Akute Laryngotracheitis mit Stridor und schwerer Dyspnoe
Wenn dem Notarzt die Luft wegbleibt …

Akute Laryngotracheitis mit Stridor und schwerer Dyspnoe

Fallberichte
Ausgabe
2018/21
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03248
Schweiz Med Forum 2018;18(21):452-454

Affiliations
Departement Innere Medizin, Kantonsspital Graubünden, Chur; Praxis für Interventionelle Schmerztherapie und Neuraltherapie, Basel

Publiziert am 23.05.2018

Die notfallmässige Vorstellung des 43-jährigen Patienten mit der Rettung erfolgte aufgrund von kurz nach 04:00 nachts akut aufgetretener Dyspnoe und inspiratorischem Stridor mit zervikalem Engegefühl.

Fallbericht

Anamnese

Die notfallmässige Vorstellung des 43-jährigen Patienten mit der Rettung erfolgte aufgrund von kurz nach 04:00 nachts akut aufgetretener Dyspnoe und inspiratorischem Stridor mit zervikalem Engegefühl. Seit dem Vortag bestünden Heiserkeit und Husten ohne Fieber, der Patient, der selbst Anästhesist ist, sei aber normal arbeiten gegangen. Am Abend habe er sich für den Pikett-Einsatz als REGA-Notarzt zur Basis begeben und sei dort ohne wesentliche Beschwerden eingeschlafen. Um 04:00 Uhr nachts wachte er plötzlich mit Husten und Odynophagie auf. Innerhalb von wenigen Minuten bildeten sich stärkste Dyspnoe mit einem inspiratorischen Stridor und ausgeprägtem Engegefühl im Halsbereich aus. Ein Versuch mit Inhalation von warmem Dampf und einem Lidocain/Chlorhexidin-Spray brachten keine Besserung, worauf der Patient nur mit grösster Anstrengung gerade noch die Rettung alarmieren konnte. Als diese eintraf, präsentierte sich der Patient mit starker Dyspnoe und Unfähigkeit zum Sprechen, jedoch wach mit suffizienter Sauerstoffsättigung bei Raumluft. Unter sofortiger Inhalation mit Adrenalin kam es zu einem raschen Ansprechen mit Regredienz der Beschwerden. Allergien oder Asthma bronchiale seien nicht bekannt, ein Insektenstich war nicht bemerkt worden. Pulmonale oder kardiale Vorerkrankungen wurden verneint. Der dreijährige Sohn des Patienten habe in den letzten Tagen Husten und Fieber gehabt, dieser sei im Gegensatz zu ihm gegen Haemophilus geimpft worden. Es bestünden keine kürzlichen Auslandaufenthalte.

Status

Bei Eintritt präsentierte sich ein sitzender, leicht hypertoner, afebriler Patient mit inspiratorischem Stridor und ausgeprägter Tachydyspnoe in deutlich reduziertem Allgemeinzustand. Die periphere Sauerstoffsättigung unter Raumluft betrug 100%, die Atemfrequenz nach Adrenalin­inhalation 22/min.
In der enoralen Untersuchung zeigte sich der Rachen posterior leicht gerötet bei ansonsten unauffälligem Befund. Es bestand keine Sialorrhoe. Auskultatorisch fand sich neben dem Stridor ein vesikuläres Atemgeräusch über allen Lungenfeldern mit leichten Rasselgeräuschen links basal. Der Patient zeigte sich kardial kompensiert und neurologisch grobkursorisch unauffällig.

Diagnostik, Therapie und Verlauf

Der Eintritt erfolgte initial über den Schockraum in Intubationsbereitschaft. Nachdem bereits von der Rettung eine Inhalation mit Adrenalin begonnen und Methylprednisolon und Clemastin verabreicht worden waren, kam es zu einer raschen Regredienz der Dyspnoe und des Stridors und zur Stabilisierung der Gesamtsituation. Konventionell radiologisch (Abb. 1) zeigte sich eine fokale sanduhrförmige Einengung des subglottischen Raumes. Laborchemisch fanden sich eine geringe Leukozytose von 11200/μl und ein leicht erhöhtes CRP von 11 mg/l. In der venösen Blutgasanalyse fielen eine respiratorische Alkalose mit einem pH-Wert von 7,51 und ein erhöhtes Laktat von 4,1 mmol/l, bei ansonsten unauffälligen Werten auf.
Abbildung 1: Röntgen Thorax stehend mit Einengung 
des subglottischen Raumes.
Aufgrund der Lokalisation der Einengung kam eine Epiglottitis primär eher nicht in Frage, sodass wir am ehesten von einer Tracheitis ausgingen. Differential­diagnostisch war zu Beginn auch an ein Angioödem oder einen Laryngospasmus allergischer Genese zu denken.
Die transnasale Fiberendoskopie, die nach einigen Stunden und repetitiven Inhalationen mit Adrenalin und Verabreichung von Methylprednisolon und Clemastin durch die Kollegen der Otorhinolaryngologie durchgeführt wurde, zeigte einen blanden Epipharynx und unauffälligen Zungengrund. Der Endolarynx inklusive laryngealer und lingualer Epiglottis, aryepiglottischer Falten, Taschenfalten und Stimmbänder präsentierten sich deutlich gerötet und gefässinjiziert, jedoch ohne Ödem. Die Stimmlippen waren symme­trisch beweglich, ohne Speichelseen, direkt subglottisch war keine Raumforderung einsehbar. Es wurde die Diagnose einer Laryngotracheitis, am ehesten viraler Genese, gestellt. Zum Ausschluss einer trachealen Obstruktion bei fraglicher Trachealeinengung veranlassten wir in der Folge noch eine Comuptertomographie (CT) des Halses und des oberen Mediastinums. CT-morphologisch fand sich einige Stunden nach Eintritt bereits ein unauffälliger Befund mit normaler Darstellung der Schilddrüse, symmetrischen supra- sowie ­infrahyoidalen Räumen und ohne grössere, umschriebene Raumforderungen. Das prävertebrale Weich-­teilgewebe präsentierte sich unauffällig und nicht verbreitert. Es bestand kein Hinweis auf ein entzündliches Geschehen im Sinne eines Abszesses. Des Weiteren führten wir einen Nasopharyngealabstrich durch, in dem mittels PCR Rhinoviren nachgewiesen werden konnten. Alle übrigen respiratorischen Viren waren negativ. In den abgenommenen Blutkulturen konnte kein Wachstum nachgewiesen werden.
Aufgrund des klinisch bedrohlichen Zustandes initiierten wir trotz primären Verdachts auf einen viralen Infekt eine empirische Antibiotikatherapie mit Ceftriaxon iv. und nahmen den mittlerweile stabilen Patienten zur weiteren Überwachung stationär auf. In der Folge hielten wir Rücksprache mit unserem Infektiologen, der ebenfalls am ehesten von einer viralen Laryngotracheitis ausging, aber aufgrund des dramatischen Verlaufs dennoch empfahl, eine Antibiotikatherapie mit Amoxicillin/Clavulansäure für fünf Tage durchzuführen. Wir konnten den Patienten bereits am Folgetag in deutlich gebessertem Zustand nach Hause entlassen. Er berichtete später, noch rund eine Woche in deutlich reduziertem Allgemeinbefinden gewesen zu sein.

Diskussion

In Zusammenschau der Befunde und der Anamnese mit respiratorischem Infekt des Sohnes gehen wir am ehesten von einem respiratorischen Infekt mit Rhinovirus als Auslöser der akuten Laryngotracheitis mit akutem Stridor und schwerer Dyspnoe aus. Eine durch Rhinovirus ausgelöste Laryngotracheitis mit den zuvor beschriebenen Symptomen ist vor allem im Kindesalter bekannt und sehr ungewöhnlich für einen sonst gesunden erwachsenen Patienten. In der Literatur lassen sich Fallbeschreibungen und Studien zu diesem Thema bei Kindern oder im Zusammenhang mit chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen wie COPD oder Asthma bronchiale finden. Bei unserem Patienten bestand keine dieser Erkrankungen, auch war er kein Raucher. Somit war auch ein allergisches Geschehen in Betracht zu ziehen. Dafür spräche das rasche Ansprechen auf Adrenalin und die Antihistaminika. Ferner können Rhinoviren auch häufig bei asymptomatischen Familienmitgliedern von erkrankten Kindern nachgewiesen werden [3]. Weil aber schon am Vortag Heiserkeit und Husten bestanden, der dreijährige Sohn in den letzten Tagen auch an Husten und Fieber gelitten hatte und der Allgemeinzustand nach einigen Tagen noch reduziert war, ist aus unserer Sicht ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Rhinovirus-Nachweis und der Klinik doch wahrscheinlich.

Humanes Rhinovirus

Das humane Rhinovirus (HRV) gehört in die Familie der Picornaviren und bildet drei Gruppen (A–C). Mittlerweile sind über 150 Serotypen bekannt. Klinisch können Rhinovirus-Infektionen das ganze Jahr über auftreten, scheinen aber einen saisonalen Peak zu haben, der eher mit dem Sozialverhalten als mit klimatischen Bedingungen in Zusammenhang zu stehen scheint. Studien aus den USA zeigen, dass der stärkste Anstieg der Rhinovirus-Infektionen im August und September mit dem Schulbeginn zusammenfällt [1].
Zwischen 2008 bis 2010 wurde in den USA eine pro­spektive, populationsbasierte Kohortenstudie mit 2351 erwachsenen Patienten durchgeführt, die an einem möglicherweise Rhinovirus-assoziierten akuten Atemwegsinfekt erkrankt waren [2]. Ziel war es, die Faktoren herauszufinden, welche verantwortlich waren, dass es bei dieser meist mild oder asymptomatischen verlaufenden, häufigen Virusinfektion zu schwereren Verläufen mit Vorstellung auf dem Notfall oder Hospitalisierung kam. Hierzu wurden alle über 18-jährigen Patienten, die sich im Bundesstaat Tennessee ambulant wegen eines akuten Atemwegsinfektes vorgestellt hatten oder deswegen hospitalisiert werden mussten, evaluiert. Bei allen wurde ein Nasopharyngealabstrich entnommen und mittels RT-PCR auf Rhinoviren und andere respiratorische Viren getestet. Bei 247 Patienten (11%) wurde Rhinovirus nachgewiesen. Es kam zu 7 Rhinovirus-assoziierten Vorstellungen auf dem Notfall und 3 Hospitalisationen pro 1000 Einwohner jährlich. Patienten mit bestätigter Rhinovirus-Infektion präsentierten sich im Vergleich zu jenen mit Virus-negativem akutem Atemwegsinfekt häufiger mit Wheezing (Odds Ration [OR], 1,7; p<.001), waren häufiger Raucher oder Passivraucher (OR 2,3, bzw. 1,72) und litten häufiger an chronischen Erkrankungen der Atemwege (OR 1,61). Interessanterweise zeigten weder Raucher noch Passivraucher im Vergleich zu Nichtrauchern ein signifikant höheres Risiko, an einem anderen Atemwegsvirus zu erkranken. Jedoch war eine chronische Steroideinnahme mit einem höheren Risiko assoziiert, an einem anderen Virus zu erkranken, was bei an Rhinovirus erkrankten Patienten nicht der Fall war.

Schlussfolgerung

Zusammenfassend lässt sich in der vorliegenden Literatur zwar klar ein Zusammenhang zwischen einer Rhinovirus-Infektion mit dem gehäuft auftretenden Symptom des Wheezings feststellen; dieses tritt jedoch meist auf dem Boden einer pulmonalen Vorerkrankung oder Nikotinkonsums auf. Stridor im eigentlichen Sinne, wie es bei unserem Patienten aufgetreten ist, wird nur in der pädiatrischen Literatur beschrieben.

Das Wichtigste für die Praxis

• Auch gesunde Erwachsenen können an einem vermeintlich banalen respiratorischen Virusinfekt schwer erkranken.
• Bei Rauchern, Passivrauchern und Patienten mit chronischen respiratorischen Erkrankungen kann Rhinovirus im Rahmen eines akuten Atemwegsinfektes deutlich häufiger festgestellt werden und schwerere Verläufe zeigen als bei Patienten ohne diese Risikofaktoren.
Die Autoren danken den Radiologen des Kantonsspitals Graubünden für das zur Verfügung gestellte Bild sowie Dr. Fischer und Dr. Meerwein (Hals-Nasen-Ohren-Klinik, Kantonsspital Graubünden) für die erhobenen Befunde.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Prof. Dr. med. Thomas Fehr
Kantonsspital Graubünden
Loëstrasse 170
CH-7000 Chur
thomas.fehr[at]uzh.ch; thomas.fehr[at]ksgr.ch
1 Winther B, Hayden FG, Hendley JO. Picornavirus infection in children diagnosed by RT-PCR during longitudinal surveillance with weekly sampling: association with symptomatic illness and effect of season. J Med Virol. 2006; 78:644–50.
2 Miller EK, Linder J, Kraft D, Johnson M, Lu P, Saville BR, et al. Hospitalizations and outpatient visits for rhinovirus-associated acute respiratory illness in adults. J Allergy Clin Immunol. 2016 Mar; 137(3):734–43.
3 Jartti T, Jartti L, Peltola V, Waris M, Ruuskanen O. Identification of respiratory viruses in asymptomatic subjects.: asymptomatic respiratory viral infections. Pediatr Infect Dis J. 2008; 27(12):1103–7.