– Lageabhängige Dyspnoe (Platypnoe) und Sauerstoffentsättigung in aufrechter Körperposition (Orthodeoxie).
– Gegensatz zur Orthopnoe bei Linksherzinsuffzienz, die sich beim Aufsitzen bessert, typisch auch als paroxysmal nächtliche Dyspnoe auftritt.
– Vorkommen bei intrakardialen (z.B. Vorhofseptumdefekt) oder intrapulmonalen Links-rechts-Shunts und vorbestehenden Ventilations-Perfusions-Ungleichheiten (z.B. pulmonal-arterielle Hypertonie).
– Mechanistisch am ehesten lageabhängige Verstärkung der Ventilations-Perfusions-Ungleichgewichte.
Am J Med. 2018;131(3):250–2.
doi.org/10.1016/j.amjmed.2017.11.003.
Verfasst am 16.02.2018.
Praxisrelevant
Gehäuft invasive Pneumokokkeninfekte bei oder wegen Opioiden
In einer sogenannt «nested-control study» (siehe Erklärung am Schluss) an PatientInnen des «Tennessee Medicaid» Systems wurde gefunden, dass bei legalem, medizinisch verordnetem Gebrauch von Opioiden das Risiko, eine invasive Pneumokokkeninfektion zu erleiden (Pneumonie und andere Pneumokokkeninfekte), um 62% anstieg. Das Risiko war überproportional höher (etwa verdoppelt), wenn langwirkende Opioide oder höhere Dosen (50–90 mg Morphin-Äquivalenzdosen) zur Anwendung gelangten. Die immunsuppressive Wirkung der Opioide ist aus Tierversuchen bekannt. Opioidzufuhr in medizinischer Indikation ist demnach ein neuer Risikofaktor für invasive Pneumokokkeninfekte. Angesichts der enormen Mengen von medizinisch verschriebenen Opioiden (siehe «Das hat uns gar nicht gefreut») eine überaus wichtige Beobachtung. Frage an der nächsten Konsultation: Braucht dieser Patient wirklich ein Opioid und wenn ja, in welcher Dosis?
Was ist eine sog. «nested control study»?
Sie ist eine Variante der sogenannten «case control»-Studie. Man identifziert in einer gegebenen Kohorte die Erkrankungsfälle (invasive Pneumokokkeninfekte im Beispiel) und vergleicht deren Charakteristika nicht mit der ganzen Kohorte (das wäre die ganze «Tennessee Medicaid»-Population, klassischer «case-control»-Ansatz), sondern man vergleicht diese Fälle mit einer (prä-)definierten Zahl von Nicht-Erkrankten. Diese Technik kann angewendet werden, wenn die Kontrollpopulation sehr gross ist oder die Parameter, die bei Erkrankten und Nicht-Erkrankten erhoben werden müssen, sehr aufwendig oder teuer (z.B. genetische Tests, Bildgebungen) sind. In der oben angezeigten Studie wurden 1233 Fälle von invasiven Pneumokokkeninfekten mit 24 399 (also knapp 20-mal mehr) Kontrollen verglichen.
Ann Intern Med. 2018 Feb 13.
doi: 10.7326/M17-1907.
Verfasst am 16.02.2018 auf Hinweis von Prof. K. Neftel (Gléresse).
Neues aus der Biologie
Diätintervention gegen Fettleber
Die Pathophysiologie der Lebersteatose ist trotz deren epidemiologischen Bedeutung schlecht untersucht (siehe «Fokus auf ...» SMF 05/2018 [1]). In einer Studie [2] an adipösen PatientInnen mit Fettleber führt eine kohlehydratreduzierte isokalorische (deshalb etwas proteinreichere) Diät zu einer schnellen Abnahme des Leberfettes und einer Verbesserung kardiometabolischer Risikofaktoren. Ebenfalls führte diese Diätmodulation zu einer Steigerung der mitochondrialen Aktivität (nach Massgabe der Beta-OH-Butyrat[ein Ketokörper]-Konzentrationen). Sekundäre Veränderungen in der Zusammensetzung des intestinalen Mikrobioms führten zu einer erhöhten intestinalen Folsäureproduktion von einem Ausmass, das genügte, um die Plasmakonzentrationen der Folsäure signifikant zu erhöhen. Sekundäre Folgen der erhöhten endogenen Folsäureproduktion waren Stimulierungen verschiedener Enzyme (Monocarboxylat-Metabolismus), welche die Glutathionkonzentration und damit mutmasslich die sogenannte antioxidative Aktivität erhöhen. Folsäuresupplementation zur Prävention und Behandlung der Fettleber oder zwingende Reduktion der diätetischen Kohlehydrate? Oder gar beides?
Schon wieder: neue Rolle für ein altes Medikament (Digoxin)?
Kurz und bündig hatten wir über potentiell neue Wirkungen von Disulfiram (Antabus®) als «Onkostatikum» (SMF 05/2018 [1]) und von Clemastinfumarat (Tavegyl®) als Remyelinisierungsmittel bei der Multiplen Sklerose (SMF 04/2018 [2]) berichtet. In der Aufarbeitung der «Diätintervention gegen Fettleber» (siehe oben) sind wir auf Daten gestossen, die nahelegen, dass das kardiale Glykosid Digitalis bei Mäusen die Entzündungsaktivität und den Leberzellschaden bei alkoholischer und nichtalkoholischer Fettleber signifikant hemmt [3]. Das identifizierte Zielprotein des Digoxins ist in diesem Falle ein Isoenzym der Pyruvatkinase, sekundäre Folge davon ist eine Reduktion der HIF-1alpha-Expression und konsektuiv einer Reihe von HIF-regulierten Enzymen. Mindestens bei diesen Mäusen lag die wirksame Digoxindosis deutlich unter derjenigen, die erforderlich ist, um einen kardialen Effekt (positive Inotropie, reduzierte Chronotropie) zu erreichen. Sind damit vielleicht die bekannten kardialen Nebenwirkungen auch ohne Bedrohung?
Keine neuen chirurgischen Indikationen oder Techniken ohne (bessere) Evaluation!
Klinische, chirurgische Forschung von guter Qualität ist schwierig und wird seit Langem deshalb kritisiert (u.a. fehlende Kontrollen, fast immer unmögliche Plazebokontrolle, häufige Wechsel der StudienpatientInnen während der Studie vom konservativen in den invasiven Arm). Die Gefahr ist, dass neue chirurgische Behandlungen mit dünner Evidenz eingeführt werden und dass – andererseits – diese dünne Evidenz das Einwerben von Drittmitteln erschwert, wodurch der Innovationsprozess verlangsamt werden könnte.
Die Initiative «Idea, Development, Exploration, Assessment, and Long-Term Follow-up» (IDEAL) hat 2009 [1] Empfehlungen für die Durchführung besserer chirurgischer Studienmethoden abgegeben. Werden sie befolgt und was bleibt weiterhin zu tun?
Gemäss einer vergleichenden Analyse chirurgischer Studien (2000–2004 verglichen mit 2010–2014) [2] haben sich der Gebrauch von standardisierten «Outcome»-Messungen und die Anwendung der CONSORT-Standards («Consolidated Standards of Reporting Trials»), die Dokumentation der Qualität des Eingriffes und der Lernkurven bei Neueingriffen verbessert. Leider konnte aber keine Verbesserung der Qualität der spezifischen Forschungsstudie und in der Berichterstattung von Modifikationen der chirurgischen Techniken während einer Studie gefunden werden. Raum für Verbesserungen also! Könnte das korrekte Studium von Kyphoplastie/Vertebroplastie in der Schweiz einen Anfang machen?
Wirkung des atrialen natriuretischen Peptides beim Menschen
Die Berner Hypertonie-Nephrologie-Forschungsgruppe (unter Leitung von P. Weidmann) berichtete 1986 über Plasmakonzentrationen sowie die endokrinen und renalen Effekte des atrialen natriuretischen Peptides (ANP) bei normalen menschlichen Probanden. Eine Bolusinjektion respektive Kurzinfusion von (alpha)-humanem ANP reduzierte den Blutdruck und erhöhte sowohl die glomeruläre Filtrationsrate und als auch die Natriurese (siehe Abb. 1). Die Analyse, dass die Natriurese nicht nur durch eine Erhöhung der glomerulären Filtrationsrate erklärt werden konnte, wies auf einen zusätzlichen tubulären Wirkungsort von ANP hin.
Angesichts des neu identifizierten Risikofaktors «Opioid-Verschreibung» für invasive Pneumokokkeninfekte (siehe oben) hat uns interessiert und gleichzeitig betrübt zu lesen, dass während des Jahres 2015 etwa 91,8 Mio US-Amerikaner (d.h. satte 37,8% der Bevölkerung!) Opioide einnahmen. Der Löwenanteil waren durch Ärzte verschriebene Opioide (90 Mio, davon ca. 11,5 mit Anwendungen im Sinne des falschen Gebrauchs [zu lange, zu hoch etc., «misuse»]) und 1,9 Mio als flagranter Abusus («abuse»). Die Konsequenzen bei Übertragung dieser Daten auf Schweizer Verhältnisse sind wohl evident …