Hämorrhagische Verlaufsform: reversibles zerebrales Vaso­konstriktionssyndrom
Rezidivierende Donnerschlag-Kopfschmerzen

Hämorrhagische Verlaufsform: reversibles zerebrales Vaso­konstriktionssyndrom

Fallberichte
Ausgabe
2018/1920
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03254
Schweiz Med Forum 2018;18(1920):428-432

Affiliations
a Universitätsklinik für Neurologie, Inselspital, Bern
b Universitätsinstitut für diagnostische und interventionelle Neuroradiologie, Inselspital, Bern

Publiziert am 09.05.2018

Ein 50-jähriger Patient präsentierte sich zweimal mit perikoital aufgetretenen Donnerschlag-Kopfschmerzen.

Hintergrund

Ein 50-jähriger Patient präsentierte sich zweimal mit perikoital aufgetretenen Donnerschlag-Kopfschmerzen. Klinisch fand sich ein unauffälliger Neurostatus, MR-tomographisch zeigten sich zwei atypische lobäre intrazerebrale Blutungen bei angiographischem Nachweis multisegmentaler Gefässirregularitäten in mehreren Versorgungsgebieten. Laboranalytisch zeigte sich einzig ein positiver THC-Nachweis. In Zusammenschau der Befunde wurde eine hämorrhagische Verlaufsform eines reversiblen zerebralen Vasokonstriktionssyndroms (RCVS) diagnostiziert.
Ursächlich wird eine vorübergehende Störung der zerebralen Gefässtonus-Autoregulation angenommen. Das RCVS ist durch den Nachweis einer multifokalen reversiblen Vasokonstriktion zerebraler Arterien charakterisiert, die innert drei Monaten spontan regredient sind. In mehr als 50% der Fälle lässt sich ein Auslöser eruieren. Bis zu 34% aller Patienten mit einem RCVS erleiden hämorrhagische, rund 16% eine ischämische Verlaufsform.

Fallbericht

Anamnese und Status

Ein 50-jähriger Patient erlitt innert 16 Jahren insgesamt 5 Episoden eines Donnerschlag-Kopfschmerzes (Tab. 1). 2014 kam es innert fünf Tagen zweimalig zu perikoitalen Donnerschlag-Kopfschmerzen. Es sind keine relevanten Vorerkrankungen bekannt. In der Familienanamnese sind mehrere Verwandte zweiten Grades an Schlaganfällen verstorben. Der Bruder leidet ebenfalls an perikoitalen Donnerschlag-Kopfschmerzen.
Tabelle 1: Zeitachse der episodischen Donnerschlag-Kopfschmerzen, der Auslöser, der bildgebenden Modalität und der ­Diagnose des Fallbeispiels.
EpisodeJahrAuslöserBildgebungDiagnose
11998Valsalva-Manöver KeineKeine
21998PerikoitalcCT: BlandeMigräniforme anstrengungs­induzierte Kopfschmerzen
32001PerikoitalKeineKeine
42014PerikoitalcCT/cMRI: Atypische ICB frontal links mit ­begleitender SAB
DSA: Kaliberunregelmässigkeiten im ACA- und MCA-Stromgebiet beidseits
Atypische intrazerebrale ­Blutung, Differentialdiagnose Vaskulitis
52014PerikoitalcMRI: Zweite ICB occipital rechtsRCVS
ICB = intrazerebrale Blutung; SAB = subarachnoidale Blutung; ACA = A. cerebri anterior; MCA = A. cerebri media; RCVS = reversibles zerebrales Vasokonstriktionssyndrom.
Die neurologische und internistische Untersuchung auf der Notfallstation war bis auf deutlich ­hypertone Blutdruckwerte (bis 181/95 mm Hg) ­unauffällig.

Befunde

MR-tomographisch zeigte sich bei der ersten Vorstellung 2014 eine intrazerebrale Blutung frontal links mit begleitender Subarachnoidalblutung, bei der zweiten Vorstellung fünf Tage später zudem eine neu aufgetretene intrazerebrale Blutung occipital rechts (Abb. 1). Darüber hinaus fand sich eine ältere Läsion temporopolar links (differentialdiagnostisch posthämorrhagisch oder post­ischämisch). In der digitalen Subtraktionsangiographie (DSA) zeigten sich segmentale, diffuse Gefässirregularitäten in mehreren Stromgebieten, die in der zweiten MR-Bildgebung nicht mehr nachweisbar waren. Laboranalytische Untersuchungen inklusive Vaskulitis-Parameter, Liquoranalyse und Infektserologien blieben ohne wegweisenden Befund, im Drogen-Screening zeigte sich ein positiver THC-Befund.
Abbildung 1: Bei der ersten Vorstellung 2014 zeigt sich eine akute intrazerebrale Blutung frontal links (A, dicker Pfeil) mit begleitender Subarachnoidalblutung (A, dünner Pfeil) im CT sowie in der suszeptibilitätsgewichteten MRI-Serie (B). Bei der zweiten Vorstellung 5 Tage später ist zudem eine neu aufgetretene intrazerebrale Blutung occipital rechts im CT (D, dicker Pfeil) sowie in der suszeptibilitätsgewichteten MRI-Serie (E) zu sehen. In der digitalen Subtraktionsangiographie (C) zeigen sich segmentale, diffuse Gefässirregularitäten in mehreren Stromgebieten (C,Kopfpfeile). Darüber hinaus findet sich eine ältere Läsion temporopolar links, welche differentialdiagnostisch als posthämorrhagisch oder postischämisch gewertet werden kann (D, dünner Pfeil). ­Die MRT nach 3 Monaten (F) zeigt einen Residualzustand mit gliotischen Veränderungen und Hämosiderinablagerungen frontal links (F, dünner Pfeil).

Diagnose

Es wurde eine hämorrhagische Verlaufsform eines reversiblen zerebralen Vasokonstriktionssyndroms (RCVS) diagnostiziert, mit hierzu passender typischer Anamnese wie rezidivierende Donnerschlag-Kopfschmerzen und passageren multisegmentalen Gefässirregularitäten in mehreren vaskulären Versorgungsgebieten. Als Auslöser des RCVS kommt neben dem Koitus auch Cannabis-Konsum in Frage, der anamnestisch aber klar verneint wurde, so dass auch eine testanalytische Kreuzreaktion des Toxin-Screenings möglich ist (Naproxeneinnahme vor der Hospitalisation und Pantoprazoleinnahme während der Hospitalisation).

Therapie

Bei initial unklarem Krankheitsbild wurde ein kurzfristiger hochdosierter Steroid-Stoss verabreicht, da bildgebend nicht zuverlässig zwischen einem RCVS und einer Vaskulitis unterschieden werden konnte. Nach kompletter Regredienz der Gefässkaliberirregularitäten wurde dieser gestoppt. Der Patient wurde ausführlich darüber informiert, welche Medikamente/Substanzen ein RCVS auslösen können und in Zukunft zu vermeiden sind [1]. Zudem wurde dem Patienten ein Verzicht auf Koitus und körperliche Anstrengung in den ersten 6 Wochen empfohlen.

Verlauf

Der Patient konnte in beschwerdefreiem Allgemeinzustand und mit einem unauffälligen Neurostatus nach Hause entlassen werden. In einer Verlaufskontrolle drei Monate nach dem Ereignis (mit erneuter MRI-Kontrolle) konnten keine Auffälligkeiten mehr erhoben werden.

Diskussion

2007 wurde von Calabrese und Mitarbeitern [1] erstmalig die Bezeichnung des reversiblen zerebralen Vasokonstriktionssyndroms eingeführt für ein Krankheitsbild, das bisher unter diversen anderen Namen bekannt war (u.a. isolierte benigne zerebrale Vaskulitis/Angio­pathie, Call-Fleming-Syndrom). Bei Patienten mit (Donnerschlag-)Kopfschmerzen, insbesondere mit atypisch lokalisierter intrazerebraler Blutung und kryptogenem Schlaganfall, muss nach Ausschluss von Differentialdiagnosen (die insbesondere auch die Subarachnoidalblutung beinhalten) an die Möglichkeit eines RCVS gedacht werden, das auch eine wichtige Differentialdiagnose einer primären Angiitis des zentralen Nervensystems (PACNS) darstellt .

Klinische Symptomatik

Beim RCVS erreicht der Kopfschmerz sein Maximum in der Regel innert Sekunden bis maximal 2 Minuten und ist von höchster Intensität. Häufig schreit der ­Pa­tient aufgrund der starken Schmerzen, zeigt sich agitiert, bisweilen verwirrt und kollabiert zum Teil. Meist tritt der Kopfschmerz bilateral auf und begleitend besteht Nausea/Vomitus und Photo-/Phonophobie. Die Dauer des RCVS-Donnerschlag-Kopfschmerzes ist in der Regel kurz (1–3 Stunden, Bandbreite: wenige Minuten bis mehrere Tage). Eine einmalige Schmerzepisode ist möglich, typischerweise treten aber mehrere Attacken (durchschnittlich 4) während 1–4 Wochen auf [2], häufig persistieren Kopfschmerzen moderater Intensität zwischen den Exazerbationen. Die Kopfschmerzen sind meistens innert 3–4 Wochen komplett regredient. Der Kopfschmerz kann weniger intensiv oder prolongierter auftreten, ein komplettes Fehlen von Kopfschmerzen ist aber atypisch. Begleitend bestehen in bis zu 43% transiente oder persistierende neurologische Defizite und in bis 17% Krampfanfälle. Persistierende Symptome weisen auf eine ischämische oder hämorrhagische RCVS-Verlaufsform hin. Krampfanfälle können als Erstsymptom auftreten, Rezidive sind aber selten. In der Regel bleibt aber die körperliche Untersuchung unauffällig, bei einem Drittel der Patienten bestehen während der Episode Blutdruckspitzen.
Klassischerweise lässt sich beim RCVS mindestens ein Triggerfaktor eruieren, wie beispielsweise Koitus (typisch: unmittelbar vor dem Orgasmus), starkes Pressen bei Defäkation, emotional belastende Situationen, physische Anstrengungen, Husten, Niesen, Urinieren, Baden/Duschen, heftiges Lachen und plötzliches Bücken [1, 3, 4]. 
Weitere mögliche Auslöser eines RCVS [5]:
Post partum: Mit oder ohne vasoaktive(n) Substanzen, mit oder ohne (Prä-)Eklampsie.
Vasoaktive Substanzen: Drogen (Cannabis, Kokain, Amphetamine, LSD); Antidepressiva (SSRI, SNRI); α-Sympathomimetika (Pseudo­ephedrin, Ephedrin, Norepinephrin); Triptane; Ergotalkaloid-Derivate (Methergin, Bromocriptin); Nikotinpflaster; Ginseng; übermässiger Alkoholkonsum.
Katecholamin-sezernierende Tumoren: Phäochromozytom, Bronchialkarzinoid, Glomustumor.
Immunosuppressiva oder Blutprodukte: Intravenöse Immunglobuline, Erythrozytenkonzen­trate, Inter­feron-α.
Verschiedenes: Hyperkalzämie, Porphyrie, Schädel-Hirn-Trauma, neurochirurgische Eingriffe, subdurale spinale Hämatome, Carotis-Endarteriektomie, Hirnvenenthrombosen, Hypoliquorrhoe-Syndrom, Phenytoin-Intoxikation.

Epidemiologie

Das Durchschnittsalter bei Erstmanifestation beträgt 42 Jahre (Bandbreite bisher 10–76 Jahre). Die Inzidenz des RCVS ist unbekannt (grosse monozentrische Serien mit 67 Patienten innert 3 Jahren [4]). Es existieren Fallbeschreibungen von jedem Kontinent. Als unabhängige Risikofaktoren für die Entwicklung eines RCVS sind das weibliches Geschlecht (OR 4,05) und die Mi­gräne (OR 2,34) bekannt. Die weibliche Prädominaz beträgt den Faktor 2,2–8,6, eine Migräne besteht bei bis zu 27% aller ­Patienten, die zudem ein Risikofaktor für eine hämorrhagische Verlaufsform des RCVS ist [3]. Mehr als 50% der Fälle treten post partum oder nach Exposition gegenüber noradrenergen oder serotoninergen Sub­stanzen auf.

Diagnostik

Breite laboranalytische Abklärungen erbringen meist keine Auffälligkeiten. Zur Suche nach Triggerfaktoren sollte ein Serum- und Urin-Drogenscreening erfolgen. Leichte Auffälligkeiten der Liquoranalyse sind bei bis zu 60% vorhanden (z.B. leichte Liquorpleozytose bis 35 M/l, erhöhte Erythrozytenzahl oder leicht erhöhtes Liquorprotein bis 1 g/l [3, 4]). Die Bildgebung kann bis auf die multisegmentale Vasokonstriktion im zerebralen Angiogramm normal sein, intrakranielle Läsionen finden sich bei aber bei bis zu 81% aller Pa­tienten [3, 4] und beinhalten typischerweise Subarachnoidalblutungen der Konvexität, intrazerebrale Hämorrhagien, zerebrale Infarkte und/oder ein reversibles Hirnödem. Eine Kombination und sukzessive Entwicklung verschiedener Läsionen ist möglich. In einer grossen Studie [6] zeigte sich in 55% initial ein normales Schädel-MRI, während sich im Verlaufs-MRI bei 81% aller Patienten sichtbare Läsionen zeigten (maximale Vasokonstriktion nach 16 Tagen).

Diagnosestellung

Zur Diagnosestellung eines RCVS ist eine zerebrale Angiographie (oder alternativ eine MR-Angiographie) nötig, die segmentale Verengungen und Dilatationen der zerebralen Gefässe («Perlenketten-artig») zeigt. Ein Perfusions-CT kann bei starken Vasospasmen regionale Hypoperfusionen zeigen, dies wird aber zur Dia­gnosestellung nicht benötigt. Diese Gefässirregularitäten sind bilateral diffus verteilt, nicht fixiert, sondern dynamisch und per definitionem innert dreier Monate reversibel. Gelegentlich ist das RCVS mit zervikalen Gefässdissektionen assoziiert, weshalb eine Darstellung der Halsgefässe mit Dissektionssequenzen zu empfehlen ist.

RCVS-Diagnosekriterien

– Akute und intensive Kopfschmerzen ± begleitende fokale neurologische Defizite / Krampfanfälle.
– Normalerweise monophasischer Verlauf ohne neue Symptome >1 Monat nach Symptombeginn.
– Segmentale zerebrale Vasokonstriktion in direkter/indirekter Angiographie (z.B. MR-A).
– Keine aneurysmatisch bedingte Subarachnoidal­blutung.
– (Fast) normale Liquoranalyse (Liquor-Protein <1 g/l, Liquorpleozytose <15 M/l).
– Mindestens weitgehende Normalisierung der zerebralen Arterien in Verlaufsbildgebung 12 Wochen nach Symptombeginn.

Therapie

Die Therapieempfehlungen des RCVS basieren auf ­Beobachtungsstudien und Expertenmeinungen, RCT zum Thema fehlen bisher. Primär müssen allfällige unterhaltende Faktoren eliminiert werden. In der initialen Phase sollte eine intensivmedizinische Überwachung, gegebenenfalls mit Duplex-sonographischen Verlaufskontrollen, erfolgen. Beim RCVS sind häufig die kleinen Gefässe betroffen. Deshalb kann ein Doppler-Monitoring nicht generell empfohlen werden, da die kleinen Gefässe nicht beschallbar sind. Bei Befall der grossen Gefässe sollten regelmässige sonographische Verlaufskontrollen durchgeführt werden.
Mögliche Triggerfaktoren (s.o.) sollten während ei­niger Tage bis wenigen Wochen vermieden werde, je nach Schweregrad und Frequenz der initialen Kopfschmerz-Symptomatik. Jegliche vasoaktive Medikamente sollten auch nach der Follow-up-Phase und nach Abheilung des RCVS langfristig gemieden werden. Symptomatisch können Analgetika, Antikonvulsiva und Antihypertensiva verabreicht werden. Häufig werden Benzodiazepine zur Anxiolyse verabreicht, da Ängste die Symptomatik (durch den erhöhten resultierenden Sympathikotonus) aggravieren. Nach angiographischer Bestätigung der Diagnose kann die Gabe von Medikamenten, welche den Vasospasmus lindern, ­erfolgen (z.B. Nimodipin und Verapamil i.v. oder i.a., Magnesiumsulfat i.v., alle mit variablem Effekt). In Beobachtungsstudien wurde gezeigt, dass die intravenöse oder intraarterielle Nimodipin zwar die Häufigkeit und Intensität der Kopfschmerz-Episoden beim RCVS reduzieren kann, jedoch den Verlauf eines RCVS nicht sicher beeinflusst (auch unter Nimodipin-Therapie neu aufgetretene zerebrale Hämorrhagien, transiente ischämische Attacken und ischämische Infarkte). Aufgrund des meist selbstlimitierenden Verlaufes ist bei fehlender Progredienz der Symptomatik und stabiler Bildgebung eine symptomatische Therapie ausreichend. Steroide scheinen den klinischen Verlauf des RCVS nicht zu beeinflussen, es wurde in einigen Fällen sogar eine Verschlechterung der Beschwerden beobachtet, weshalb diese Therapie vermieden werden sollte.

Prognose

In einer grösseren Studie mit 89 Patienten [3] konnten nach drei Monaten 40% aller Patienten mit einem hämorrhagischen RCVS nicht in ihr gewohntes berufliches Umfeld zurückkehren, nach 6 Monaten war bei weiterhin 27% keine berufliche Tätigkeit möglich. Die Langzeitprognose des RCVS wird entscheidend dadurch beeinflusst, ob im Verlauf ein Schlaganfall oder eine zerebrale Blutung auftritt. Weniger als 5% aller Patienten präsentieren eine lebensbedrohliche Verlaufsform mit rezidivierenden Schlaganfällen und/oder unkontrolliertem massivem Hirnödem. Die Mortalität des RCVS liegt in den grössten Studien bei 1%. Nach Abheilung des RCVS wurden Rezidive beschrieben, deren Häufigkeit jedoch bisher unbekannt ist.

Postulierte pathophysiologische Grundlagen

Ein unvorhersehbares und vorübergehendes Versagen der zerebralen Tonusregulation mit Sympathikus-Überaktivität scheint bei der Entwicklung eines RCVS eine Rolle zu spielen. Insbesondere bei prädisponierten Patienten, z.B. Frauen mittleren Alters mit Migräne, kann es auch ohne Vorliegen von Triggern zu einer spontanen neuronal oder vaskulär getriggerten Erhöhung des zerebralen Vasotonus kommen. Es wurde beobachtet, dass das RCVS meist zentripetal verläuft, weshalb die Angiographie früh im Verlauf des RCVS noch normal ist und erst nach mehreren Tagen die typischen Veränderungen zeigt. Die Hämorrhagien beim RCVS treten häufig bei einem assoziierten («Posterior Reversible Encephalopathy Syndrome» (PRES) und einem transienten Hirnödem auf, was eine Störung/Ruptur kleiner Gefässe und eine gestörte Blut-Hirn-Schranke vermuten lässt. Die Donnerschlag-Kopfschmerzen werden durch Stimulation der trigeminalen Afferenzen der Leptomeningen im Rahmen der zerebralen Vasokonstriktion erklärt. Ischämische Läsionen können entweder durch Transformation eines vasogenen in ein zytotoxisches Ödem bei Patienten mit einem PRES oder durch schwere Vasospasmen bedingt sein. Wegen der häufigen Assoziation des RCVS mit einem PRES wird eine gemeinsam zugrunde liegende zerebrale endotheliale Dysfunktion diskutiert.

Das Wichtigste für die Praxis

• An die Möglichkeit eines RCVS muss bei rezidivierenden Donnerschlag-Kopfschmerzen und kryptogenen Schlaganfällen gedacht werden, insbesondere beim Vorliegen von Triggerfaktoren.
• Das RCVS muss aktiv anamnestisch und mittels Bildgebung des Gehirns und der hirnversorgenden Gefässe gesucht werden, damit unterhaltende Faktoren gemieden und zukünftige Episoden durch Vermeidung auslösender Faktoren bestmöglich verhindert und allenfalls eine frühzeitige Therapie (z.B. mit Calcium-Kanal-Blockern) installiert werden kann.
MA hat Honorare für Advisory Boards von Bayer, Boehringer Ingelheim, BMS, Pfizer, Amgen, Covidien und Medtronic deklariert. Die anderen Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Dr. med. Christoph Friedli
Universitätsklinik für
Neurologie
Inselspital
CH-3010 Bern
christoph.friedli[at]insel.ch
1 Calabrese LH, et al. Narrative review: reversible cerebral vasoconstriction syndromes. Ann Intern Med. 2007;146:34–44.
2 Birnbaum J, et al. Primary angiitis of the central nervous system. Arch Neurol. 2009;66(6):704–9.
3 Ducros A, et al. Hemorrhagic manifestations of reversible cerebral vasoconstriction syndrome: frequency, features and risk factors. Stroke. 2010;41;2505–11.
4 Ducros A, et al. The clinical and radiological spectrum of reversible cerebral vasoconstriction syndrome. A prospective series of 67 patients. Brain. 2007;130;3091–101.
5 Ducros A. Reversible cerebral vasoconstriction syndrome. Lancet Neurol. 2012;11(10):906–17.
6 Singhal AB, et al. Reversible cerebral vasoconstriction syndrome: Analysis of 139 cases. Arch Neurol. 2011;68:1005–12.