Die virale Arthritis beim Erwachsenen
Begleitbefund oder virale Arthritis per se?

Die virale Arthritis beim Erwachsenen

Übersichtsartikel AIM
Ausgabe
2018/34
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03355
Swiss Med Forum. 2018;18(34):673-680

Affiliations
a Klinik für Infektiologie & Spitalhygiene, Universitätsspital Basel, Universität Basel; b Institut für Infektionskrankheiten, Universität Bern; c Universitätsklinik für Rheumatologie, Immunologie und Allergologie, Inselspital, Bern, Universität Bern

Publiziert am 22.08.2018

Viele virale Infektionen können Arthralgien auslösen. Die klinische Differenzierung zwischen Arthralgien im Rahmen einer Systemreaktion auf eine virale Infektion und einer per se viralen Arthritis ist schwierig.

Einleitung

Die akute virale Arthritis wird oft bei der Diagnose der viralen Primoinfektion postuliert. Dabei ist die Arthritis meist ein Begleitbefund und nicht der Hauptbefund, während die virale Arthritis per se in unseren Breitengraden eine seltene klinische Entität ist. Das klinische Bild ähnelt oft jenem von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Im Gegensatz dazu sind die Beschwerden der viralen Arthritis aber meist transient. Entsprechend sind epidemiologische Zahlen zur viralen Arthritis schwierig zu erheben. Diese Arbeit gibt eine Übersicht der Erreger, die häufig mit einer viralen Arthritis und Arthralgien assoziiert sind.

Pathogenese

Viele Pathomechanismen bei der viralen Arthritis sind noch unverstanden und beruhen auf Hypothesen und Einzeluntersuchungen. Die beiden am häufigsten beschriebenen Mechanismen sind (a) die direkte Virusinvasion in das Gelenk und (b) Immunkomplexablagerungen. Eine weitere postulierte Pathogenese ist (c) eine aktivierte Entzündungsreaktion respektive eine Immundysregulation, die durch Virusantigene getriggert werden kann. Diese Mechanismen schliessen sich gegenseitig nicht aus und können auch parallel oder sequentiell vorkommen.

Virus im Gelenk

Der direkte Virusnachweis in der Synovia konnte unter anderem bei Parvovirus B19 (PB19) erbracht werden [1], sodass eine hämatogene Pathogenese postuliert wird. Gleichzeitig sind diese Resultate in Bezug auf die Pathogenese mit Vorsicht zu interpretieren, da der Nachweis in der Synovia mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) auch bei Herpes-simplex-Virus (HSV), Epstein-Barr-Virus (EBV) oder Zytomegalievirus (CMV) gelang [2]. Diese Viren werden selten mit einer Arthritis assoziiert und die PCR-Resultate reflektieren eher eine Mi­gration von Lymphozyten – die virale DNA intrazellulär enthalten – in das Gelenk.

Immunkomplexablagerungen 
und Autoimmunerkrankungen

Viren oder virale Antigene können in der Interaktion mit Antikörpern und Komplementfaktoren Komplexe bilden. Diese Immunkomplexe können unter anderem in Gelenken abgelagert werden und so zu Arthralgien und Arthritis führen. Dieser Mechanismus wird beispielsweise bei der akuten Hepatitis-B-Virus(HBV)-Infektion beschrieben [3]. Eine Assoziation zwischen Hepatitis-C-Virus (HCV) und Kryoglobulinen (gemischte Kryoglobulinämie) – wie sie bei der Purpura oder Glomerulonephritis bekannt ist – wird auch bei Auftreten einer HCV-assoziierten Arthritis beobachtet [4].

Klinisches Bild und Diagnose einer viralen Arthritis im Allgemeinen

Anamnese

Die Anamnese (inklusive Sexualanamnese) und klinischen Befunde können zur Diagnose der viralen (System-)Erkrankung führen (Tab. 1). So tritt bei vielen viralen Infektionen auch ein Exanthem auf. Bei in der Schweiz nicht endemisch vorkommenden Viren spielen die Reiseanamnese, die Epidemiologie im Reiseland und die Inkubationszeit eine wichtige Rolle (Tab. 2).
Tabelle 1: Virale Infektionen, die mit Arthralgien und Arthritis assoziiert sind.1
Virus / KrankheitTypisches klinisches Bild / 
EpidemiologieArthralgien/ArthritisDiagnostik der Krankheit2
Parvovirus B19
(Ringelröteln, 
5. Krankheit)

Symptome/Befunde:
– Fieber
– Erythema infectiosum
– «Ohrfeigengesicht»
– Transiente aplastische Anämie
– Kann mit oder ohne Erythem auftreten oder nachdem das Erythem verblasst ist.
– Bei Erwachsen manchmal einziges Sym­ptom.
– Kinder: in ca. 10% aller Erkrankten; asymmetrische Oligoarthritis; Knie am häufigsten betroffen.
– Erwachsene [18]: in ca. 60% aller Erkrankten. Frauen häufiger betroffen als Männer; symmetrische Polyarthritis, proximale Interphalangeal- und Metacarpophalangealgelenke am häufigsten betroffen.
– IgM und IgG im Serum
– PCR aus EDTA-Blut

Epidemiologie in Europa:
Seroprävalenz steigt mit Alter [37, 38]:
– 10 Jahre: 35–58%
– 20 Jahre: 51–75%
– 30 Jahre: 57–73%
– ≥40 Jahre: ≥70%
Röteln
(Rubi-Virus, 
Rubella)

Arthritis bei Infektion 
und Impfung 
(attenuiertes Virus) beschrieben.
Symptome/Befunde:
– Makulopapulöses Exanthem
– Lymphadenopathie (okzipital, ­zervikal, retroaurikulär)
– Splenomegalie
– Oft Arthralgien ohne Gelenkschwellung, gleich­zeitiges Auftreten mit Exanthem (+/– 1 Woche)
– Bei Infektion: in Studien vor 1990 bis 30% [22]; aktuell unbekannt aufgrund geringer Fallzahl.
– Bei Impfung: Kinder 0–3%, Erwachsene 12–20% [40]; Frauen häufiger betroffen als Männer; kann 1–3 Wochen nach Impfung auftreten.
– Symmetrische Polyarthritis; Finger-, Hand- und Kniegelenke am häufigsten betroffen
– IgM und IgG im Serum
– PCR aus Speichel (Rachen­abstrich)
Epidemiologie in der Schweiz:
– Meldepflichtige Infektionskrankheit
– 2010–2015: 2–6 Fälle pro Jahr (­exklusive materno-foetal) [39]
Hepatitis B

(s. auch: 
Swiss Med Wkly. 2017 [8])
Symptome/Befunde:
– Prodromalphase (1–6 Monate)
– Unspezifische Allgemeinsymptome: Fieber, Nausea, Übelkeit, Gewichtsverlust, Bauchschmerzen
– Ikterus
– Zwei Formen: in der Prodomalphase oder bei chronischer Hepatitis B.
– Bei Erwachsenen 10–25% aller Erkrankten [41]; Frauen häufiger betroffen als Männer; symmetrische Polyarthritis; Hand- und Kniegelenke am häufigsten betroffen
– Initial: HBsAg und HBc-IgG im Serum; weitere serologische Untersuchungen je nach ­Resultat
– PCR aus EDTA-Blut: quantitative HBV-DNA nach Rücksprache mit Spezialisten
Epidemiologie in der Schweiz:
– ≤100 Personen erkranken jährlich an einer akuten Hepatitis B.
– 75% Männer
– 60% sind 25–50 Jahre alt.
Hepatitis C

(s. auch:
Schweiz Med Forum. 
2010 [9] und 
2015 [10, 11])
Symptome/Befunde:
– Meist oligo- oder asymptomatisch
– Unspezifische Allgemeinsymptome: Fieber, Abgeschlagenheit, Oberbauch­beschwerden, Nausea
– Ikterus (5–10%)
– Arthralgien und Myalgien. Zwei Formen: (a) Kleingelenksynovialitis, klinisch ähnliches Bild wie bei einer rheumatoiden Arthritis (aber kurzzeitig, milder Verlauf), oder (b) mit Kryoglobulinämie assoziiert, typischerweise bei chronischer HCV-Infektion.
– Bei Erwachsenen 2–20% aller ­Erkrankten [43].
– Andere Zeichen einer HCV-assoziierten Kryoglobulinämie: Hautläsionen/Vasku­litis, Glomerulonephritis, Hypothyreoidismus.
– IgG (frühestens 4–6 Wochen, meist nach 2–6 Monaten nach Infektion nachweisbar) oder HCV-Ag (1–2 Wochen nach Infektion) im Serum
– PCR aus EDTA-Blut (HCV-Genotyp oder quantitative RNA) nach Rücksprache mit Spezialisten
– Kryoglobuline aus Serum oder EDTA-Plasma (Röhrchen vorwärmen; vor Entnahme Rücksprache mit Labor dringend empfohlen)
Epidemiologie in der Schweiz:
– 50 000–70 000 Personen
– 0,7% der Bevölkerung [42]
Humanes Immun­defizienz-Virus (HIV)

(s. auch: 
Schweiz Med Forum. 
2015 [12] und 
2015 [13])
Symptome/Befunde:
– Anamnese
– Sexuell übertragbare Erkrankungen
– Akutes (virales) Syndrom
– Opportunistische Krankheiten
– AIDS-definierende Krankheiten
– Häufiger Arthalgien als Arthritis. Auftreten typischerweise in der Primophase: 22% der Erkrankten in [34].
– Differenzierung zu entzündlich-rheumatischen Grunderkrankungen wichtig (reaktive Arthritis oder Psoriasis-Arthritis). Diskutierte Entitäten: «painful articular syndrome», HIV-assoziierte ­Arthritis. Grosse Spannbreite von berichteten ­Zahlen, abhängig von Entität [33].
– HIV-1/2-Screening aus Serum
– PCR aus EDTA-Blut nach Rücksprache mit Spezialisten
Epidemiologie in der Schweiz:
– 13 000–20 000 Personen
– Ca. 600 Neuinfektionen pro Jahr
1 Die hier präsentierte Liste an viralen Erregern, die mit Arthritis oder Arthralgien assoziiert sind, ist nicht abschliessend.
2 PCR aus Synovialflüssigkeit oder Synovialbiopsie wird nur in Einzelfällen durchgeführt.
PCR: Polymerasekettenreaktion; HBsAg: Hepatitis-B-Oberflächenantigen; HBc-IgG: Hepatitis-B-Core-IgG; HCV: Hepatitis C.
Tabelle 2: In der Schweiz nicht endemisch vorkommende virale Infektionen, die mit Arthralgien und Arthritis assoziiert sind.1,2
Virus / KrankheitTypisches klinisches Bild / EpidemiologieArthralgien/ArthritisDiagnostik der Krankheit3
Chikungunya-Virus

Namensgebung:
«der gekrümmt Gehende», Sprache 
der Makonde 
(Südosten Tansanias)

(s. auch: 
Schweiz Med Forum.
2009 [44])
Symptome/Befunde:
– Fieber
– Kopfschmerzen
– Hautausschlag (40–75%)
– Arthralgien/Arthritis (>85%) und ­Myalgien (>65%) sind Haupt­beschwerden.
– Grosse, mittelgrosse und kleine Gelenke können betroffen sein; symme­trische Polyarthritis (bis zu 10 oder mehr Gelenke können betroffen sein) mit Gelenkschwellung; Hand- und Fingergelenke (Abb. 1) sowie Knie- und Fussgelenke am häufigsten ­betroffen.
– Beschwerden können invalidisierend sein; Beschwerdedauer in der Akutphase ca. 1 Woche; Arthralgien/Arthritis können/kann mehrere Monate persistieren.
– Initialphase (<1 Woche): PCR aus EDTA-Blut; Symptombeginn bei Laborauftrag angeben.
– Ab 2. Krankheitswoche: IgM und IgG im Serum
– Bei chronischen Verläufen kann eine gemischte Kryoglobulin­ämie auftreten [45]; Kryoglobuline aus Serum oder EDTA-Plasma (Röhrchen vorwärmen, vor Entnahme Rücksprache mit Labor dringend empfohlen).
Epidemiologie:
Afrika, Asien, Mittel-/Lateinamerika, Naher Osten, Südasien, China, Südost-Asien, 
Karibik, Ozeanien
Dengue-Virus

Namensgebung unklar: 
Swahili «Ka-dinga pepo» («epileptischer Anfall verursacht durch einen bösen Geist») oder Spanisch (Kolumbien) «contoneo» («wiegender Gang»
Symptome/Befunde:
– Fieber
– Kopfschmerzen (v.a. retro-orbital)
– Hautausschlag (50%); cave: 2-gipfliger Verlauf mit Plasma-«leakage», Thrombopenie und möglichen hämorrhagischen Kompli­kationen ab der 2. Woche
– Arthralgien weniger häufig (10–50%) [46] und weniger prominent als bei Chikungunya und Zika
– Wenn Gelenke betroffen, dann Klinik ähnlich wie Chikungunya
– Initialphase (<1 Woche): NS1-Ag im Serum oder PCR aus EDTA-Blut; Sym­ptombeginn bei Labor­auftrag angeben
– Ab 2. Krankheitswoche: IgM und IgG im Serum
Epidemiologie:
– Asien, Mittel-/Lateinamerika, Karibik, Afrika, Naher Osten, Ganz Asien Ozeanien
– Einzelne autochtone Fälle wurden aus Europa (Spanien, Frankreich, Kroatien) berichtet.
Zika-Virus

Namensgebung:
«Ziika Forest» in Uganda

(s.auch:
Schweiz Med Forum.
2016 [47])
Symptome/Befunde:
– Fieber
– Kopfschmerzen
– Hautausschlag
– Konjunktivitis
– Arthralgien (65%) und Myalgien (48%) in [48] (Ausbruch auf Yap ­Island, «Federated States of Micro­nesia»)
– Arthralgien befallen typischerweise die kleinen Gelenke der Hände und Füsse, kein Synovialitis, keine Gelenkschwellung; kurze Symptomdauer.
– Initialphase: PCR aus EDTA-Blut
– Untersuchung von Urin oder Samenflüssigkeit auch möglich, da verlängerte Ausscheidung
– Ab 2. Krankheitswoche: IgM und IgG im Serum; cave: ­Kreuzreaktionen mit anderen Flaviviren (Gelbfieberimpfung, Dengue)
Epidemiologie:
Süd- und Mittelamerika, Karibik, Pazifik/Ozeanien, Asien (Malaysia, Philippinen, Singapur, Thailand), Afrika (Kapverden, Guinea-Bissau), USA (Florida)
Ross-River-Virus4 
(RRV)

Namensgebung:
«Ross River», Queensland, Australien, Krankheit früher «epidemische Polyarthritis» genannt
Symptome/Befunde:
– Fieber
– Müdigkeit
– Hautausschlag
– Arthralgien/Arthritis (83–98% in [49]) und Myalgien (ca. 50%)
– Symmetrischer akuter Gelenkbefall mit Gelenkschwellung; Hand- und Finger- sowie Knie- und typischerweise Fussgelenke betroffen. Arthr­algien/Arthritis können/kann Monate persistieren.
– IgM und IgG aus Serum, Verlaufs­titer-Bestimmung ­wichtig (Referenzlabor)
– Cave: Kreuzreaktionen, falsch positive Resultate
– PCR aus Synovialbiopsien ­möglich [50]
Epidemiologie:
Australien, Papa Neuguinea, Fiji-Inseln
Barmah-Forest-Virus4

Namensgebung:
«Barmah Forest», 
Victoria, Australien
Symptome/Befunde:
– Hautausschlag (stärker als bei RRV).
– Müdigkeit, Schwäche
– Grippe-ähnliche Symptome, Fieber
– Kopfschmerzen
Ähnliche Manifestation wie RRV, tendenziell eher kürzere akute Symptomdauer; Arthritis/Arthralgien tendenziell weniger häufiger und weniger prominent als bei RRV; Symptome können Monate persistieren.
– IgM und IgG aus Serum, Verlaufs­titer-Bestimmung ­wichtig (Referenzlabor)
– Cave: Kreuzreaktionen, falsch 
positive Resultate
– PCR aus Serum in Frühphase der Krankheit möglich [51]
Epidemiologie:
– Australien
– Wallabies und Kangaroos sind Hauptwirte.
Sindbis-Virus4

Namensgebung:
Sindbis, Dorf 30 km nördlich von Kairo, Ägypten
Symptome/Befunde:
– Hautausschlag (makulopapulös, mit Juckreiz)
– Fieber (subfebrile Temperaturen)
– Malaise
– Arthritis ist Kardinalsymptom 
(«rash arthritis syndrome»).
– Oligo- und Polyarthritis; mittelgrosse und grosse Gelenke typischerweise befallen (Hand-, Hüft-, Knie- und Fussgelenke).
– Akute Phase kurz (1–2 Wochen); 
Gelenkbeschwerden können Monate persistieren.
– Entzündungszeichen in der laborchemischen Untersuchung oft normal
– Ab 2. Krankheitswoche: IgG und IgM im Serum (spezialisierte ­Labors, «in-house»-Methodik)
Epidemiologie:
– Weit verbreitet in Europa, Afrika, Asien, 
Australien.
– Lokale Namensgebungen der Krankheiten: Ogosta-Krankheit (Finnland), Ockelbo-Krankheit (Schweden), Karelisches Fieber (Russland).
– Vögel sind Hauptwirte.
O’nyong-nyong-Virus4

Namensgebung:
«Gelenksbrecher», 
Acholi-Sprache 
(östlich des weis­sen Nils im Norden Ugandas)
Symptome/Befunde:
– Fieber
– Kopfschmerzen
– Hautausschlag (makulopapulös, mit 
Juckreiz)
– Zervikale Lymphadenopathie
– Konjunktivitis
– Gelenkschmerzen ohne Gelenkschwellung ist typisches Symptom der Krankheit.
– Typischerweise Polyarthralgie der 
gros­sen Gelenke.
– Kurze aber sehr schmerzhafte Sym­ptomdauer. Persistenz der Gelenkschmerzen über Monate in einer
Minderheit der Patienten.
– Initialphase: PCR aus EDTA-Blut möglich
– Ab 2. Krankheitswoche: IgG und IgM. Cave: Kreuzreaktionen mit anderen Flavivieren, besonders mit Chikungunya.
Epidemiologie:
Ost-Afrika (Uganda, Kenia, Tansania, Malawi, ­Mozambique), West-Afrika (Kongo, Kamerun, 
Senegal), siehe auch geographische Verteilung [52].
Mayaro-Virus4

Namensgebung:
Mayaro-Rio Claro, 
Südosten von Trinidad, Trinidad und Tobago

(s. auch:
Fallbericht Swiss TPH 2016 [53])
Symptome/Befunde:
– Fieber
– Kopfschmerzen, Augenschmerzen
– Hautausschlag (makulopapulös, manchmal mit Hautschuppung).
– Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe
– Arthralgien und Myalgien
– Heftige Gelenkschmerzen, symme­trische Oligo-, selten Polyarthritis
– Beschwerdedauer in der Akutphase 
ca. 1 Woche. Arthralgien/Arthritis 
können/kann Monate persistieren.
– Initialphase: PCR aus EDTA-Blut möglich
– Ab 2. Krankheitswoche: IgM und IgG im Serum
Epidemiologie:
– Nördliche Hälfte Südamerikas (Brasilien, 
Kolumbien, Bolivien) und Karibik (Trinidad 
und Tobago, Surinam)
– Affen sind Hauptwirte.
1Die hier präsentierte Liste an viralen Erregern (Arboviren), die mit Arthritis oder Arthralgien assoziiert sind, ist nicht abschliessend.
2Die hier präsentierten Arboviren werden über Mücken übertragen.
3PCR aus Synovialflüssigkeit oder Synovialbiopsie wird nur in Einzelfällen durchgeführt.
4Die Diagnostik für diese Viren findet in Referenz- oder Speziallaboratorien statt und erfordert die Rücksprache mit den entsprechenden Spezialisten.
PCR: Polymerasekettenreaktion; Swiss TPH: Schweizerisches Tropen- und Public-Health-Institut

Die klinischen Manifestationen

Die meisten viralen Infektionen manifestieren sich als Poly- oder Oligoarthritis. Mittelgrosse Gelenke und Kleingelenke der Hand (Abb. 1) sind bei Erwachsenen am häufigsten betroffen. In der klinischen Untersuchung ist es wichtig, zwischen Myalgien, Tendinopathien und Arthralgien zu unterscheiden und auf Befunde der Arthritis (Rötung, Schwellung, Steifigkeit, Druckdolenz) zu achten. Die Differenzierung zwischen Arthritis und Arthralgien benötigt ein gewisses Mass an klinischer Erfahrung und ist manchmal nicht möglich. Der Nachweis einer Entzündung der Gelenk­innenhaut (Synovialitis) kann auch sonographisch gestellt werden (Abb. 2). Das klinische Bild der viralen Arthritis (z.B. bei Parvovirus-B19-Infektion) kann jenem der rheumatoiden Arthritis (bei Erwachsenen) oder der juvenilen idiopathischen Arthritis (bei Kindern) ähneln. Im Gegensatz zu diesen entzündlich-rheumatischen Krankheiten ist die virale Arthritis jedoch in vielen Fällen nur transient und dauert Tage bis Wochen. Ein chronischer Verlauf oder Rezidiv ist möglich, wird aber selten beobachtet.
Abbildung 1: Schwellung der Interphalangealgelenke bei einer 72-jährigen Patientin mit Chikungunya-Virus-Infektion ­(Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Autoren aus: Tschudin S, Khanlari B, Schaub S, Laifer G, Flückiger U, ­Bassetti S. Arthritis und Fieber aus Mauritius. Schweiz Med Forum. 2006;6(6):1036–8).
Abbildung 2: Arthrosonographie der Metacarpophalangeal(MCP)-Gelenke: palmarer Longitudinalschnitt mit Grad-1- und -2-­Synovitis (Pfeile in A und B); dorsaler Longitudinalschnitt mit Grad-1-Power-Doppler(PD)-Aktivität (Pfeilspitze in C und D).

Laborchemische Untersuchungen

Die Bestimmung von Rheumafaktoren oder Autoantikörpern im Serum ist in der akuten Phase einer viralen Infektion nicht hilfreich, um anhand der Laborresultate eine virale von einer entzündlich-rheumatischen Arthritis unterscheiden zu können. Im Rahmen der Immunstimulation sind diese Resultate oft transient unspezifisch erhöht und können entsprechend fehlleitend sein.

Serologische Untersuchungen

Ein generelles Antikörper-Screening aller differentialdiagnostisch infrage kommenden Viren ohne spezifische Verdachtsdiagnose ist nicht empfohlen. In der Regel ist eine serologische Untersuchung mit Postulierung einer gezielten klinischen Verdachtsdiagnose als erster diagnostischer Schritt hilfreich, wenn auch oft ohne therapeutische Konsequenz. Die in den Tabellen 1 und 2 aufgeführten Merkmale der Ana­mnese und klinischen Manifestation dienen als Hilfestellung für die Postulierung einer Verdachtsdiagnose. Der Ausschluss einer HBV-, HCV- und Humanes-Immundefizienz-Virus(HIV)-Infektion ist in vielen Fällen aber dennoch empfohlen und obligat, wenn eine immunsuppressive Therapie geplant ist. So kann eine immunologisch kontrollierte HBV-Infektion unter einer Tumornekrosefaktor(TNF)-alpha-Therapie reaktivieren und benötigt deshalb entweder ein Monitoring der HBV-DNA im Serum oder eine prophylaktische antivirale Therapie [5].

Gelenkpunktion

Die Gelenkpunktion zur Gewinnung von Synovia wird typischerweise bei Verdacht auf eine bakterielle Infektion durchgeführt, kann in Einzelfällen auch bei viraler Arthritis weitere Erkenntnisse erbringen. Wenn aber die Verdachtsdiagnose einer viralen Arthritis differentialdiagnostisch stark im Vordergrund steht, ist eine Gelenkpunktion meist nicht notwendig. Da die virale Arthritis häufig die mittelgrossen und kleinen Gelenke betrifft, kann die Menge an gewonnener Synovialflüssigkeit zu gering für eine Zellzahlbestimmung und Differenzierung sein. Sollte die Gelenkpunktion mit ausreichender Gewinnung an Synovialflüssigkeit durchgeführt werden, sind vermehrt mononukleäre Zellen, typischerweise Lymphozyten nachweisbar [6]. Letztere dominieren, je länger die Beschwerden andauern [7].

Differentialdiagnose

Wie bereits bei der Einleitung erwähnt, ist die akute virale Arthritis oft ein Begleitbefund und die virale Ar­thritis per se in unseren Breitengraden eine seltene klinische Entität. Die Differentialdiagnose bei Vorliegen einer Polyarthritis oder von Polyarthralgien ist breit. Im Vordergrund stehen entzündlich-rheumatische Erkrankungen wie zum Beispiel die rheumatoide Arthritis oder systemischer Lupus erythematodes. Weitere Differentialdiagnosen sind degenerative arthritische Erkrankungen, neuropathische Schmerzen und Hypothyroidismus.

Therapie und Prognose

Bei behandelbaren Viruserkrankungen (HBV, HCV, HIV) muss eine antivirale Therapie gemäss den entsprechenden Empfehlungen evaluiert und mit einem Spezialisten (Infektiologie, Hepatologie) diskutiert werden. Es wird diesbezüglich auf andere Übersichtsarbeiten verwiesen [8–13]. Bei vielen viralen Erkrankungen erfolgt die Therapie jedoch symptomatisch (z.B. mit nichtsteroidalen Antirheumatika [NSAR]). Die Prognose ist gut. Im Gegensatz zur bakteriellen Arthritis führt die virale Arthritis selten zu einer Destruktion der Gelenke. Entsprechend ist nur in Ausnahmefällen eine Gelenkspülung notwendig.

Die virale Arthritis im Speziellen

Grundsätzlich können nahezu alle Viren eine Arthritis verursachen. Tabelle 1 präsentiert eine Übersicht jener Erreger, die typischerweise mit einer Arthritis oder mit Arthralgien assoziiert werden. Tabelle 2 dient als Konsultationshilfe bei Reiserückkehrern (siehe auch [14]), da sie eine Übersicht zu viralen Arthritiden gibt, die in der Schweiz nicht endemisch vorkommen. Abbildung 3 dient als Hilfestellung bei Verdachtsdiagnose einer viralen Arthritis.
Abbildung 3: Evaluationsalgorithmus bei Verdacht auf virale Arthritis. Eine positive 
Reiseanamnese schliesst Differentialdiagnosen in der Tabelle 1 nicht aus.
Bei einigen Viren wird die Assoziation respektive das «Triggern» von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen postuliert und nachfolgend erwähnt. Einschränkend sei vorweg erwähnt, dass solche Assozia­tionen schwierig zu untermauern sind, da viele Faktoren einen Einfluss auf die Entstehung von Auto­immunerkrankungen haben, so zum Beispiel genetische Prädisposition und Umgebungsfaktoren.

Epstein-Barr-Virus

EBV verursacht häufig Arthralgien als Begleitsymptom der Systemerkrankung. Oft klagen Patienten über Schmerzen an den mittelgrossen und kleinen Gelenken. Die Behandlung ist symptomatisch und die Krankheit selbstlimitierend. EBV-Infektionen wurden unter anderem als Trigger von Autoimmunkrankheiten postuliert, zum Beispiel bei der rheumatoiden Arthritis [15] oder dem Lupus erythematodes [16]. Entsprechend kann es in Einzelfällen hilfreich sein, bei der Erstma­nifestationen dieser Krankheiten nach einem vorgängigen viralen Syndrom zu fragen und via serologische Untersuchung Informationen über die Dynamik und das Stadium der abgelaufenen EBV-Infektion zu erhalten [17].

Parvovirus B19

Viele PB19-Infektionen verlaufen asymptomatisch. Bei symptomatischen Patienten ist das Spektrum der klinischen Manifestationen breit. Die Arthritis kann auch als einzige Manifestation vorkommen. Eine PB19-Arthritis wird häufiger bei Erwachsenen (50–80%) als bei Kindern (5–10%) und häufiger bei Frauen als bei Männern beobachtet [18, 19]. Selten, insbesondere bei Patienten mit einer Immundefizienz oder einer immunsuppressiven Therapie, kann es zu einer chronischen PB19-Infektion mit aplastischer Anämie kommen. In diesen Fällen sollte die Gabe von intravenösen Immunglobulinen (IVIG) evaluiert werden [20]. Einzelne Studien berichten über ein Ansprechen der ar­thritischen Beschwerden auf IVIG-Gaben [20, 21]. Dieser Therapieansatz wurde bisher jedoch nicht systematisch untersucht.

Röteln

Berichte über die Röteln-assoziierte Arthritis stammen hauptsächlich aus Studien, die vor 1990 publiziert wurden [22]. Die Häufigkeit der Röteln-assoziierten Arthritis ist heutzutage – aufgrund der geringen Fallzahl an Rötelninfektionen in der Schweiz – schwierig abzuschätzen. Das Auftreten einer Arthritis wurde aber auch im Zusammenhang mit dem attenuierten Virus der Impfung beschrieben. Bei erstmaliger Impfung im Erwachsenenalter treten die Beschwerden typischerweise 1–3 Wochen nach der Impfung auf; die Beschwerden bilden sich innerhalb von Tagen bis Wochen wieder zurück. Sehr selten kann sich eine chronische Arthritis entwickeln. Der «Vaccine Adverse Events Reporting System»-Datenbank («Centers for Disease Control and Prevention» [CDC], USA) wurden von 1991 bis 1999 acht Fälle (6 Frauen, 2 Männer) mit einer chronischen Arthritis berichtet. Dies entsprach einer Inzidenz von 2,9 pro Million Impfungen [23].

Hepatitis-Viren

Während Arthritis und Arthralgien bei allen (A–E) Hepatitis-Viren-Infektionen auftreten können, sind die Symptome typischerweise mit HBV- und HCV-Infek­tionen assoziiert. Bei der Diagnose einer viralen Hepatitis-Infektion sollten alle entsprechenden virologischen, immunologischen und hepatischen Parameter bestimmt werden, um das Stadium der Krankheit zu erfassen.

Hepatitis B

Eine akute HBV-Infektion beim Erwachsenen heilt meist spontan vollständig aus. In 5–10% der Fälle entwickelt sich jedoch eine chronische Hepatitis B. Parallel zu diesem Verlauf werden zwei verschiedene Formen von Gelenkbeschwerden beobachtet. Die erste Form ist eine Arthralgie oder Arthritis, die typischerweise in der Prodromalphase der akuten Hepatitis auftritt. Sie können das einzige Symptom sein, das der Patient bei der Erstvorstellung beklagt [24]. Die Beschwerden können für Tage bis Wochen persistieren, bilden sich aber meist beim Auftreten des Ikterus zurück. Parallel zu diesem Verlauf findet eine HBV-Oberflächenantigen(HBsAg)-Elimination statt. Die zweite Form der Arthritis verläuft chronisch und ist mit einer chronischen HBV-Infektion und HBsAg-Persistenz assoziiert. Pathogenetisch postuliert man bei der zweiten Form Immunkomplex­ablagerungen (Kryopräzipitate bestehend aus Immunglobulinen und Komplementfaktoren) an der Synovialmembran [25].

Hepatitis C

Die HCV-assoziierte Arthralgie ist eine bekannte extrahepatische Manifestation der Krankheit [26, 27]. Ähnlich wie bei der HBV-Infektion kann die HCV-Ar­thritis sich in zwei verschiedenen Formen manifestieren. Eine eher mild verlaufende Form betrifft mehrere kleine Gelenke (z.B. Fingergelenke). Das klinische Bild gleicht jenem einer rheumatoiden Arthritis. Im Gegensatz zu dieser berichten Pa­tienten bei HCV-assoziierten Arthralgien selten über Morgensteifigkeit der Gelenke, radiologisch sind die Arthritiden nicht erosiv verlaufend und Antikörper gegen zyklisches citrulliniertes Peptid (Anti-CCP) sind im Serum nicht nachweisbar [26]. In Einzelfällen kann die Bestimmung von Anti-CCP im Serum helfen, die Koexistenz einer rheumatoiden Arthritis und HCV-assoziierten Arthralgie zu diagnostizieren [26, 28]. Die Bestimmung der Rheumafaktoren ist nicht hilfreich, da sie bei der rheumatoiden Arthritis und bei HCV-assoziierten Arthralgien positiv sein können.
Die zweite Form der HCV-assoziierte Arthralgie ist mit der chronischen Hepatitis und einer gemischten Kryoglobulinämie respektive einer kryoglobulinämischen Vaskulitis assoziiert. Sie betrifft mittelgrosse und gros­se Gelenke (z.B. Fussgelenke). Neben der Arthritis können auch andere Manifestationen einer gemischten Kryoglobulinämie wie zum Beispiel typische Hautläsionen/Vaskulitis, Hypothyreoidismus oder Glomerulonephritis Indizien einer chronischen HCV-Infektion sein [27].

HIV

Das Spektrum von Gelenksbeschwerden bei HIV-positiven Patienten ist breit. Dazu gehören unter anderem das schmerzhafte Gelenkssyndrom («painful articular syndrome») oder eine HIV-assoziierte Arthritis. Es ist zu beachten, dass entzündlich-rheumatische Krankheitsbilder wie die Spondyloarthritis, die Psoriasis-Arthritis oder die rheumatoide Arthritis zusammen mit einer HIV-Infektion auftreten können [29, 30], diese jedoch als eigene Entitäten unabhängig vom HIV-Serostatus interpretiert werden.
Das schmerzhafte Gelenksyndrom bei HIV-positiven Patienten wurde vor allem Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre beschrieben [31, 32]. Wie es der deskriptive Name impliziert, klagen die Patienten über kurzdauernde (in der Regel <24 Stunden), aussergewöhnlich starke, zum Teil immobilisierenden Knochen- und Gelenkschmerzen, typischerweise der gros­sen Gelenke, ohne weitere klinische Entzündungszeichen (keine Synovialitis). Die Beschwerden können auch bei supprimierter HIV-Infektion und unter antiretroviraler Therapie auftreten [33]. Fallbeschreibungen über dieses Syndrom haben in den letzten beiden Dekaden abgenommen.
Die Entität der HIV-assoziierten Arthropathie oder Ar­thritis wird kritisch diskutiert, da die Unterscheidung zu einer reaktiven Arthritis schwierig ist [29]. Die klinische Manifestation präsentiert sich typischerweise bei der Primoinfektion [34] und als asymmetrische Oligo- oder Polyarthritis der mittelgrossen und grossen Gelenke. In der Laboruntersuchung ist HLA-B27 negativ, (destruktive) radiologische Auffälligkeiten finden sich nicht. Die Beschwerden verlaufen im Vergleich zum «painful articular syndrome» eher mild, oft selbstlimitierend.

In der Schweiz nicht endemisch ­vorkommende Viren

Das «Human T-cell lymphotropic virus type-1» (HTLV-1) ist typischerweise mit der T-Zell-Leukämie assoziiert und in Europa nicht endemisch. Das Virus wird primär von der Mutter auf das Kind und seltener durch Geschlechtsverkehr und Blutprodukte übertragen. Zu den Endemielgebieten gehören unter anderen Japan, die karibischen Inseln und gewisse Regionen in Lateinamerika und Afrika. Bei den beschriebenen HTLV-1-assoziierten Arthritisfällen treten die Gelenkschmerzen zusammen mit Fieber, Myalgien und Hauteffloreszenzen auf. Im Verlauf kann sich eine chronische Oligoarthritis entwickeln, die Schulter, Hand- und Kniegelenke befallen kann [35].
Zu den Arboviren, die durch Mücken übertragen werden und Gelenkbeschwerden auslösen können, gehören das Chikungunya-, Dengue-, Zika-, Ross-River-, Barmah-Forest-, Sindbis-, O’nyong-nyong- und Mayaro-Virus (Tab. 2) [36]. Die Liste ist nicht abschlies­send, da sehr viele andere Viren auch Arthralgien verursachen können. Dadurch dass die genannten Viren in unterschiedlichen Ländern endemisch sind, ist die Reiseanamnese essentiell. An dieser Stelle wird auch an den kürzlich im Swiss Medical Forum erschienen Artikel über Fieber bei Reiserückkehrern verwiesen [14].
Reisemedizinisch sind vor allem das Dengue- und Chikungunya-Virus relevant, deren geographische Ausbreitung in den vergangenen Jahren zugenommen hat [14]. Im Quervergleich zwischen Chikungunya-, Zika-, und Dengue-Virus sind Arthralgien am häufigsten bei Chikungunya- und am wenigsten prominent bei Dengue-Virus. In der Regel beträgt die Inkubationszeit der erwähnten Viren ≤2(–3) Wochen. Gelenkbeschwerden, die nach diesem Zeitintervall – nach Rückkehr aus einem Endemiegebiet – auftreten, sind somit nicht auf ein Arbovirus zurückzuführen.
Unklar ist die Relevanz der Sindbis-Viren in der Schweiz. Die Geoepidemiologie der beschriebenen Fälle (Tab. 2) und der Hauptwirte des Virus (Vögel inkl. Zugvögel) sind Hinweise dafür, dass die Viren auch in der Schweiz präsent sein könnten. Auch kommen in der Schweiz Stechmücken vor, welche die Viren übertragen können. Klinisch-epidemiologische Zahlen von durch Sindbis-Viren verursachten Krankheiten liegen für die Schweiz nicht vor.
Viele dieser Viren-assoziierten Erkrankungen präsentieren sich mit der typischen Trias aus Fieber, charakteristischem Hautausschlag und muskuloskelettalen Schmerzen. Klinisch ist die Differenzierung zwischen Arthralgie und Arthritis nicht immer evident, Myalgien sind fast immer vorhanden. Typischerweise sind mehrere Gelenke betroffen (Polyarthralgien, Polyar­thritis). Die Krankheiten sind häufig selbstlimitierend. In gewissen Fällen können die Beschwerden immobilisierend sein und Wochen bis mehrere Monate anhalten. Dies wird zum Beispiel bei Chikungunya-Infektionen beobachtet. Die Prognose ist in der Regel jedoch gut. Die Diagnose wird häufig aufgrund der Anamnese und Klinik gestellt und kann durch serologische oder PCR-Untersuchungen bestätigt werden. Ähnlich wie bei anderen viralen Arthritiden ist die Therapie der Wahl symptomatisch (Schmerzmittel, NSAR). Bei Dengue-Fieber sollten aufgrund möglicher hämorrhagischer Komplikationen keine NSAR verwendet werden.

Das Wichtigste für die Praxis

• Die virale Arthritis ist meist ein Begleitbefund, der auf eine virale Primoinfektion oder selten auf eine chronische Infektion hinweisen kann.
• Einige Viren können ein klinisches Bild verursachen, das dem einer rheumatoiden Arthritis ähnelt. Entsprechend ist die Unterscheidung zwischen den beiden Entitäten wichtig.
• Bei Erwachsenen ist Parvovirus B19 ein häufiger Erreger der viralen ­Arthritis.
• Bei Verdacht auf eine virale Arthritis ist eine Diagnostik für HIV, Hepatitis B und C empfohlen und obligat bei geplanter immunsupprimierender Therapie.
• Eine detaillierte Reiseanamnese kann Hinweise auf Erreger einer viralen Arthritis geben, die in der Schweiz nicht endemisch vorkommen. Die ­Inkubationszeit dieser Erreger beträgt in der Regel weniger als zwei (bis drei) Wochen.
Wir danken Dres. Raphael Tièche, Annina E. Büchi, Bernhard Kessler, Cornelius Warncke, Charles Béguelin und Pascal Bittel für die kritische Durchsicht des Manuskripts und wertvolle Anregungen.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Prof. Dr. med. Parham Sendi
Klinik für Infektiologie & Spitalhygiene
Universitätsspital Basel
CH-4031 Basel
parham.sendi[at]usb.ch
sowie
Institut für Infektions­krankheiten
Universität Bern
CH-3010 Bern
parham.sendi[at]
ifik.unibe.ch
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