Antibiotikabehandlung als Risikofaktor für Nierensteine
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Antibiotikabehandlung als Risikofaktor für Nierensteine

Kurz und bündig
Ausgabe
2018/25
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03314
Swiss Med Forum. 2018;18(25):524-525

Publiziert am 20.06.2018

Fokus auf … ZIKA-Viren

– Einzelstrang-RNA-Viren (Flaviviren; Abb. 1) übertragen durch Aedes-Mücken (v.a. A. aegypti), in Einzelfällen auch sexuell.
– Erster beobachteter Ausbruch 2015 in Brasilien.
– Infekte in bis zu 60% der Fälle symptomatisch.
– Wahrscheinlichkeit von Symptomen bei Frauen / mit zunehmenden Alter höher.
– Symptome: Exanthem, Fieber, Arthralgien/Myalgien, Konjunktivitis, Krankheitsverlauf bis 7 Tage.
– Schwerwiegende Folgen: Guillain-Barré-Syndrom, Mikrozephalie bei intrauteriner Übertragung auf den Fötus.
J Infect Dis. 2018. https://doi.org/10.1093/infdis/jix630, siehe auch ­Aktualisierungen unter https://www.bag.admin.ch/
Verfasst am 16.05.2018.
Abbildung 1: Transmissionselektronenmikroskopische Darstellung von Zika-Viruspartikeln 
(© CDC/Cynthia Goldsmith, 2016).

Praxisrelevant

Antibiotikabehandlung als Risikofaktor für Nierensteine

Gemäss Beobachtungen in Grossbritannien (knapp 26 000 PatientInnen mit Steinen ­verglichen mit zehnmal mehr Kontrollpro­bandInnen) erhöht sich die Chance einer ­Nephrolithiasis 3–12 Monate nach einer ­Breitspektrum-Antibiotikatherapie deutlich, wobei Sulfonamid-haltige Medikamente mit mehr als Verdoppelung (!) des Risikos in absteigender, aber immer noch signifikanter Reihe gefolgt sind von Cephalosporinen, Fluorochinolonen, Nitrofurantoin und Breitspektrum-Aminopenicillinen. Interessanterweise war das Steinri­siko nach einer Behandlung mit Tetrazyklinen oder Makroliden nicht erhöht. Ein mög­licher Mechanismus könnte die vermehrte intestinale Resorption von Oxalat mit sekundärer Hyperoxalurie sein. Es gibt Oxalat-metabolisierende Bakterien des Intestinums (Mikro­bioms) wie Oxalobacter formigines u.a.m., welche allenfalls durch diese vorgängige Antibiose supprimiert werden. Prospektive Studien mit Analyse der metabolischen Steinfaktoren und den heute schnell und mit erstaunlicher Präzision zu messenden Mikrobiomveränderungen werden von grossem Interesse sein. Praktisch aber für den Moment: «Ist eine Anti­biose in dieser Situation indiziert?» (einmal mehr!) und: Antibiotika-Exposition bei PatientInnen mit Nierensteinen gezielt erfragen und entsprechend vermerken!
J Am Soc Nephrol 2018, doi: 10.1681/ASN.2017111213.
Verfasst am 13.05.2018.

Vertebroplastie: Immer mehr Gegenwind

Vertebroplastien/Kyphoplastien werden seit 1994 durchgeführt, die Interventionen sind trotz schwacher Evidenz ziemlich häufig geworden. Eine durch Scheinverfahren kontrollierte, prospektive Studie bei 180 PatientInnen (mittleres Alter 76 Jahre, 76% Frauen) mit insgesamt 223 Frakturen fand keinen Effekt auf die Schmerzkontrolle bei akuten (bis zu 9 Wochen alten), osteoporotischen Kompressionsfrakturen der Wirbel noch auf die Lebensqualität und Behinderungen der Mobi­lität nach 12 Monaten [1]. Eine aktuelle Cochrane-Analyse kommt (erneut) zum gleichen Schluss [2]. Beide Gruppen erhielten subkutan und in die Wirbelpedikel eine Lokal­anästhesie, die Zuteilung zur Gruppe erfolgte erst als zwei Hautinzisionen bereits gesetzt worden waren. Die eigentliche Scheinintervention bestand in der Platzierung der Biop­sienadel auf das ­Periost, je etwa 80% in beiden Gruppen glaubten, dass sie die Zementapplikation erhalten hatten! Dieser grosse Plazeboeffekt lässt fragen, ob ohne jede Intervention die Resultate ähnlich gewesen wären. Ob die längerfristige Verhinderung der Kyphosierung durch Vertebroplastie positive Auswirkungen zeigt, bleibt zu beweisen.
1 BMJ 2018;361:k1756. doi.org/10.1136/bmj.k1551 .
2 Cochrane Database for Systematic Reviews 2018, DOI: 10.1002/14651858.CD006349.pub3.
Verfasst am 15.05.2018.

Neues aus der Biologie

Eine praktikablere und genaue Messung der glomerulären Filtrationsrate (GFR)

Die gemessene GFR ist weiterhin der wichtigste Biomarker für eine Nierenfunktionsstörung und von enormer prognostischer Bedeutung. Die Messungen sind aber aufwendig, weshalb in der klinischen Forschung und der Alltagspraxis auf die eGFR (allenfalls Cystatin C) trotz ihrer beträchtlichen Limiten abgestellt wird. Bei ProbandInnen mit und ohne chronisch ein­geschränkter Nierenfunktion konnte mit einer einzigen intravenösen Injektion von zwei fluoreszierenden Substanzen (Rhodamin und Dextran-Abkömmlinge) sowie drei venösen Blutentnahmen (0,5 ml) über drei Stunden danach, die GFR sehr genau (im Vergleich zur Clearance-­Bestimmung mit Iohexol, das weder tubulär ­sezerniert noch ­reabsorbiert wird) gemessen werden. Zusätzlich konnte das Plasmavolumen schnell und akkurat bestimmt werden, was für eine Reihe klinischer Frage­stellungen, z.B. bei Leberzirrhose oder nephrotischem Syndrom, interessante Aspekte für die Therapieindikation und -kontrolle eröffnet.
J Am Soc Nephrol 2018, doi: 10.1681/ASN.2018020160.
Verfasst am 13.05.2018.

Immer noch lesenswert

Warum klinisch forschen und Patienten betreuen?

Anlässlich seiner Präsidialansprache vor der «American Society of Clinical Investigation» 1966 sagte der am 25. April 2018 im ­Alter von 97 Jahren verstorbene Internist und Nierenphysiologe D.W. Seldin (freie Übersetzung, siehe auch Abb. 2): «Forschung ist definitionsgemäss die Suche nach Wahrheit, die Entdeckung neuen Wissens, die Entwicklung neuer erklärender und prädiktiver Theorien. Universitäten haben aber die zusätz­liche vitale ­Funktion der ärztlichen Ausbildung auf allen Ebenen. Falls die me­dizinische Forschung zunehmend von der klinischen Arbeit und der Lehre getrennt wird, wird sich die Ausbildung des Nachwuchses verschlechtern. Nur der Forscher kann die Methoden des kritischen (Hinter-)Fragens, die er im Rahmen seiner Forschungsarbeiten erworben hat, beispielgebend in die alltägliche klinische Arbeit einbringen.»
Abbildung 2: Donald W. Seldin (links) mit seinem wichtigsten Kollegen Floyd C. Rector, jr. Beide ­verstanden es exemplarisch, Zellphysiologie mit Organphysiologie und Gesamtkörperphysiologie zu kombinieren und dieses Wissen auch am Krankenbett erfolgreich weiterzugeben. 
(© Neil Kurtzman, Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.)
J Clin Invest 1966, doi.org/10.1172/JCI105413.
Verfasst am 12.05.2018.

Für ÄrztInnen am Spital

Weniger Vorhofflimmern dank ­Vasopressin?

Gemäss einer Metaanalyse führte die Kreislaufstützung beim distributiven Schock (meist Sepsis) mit Vasopressin zusätzlich zu den Katecholaminen zu weniger Vorhofflimmern als die Kreislaufstützung mit Katecholaminen (und mutmasslich höheren Dosen) allein. Die Beobachtung erhält ihre Bedeutung durch die Tatsache, dass beim distributiven Schock das Vorhofflimmern ein Risikofaktor für Mortalität und die Hospitalisationsdauer ist.
Verfasst am 15.05.2018.

Auch noch aufgefallen …

Serotonin als Risikofaktor für Frakturen

Serotonin, vorwiegend aus enterochromaffinen Zellen des Darmes, reguliert im Sinne einer Darm-Knochen-Achse den Knochenstoffwechsel, wobei v.a. ein hemmender Einfluss auf die Osteoblasten (via das sog. Lipoprotein-related receptor protein [LRP5]) bekannt ist. Im Rahmen der sogenannten MrOs-Kohorte (Schwedische Männer) waren erhöhte Serotoninspiegel ein dosisabhängiger und ­signifikanter Risikofaktor für nicht-vertebrale osteoporotische Frakturen. Vor allem die dreifache Risikoerhöhung für Hüftfrakturen ist eindrücklich [1]. Eine Interferenz mit der Serotoninproduktion oder -wirkung (Rezeptorenhemmung) wird als Medikamentenzielscheibe der Osteoporose wichtig. Nicht direkt, bzw. gegen die Intuition, ist aber die zusätzliche Beobachtung einer Subgruppe unter Therapie mit Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern ([SSRI] Antidepressiva), welche zu tieferen Serotoninspiegeln führen, zu erklären. MrOs in dieser Publikation bestätigte [2] nämlich die Tatsache, dass SSRI zu vermehrten Sturzereignissen und Frakturen führen.
1 JBMR 2018, DOI: 10.1002/jbmr.3443.
Verfasst am 16.05.2018.

Wussten Sie?

Welche Aussagen treffen auf den essentiellen Tremor zu (mehr als 1 Antwort ist richtig)?
A) Bilateraler Aktionstremor der oberen Extremität.
B) Tremor kann auch den Kopf und die untere ­Extremität einbeziehen.
C) Leichte Ataxie oder Gedächtnisstörungen kommen vor.
D) Therapie der ersten Wahl ist Beta-Blockade mit Propranolol (120 bis 240 mg pro Tag) oder Primidon (250 bis 750 mg pro Tag).
E) Bilaterale und unilaterale Neurostimulation («deep brain stimulation») sind unwirksam.
Die Antwort finden Sie auf der nächsten Seite.

Antwort auf das «Wussten Sie?» von S. 524 («Welche Aussagen treffen auf den essentiellen Tremor zu?»)

Bei der Frage nach den Charakteristika des essentiellen Tremors waren die Antworten A bis D richtig. Antwort E war falsch, denn die Neuro­stimulation kann bei unwirksamer Medikation, wie auch eine stereotaktische Thalamotomie oder fokussierte thalamische Ultraschallbehandlung, als Reserve-Intervention in Frage kommen.
N Engl J Med. 2018. doi:10.1056/NEJMcp1707928.