Scharlach wieder unter uns!

Scharlach wieder unter uns!

Kurz und bündig
Ausgabe
2018/1314
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03252
Schweiz Med Forum 2018;18(1314):291-292

Publiziert am 28.03.2018

Fokus auf … Scharlach

– Komplikation bei Infektion mit Streptokokken der Gruppe A, meist als Folge von Angina, seltener von Hautinfekten
– Kinder zwischen 5 und 15 Jahren, vor allem in den Frühjahrsmonaten befallen
Symptome/Zeichen: Angina, Fieber, Kopfschmerzen, Lymphadenopathie, Hautausschlag (makulo-papuläres Exanthem, Haut fühlt sich wie feines Schmirgelpapier an), rote Zunge (Erdbeerzunge) mit weis­sem Belag, hochrote Wangen, Keratinolyse an Finger- und Zehenspitzen
Komplikationen (durch Antibiose vermeidbar):
– lokal: direkte lokale Ausbreitung des entzündlichen Prozesses (Abszesse, Sinusitis, Mastoiditis)
– systemisch: Rheumatisches Fieber, Glomerulonephritis, reaktive Arthritis
Diagnose: Antigennachweis im Rachen (Strep A Test, spezifisch, aber nicht sehr sensitiv), Kultur
Therapie: Primär Penicillin V
Infektiosität: 2–4 Tage vor Symptombeginn bis zu 2 Wochen nach Erkrankungsbeginn, bei wirksamer Antibiose etwa noch 1 Tag
London J Prim Care (Abingdon). 2017;9(5):77–9.
Verfasst am 26.02.2018.

Praxisrelevant

Scharlach wieder unter uns!

Basierend auf dem obligatorischen Meldesystem für Scharlach in England und Wales wurden die Scharlachausbrüche und deren Erkrankungscharakteristika über einen Zeitraum von mehr als 100 (!) Jahren (1911–2016) untersucht. Zwischen 2013 und 2014 stiegen die Scharlachfälle sprunghaft um einen Faktor von mehr als 3 (8,2 auf 27,2 Fälle pro 100 000 Einwohner) und nahmen bis 2016 weiter leicht zu (33,2 Fälle/100 000 Einwohner). Absolut gesehen sah das Jahr in England/Wales 19 206 Scharlacherkrankungen, beobachtet in 620 Ausbrüchen, die über das ganze Land gleichmässig verteilt auftraten. 2016 war das «Scharlach-reichste» Jahr in den letzten 50 Jahren (siehe Abb. 1). Die Ausbrüche traten in den letzten 100 Jahren immer innerhalb von 4-Jahres-Perioden quasi rhythmisch auf. Die Gründe für die Rückkehr des Scharlachs sind noch unbekannt.
Abbildung 1: Jährliche Scharlachmeldungen ab 1911 (blau) und Scharlach-bedingte Todesfälle ab 1901 (rot). Quelle: Lamagni T, Guy R, Chand M, Henderson KL, Chalker V, Lewis J, et al. Resurgence 
of scarlet fever in England, 2014–16: a population-based surveillance study. Lancet Infect Dis. 2018;
18(2):180–7. Copyright © 2017, Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von Elsevier, 
https://www.sciencedirect.com/journal/the-lancet-infectious-diseases).
Kurz und bündig waren wir etwas überrascht, dass Scharlach in der Schweiz (noch?) nicht meldepflichtig ist. Auch deshalb widmen wir den «Fokus auf …» als Erinnerungshilfe diese Woche dem Scharlach.
Lancet Infect Dis. 2018;18(2):180–7.
Verfasst am 26.02.2018 auf Hinweis von 
Prof. M. Krause (Münsterlingen).

Für ÄrztInnen am Spital

Teriparatid zur Therapie 
des postoperativen Hypo­parathyreoidismus?

Die klassische Therapie des postoperativen Hypoparathyreoidismus besteht in Kalziumzufuhr und 1,25(OH)2D. Die Kalziumwerte korrigieren sich darunter nicht immer, Nebenwirkungen sind Hyperkalziurie mit Gefahr der Nephrolithiasis/Nephrokalzinose und Niereninsuffizienz. Mittels einer Dosis von 2× 20 μg Teriparatid ([1–34]PTH) – der doppelten «antiosteoporotischen» Dosis also – konnte bei postoperativem Hypoparathyreoidismus über zwei Jahre eine annährende ­Normalisierung das Kalzium-Phosphat-Stoffwechsels mit minimalen Nebenwirkungen und subjektiven Berichten über gute Lebensqualität erreicht werden. Diese Therapie ist vielversprechend, wäre aber sogenannt «off-label» und gegenwärtig noch zu teuer.
J Clin Endocrinol Metab. 2018;103(1):271–80.
Verfasst am 26.02.2018.

Neues aus der Biologie

Nachfolge oder Ersatz für BCG-Impfung?

Die teilweise unkontrollierte Ausbreitung der Tuberkulose, der limitierte Nutzen der BCG-Impfung (Mycobacterium bovis) und das Auftreten multiresistenter Stämme rufen nach besseren Präventionsmassnahmen. Bisherige Impfversuche, zum Beispiel mit Adenovirus-basierten Vektoren waren nicht erfolgreich.
Rhesusaffen wurden nun mit einem subkutan applizierten Zytomegalie-Vektor, der DNA-Sequenzen von Antigenen des Mycobacterium tuberculosis enthielt, geimpft. Die Affen waren in ⅔ der Fälle mit einer Beobachtungszeit von mehr als einem Jahr gegen pulmonale und extrapulmonale Infekte geschützt, wenn das M. tuberculosis in den Bronchialbaum inokuliert wurde. Bei 41% der geimpften Affen wurden computertomographisch und nekroptisch keine «Tuberkuloseherde» gefunden, verglichen mit 0% bei nicht geimpften Kon­trollen. Die Impfung hinterliess eine langlebige CD4- und CD8-bedingte zelluläre, antituberkulöse Zytotoxizität.
Nat Med. 2018;24(2):130–143.
Verfasst am 26.02.2018.

Verhinderung von rezidivierenden Lymphödemen nach Weichteilinfekten

Lymphödeme treten nach Haut- und Weichteilinfekten (Zellulitis, Erysipel etc.) auf und haben eine Tendenz zu rezidivieren und dadurch zu Reinfekten zu prädisponieren. Die Frequenz der Rezidive kann so hoch sein, dass sich eine antibiotische Prophylaxe aufdrängt (3 und mehr Infekte pro Jahr). Vom ­Staphylococcus aureus, in diesem Fall einem MRSA-Stamm, wurde in Mäusen gezeigt, dass bakterielle Staphylokok­kentoxine zu einem monatelang dauernden Untergang lymphatischer Muskelzellen mit entsprechenden Störungen des lymphatischen Drainageprozesses führen. Hoffen wir, dass diese invalidisierenden Rezidive bald mit spezifischer Hemmung dieser Exotoxinwirkung verhindert werden können.
Sci Transl Med. 2018;10(424).
Verfasst am 27.02.2018.

Immer noch lesenswert

Hypokaliämie/Kaliumdepletion: eine Nebenwirkung von ­Aminopenicilinen

F.P. Brunner und P.G. Frick, damals beide am UniversitätsSpital Zürich tätig, beschrieben PatientInnen, die infolge subakuter bakterieller Endokarditis fast astronomische Dosen von Natrium-Pencillin G (100 Mio U pro Tag für 10 bis 14 Tage) erhielten. Trotz signifikant abfallender Konzentration des Serumkaliums blieb die renale Kaliumausscheidung inadäquat hoch, ein renales Kaliumverlustsyndrom. Die Ursache davon ist das negativ (anionisch) geladene Penicillin, das nach glomerulärer Filtration und tubulärer Sekretion schlecht tubulär reabsorbierbar ist. Das Gesetz der Elektroneutralität diktiert, dass die anionisch geladenen Penicilline ein positiv geladenes Molekül (ein Kation), in diesem Fall Kalium, binden und so zu dessen renaler Exkretion beitragen. Ein renales Kaliumverlustsyndrom wird auch heute relativ häufig bei höheren, wenn auch massiv tieferen als in der Arbeit verwendeten, intravenösen Aminopenicillindosen angetroffen.
Br Med J. 1968;4(5630):550–2. PMC1912412.
doi.org/10.1136/bmj.4.5630.550
Verfasst am 27.02. 2018.

Auch noch aufgefallen …

Der tödliche Atem des Cerberus

Im antiken griechischen Heiligtum Plutonium (Pluto = Gott der Unterwelt) in Hierapolis (nahe des heutigen Pamukkale, Türkei) wurde mit den dortigen Thermalquellen schon vor über 2000 Jahren Wellness-Medizin angeboten. Wichtig dabei waren auch Opfer­riten von jungen, gesunden Stieren. Diese Stiere wurden einem «Tor zur Hölle» genannten Loch in der Erde ganz nahe über dem Boden exponiert und starben – eben durch den Atem des Cerberus (griechisch: Kerberos; mehrköpfiger Hund, der den Eingang zur Unterwelt ­bewacht). Die sie begleitenden (eunuchen) Priester überlebten jedoch.
Archäologische Forschungen haben nun gezeigt, dass aus diesem Loch CO2, vor allem morgens und abends, ausströmt und die Stiere blutlos an der Hyperkapnie verstorben sein mussten. Der CO2-Gehalt dieser Erdgasluft liegt bei bis zu 35%, während der Gehalt der «normalen» Luft nur gerade etwa 0,03% beträgt. Warum überlebten die Priester? Trugen sie ihre Köpfe einfach höher als die jungen Stiere? Oder entfernten sie sich, sobald die Stiere einzuschlafen begannen? Bestialische Kopfschmerzen sind nämlich ein untrügerisches Alarmzeichen (CO2-induzierte zerebrale Vasodilatation). «Number needed to harm» unbekannt. Sicher dürfte es sich nicht um den protektiven Effekt der Kastration gehandelt haben, wie in der Antike vermutet wurde …
Science Feb. 16, 2018.
Verfasst am 27.02.2018.