einer offenen Reposition mit gleichzeitiger Plattenosteosynthese [9]. Unabhängig von der Wahl der operativen Technik sollte perioperativ die korrekte Seitenbandführung überprüft werden, da bei einer Insuffizienz derer eine sekundäre Instabilität zu befürchten ist [10]. Wird eine Monteggia-Läsion übersehen, so kann dies für den Patienten gravierende Folgen haben. Ein überschiessendes Längenwachstum des Radius, eine Valgus-Fehlstellung im Ellbogengelenk, eine eingeschränkte Beweglichkeit, eine verfrühte Arthrose oder eine persistierende Luxationstendenz des Radiusköpfchens sind mögliche Komplikationen [11]. Noch immer stellen sekundäre Rekonstruktionen eine hohe Herausforderung an Operateur und Patient dar, können aber durch die initial korrekte Behandlung in einem Grossteil der Fälle vermieden werden [10]. Ebenfalls als einheitlich zu sehen ist die postoperative Behandlung, welche sich aus einer kurzen Ruhigstellung des Ellbogengelenkes (zwei bis vier Wochen) und einer darauffolgenden frühfunktionellen Nachbehandlung zusammensetzt [7, 12].

Das Wichtigste für die Praxis

• Die Monteggia-Läsion zählt zu den selteneren Krankheitsbildern der kindlichen Traumatologie.
• Aufgrund ausgeprägter funktioneller Beeinträchtigungen, bei nicht diagnostizierten Läsionen ist die korrekte Diagnostik obligat und eine radiologische Zwei-Ebenen-Diagnostik des Ellenbogens zum Ausschluss einer Radiusköpfchendislokation zwingend erforderlich.
• Wird eine Monteggia-Läsion diagnostiziert, so sollte nach unserer Meinung die sofortige minimal-invasive operative Versorgung mittels Prevot-­Nagelung und die frühfunktionelle Nachbehandlung die Therapie der Wahl darstellen.
Alle Röntgen-Abbildungen sind Eigentum des Departments Chirurgie und Orthopädie des Spitals Walenstadt. Wir danken jedoch der ­Abteilung für Radiologie für die Zurverfügungstellung der Bilder.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Franz Roth, dipl. Arzt
Spital Walenstadt
Department Orthopädie
Spitalstr. 5
CH-8880 Walenstadt
Roth.Franz[at]me.com
 1 Korner J, Lill H, Josten C. Monteggiaverletzungen. In: Josten C, Lill H (eds.). Ellenbogenverletzungen. Darmstadt: Steinkopff, Darmstadt. 2002. p. 123–36.
 2 Josten C, Freitag S. Monteggia and Monteggia-like-lesions: classification, indication, and techniques in operativ treatment. Eur J Trauma Emerg Surg. 2009:35(3);296–304.
 3 Bado JL. The Monteggia lesion. Clin Orthop. 1967;50:71–86.
 4 Von Laer L. Frakturen und Luxationen im Wachstumsalter. 2. Aufl. Stuttgart, New York: Thieme; 1991.
 5 Oestern HJ, Rieger G, Jansen T. Intramedulläre Osteosynthesen beim Kind. Unfallchirurg. 2000;103:2–11.
 6 Weise K, Schwab E, Scheufele TM. Ellenbogenverletzungen im Kindesalter. Unfallchirurg. 1997;100:255–69.
 7 Rehim SA, Maynard MA, Sebastian SJ, Chung KC. Monteggia fracture dislocations: a historical review. J Hand Surg Am. 2014;39(7):1384–94.
 8 Jupiter JB, Leibovic SJ, Ribbans W, Wilk RM. The posterior Monteggia lesion. J Orthop Trauma. 1991;5(4):395–402. ­[PubMed: 1761999].
 9 Fernandes FF, et al. Unstabel diaphyseal fractures of both bones of the forearm in children: Plate fixation versus intramedullary nailing. Injury. 2005;36(10):1210–6.
10 van Laer L, Piwitz A, Hasler CC. Late missed Monteggia fractures. Tech Orthop. 2000;15:30.
11 Kraus T, Tauber S, Linhart W. Posttraumatische Komplikationen am kindlichen Ellenbogen. Orthopade. 2013;42(1):57–70.
12 Korner J, Hansen M, Weinberg A, Hessmann M, Rommens PM. Monteggia fractures in childhood – diagnoses and management in acute and chronic cases. Eur J Trauma. 2004;30(6):361–70.