Die SGPP-Behandlungsempfehlungen zur Schizophrenie
Eine Übersicht

Die SGPP-Behandlungsempfehlungen zur Schizophrenie

Richtlinien
Ausgabe
2018/25
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03303
Swiss Med Forum. 2018;18(25):532-539

Affiliations
a Service de psychiatrie adulte, Département de santé mentale et de psychiatrie, Hôpitaux Universitaires de Genève; b Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich; c Service de Psychiatrie Générale, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois; d Bereich Psychiatrie und Psychotherapie, Psychiatrische Dienste Aargau; e Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich; f Zentrum für Seelische Gesundheit, Privatklinik Meiringen; g Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitäre Psychiatrische Dienste Bern; h KJP Hoheluft, Praxis­gemeinschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Hamburg, Deutschland; i Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Universitäre Psychiatrische Dienste Bern; j Organizzazione sociopsichiatrica cantonale, Mendrisio; k Praxis für Psychiatrie und Psychotherapie, Schwerpunkt Alterspsychiatrie, Sion; l Erwachsenen-­Psychiatrische Klinik, Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel

Publiziert am 20.06.2018

In der hier vorliegenden Kurzversion stellt die Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie für Ärzte aller Fachrichtungen zentrale Elemente der Behandlungsempfehlungen vor.

Die Artikel in der Rubrik «Richtlinien» geben nicht unbedingt die Ansicht der SMF-Redaktion wieder. Die Inhalte unterstehen der redaktionellen Verantwortung der unterzeichnenden Fachgesellschaft bzw. Arbeitsgruppe; in vorliegendem Artikel handelt es sich um die Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP).

Einführung

Schizophrene Erkrankungen gehören zu den weltweit führenden Ursachen für eine Reduktion der «disability adjusted life years», das heisst, sie gehen sowohl mit ­einer Reduktion von Alltagsfunktion und Lebensqua­lität als auch mit einer höheren Mortalität einher [1]. Durch die zunehmende Entwicklung und Evaluation psychosozialer Behandlungsangebote sowie die Ausweitung pharmakologischer Behandlungsoptionen hat die Komplexität der Behandlung von Patienten1 mit schizophrenen Erkrankungen stark zugenommen.
Die Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) hat eine aus den Autoren dieses Artikels bestehende Arbeitsgruppe beauftragt, Behandlungsempfehlungen auf Basis internationaler Leitlinien zu erstellen. Ziel war, den aktuellen Wissensstand in ­Bezug auf die Behandlung von Patienten mit Schizophrenie zusammenzufassen, um so dem Nutzer in ­Klinik und Praxis einen Leitfaden für die komplexen Behandlungsmöglichkeiten an die Hand zu geben. Die Struktur dieser Behandlungsempfehlungen orientiert sich an Fragestellungen, die häufig im klinischen Alltag auftreten (Tab. 1). Dies umfasst Problembereiche von der Diagnose über die Akutbehandlung bis hin zur Rehabilitation. Im Bereich der Therapie sind jeder dieser Fragestellungen biologische und psychosoziale Interventionen zugeordnet, deren Auswahl sich nach dem klinischen Problem richtet. Da die Behandlung von ­Jugendlichen und älteren Patienten mit schizophrenen Psychosen einen sehr wichtigen Aspekt darstellt, beteiligten sich auch die Schweizer Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie (SGKJPP) und die Schweizerische Gesellschaft für Alterspsychiatrie (SGAP) an der Erstellung der Behandlungsempfehlungen.
Tabelle 1: Inhaltsverzeichnis der Vollversion der Behandlungsempfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) [27].
1Einleitung
2Grundlagen der Behandlung
 2.1Welche Haltung ist in der Behandlung angemessen und hilfreich?
 2.2Wie kann der Patient bei der Entscheidungsfindung beraten und unterstützt werden («shared decision ­making»)?
 2.3Wie definiert man Behandlungsziele und einen Behandlungsplan?
 2.4Wie misst man der Erfolg einer Behandlung?
3Wie erstellt man eine Diagnose?
 3.1Wie stellt man die Diagnose nach ICD-10?
 3.2Wie grenzt man die Schizophrenie von anderen psychotischen Störungen ab?
 3.3Wie schliesst man eine substanzinduzierte psychotische Störung aus?
 3.4Wie schliesst man eine organische psychotische Störung aus?
 3.5Wie erfasst man komorbide psychische Erkrankungen?
4Wie behandelt man Probleme der akuten Phase?
 4.1Wie tritt man mit einem akut erkrankten Patienten in Kontakt?
 4.2Wie bezieht man Angehörige und Bezugspersonen in die Akuttherapie ein?
 4.3Wie setzt man psychosoziale Interventionen in der Akutphase ein?
 4.4Wie setzt man Pharmakotherapie zur Symptomkontrolle ein?
 4.5Wie verhindert man Suizide und Selbstschädigung in der Akutphase?
 4.6Wie geht man mit fremdaggressivem Verhalten in der Akutphase um?
5Wie geht man mit Nebenwirkungen der pharmakologischen Therapie um?
 5.1Welche allgemeinen Massnahmen sind zur Vermeidung von Nebenwirkungen erforderlich?
 5.2Wie geht man mit extrapyramidalmotorischen Störungen (EPMS) um?
 5.3Wie geht man mit metabolischen Nebenwirkungen um?
 5.4Wie geht man mit kardiovaskulären Nebenwirkungen um?
 5.5Wie geht man mit sexuellen Funktionsstörungen als Nebenwirkung um?
 5.6Andere Nebenwirkungen der Behandlung mit Antipsychotika
6Wie geht man bei unzureichendem Ansprechen und Behandlungsresistenz vor?
 6.1Wann liegt unzureichendes Ansprechen auf ein Antipsychotikum vor?
 6.2Wie geht man bei unzureichendem Ansprechen auf antipsychotische Therapie vor?
 6.3Wann liegt Behandlungsresistenz im engeren Sinn vor?
 6.4Welche medikamentösen Strategien gibt es für Behandlungsresistenz im engeren Sinne?
 6.5Welche psychotherapeutischen Verfahren kommen bei unzureichendem Ansprechen und Behandlungs­resistenz zum Einsatz?
 6.6Welche Hirnstimulationsverfahren können bei Behandlungsresistenz zum Einsatz kommen?
 6.7Wie behandelt man komorbide Suchterkrankungen?
7Wie fördert man Recovery?
 7.1Wie kann Empowerment gefördert werden?
 7.2Wie erreicht man eine Verbesserung der Lebensqualität?
 7.3Wie fördert man soziale Integration und Inklusion?
 7.4Wie können Patienten bei der Suche und Aufrechterhaltung eines Arbeitsplatzes unterstützt werden?
 7.5Wie kann die körperliche Gesundheit gefördert werden?
8Wie verhindert man Rückfälle?
 8.1Warum sollten Rückfälle verhindert werden?
 8.2Wie kann ein Rückfall frühzeitig erkannt werden?
 8.3Wie setzt man Antipsychotika zur Rückfallprophylaxe ein?
 8.4Welche psychosozialen Interventionen sind für die Rückfallprophylaxe geeignet?
 8.5Welche Organisation der Versorgungsstrukturen trägt zur Rückfallprophylaxe bei?
9Welche Besonderheiten sind bei Patienten mit Ersterkrankung zu beachten?
 9.1Grundlagen
 9.2Versorgungsstrukturen
 9.3Pharmakologische Behandlung
 9.4Psychosoziale Interventionen
10Schizophrene Psychosen bei Kindern und Jugendlichen
 10.1Grundlage
 10.2Diagnose
 10.3Allgemeine Behandlungsprinzipien
 10.4Psychosoziale Behandlungsansätze
 10.5Pharmakologische Behandlungsansätze
11Schizophrene Psychosen bei älteren Patienten
 11.1Grundlagen
 11.2Wie stellt man eine Diagnose und grenzt eine Schizophrenie von anderen Erkrankungen ab?
 11.3Allgemeine Behandlungsprinzipien
 11.4Psychosoziale Behandlungsansätze
 11.5Medikamentöse Behandlung
 11.6Wie geht man mit fremdaggressivem Verhalten um?
 11.7Wie geht man mit psychiatrischen Komorbitäten um?
12Ausblick 
Im ersten Schritt der Erstellung der Behandlungsempfehlungen erfolgte eine Synthese der wichtigsten internationalen Leitlinien für die Praxis im schweizerischen Gesundheitssystem. Grundlage sind die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) [2], des «National Institute for Clinical Excellence» (NICE) [3, 4], der «World Federation of Societies of Biological Psychiatry» (WFSBP) [5, 6] und des «Patient Outcomes Research Team» (PORT) [7, 8] (Tab. 2). Wenn keine oder keine aktuellen Empfehlungen in den internationalen Leitlinien verfügbar waren, erfolgte in einem zweiten Schritt eine Sichtung der Originalliteratur durch die Arbeitsgruppe. In einem dritten Schritt wurde zuletzt ein Konsens der Mitglieder der Arbeitsgruppe erarbeitet. Insgesamt muss betont werden, dass die Behandlungsempfehlungen nicht durch einen formalisierten Leitlinienentwicklungsprozess entstanden sind.2
Tabelle 2: Internationale Leitlinien als Grundlage der Behandlungsempfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft 
für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP).
LeitlinieLandJahrReferenzInhalt
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie 
und Psychotherapie, Psychosomatik 
und Nervenheilkunde (DGPPN)D2006[2]Alle Aspekte der Behandlung
«National Institute of Clinical Excellence» (NICE)GB2013/2014[3, 4]Alle Aspekte der Behandlung 
(in Bezug auf Medikation kurz gefasst)
«World Federation of Societies of Biological ­Psychiatry» (WFSBP)Int2012/2013[5, 6]Pharmakologische und andere biologische Therapieverfahren
«Patient Outcomes Research Team» 
(PORT)USA2010[7, 8]Kurze Leitlinie für alle Aspekte 
der Behandlung
Die Vollversion der Behandlungsempfehlungen ist auf der Homepage der SGPP (http://www.psychiatrie.ch/sgpp/fachleute-und-kommissionen/behandlungsempfehlungen/) verfügbar. Dieser Artikel richtet sich an in Praxis oder Klinik tätige Ärzte aller Fachrichtungen, die sich über die aktuellen Empfehlungen zur Behandlung der Schizophrenie informieren wollen. Diese Kurzversion im Swiss Medical Forum verfolgt zwei Ziele. Erstens gibt sie eine Übersicht über den Inhalt der Behandlungsempfehlungen. Zweitens werden die Empfehlungen zu einigen zentralen Aspekten der Behandlung genauer dargestellt, um direkte Hinweise auf aktuelle Behandlungsoptionen zu geben. In der Regel wird jedoch empfohlen, für die praktische Tätigkeit auf die Vollversion der Behandlungsempfehlungen zurückzugreifen.

Grundlagen der Behandlung und ­Diagnose

In internationalen Leitlinien wird die Grundhaltung als Element der Behandlung unterschiedlich gewichtet, erhält aber eine zunehmende Bedeutung. Zentral erscheint hier der Begriff der Recovery-Orientierung. Nachdem lange Zeit die Behandlung der Schizophrenie von einer pessimistischen Grundhaltung geprägt war, vollzieht sich aktuell ein Wandel zu einer positiveren Recovery-orientierten Haltung [9]. Dabei hat der Begriff der Recovery unterschiedliche Bedeutungen [10]. FunktionelleRecovery meint die Wiederherstellung von Alltagsfunktion. Dem wird insbesondere von ­Betroffenenvertretern ein Konzept der persönlichenRecovery gegenübergestellt. Dies bezeichnet den in­dividuellen Prozess der Entwicklung im Umgang mit einer psychischen Erkrankung, die Entwicklung einer Lebensperspektive und die Gestaltung eines sinnerfüllten Lebens.
Aus der Recovery-Orientierung ergeben sich fundamentale Elemente der Haltung, mit der in die Behandlung involvierte Personen ihren Patienten gegenüber treten sollten [3]. Dazu gehören zum Beispiel die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Patienten und ­Angehörigen, Interesse und Respekt für die Perspektive und den individuellen Weg des Patienten mit entsprechenden Wahlmöglichkeiten (gemeinsame Entscheidungsfindung), Schaffung einer Atmosphäre von Hoffnung und Optimismus. Aber auch für Institutionen ergeben sich einige grundlegende Überlegungen. So ist eine systematische und fortlaufende Reflektion der Haltung erforderlich, Betroffenenvertreter sollten sowohl in die Entwicklung von Angebotsstrukturen als auch in die Behandlungsangebote selbst einbezogen werden und die Rahmenbedingungen für die Behandlung sollten so wenig restriktiv wie möglich sein.
Aktuell erfolgt die Diagnose noch nach dem ICD-10 [11] (Tab. 3). Dabei werden im ICD-10 bestimmten psychotischen respektive Positivsymptomen eine besondere Bedeutung für die Diagnose zugemessen, sodass das Vorliegen eines solchen Symptoms für mindestens einen Monat ausreichend ist. Hierzu gehören akustische Halluzinationen in Form von Stimmenhören, bizzarem Wahn und Störungen des Ich-Erlebens. Wichtig ist die Abgrenzung somatischer Ursachen der Symptomatik.
Tabelle 3: Diagnostische Kriterien der Schizophrenie nach ICD-10.
G1Entweder mindestens eines der Symptome, ­Anzeichen und Syndrome aufgelistet unter 1. oder mindestens zwei unter 2. sollten in der meisten Zeit während einer psychotischen Episode von mindestens einem Monat Dauer vorhanden sein 1. Mindestens eines der folgenden Merkmale:
a) Gedankenlautwerden, Gedankeneingebung, Gedankenentzug oder Gedankenausbreitung;
b) Kontrollwahn, Beeinflussungswahn, Gefühl des Gemachten, deutlich bezogen auf Körper- oder Gliederbewegungen oder bestimmte Gedanken, Tätigkeiten oder Empfindungen; ­Wahnwahrnehmung;
c) kommentierende oder dialogische Stimmen, die über das Verhalten des Patienten reden oder untereinander über ihn diskutieren, oder andere Stimmen, die aus bestimmten Körper­teilen kommen;
d) anhaltender kulturell unangemessener, bizarrer und völlig unrealistischer Wahn, wie der das Wetter kontrollieren zu können oder mit Ausserirdischen in Verbindung zu stehen.
2. Oder mindestens zwei der folgenden Merkmale:
a) anhaltende Halluzinationen jeder Sinnesmodalität, täglich während mindestens eines Monats, begleitet von ­flüchtigen oder undeutlich ausgebildeten Wahngedanken ohne deutlichen ­affektiven Inhalt oder begleitet von ­langanhaltenden überwertigen Ideen;
b) Neologismen, Gedankenabreissen oder Einschiebungen in den Gedankenfluss, was zu ­Zerfahrenheit 
oder ­Danebenreden führt;
c) katatone Symptome wie Erregung, Haltungsstereotypien oder wächserne Biegsamkeit, ­Negativismus, ­Mutismus und Stupor;
d)«negative» Symptome wie auffällige Apathie, Sprachverarmung, verflachter oder inadäquate Affekte.
G2Ausschlussvorbehalt1. Wenn die Patienten ebenfalls die Kriterien für eine manische Episode (F30) oder eine depressive Episode erfüllen, müssen die oben unter G1.1. und G1.2. aufgelisteten Kriterien vor der affektiven Störung aufgetreten sein.
2. Die Störung kann nicht einer organischen Gehirnerkrankung (im Sinne von F00-F09) oder einer Alkohol- oder Substanzintoxikation (F1x.0), einem Abhängigkeitssyndrom (F1x.2) oder einem Entzugssyndrom (F1x.3, F1x.4) zugeordnet werden.

Wie behandelt man Probleme der ­akuten Phase?

Eine grundlegende Behandlungsempfehlung in allen internationalen Leitlinien [2, 3, 8] betrifft die Notwendigkeit eines gut ausgebauten integrativen psychiatrischen Behandlungsangebotes für Patienten mit schizophrenen Erkrankungen, welches an die verschiedenen Stadien, Ausprägungen und kulturellen Bedingungen angepasste sein sollte.
Es besteht ein breiter Konsens, dass psychosoziale Interventionen neben der pharmakologischen Behandlung einen zentralen Platz in der Akutbehandlung einnehmen [2, 3, 8]. Psychosoziale Interventionen werden zum Erreichen eines breiten Spektrums von Zielen eingesetzt, zu denen die Vermittlung von Information und die Stärkung von Entscheidungskompetenz, die Reduktion von Symptomen, die Verbesserung des so­zialen Funktionsniveaus und nicht zuletzt das Entwickeln einer hoffnungsvollen Perspektive gehören [12]. Mit einer strukturierten Informationsvermittlung in Form von psychoedukativen Angeboten sollte bereits in der Akutphase begonnen werden [2, 3]. Die Arbeit mit Angehörigen und Bezugspersonen ist in der Behandlung von Patienten mit psychotischen Störungen von grosser Bedeutung. Eine strukturierte und regelmässige Familienintervention sollte beginnend in der akuten Phase angeboten werden [2, 3, 8] (siehe Abschnitt zur Rückfallprophylaxe für weitere Hinweise zu Psychoedukation und Familienintervention).
Obwohl psychosoziale Interventionen von grosser Wichtigkeit sind, bleibt die Pharmakotherapie ein Eckpfeiler der Akut- und Langzeittherapie schizophrener Erkrankungen. In der Akutbehandlung sind häufig psychotische Symptome (bzw. Positivsymptome) im Vordergrund, das heisst Wahn und Halluzinationen. Alle Leitlinien stimmen überein [2, 3, 6, 7], dass bei Auftreten psychotischer Symptome im Rahmen einer schizophrenen Erkrankung mit einem Antipsychotikum begonnen werden soll (siehe Tab. 4 für in der Schweiz zugelassene Antipsychotika). Bei Patienten mit Ersterkrankung empfehlen wir die Auswahl eines Antipsychotikums der zweiten Generation anschlies­send an die DGPPN- und WFSBP-Leitlinien [2, 6], obwohl nicht alle Leitlinien eine solche Empfehlung geben [3, 7]. Bei Patienten mit mehr als einer Krankheitsepisode kann keine klare Empfehlung zugunsten einer Klasse von Antipsychotika gegeben werden [2, 3, 6, 7]. Wenn in der Vergangenheit ein Antipsychotikum erfolgreich eingesetzt wurde, sollte wieder auf dieses zurückgegriffen werden.
Tabelle 4: Dosisempfehlungen von in der Schweiz zugelassenen Antipsychotika (adaptiert nach [6, 25, 26]).
Zugelassene CH
Antipsychotika (AP)
Orginal CH
Präparat
Startdosis
(mg/Tag)
Tägliche DosenZieldosis FEP
(mg/Tag)
Zieldosis MEP
(mg/Tag)
Maximale Dosis
(mg/Tag)
Zweitgeneration AP
AmisulpridSolian®200 (1)–2 100–300 400–800 1200 (8001)
AripiprazolAbilify®5–15 115–(30) 15–30 30
Clozapin Leponex®25 2–(4) 100–250 300–800 900
LurasidonLatuda®40 140–8040–120 120
Olanzapin Zyprexa®5–10 15–15 5–20 30 (201)
Paliperidon Invega®3–6 13–93–12 12
Quetiapin IR/XRSeroquel®5022/1300–600400–7501000 (8001)
SertindolSerdolect®4112–2012–2424
Risperidon Risperdal®1–2 1–2 1–4 3–10 10
Erstgeneration AP
ChlorprothixenTruxal®50–1002–4100–150200–3001200
ClotiapinEntumin®20–401–360–100120–200360
FlupentixolFluanxol®2–10 1–3 2–10 10–2040
HaloperidolHaldol®1–10(1)–2 1–43–15 20
LevomepromazinNozinan®25–502–475–125150–250500
PromazinPrazine®50–150 1–2 100–300 200–600 1000
PipamperonDipiperon®403 60–180120–360360
SulpiridDogmatil®502–3400–800800–16001600
Zuclopenthixol Clopixol®2–50 1–3 2–10 25–50 80
CH = Schweizer; FEP = Erste psychotische Episode; MEP = Multiple psychotische Episoden
Neben den aufgeführten Zweitgeneration-AP sind ausserhalb der Schweiz noch Ziprasidon (Zeldox®) und Asenapin (Sycrest®) für die Behandlung von Schizophrenien zugelassen.
1 Bei Medikamenten, für die internationale Dosierungsempfehlungen über die in der Schweiz zugelassene Höchstdosis hinausgehen, ist letztere in Klammern angegeben.
2 Die hier angegebenen Dosen für Quetiapin entsprechen den Zulassungsstudien. In der Praxis haben sich bei Patienten mit akuter Symptomatik höhere Startdosen bewährt.
Es sollte mit der in Tabelle 4 aufgeführten empfohlenen Startdosis begonnen werden, wobei in Einzelfällen auch höhere Startdosen möglich sind. Bei ersterkrankten Patienten sind auch niedrigere Startdosen möglich. In der Folge wird eine individuell angepasste Ti­tration (z.B. in wöchentlichen Schritten) bis zum Auftreten einer klinisch relevanten Verbesserung der Symptomatik oder dem Auftreten von Nebenwirkungen empfohlen. Wenn innerhalb von 4–6 Wochen keine klinische relevante Besserung der Symptomatik erfolgt, sollte gemäss den Empfehlungen für unzureichendes Ansprechen (siehe unten) vorgegangen werden.
In der Akutphase sind häufig Anxiolyse und Sedierung notwendig. Als Reservemedikation empfiehlt die Expertengruppe primär den Einsatz von Benzodiazepinen [2, 6]. Da Angst oder Agitation häufig sehr belastend für die Patienten sind, sollte eine feste Verordnung von Benzodiazepinen in den ersten Wochen der Behandlung erwogen werden. Die Beurteilung und gegebenenfalls Behandlung von Suizidalität und Fremdaggressivität spielt in der Akutphase eine wichtige Rolle und die Vollversion der Behandlungsempfehlungen gibt hier weiterführende Hinweise.

Wie geht man mit Nebenwirkungen um?

Nebenwirkungen antipsychotisch wirksamer Medikamente beeinflussen die Lebensqualität und die körperliche Gesundheit unserer Patienten. Zudem hängt die Adhärenz zur Behandlung entscheidend von den ­Nebenwirkungen der Medikation ab [5]. Tabelle 5 gibt eine Übersicht zu häufigen Nebenwirkungen von Antipsychotika.
Tabelle 5: Überblick der gängigen Nebenwirkungen der wichtigsten in der Schweiz zur Anwendung kommenden Antipsychotika (angepasst und gekürzt nach Hasan et al. [5]).
Wirkstoff
NebenwirkungHaloperidolAmisulpridAripiprazolClozapinOlanzapinPaliperidonQuetiapinRisperidonSertindolLurasidon
Akathisie / ­Parkinsonoid+++0/(+)+00/( + )0/ + +0/( + )0/ + +0/( + )++
Spätdyskinesien+++(+)( + )0( + )( + )?( + )( + )?
Anfälle1+0( + )+ +0000( + )?
QTc+(+)( + )( + )( + )( + )( + )( + )+ + +( + )
Hyperglykämie(+)(+)0+ + ++ + ++ ++ ++ ++(+) - +
Hyperlipidämie(+)(+)0+ + ++ + ++ ++ ++ ++(+) - +
Hypotension++0+( + )( + )+ ++ ++ +( + )0/( + )
Agranulozytose0/(+)0/(+)0/( + )+0/( + )0/( + )0/( + )0/( + )0/( + )0/( + )
Gewichts­zunahme++( + )+ + ++ + ++ ++ ++ ++ +(+) - +
Prolaktin­erhöhung++++++00( + )+ +( + )+ +( + )++
Sedierung+0/(+)0+ + ++ / + +++ ++( + )++
Malignes neuroleptisches Syndrom (MNS)+?( + )( + )( + )( + )( + )( + )( + )?
Häufigkeit: 0: kein Risiko; (+): selten, vergleichbar mit Plazebo; +: <1%; ++: <10%; +++: ≥10%; ?: keine oder begrenzte Daten
Gewicht (Änderung während 6–10 Wochen): +: 0–1,5 kg; ++: 1,5–3 kg; +++: >3 kg
1 Es gibt Hinweise auf ein erhöhtes Anfallsrisiko für verschiedene atypische Antipsychotika. Aufgrund der unklaren Datenlage orientieren wir uns an der Einteilung von Hasan et al.
Heute spielen metabolische Störungen in der Langzeitbehandlung mit Antipsychotika eine grosse Rolle. Dabei erhöhen Gewichtszunahme, die mögliche Entwicklung eines Diabetes mellitus, Plasmalipiderhöhung und Auffälligkeiten im Elektrokardiogramm (EKG) der Pa­tienten das durch den häufig vorkommenden un­gesunden Lebensstil vorhandene Risiko des Auftretens somatischer Erkrankungen noch weiter. Zur Prävention von metabolischen Nebenwirkungen ist eine Erfassung des Risikoprofils vor Beginn der Behandlung notwendig. Bei Patienten mit Risikofaktoren sollte ein Antipsychotikum mit einem niedrigen metabolischen Risiko ausgewählt werden. Im Verlauf ist eine regelmäs­sige Kontrolle von Blutdruck, Blutzucker und Lipiden sowie Gewicht respektive Taillenumfang empfohlen. Eine heterogene Gruppe von psychosozialen Interventionen zeigt positive Effekte sowohl für die Prävention einer Gewichtszunahme als auch für die Gewichtsreduktion [5, 13]. Diese Interventionen beinhalten unter anderem Ernährungsberatung, körperliches Training und Gewichtsmanagement-Programme. Wenn eine Gewichtszunahme zu beobachten ist und psychosoziale Interventionen keinen Effekt haben, ist der Wechsel auf ein Antipsychotikum mit einem günstigeren metabolischen Risikoprofil unter Beachtung des Risikos einer Symptomzunahme zu erwägen [2, 5]. In Zusammen­arbeit mit einem Fachexperten für metabolische Erkrankungen ist eine ergänzende Therapie mit Metformin möglich [14], das positive Effekte auf Gewicht und metabolische Parameter gezeigt hat.
Auch wenn extrapyramidalmotorische Nebenwirkungen (EPMS) bei der Therapie mit Antipsychotika der zweiten Generation seltener zu beobachten sind, ist ihre Identifikation und Behandlung weiterhin wichtig. Zu den akuten EPMS zählen akute Dystonie, Parkinsonismus und Akathisie (Sitzunruhe). Akute Dystonie und Parkinsonismus können mit einem Anticholinergikum (z.B. Biperiden) behandelt werden [2, 5]. Auf eine langfristige Kombination eines Antipsychotikums mit einem Anticholinergikum sollte jedoch verzichtet werden. Für die Behandlung der Akathisie gibt es Hinweise auf die Wirksamkeit von Benzodiazepinen und nicht-kardioselektiven Betablockern [2, 5]. Bei allen akuten EPMS empfiehlt sich der Versuch einer Dosisreduktion oder der Umstellung auf ein Atypikum mit geringem Risiko für EPMS (Tab.  5). Die Behandlung von Spätdyskinesien, die im Verlauf einer antipsychotischen Behandlung auftreten können, ist komplex und sollte durch einen Spezialisten erfolgen.
Verlängerungen des QT-Intervalls unter Therapie mit Antipsychotika können in sehr seltenen Fällen zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen (Torsade de pointes) führen [5]. Ein Risiko besteht vor allem für Patienten mit kardialen Vorerkrankungen sowie bei Kombination mit anderen QT-Intervall-verlängernden Substanzen, sodass diese Faktoren vor Beginn abgeklärt und das EKG im Verlauf kontrolliert werden sollte. Andere häufige Nebenwirkungen wie Prolaktinerhöhung, sexuelle Dysfunktionen und Sedierung führen vor allem zu einer Einschränkung der Lebensqualität.
Auch unabhängig von Nebenwirkungen der Behandlung haben Patienten mit Schizophrenie eine schlechtere körperliche Gesundheit und demzufolge eine um 10–25 Jahre verkürzte Lebenserwartung [15]. Daher sollten Psychiater und andere Ärzte, die Patienten mit ­einer Schizophrenie behandeln, darauf achten, dass Risikofaktoren erkannt und reduziert werden und dass die Patienten bezüglich somatischer Krankheiten optimal untersucht und behandelt werden. Wir betonen hier diesen Aspekt, weil Patienten mit Schizophrenie zwar häufig Kontakt zum Gesundheitssystem haben, somatische Erkrankungen aber seltener adäquat dia­gnostiziert und behandelt werden [16].

Vorgehen bei unzureichendem Ansprechen und Behandlungsresistenz?

Die Begriffe des unzureichenden Ansprechens und der Behandlungsresistenz sind in den internationalen Leitlinien vor allem auf die Pharmakotherapie bezogen [2, 3, 6, 7]. Allerdings gehen diese Definitionen davon aus, dass die Pharmakotherapie in ein multimodales Behandlungskonzept mit psychologischen und sozialen Therapieelementen eingebettet ist. Besonders hervorzuheben ist, dass alle umfassenden Leitlinien bei unzureichendem Ansprechen auf die antipsychotische Therapie und Behandlungsresistenz den Einsatz spe­zifischer psychotherapeutischer Verfahren vorsehen [2, 3, 7]. Unzureichendes Ansprechen bezeichnet eine insuffiziente Verbesserung von Symptomen respektive Alltagsfunktion oder Lebensqualität unter der Therapie mit einem Antipsychotikum, während die Behandlungsresistenz im engeren Sinne erst nach Behandlung mit mindestens zwei Antipsychotika in ausreichender Dauer und Dosierung eintritt.
Häufige Ursachen für unzureichendes Ansprechen müssen ausgeschlossen werden [2, 17]. Dazu sind folgende Fragen zu klären:
– Ist die Diagnose einer schizophrenen Psychose korrekt?
– Liegt eine komorbide Suchterkrankung vor?
– Liegen andere komorbide psychische oder somatische Erkrankungen vor?
– Werden die Medikamente wie verschrieben eingenommen?
– Wurde ein ausreichender Plasmaspiegel erreicht (Ausschluss Non-Adhärenz, Interaktionen, schnelle Metabolisierung)? Hierbei ist anzumerken, dass es ausser für Clozapin keinen nachgewiesenen Mindestplasmaspiegel gibt und eine Plasmaspiegelbestimmung nur bei einer konkreten Fragestellung sinnvoll ist.
– Sind psychosoziale Probleme berücksichtigt und gegebenenfalls behandelt?
Wenn diese Ursachen für ein unzureichendes Ansprechen ausgeschlossen sind, bleiben als grundsätzliche Möglichkeiten eine Dosiserhöhung und die Umstellung auf ein anderes Antipsychotikum [2, 6]. Eine Kombina­tionstherapie ist zu diesem Zeitpunkt nicht indiziert.
Von Behandlungsresistenz im engeren Sinn spricht man bei unzureichendem Ansprechen auf mindestens zwei Antipsychotika in empfohlener Dosierung und Dauer [2, 6, 17]. Alle internationalen Leitlinien empfehlen bei Vorliegen von Behandlungsresistenz die Umstellung auf eine Monotherapie mit Clozapin [2, 3, 6, 7]. Beim Einsatz von Clozapin sind die schrittweise Aufdosierung und die strikte Beachtung der in der Fachinformation genannten Kontrolluntersuchungen unbedingt zu beachten. Für alle anderen Strategien – insbesondere Kombinations- und Augmentationsstrategien – gibt es keine konsistente Studienlage und dementsprechend keine Empfehlungen in den internationalen Leitlinien.
Hinsichtlich des Einsatzes von psychotherapeutischen Verfahren gibt es vor allem bei therapieresistenter Positivsymptomatik Evidenz für einen positiven Effekt einer spezifischen kognitiven Verhaltenstherapie [18], wobei diese Ansätze bisher nur begrenzt verfügbar sind.
Die elektrokonvulsive Therapie (EKT) wurde bisher in einigen aber nicht allen Leitlinien als Option bei Versagen aller anderen Therapiestrategien angegeben [2, 5]. Zur Behandlung von katatonen Symptomen ist die EKT eine wichtige Behandlungsoption. Für den Einsatz von transkranieller Magnetstimulation gibt es noch uneinheitliche Empfehlungen [2, 5, 7], wobei mittlerweile gute Evidenz für den Einsatz niederfrequenter Stimulation des linken temporo-parietalen Kortex bei therapieresistenten akustischen Halluzinationen vorliegt.

Wie verhindert man Rückfälle?

Psychotische Episoden stellen für die Betroffenen und ihr Umfeld eine grosse Belastung dar, beeinflussen den langfristigen Outcome und das Funktionsniveau negativ [19] und Rückfälle sind häufig mit Hospitalisationen und erheblichen Behandlungskosten verbunden [20]. Rückfallprävention sollte immer mit anderen Behandlungszielen wie funktioneller und persönlicher Recovery verknüpft werden.
Unter antipsychotischer Medikation stabilisierte Pa­tienten zeigen eine hohe Rückfallrate, wenn die Medikation abgesetzt wird [3, 19]. Daher wird in der Regel eine Erhaltungstherapie empfohlen, die von der Anzahl und der Schwere der Krankheitsepisoden abhängig ist [2, 5]. Nach einer ersten psychotischen Episode sollte eine antipsychotische Therapie für mindestens 12 Monate nach Remission der Symptome erfolgen, nach einer zweiten Episode für mindestens 24 Monate. Nach mehr als zwei Episoden sollte eine Langzeitbehandlung vorgeschlagen werden. Es wird empfohlen, die in der Akutphase wirksame Substanz auch zur Erhaltungstherapie einzusetzen. Hinsichtlich der Applikationsform sind langwirksame Depotpäparate eine wirksame Alternative, über die Patienten informiert werden sollten.
Die Frage der Erhaltungsdosis beziehungsweise Dosisreduktion unterliegt aktuell kontroversen Diskussionen. Insgesamt plädieren mittlerweile viele Autoren für das Anstreben möglichst niedriger Dosen in der Erhaltungstherapie [21], wobei dies gegen ein erhöhtes Rückfallrisiko unter Reduktionsstrategien abgewogen werden muss [22]. Das Thema Dosisreduktion respektive Absetzen sollte vom Behandler proaktiv angesprochen werden. Vor- und Nachteile des Vorgehens sollten in einem Prozess der gemeinsamen Entscheidungs­findung abgewogen werden. Bei Dosisreduktion oder Absetzen sollten das Monitoring und die Erkennung von drohenden Rückfällen immer wieder besprochen werden.
Eine zunehmende Zahl von Studien hat in den letzten Jahren psychosoziale Interventionen zur Rückfallprävention untersucht. Psychoedukative Interventionen in Kombination mit kognitiv-verhaltenstherapeutischen Elementen sind eine empfohlene Intervention [12, 23]. Wichtige Elemente sind hierbei die Erarbeitung eines eigenen Verständnisses der Erkrankung sowie von Strategien zum Erkennen individueller Stressoren, von Frühwarnzeichen und von individuellen Reak­tionsmöglichkeiten (siehe [24] für ein entsprechendes Manual). Eine strukturierte und regelmässige Familienintervention sollte beginnend in der akuten Phase angeboten werden und scheint das Rückfallrisiko zu reduzieren [2, 3, 8]. Schwerpunkt dieser Interventionen sind Psychoedukation, Problemlösen und Krisenmanagement.

Ausblick

Wir hoffen, dass wir mit den SGPP-Behandlungsempfehlungen eine nützliche Hilfe für die Arbeit mit an Schizophrenie erkrankten Patienten geben können. Aus der Arbeit an den Behandlungsempfehlungen ergeben sich für die Autoren eine Reihe weiterer Überlegungen. Erstens gibt es, wie an mehreren Stellen in den Behandlungsempfehlungen hervorgehoben, für viele hochrelevanten praktischen Fragen einen Mangel an klinischen Studien. Hier wäre es aus Sicht der Autoren wünschenswert, praxisrelevante klinische Studien noch stärker als bisher auch in der Schweiz durchzuführen, idealerweise unter Einschluss universitärer und nichtuniversitärer Akteure. Dabei wird ein wesentliches Element zukünftiger Entwicklung von Therapiemöglichkeiten die Individualisierung (oder Personalisierung) von Behandlung sein. Hiermit ist allerdings nicht nur die Nutzung biologischer Prädiktoren für Therapien gemeint, sondern die integrierte Berücksichtigung biologischer, psychologischer und sozialer Voraussetzungen des einzelnen Patienten. Zweitens gibt es trotz des in vielen Bereichen noch begrenzten Wissens ein breites Spektrum evidenzbasierter biologischer und psychosozialer Interventionen. Es ist eine grosse Herausforderung, diese Behandlungsmöglichkeiten allen an Schizophrenie erkrankten Pa­tienten zur Verfügung zu stellen. Diese Herausforderung kann von einzelnen Akteuren im psychiatrischen Versorgungssystem kaum bewältigt werden. Hier werden in Zukunft noch stärkere gemeinsame Anstrengungen und eine zunehmende Vernetzung von niedergelassenen Ärzten, Kliniken und Einrichtungen der Rehabilitation nötig sein.

Quintessenz

• Schizophrene Erkrankungen gehen häufig mit einer Einschränkung von Alltagsfunktion und Lebensqualität einher und sind mit einer erhöhten Mortalität assoziiert, was komplexe Behandlungsangebote unter angemessener Berücksichtigung psychosozialer und pharmakologischer Interventionen notwendig macht.
• Die Behandlungsempfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) beinhalten eine Synthese der internationalen Leitlinien. Für Bereiche, zu denen es keine konsistenten Empfehlungen in den internationalen Leitlinien gibt, wurde eine eigene Literatursuche durchgeführt und ein Konsens in der Expertengruppe erarbeitet.
• Behandlungsziele sind nicht mehr auf die Remission von Symptomen und die Rückfallprophylaxe beschränkt. Der funktionellen und persönlichen Recovery wird heute eine grosse Bedeutung zugemessen.
• Die SGPP-Behandlungsempfehlungen sind anhand klinischer Fragestellungen strukturiert, die sich bei der Behandlungsplanung zum Erreichen der genannten Ziele häufig stellen.
• In der hier vorliegenden Kurzversion werden für Ärzte aller Fachrichtungen zentrale Elemente der Behandlungsempfehlungen vorgestellt.
Die SGPP unterstützte die Arbeit der Projektgruppe mit einem Beitrag für Reisekosten, sonst erfolgten keine finanziellen Zuwendungen in Bezug auf die Behandlungsempfehlungen.
SK deklariert Vortragshonorare von Janssen, Lundbeck und Takeda, die nicht in Zusammenhang mit der eingereichten Arbeit stehen. GB deklariert Vortragshonorare von Lundbeck, Opopharma und Burgerstein, die nicht in Zusammenhang mit der eingereichten Arbeit stehen. WK erhielt persönliche Honorare von Janssen, Eli Lilly (Suisse) SA, der VA Aargau, Takeda, Vifor und der Zürcher Gesundheitsdirektion, während die Studie durchgeführt wurde. TJM deklariert Vortrags­honorare von AstraZeneca, Bristol-Myers Squibb, Lundbeck, Janssen, Servier, Eli Lilly, Zeller Medical, Mepha, Sunovion und Sandoz; er ist oder war als Berater für Eli Lilly, Lundbeck, Otsuka, Sunovion, Bristol-Myers Squibb, AstraZeneca und Janssen tätig. BGS deklariert persön­liche Honorare von Shire, die nicht in Zusammenhang mit der eingereichten Arbeit stehen. RT deklariert persönliche Honorare von Lundbeck (Beratungsgremien), die nicht in Zusammenhang mit der eingereichten Arbeit stehen. RV deklariert persönliche Honorare von Janssen, Eli Lilly, Lundbeck, Otsuka und Takeda, die nicht in Zusammenhang mit der eingereichten Arbeit stehen. ES deklariert Forschungsmittel von Lundbeck sowie persönliche Honorare von AstraZeneca, Otsuka, Eli Lilly, Janssen, Lundbeck, Novartis, Pfizer und Servier, die nicht in Zusammenhang mit der eingereichten Arbeit stehen. PC und NT ­melden keine finanziellen Beihilfen und keine anderen potenziellen Interessenkonflikte, die für diesen Artikel relevant sind.
Prof. Dr. med. Stefan Kaiser
Département de santé ­mentale et de psychiatrie
Service de psychiatrie adulte
Hôpitaux Universitaires de Genève
Chemin du Petit-Bel-Air
CH-1225 Chêne-Bourg
stefan.kaiser[at]hcuge.ch
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27 Vollversion der Behandlungsempfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) zur Schizophrenie. Abrufbar unter:
https://www.psychiatrie.ch/sgpp/fachleute-und-kommissionen/behandlungsempfehlungen/.