Zu optimistische Prognose für Stress-induzierte Kardiomyopathie (Takotsubo)?
Akuter, aussergewöhnlicher Stress kann – vor allem bei postmenopausalen Frauen – eine akute Herzinsuffizienz auslösen und (bei angiographisch normalen Koronararterien) einen akuten Myokardinfarkt imitieren. Echokardiographisch ist eine ballonförmige Dilatation des linken Ventrikels charakteristisch. Entgegen der bislang geltenden Meinung dürfte es aber nach einem solchen Ereignis doch nicht eine «restitutio ad integrum» innert weniger Wochen geben. Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass auch 4 Monate nach einem Stressereignis Ödeme des linken und rechten Ventrikels und ein gestörter myokardialer Energieverbrauch vorliegen. Nun lernen wir, dass 12 Monate danach 88% der PatientInnen nach spezifischer Befragung Herzinsuffizienz-Symptome aufwiesen, objektiv nachweisbar durch eine Limitation der Herzleistung unter Belastung und einer eingeschränkten myokardialen Sauerstoffaufnahmekapazität. Die Echokardiographie blieb (noch?) normal, das Herz-MRI wies aber diverse Abnormitäten auf (Herzdeformationsindices). Es scheint also, dass die Stress-induzierte Kardiomyopathie zu einer persistierenden kardialen Funktionseinbusse führt. Wir sind gespannt auf noch längere Untersuchungen, welche auch den Effekt kardioprotektiver Interventionen evaluieren. Langzeit Beta-Blockade und/oder Hemmer der Renin-Angiotensin-II-Aldosteron-Achse?
Braucht es zum Gluko- noch ein Mineralokortikoid beim septischen Schock?
Kurz und bündig wurde die «Seit-zu-Seit»-Publikation (APROCCHSS) zur besprochenen ADRENAAL-Studie (SMF 2018;18(10):216) noch nicht behandelt: Die Zufuhr von Hydrocortison (200 mg als 50 mg i.v.-Bolus alle 6 Stunden plus 50 μg Fludrocortison per Magensonde 1 × pro Tag) führte im Gegensatz zur ADRENAAL-Studie (diese verwendete 200 mg/Tag Hydrocortison als Dauerinfusion) zu einer statistisch knapp signifikanten Mortalitätsreduktion nach 90 Tagen, nicht jedoch nach 28 Tagen. Beide Studien waren positiv für gewisse wichtige Nebenendpunkte: ADRENAAL weniger Ventilatortage und kürzerer IPS-Aufenthalt, APROCCHSS kürzerer Vasopressorenbedarf und weniger Tage mit Erfüllen formaler Kriterien eines Organversagens, aber kumulativ gleich viele Tage mit Ventilator-Pflicht. Wichtig scheinen die sehr grossen Unterschiede in der 90-Tage-Mortalität der Kontroll(Plazebo)-Gruppe: 49% in der Hydro-/Fludrocortison-Studie, gegenüber «nur» 29% der Hydrocortison-alleine-Studie! Unterschiede im Schweregrad? Unterschiedlicheres «best current treatment»? Es macht unseres Erachtens auf Grund der überschaubaren und korrigierbaren Nebenwirkungen (milde Hyperglykämie) wohl Sinn, sich mit den kurzfristigen Vorteilen (Ventilatortage, IPS Aufenthalt, Vasopressorenbedarf) unter Hydrocortison (allenfalls plus Fludrocortison) zu begnügen und die offene Frage der 90-Tage-Mortalität der Klärung für später zu überlassen.
0,9% NaCl oder Ringer-Lösungen auf dem Notfall und der IPS?
Seit Einführung von Notfall- und Intensivbehandlungsstationen gibt es Kontroversen über den besten intravenösen Flüssigkeitsersatz. 2 Studien aus einem und dem gleichen akademischen Zentrum (Vanderbilt University in Nashville) verglichen 0,9% NaCl mit Ringer-Laktat oder Ringer-Azetat (Tab. 1). Bei PatientInnen auf der Notfallstation (n = 13 347) gab es keinen Unterschied in der Zahl der Spitaltage, welche innerhalb von 28 Tagen nach Zuweisung notwendig waren [1]. Bei PatientInnen auf einer IPS (n = 15 802) gab es keinen Unterschied zwischen NaCl und Ringer-Laktat/Ringer-Azetat bei der Mortalität, Notwendigkeit eines Nierenersatzverfahrens oder andauernder Nierenfunktionsstörungen [2]. Die Wahl eines zusammengesetzten Endpunktes machte diese Studie aber signifikant. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass ein reiner Laborparameter (Kreatinin) dabei mitberücksichtigt wurde, obwohl, wie vorhin geschildert, die relevanten vitalen und nephrologischen Endpunkte nicht signifikant unterschiedlich blieben. Unsere Meinung: NaCl ist genügend (da wissen die meisten Ärzte auch wirklich was drin ist …) und billiger. Ihre Meinung? Wir freuen uns auf Ihre Mitteilung! (https://medicalforum.ch/online-magazine/list/).
Tabelle 1: Übersicht über die wichtigsten «kristallinen» Infusionslösungen für den Volumenersatz.
Lösung
Zusammensetzung (mmol/l)
Osmolalität (osm/l)
Nebenwirkungen (ausser Volumenüberlastung, allen inhärent)
Längenanalyse der Telomere bereit für die klinische Diagnostik
Telomere definieren das Ende der Chromosomen und sind wichtig für die genomische Stabilität. Sie bestehen aus repetitiven DNA-Sequenzen (TTAGGG-Nukleotidsequenz). Mit jeder DNA-Replikation verkürzen sich die Telomere. Wenn diese eine kritische Länge unterschreiten, wird eine «DNA-Schadensmeldung» ausgelöst, die die zelluläre Seneszenz (Zelltod oder irreversibler Stillstand des Zellzyklus) und damit die Alterung des Gesamtorganismus fördern. Man kann neuerdings beim Menschen die Telomerlänge relativ einfach an peripheren Blutzellen mit der FISH-Technologie (fluorescent in situ hybridisation) verlässlich bestimmen. Erste, aber sicher nicht zukünftig einzige, Indikation ist das sog «Syndrom der kurzen Telomere». Dieses Syndrom kommt differentialdiagnostisch bei Idiopathischer Lungenfibrose/Lungenemphysem, aplastischer Anämie und zellulären Immundefekten bei Jugendlichen / jungen Erwachsenen in Frage. Das Ausmass der Verkürzung der Telomere korrelierte auch mit dem Phänotyp und dem Alter bei Krankheitsmanifestation.
Knochendichte und Alter als Risikofaktoren für das Erleiden von Frakturen
In der allerersten longitudinalen Studie dieser Art wurden prospektiv 521 durchschnittlich gut 57-jährige Frauen über 6,5 Jahre klinisch und densitometrisch (im Durchschnitt 25 Messungen pro Probandin!) nachverfolgt. Dabei zeigte sich, dass die am Radius gemessene Knochendichte ein Risikofaktor für das Erleiden von (nicht-vertebralen) Frakturen war, und zwar mehr für Radius- als für Schenkelhalsfrakturen. Rein quantitativ war aber das zunehmende Alter (Abb. 1 aus dieser Arbeit) ein noch stärkerer Risikofaktor, dieser aber mehr für Schenkelhals- als für Radiusfrakturen. Die Arbeit zeigte, dass es noch andere altersassoziierte Risikomechanismen für das Erleiden von Frakturen als nur die Knochendichte geben musste. Wenn man z.B. Grafik A dieser Abbildung anschaut, wird evident, dass für die gleicheKnochendichte (z.B. 0,6 bis 0,69 g/cm) zwischen dem Alter von 50 und gut 80 Jahren altersbedingt das Risiko nicht vertebraler Frakturen um einen Faktor von 6–7 ansteigt!
Die «National Institutes of Health» (NIH) haben mit ihren Förderungsprogrammen wesentlich in alle der 210 im Zeitraum von 2010–2016 neu zugelassenen Medikamente (strikter: «new molecular entities», also keine «me-too»-Medikamente) investiert. Mehr als 90% der unterstützen Forschung betraf die Grundlagenforschung, die gesamten Aufwendungen lagen bei über 100 Milliarden Dollar. Eine öffentliche Unterstützung der medizinisch-biologischen Forschung – breit ausgerichtet – ist ein wesentlicher Faktor für die Innovation in der Pharmakotherapie. Welches ist wohl der Impact der Fördergelder des Schweizerischen Nationalfonds auf solche Endpunkte?
Antwort auf «Wussten Sie?» von letzter Woche (SMF Heft 15/2018)
Kurz und bündig waren wir uns der Tatsache des fehlenden Pleuraraums bei Elefanten auch nicht bewusst. Anstelle der viszeralen oder parietalen Pleura findet man bei Elefanten ein Bindegewebereiches Gewebe. Die Elefanten leben also quasi mit einer kongenitalen Pleurodese. Warum das so ist, ist bei phylogenetischen Prozessen immer etwas schwierig, konklusiv zu beantworten. Am wahrscheinlichsten ist, dass beim «Schnorcheln» der Druckgradient zwischen Atmosphäre (Rüsselende) und dem Pleuraraum von geschätzten 160 cm H2O so gross würde, dass oberflächliche Alveolen platzen könnten (Pneumothorax). Auch die pleuralen Kapillaren könnten platzen, wodurch es zu Pleuraergüssen/Hämatothoaces käme. Richtig war also Antwort C.