Akute Pankreatitis
Überblick über Ätiologie, Pathogenese, Diagnostik und Management

Akute Pankreatitis

Übersichtsartikel AIM
Ausgabe
2018/40
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03369
Swiss Med Forum. 2018;18(40):810-816

Affiliations
Abteilung für Gastroenterologie, Bauchzentrum, St. Claraspital, Basel

Publiziert am 03.10.2018

Obwohl die akute Pankreatitis bei der Mehrzahl der Patienten mild verläuft, handelt es sich um eine potentiell schwere akute Erkrankung.

Epidemiologie / Pathophysiologie

Die akute Pankreatitis ist ein häufiges Krankheitsbild mit einer Inzidenz von ~30/100 000 Einwohnern/Jahr (Daten aus dem Vereinigten Königreich/Wales) [1]. In den letzten zehn Jahren ist es gemäss Studien aus Wales zu einer Zunahme um insgesamt etwa 30% gekommen, dies vor allem bei jungen Menschen und bei bekanntem Nikotin- und übermässigem Alkoholkonsum [2]. Die Letalität ist in den letzten Jahrzehnten stetig gesunken und liegt aktuell bei 2–5% [2]. Schwere Verläufe (schwere nekrotisierende Pankreatitis oder persistierende Organdysfunktion) sind aber weiterhin mit einer hohen Mortalität von bis zu 30% vergesellschaftet [3]. Hauptgründe dieser hohen Mortalität sind in den ersten zwei Wochen das Multiorganversagen und das «systemic inflammatory response syndrome» (SIRS). Im späteren Verlauf treten vor allem infektiöse Komplikationen, insbesondere infizierte Nekrosen und Pseudozysten, auf [2].
Auch wenn verschiedene Faktoren eine Pankreatitis verursachen können, kommt es nur bei einer kleinen Anzahl von Patienten wirklich dazu. So beträgt beispielsweise das Lebenszeitrisiko für eine Pankreatitis bei Patienten mit Gallensteinen nur ca. 5%, bei Patienten mit Alkoholüberkonsum nur 2–10% [2]. Die genauen Pathomechanismen sind noch nicht abschlies­send verstanden (siehe später). Zu Beginn der Entzündung kommt es zu einer intraazinären Aktivierung einer grossen Menge von pankreatischen Verdauungsenzymen, noch bevor diese sezerniert werden können. Hierbei ist die Menge an vorzeitig aktivierten Verdauungsenzymen zu gross, als dass sie durch die verschiedenen Pankreas-eigenen Inhibitionsmechanismen neutralisiert werden können.

Ätiologie

Die zwei häufigsten Ursachen sind die biliäre (40–70%) und die alkoholtoxische Genese (25–35%; Tab. 1) [2, 4, 5]. Bei der idiopathischen Pankreatitis, die mit dem Alter zunimmt, bleibt die Ursache trotz Bildgebung und Anamnese inklusive Alkohol- und Medikamentenanamnese unklar. Vermutlich ist eine Subgruppe ebenfalls als biliär anzusehen (siehe später).
Tabelle 1: Die häufigsten Ursachen einer akuten Pankreatitis (adaptiert nach [2, 35]).
UrsacheHäufigkeitDiagnostischer Zugang
Gallensteine40%Bekannte Gallensteine, Slugde, 
erhöhte Leberenzyme
Alkohol30%Anamnese, erhöhte y-GT, Makrozytose
Medikamentös<5% 
ERCP5–10% 
Hypertriglyzerinämie2–5% 
Chirurgische 
Komplikationen5–10%z.B. koronarer Bypass
Autoimmun<1% 
Trauma<1%«Dash board injury», Motorrad-Lenkstange
Infektion<1%Zytomegalievirus, Mumps, Epstein-Barr-Virus
Genetische UrsachenUnbekannt 
ObstruktionSeltenMorbus Crohn, Pankreas divisum
ERCP = endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie
Bei der biliären Pankreatitis entsteht durch eine transiente Blockierung des Pankreasganges auf Höhe der Papilla vateri eine Abflussstörung, direkt steinbedingt oder durch eine Papillenschwellung nach stattgehabtem Steinabgang. Dieser Stauungsmechanismus spielt auch bei der Post-ERCP-Pankreatitis (ERCP = endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie), die 1–5% aller Pankreatitiden verursacht, und möglicherweise beim Pankreas divisum eine Rolle [2].
Der zweithäufigste Grund für eine akute Pankreatitis ist übermässiger Alkoholkonsum (25–35%) [2, 4, 5]. Bei einem Konsum von 4–5 alkoholischen Standardgetränken pro Tag über einen Zeitraum von ≥5 Jahren ist das Risiko relevant erhöht [2]. Hierbei muss eingeschränkt werden, dass die Definition für ein Standardgetränk von Land zu Land variiert, von 8 g im Vereinigten Königreich bis 20 g in Japan (Schweiz: 10 g, entspricht ca. 3 dl Bier, 2 dl Wein) [6]. Im Gegensatz zur chronischen Pankreatitis ist bei der akuten Pankreatitis der Zusammenhang zwischen Alkohol und Ätiologie weniger klar; insbesondere unklar ist, warum es erst nach jahrelangem Konsum zu einer Pankreatitis kommt, nicht aber bei einem einmaligem Alkoholexzess, wobei verschiedene Pathomechanismen diskutiert werden [7–9].
Etwa 5% aller Pankreatitiden sind medikamentös bedingt [2]. Es werden verschiedene Medikamente ursächlich angeschuldigt; die wichtigsten sind Thiopurine, Valproat, ACE-Hemmer, Didanosin und Mesalamin (Tab. 2) [10].
Tabelle 2: Medikamente, die mit einer akuten Pankreatitis assoziiert sind (adaptiert nach [36]).
Gesicherte Auslöser
Azathioprin, Mercaptopurin, Mesalazin, Sulfasalazin
Methyldopa
Asparaginase, Antimon-haltige Medikamente
Didanosin
Pentamidin, Phenformin, Valproat
Cimetidin, Cisplatin, Cytarabin
Furosemid, Enalapril, Hydrochlorothiazid
Tetrazyklin, Erythromycin, Metronidazol,
Sulfamethoxazol/Trimethoprim, 
Lamivudin, Interferon-α2b
Fenofibrat, Simvastatin, 
Steroide, Paracetamol
Wahrscheinliche Auslöser
Rifampicin
Doxycyclin
Famotidin
Maprotilin
Als gesichert gilt, wenn >20 beschriebene Fälle (bestätigt durch ­Reexposition) bekannt sind, als wahrscheinlich, wenn <20 Fälle 
(und/oder Reexposition) bekannt sind.
Eine gefürchtete iatrogene Komplikation ist die Post-ERCP-Pankreatitis (1–5 % aller Pankreatitiden, bei rund 5% aller ERCP)[11–13], bei der es vermutlich durch die Manipulation zu einer transienten Schwellung und folglich einer Abflussstauung kommt. Die einmalige rektale Gabe von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) während oder nach dem ERCP scheint das Risiko für diese Pankreatitis zu senken[11, 12].
Weitere Risikofaktoren sind Nikotinabusus, Adipositas, Diabetes mellitus, Hypertriglyzeridämie, Hyperkalz­ämie, Virusinfektionen (Zytomegalievirus [CMV], Epstein-Barr-Virus [EBV], Mumps), ein stattgehabtes Abdominaltrauma, die Autoimmunpankreatitis und hereditäre Syndrome (Mutationen im PRSS1-, SPINK1-, CFTR-Gen) [2], wobei im Gegensatz zur chronischen Pankreatitis bei akuter Pankreatitis eher nur eine geringe genetische Assoziation gesichert ist. Ob das Pan­kreas divisum, eine anatomische Variante, die in Autopsiestudien in bis zu 7% vorkommt, einen Risikofaktor darstellt, ist seit jeher umstritten.

Symptome und Diagnosestellung

Die Diagnose einer akuten Pankreatitis wird gestellt, wenn mindestens zwei der drei folgenden Kriterien erfüllt sind:
1. typische Klinik mit gürtelförmigen Oberbauchschmerzen mit Ausstrahlung in den Rücken;
2. erhöhte Lipase oder pankreasspezifische Amylase >3-fach der Norm;
3. typische Befunde in der Bildgebung (Computertomographie [CT] / Magnetresonanztomographie [MRT]).
Somit ist das Vorliegen einer typischen Klinik und der oben genannten Laborkonstellation ausreichend für die Diagnosestellung. Dabei ist die Intensität der Schmerzen weder für den Verlauf noch die Schwere der Entzündung ausschlaggebend. Auch die Höhe und der Verlauf der Pankreasenzyme haben keine prognostische Wertigkeit. Weitere mögliche Symptome/Befunde sind Übelkeit und Erbrechen (bis 80%), Sym­ptome einer Darmparalyse (bis 70%), Tachykardie (50%) und Vigilanzstörungen (10%).
Die klassischen historischen Hautzeichen, das Grey-Turner-Zeichen (periumbilikal), das Cullen-Zeichen (Flankenbereich) und das Fox-Zeichen (Leistenregion), können nur sehr selten beobachtet werden [14].
Differenzialdiagnostisch kann eine Lipase- oder Amylaseerhöhung auch durch andere Erkrankungen wie zum Beispiel Entzündungen im Bereich der Gallenwege, eine Niereninsuffizienz oder eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung verursacht werden (siehe Tab. 3: Differentialdiagnose einer Lipase-/Amylaseerhöhung).
Tabelle 3: Differentialdiagnosen einer erhöhten Amylase und/oder Lipase 
(adaptiert nach [35]).
Erkrankungen mit einem ähnlichen klinischen Bild wie eine akute Pankreatitis
AmylaseLipase
Chronische Pankreatitis
Pankreaspseudozyste
Pankreaskarzinom
Erkrankungen des biliären Systems: Cholezystitis, Cholangitis, Choledocholithiasis
Intestinale Pseudoobstruktion, Ischämie, Perforation
Akute Appendizitis
Ektope Schwangerschaft 
Andere Erkrankungen
AmylaseLipase
ParotitisHeparin-Therapie
Makroamylasämie 
Ovarialzyste / Ovarialtumor 
Bronchuskarzinom 
Diabetische Ketoazidose 
Schädel-Hirn-Trauma mit 
intrazerebraler Blutung 
HIV-Infektion 
Ein Lipaseanstieg kann zirka 3–6 Stunden nach Sym­ptombeginn gemessen werden. Der Maximalwert wird nach etwa 24 Stunden erreicht. Die Normalisierung erfolgt bei leichten Verläufen meist nach 4–14 Tagen. Die Amylase sinkt schneller als die Lipase.

Bildgebung

Eine Oberbauchsonographie mit Frage nach Gallensteinen ist in jedem Fall indiziert. Sie hat die grösste Sensitivität und Spezifität für eine Cholezystolithiasis [15]. Bei kleinsten Konkrementen oder Sludge, insbesondere aber bei einer Choledocholithiasis oder nach Steinabgang ist die diagnostische Wertigkeit jedoch reduziert. Das Pankreas präsentiert sich bei einer Pankreatitis in der Sonographie echoarm aufgelockert und eventuell können peripankreatische Flüssigkeit oder fokale Lä­sionen (Einblutungen/Nekrosen) abgegrenzt werden.
Je nach klinischer Präsentation sowie sonographischem und/oder laborchemischem Verdacht auf eine biliäre Genese (dynamische Leberwerterhöhung) kann eine weitere Bildgebung mittels einer Magnetresonanz-Cholangiopankreatiographie (MRCP) erfolgen [4, 16].
Eine abdominale CT sollte nicht routinemässig bei Krankheitsbeginn durchgeführt werden, sondern unklaren Situationen und Fällen mit fehlender Besserung nach 48–72 Stunden vorbehalten bleiben [4]. Eine CT ist für die Diagnose einer akuten Pankreatitis nicht nötig, im Verlauf dient sie zum Nachweis von Komplikationen.
Der endoskopische Ultraschall (EUS) hat die Möglichkeit, im Falle einer bislang idiopathischen Pankreatitis die Ursache aufzuzeigen (z.B. eine bislang unentdeckte Choledocholithiasis, Sludge in der Gallenblase oder eine intraduktale papillär-muzinöse Neoplasie [IPMN]).

Risikostratifizierung / Verlauf

Die Mehrzahl der Patienten mit akuter Pankreatitis (ca. 80%) erlebt einen milden Verlauf, das heisst ohne lokale Komplikationen und ohne Funktionseinschränkung eines anderen Organs (Lunge, Herz, Niere, siehe unten) [2, 4, 17]. Eine (kurze) Hospitalisation ist in der Regel dennoch gerechtfertigt, da trotz verschiedener Scores die initiale klinische Beurteilung nicht mit Sicherheit zwischen einem leichten und einem schweren Verlauf unterscheiden kann. Bei Patienten mit einem leichten Verlauf ist meist innert 48 Stunden eine klinische Verbesserung eingetreten und es konnte bereits wieder mit oraler Kost begonnen werden.
Gemäss den revidierten Atlanta-Kriterien von 2013 kommt es bei einem «mässig-schweren» Verlauf entweder zu lokalen Komplikationen (peripankreatische Flüssigkeit / Nekrosen) und/oder einer vorübergehenden (<48 Stunden) Funktionseinschränkung eines anderen Organs (Hypoxie, Niereninsuffizienz, Hypotonie; siehe Tab. 4) [4, 17]. Bei einem «schweren» Verlauf kommt es zu anhaltendem Organversagen >48 Stunden, definiert durch den Marshall-Score (z.B. http://www.pmidcalc.org/?sid=23100216&newtest=Y) [4, 17].
Tabelle 4: Atlanta-Kriterien, Marshall-Score, BISAP-Index, Ranson-Kriterien [17–21].
Atlanta Kriterien: Einteilung der Pankreatitis in leicht/mittelschwer/schwer
Leicht
Keine lokalen Komplikationen, keine Organeinschränkung
Mittel-schwer
Lokale Komplikationen (peripankreatische Flüssigkeit / Nekrosen) und/oder Funktionseinschränkung eines anderen Organs 
(<48 Stunden) anhand Marshall-Score (s.u.)
Schwer
Anhaltende Organeinschränkung >48 Stunden anhand Marshall-Score (s.u.)
Marshall-Score: zur Beurteilung bezüglich Organeinschränkung
Pulmonal (PaO2:FiO2)Score z.B. auf https://qxmd.com/calculate/calculator_376/modified-marshall-score.
Organversagen definiert als ≥2 Punkte in einem der Organ­systeme
Hypotonie
Niereninsuffizienz
BISAP-Index («Bedside Index for Severity of Acute Pancreatitis»): je 1 Punkt für:
BUN («blood urea nitrogen»; Harnstoff) >25 mg/dlSignifikant erhöhte Mortalität bei ≥3 Punkten; 
Mortalität >20% bei 5 Punkten.
«Impaired mental status» (Somnolenz)
Vorliegen eines SIRS («systemic inflammatory response 
syndrome):
≥2 der folgenden Kriterien:
– Herzfrequenz >90/min
– Atemfrequenz >20/min oder PaCO2 <32 mm Hg
– Temperatur >38 °C oder <36 °C
– Leukozyten >12 000 or <4000 Zellen/mm3
«Age» (Alter) >60
«Pleural effusion» (Pleuraerguss)
Ranson-Kriterien:
Initiales AssessmentBeurteilung bei Eintritt:
Alter >55 Jahre 1 Punkt>3 Punkte: schwerer Verlauf wahrscheinlich; Intensiv-­Monitoring erwägen
Leukozytenzahl >16 000/mm3 1 Punkt
LDH >350 U/l 1 Punkt
ASAT (GOT) >250 U/l 1 Punkt
Glukose >11,1 mmol/l 1 Punkt
Assessment nach 48 StundenBeurteilung nach 48 Stunden (alle Punkte zählen):
Hämatokritabfall >10%
im Vergleich zum Eintritt 1 PunktPunktezahlBerechnete Mortalitäts-­wahrscheinlichkeit
Harnstoffanstieg über 
1,8 mmol/l (>10,8 mg/dl) 1 Punkt
2
3
5
7
1%
15%
40%
100%
Serumkalzium <2 mmol/l 1 Punkt
PaO2 < 8 kPa (<60 mm Hg) 1 Punkt
Basendefizit >4 mEq/l 1 Punkt
Flüssigkeitsbedarf >6 l/48 Stunden 1 Punkt
Auch nach Entwicklung und Validierung neuerer Scores bleibt es weiterhin eine Herausforderung, den schweren Verlauf bereits bei der initialen Präsentation vorherzusagen. Auch wenn Laborwerte wie ein erhöhter/steigender Harnstoff oder Hämatokrit, das Vorliegen eines SIRS oder ein erhöhtes C-reaktives Protein (CRP) auf einen schweren Verlauf hinweisen, mag keiner dieser Parameter einen solchen mit Sicherheit vorherzusagen oder auszuschliessen. Auch neuere Tools wie der BISAP-Index («Bedside Index of Serverity In Acute Pancreatitis» [18–20]: Tab. 4) scheinen nicht besser zu sein als altbewährte Scores wie beispielsweise der Ranson-Score (Tab. 4) [21] . Sie ersetzen nicht die wiederholte klinische Beurteilung.
Weitere Risikofaktoren für einen ungünstigen Verlauf sind höheres Alter (>60 Jahre), Adipositas, Alkohol­abusus und andere Komorbiditäten.

Therapie und Management

Volumentherapie

Die einzige frühe Intervention, die in prospektiven randomisierten Studien ungeachtet der Ätiologie einen Überlebensvorteil erbracht hat, ist die frühe aggressive Volumentherapie, mit 5–10 ml/kg Körpergewicht pro Stunde, sofern keine Kontraindikationen (z.B. Herzinsuffizienz) bestehen [2, 4, 22]. Die Ursache des erhöhten Volumenbedarfs liegt in der intravasalen Hypovolämie. Diese ist bedingt durch eine Volumenverschiebung in den «dritten Raum» aufgrund vaskulärer Hyperpermeabilität, eine reduzierte Perfusion des bereits geschädigten Pankreas sowie durch die reduzierte orale Flüssigkeitsaufnahme, Erbrechen und vermehrte Transpiration. Der grösste Benefit hierfür liegt in den ersten 12–24 Stunden (danach ist der Vorteil beschränkt bis gar nicht mehr vorhanden) [2].
Die Volumentherapie wird anhand der Vitalparameter und der Urinausscheidung monitorisiert. Ziel ist ein Abfall des Harnstoffs (verbesserte renale Perfusion) und des Hämatokrits (Hämodilution). Die späte (>48 Stunden) aggressive Volumentherapie scheint nicht mit einem Benefit, sondern eher mit einem schädlichen Effekt assoziiert. Zudem sollten die Elek­trolyte regelmässig kontrolliert und gegebenenfalls substituiert werden.

Analgesie

Die ausreichende Flüssigkeitssubstitution kann auch das prädominante Symptom der Abdominalschmerzen verbessern. Des Weiteren sind oftmals Opioide notwendig, welche gegebenenfalls auch als bedarfs­adaptierte Therapie («patient controlled analgesia» [PCA]) appliziert werden sollten.

ERCP

Die Datenlage zur Frage, ob eine frühe ERCP in jedem Fall einer bilären Pankreatitis durchgeführt werden soll, ist begrenzt. Sinnvoll scheint eine frühe ERCP in Fällen von akuter schwerer biliärer Pankreatitis und gleichzeitigen Zeichen einer akuten Cholangitis. In allen anderen Fällen ist die ERCP nur indiziert, falls ein klinischer Verdacht auf eine anhaltende biliäre Obstruktion besteht [2, 4]. Im Zweifelsfall erfolgt ein MRCP oder eine Endosonographie.

Antibiotika

Die präemptive Gabe von Antibiotika hat bei der akuten Pankreatitis keinen Benefit gezeigt. Antibiotika sind indiziert in Fällen von gleichzeitiger Cholangitis, einer Katheterinfektion, nachgewiesener Bakteriämie oder (lokalen) infektiösen Komplikationen (siehe später).

Therapie von lokalen Komplikationen: ­Flüssigkeitskollektionen / Nekrosen

Infektiöse Komplikationen (Pneumonie, Cholangitis, Harnwegsinfekte und infizierte pankreatische Nekrosen / Pseudozysten) haben einen grossen Einfluss auf die Morbidität und Mortalität. Im Falle eines schweren Verlaufs mit infektiöser Komplikation ist eine Verlegung an ein Zentrum mit Erfahrung bei der intensivmedizinischen Betreuung und minimalinvasiven Therapie von lokalen Komplikationen (infizierten Nekrosen) indiziert [2, 4, 24].
«Lokale Komplikationen» beinhalten das Auftreten von (peri)pankreatischen Flüssigkeitskollektionen und Nekrosen des Organs selbst und/oder des umgebenden Fettgewebes. Diese können initial steril sein, sich aber im Verlauf superinfizieren [2, 4, 24].
Man unterscheidet einerseits die akute (peri)pankeatische Flüssigkeitskollektion («acute peripancreatic fluid collection» [APFC]) im Rahmen der akuten interstitiellen Pankreatitis von der Pseudozyste, die sich im Verlauf bildet (in der Regel ≥4 Wochen) [4, 17].
Andererseits wird die akute Nekrose («acute necrotic collection» [ANC]) von der sich im Verlauf ausbildenden abgekapselten Nekrose mit radiologisch sichtbarer Kapsel unterschieden («walled-off necrosis» [WON], in der Regel ≥4 Wochen). In der Anfangsphase handelt es sich bei der Nekrose um festes oder fest-flüssiges Material, das sich im Laufe der Zeit mehr und mehr verflüssigt und die oben genannte Kapsel bildet [4, 17].
Diese lokalen Komplikationen sind primär steril und bedürfen beim asymptomatischen Patienten auch im Falle einer «sterilen Nekrose» (d.h. Hinweisen für eine Nekrose in der Bildgebung ohne Lufteinschlüsse und ohne klinische Hinweise für eine Sepsis) keiner Therapie. Eine interventionelle Therapie kann im Falle einer lokalen Obstruktion (z.B. des Ductus choledochus oder bei einer symptomatischen Duodenal-/Magenkompression durch die Zyste oder Nekrose) indiziert sein.
Bei Verdacht auf eine infizierte Nekrose, die meist >2 Wochen nach Beginn der Pankreatitis auftritt, ist eine Therapie indiziert[4, 17]. An eine infizierte Ne­krose ist zu denken bei plötzlicher klinischer Verschlechterung mit Fieber / Anstieg der laborchemischen Entzündungszeichen nach initialer Beschwerdebesserung oder Lufteinschlüssen im Bereich einer Nekrose in der CT. In diesem Fall sollte eine CT-gesteuerte Punktion («fine needle aspiration» [FNA]) zur Anfertigung eines Gram-Präparats und Kulturgewinnung durchgeführt werden, mit nachfolgendem Therapiebeginn mit einem Antibiotikum, das in die Nekrose penetriert (Carbapeneme, Chinolone). Eine antimykotische Therapie wird nur bei Pilznachweis empfohlen [4]. Gemäss den amerikanischen Guidelines (2013) ist es auch opportun, in gewissen Fällen auf eine Punktion zur verzichten und eine empirische Antibiotikatherapie zu beginnen [4]. Bei fehlender Besserung oder im Verlauf erneuter Verschlechterung unter antibiotischer Therapie sollte je nach Verlauf und lokaler Expertise ein minimalinvasives Debridement (endoskopisch, radiologisch oder chirurgisch) durchgeführt werden. Als ersten Schritt kann eine ultraschallgesteuerte, transgastrische Drainage der Nekrose mit Einlage eines Stents erfolgen, gegebenenfalls im Verlauf mit wiederholter endoskopischer oder chirurgisch-minimalinvasiver Nekrosektomie. Ob der endoskopische Approach dem chirurgisch-minimalinvasiven überlegen ist, bleibt weiterhin Gegenstand der Forschung [25–29]. Generell sollte eine invasive Massnahme nach Möglichkeit, das heisst falls der Patient stabil ist, so lange hinausgezögert werden, bis die Ne­krose abgekapselt ist (WON). Die offene chirurgische Nekrosektomie, die früher in fast jedem Fall einer infizierten Nekrose durchgeführt wurde, ist mittlerweile dem instabilen Patienten vorbehalten. Beispiele einer nekrotisierenden Pankreatitis und einer Pseudozyste mit lokaler Komplikation und deren interventionelle Therapie sind in den Abbildungen 1 und 2 dargestellt.
Abbildung 1: Axiale Computertomographie (CT) eines 45-jährigen Patienten mit einer akuten nekrotisierenden Pankreatitis.
A) Grosse Nekrosezone (roter Pfeil) mit beginnender Abszedierung. B) CT-gesteuerte Punktion am Tag 10 bei persistierendem Fieber mit septischem Verlauf. Aufgrund Entleerung von ­übelriechendem Eiter Einlage einer Drainage. C) Tag 14: Nach Entfernung der Drainage, kleine residuelle Flüssigkeitskollektion. L: Leber; Ma: Magen; Mi: Milz.
Abbildung 2: A) Magnetresonanztomographie (Koronarschnitt) eines 72-jährigen Patienten mit infizierter Pankreaszyste (roter Pfeil) mit Kompression der Gallenwege. B) Computertomographie (Axialschnitt) mit perkutaner Punktion. L: Leber; G: Gallenblase; N: Niere.

Ernährungstherapie

Das Ernährungskonzept bei der akuten Pankreatitis ist aus mehreren Gründen äusserst wichtig.
Die systemische Entzündungsantwort führt zu einem erhöhten metabolischen Bedarf mit kataboler Stoffwechsellage und zur Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen und freien Radikalen [30, 31]. Die Folge sind einerseits eine Abnahme des Körpergewichts mit Malnutrition mit entsprechenden Konsequenzen, andererseits eine vermehrte bakterielle Translokation (eingeschränkte «gut barrier function») mit lokalen potentiell deletären infektiösen Komplikationen. Die Erhaltung der «gut barrer function» durch enterale Ernährung scheint wiederum das Risiko lo­kaler Komplikationen zu reduzieren. Aus diesen Gründen ist die Ernährungstherapie ein wichtiges Standbein der Therapie dieser Erkrankung [30–32].
Bei milden Verläufen der Pankreatitis kann früh mit einer fettarmen festen oder flüssigen Kost begonnen werden, sofern sie toleriert wird und keine Übelkeit oder Erbrechen bestehen. Diese Kost kann nach Massgabe der Beschwerden gesteigert werden. Das Einhalten einer initialen Nüchternphase («to put the pancreas at rest») für 72 Stunden ist nicht notwendig, vielmehr scheint das Nüchternlassen mit einer intestinalen Atrophie und erhöhten Darmpermeabilität und somit einer erhöhten Rate an Infektkomplikationen im Verlauf vergesellschaftet zu sein [31, 33]. Bei einer milden Pankreatitis scheint eine enterale Gabe ohne Benefit zu sein [30–33].
Auch im Falle einer schweren Pankreatitis soll eine frühe orale (oder enterale [via Sonde]) Ernährung erfolgen, sofern toleriert. Ob eine frühe enterale (sprich post-pylorische) Gabe via Duodenalsonde der oralen «on demand»-Kost mit gegebenenfalls Magensonde wirklich überlegen ist, ist trotz prospektiver Studien nicht eindeutig erwiesen[34]. Eine parenterale Ernährung sollte dann erwogen werden, wenn eine enterale Gabe nicht möglich ist respektive zur vollständigen Kaloriendeckung nicht ausreicht, in der Regel nicht vor sieben Tagen [30–32].

Cholezystektomie

Im Fall einer leichten biliären Pankreatitis, soll die Cholezystektomie in der Regel während der Hospitalisation erfolgen. Im Falle eines schweren Verlaufs wird bis zur Regredienz der Entzündung und der peripan­kreatischen Flüssigkeit zugewartet, wobei hier das Risiko der Operation versus das Risiko einer erneuten biliären Pankreatitis sorgfältig gegeneinander abgewogen werden muss [4, 17].

Das Wichtigste für die Praxis

• Obwohl die akute Pankreatitis bei der Mehrzahl der Patienten mild verläuft, handelt es sich um eine potentiell schwere akute Erkrankung.
• Bei der initialen Präsentation soll mithilfe der klinischen Untersuchung, der Suche nach Organdysfunktionen und verschiedener Scores versucht werden, leichte von potentiell schweren Fällen herauszufiltern.
• Die initiale Therapie besteht aus ausreichender Flüssigkeitssubstitution, Korrektur von Elektrolytstörungen, Analgesie und Beginn einer oralen/enteralen Ernährung, sobald diese toleriert wird. Die adäquate frühe (orale/enterale) Ernährung scheint durch Erhaltung der «gut barrier function» das Risiko für lokale infektiöse Komplikationen zu reduzieren und hat somit hohe Priorität bei Management dieser Erkrankung.
• Lokale Komplikationen beinhalten (peri-)pankreatische sterile Flüssigkeitskollektionen und Nekrosen, die bakteriell superinfizieren oder lokal zu Kompression von Dünndarm oder auch Gallenwegen führen können.
• Die optimale Therapie der infizierten Komplikationen (endoskopisch vs. chirurgisch) ist weiterhin Gegenstand aktueller Forschung.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Dr. med. Matthias Sauter
Leitender Arzt
Bauchzentrum
Abteilung für
Gastroenterologie
St. Claraspital
Kleinriehenstrasse 30
CH-4016 Basel
matthias.sauter[at]
claraspital.ch
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