Erfolg für die Sekundärprävention
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Erfolg für die Sekundärprävention

Kurz und bündig
Ausgabe
2018/40
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03392
Swiss Med Forum. 2018;18(40):808-809

Publiziert am 03.10.2018

Fokus auf … Komplementärmedizin bei entzündlichen Darmerkrankungen

– Prävalenz des Gebrauchs alternativer Methoden bei diesen Krankheiten: 20–60%.
– Nur ¼ berichtet dies dem Arzt (oder werden befragt).
Probiotika haben eine heterogene mikrobielle Zusammensetzung, sind also nicht miteinander vergleichbar*:
• antientzündliche Effekte, beste Evidenz für Prävention und Remissionserhaltung der sog. Pouchitis;
• gewisse positive Effekte bei Induktion/Erhaltung von Remissionen bei Colitis ulcerosa;
• keine überzeugende Evidenz bei Morbus Crohn.
Curcumin: wirksam als Begleittherapie bei Colitis ulcerosa, nicht bei Morbus Crohn.
Cannabis: kein überzeugender Effekt auf klinische Remissionen.
Fischöle: fraglicher Steroid-sparender Effekt bei Colitis ulcerosa, unwirksam bei Morbus Crohn.
Akupunktur, Yoga, Hypnotherapie, körperliche Aktivitäten, kognitive Verhaltenstherapien können wirksam sein (Details in Tab 2 der Arbeit).
* Beste Evidenzen für ein Präparat, das Streptococcus thermophilus, 4 Stämme von Laktobazillen und 3 Stämme von Bifidobakterien enthält, Tagesdosen typischerweise 300–900 Mrd. Bakterien.
Gastroenterol Hepatol (NY). 2018;14:415–25.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6111500/.
Verfasst am 04.09.2018.

Praxisrelevant

Erfolg für die Sekundärprävention

In Schweden zeigte ein Vergleich von Typ-2-DiabetespatientInnen im Alter von etwa 60 Jahren (gut 270 000 an der Zahl, Mann zu Frau praktisch ausgeglichen), dass sich bei Kon­trolle fünf verschiedener Risikofaktoren (HbA1C, Rauchen, Blutdruck, Albuminurie, LDL-Cholesterin) in allgemein empfohlene Zielbereiche Folgendes zeigte: kein erhöhtes Risiko zu sterben oder einen Myokar­dinfarkt/Hirninfarkt zu erleiden im Vergleich zu etwa 1 355 000 nicht-­diabetischen Kontrollindividuen. Die mühsame und langwierige Motivationsarbeit in Ihrer Praxis lohnt sich also!
Noch zwei weitere von den interessanten Aspekten dieser Arbeit: Reduzierte körperliche Aktivität war in verschiedenen Outcome-Modellen immer bei den stärksten negativen Risikofak­toren. Die Rolle der Albumin­urie bestätigt die vielleicht noch nicht allgemein umfassend realisierte Tatsache, dass chronische Nierenerkrankungen auch relativ moderater Art einen enorm wichtigen Risiko- und Progressionsfaktor für die kardiovaskuläre Alterung darstellen.
N Engl J Med 2018, doi: 10.1056/NEJMoa1800256.
Verfasst am 03.09.2018, auf Hinweis von Prof. M. Braendle (St. Gallen).

Neues aus der Biologie

GLP-1R-Agonismus auch sinnvoll beim Morbus Parkinson?

Neurodegenerative Erkrankungen, v.a. der M. Parkinson, dürften angesichts des ungebrochenen Trends zur Langlebigkeit (Schweiz) weiter zunehmen. Die sogenannte Neuroinflammation wird heute nicht mehr als Reaktion auf die Zelldegeneration des Zentralnervensystems (ZNS), sondern zumindest als eines der wichtigen «primum movens» in der Neurodegeneration angesehen. Aktivierte (Mechanismus?) Mikroglia (Makrophagen) sezernieren Entzündungsfaktoren (u.a. TNF, Interleukin-alpha), welche die Astrozyten zur Sekretion eines neurotoxischen Faktors verleiten (sog. Konversion der Astrozyten in einen neuro­toxischen A1-Phänotypen). Dieser Faktor induziert dann Aggregate von alpha-Synuklein («Lewy bodies», Lewy-Neuriten), gefolgt von extrapyramidalen Bewegungsstörungen. Auf den ZNS-Mikrogliazellen wird der «glucagon-like peptide-1»-Rezeptor (GLP-1R) exprimiert, dessen Aktivierung diese Entzündungskaskade hemmt. Mittels eines pegylierten, ZNS-gängigen Agonisten bei zwei verschiedenen Mäusegruppen (transgene Erhöhung oder ­externe Zufuhr von Alpha-Synuklein-Aggregaten) führte dieser Agonist via die unter ­anderem aus Lymphozyten bekannte Hemmung von NF-kappaB in der Mikroglia zu ­einer Hemmung der Entzündungsantwort und einer Verlängerung der Überlebenszeit der dopaminergen Neuronen. Die Mäuse lebten auch länger mit signifikant reduzierter Verhaltens- und Bewegungsstörung.
Nature Medicine 2018, 
doi.org/10.1038/s41591-018-0051-5.
Verfasst am 05.09.2018.

Immer noch lesenswert

Entdeckung des zyklischen AMP als ­«second messenger»

Earl Sutherland beschrieb in einer Reihe verschiedener Studien, dass im Gefolge einer ­Adrenalin- und Glukagonbindung an Hepatozyten eine hepatische Phosphorylase aktiviert wird. Er beobachtete auch, dass diese Akti­vität durch Zugabe von 5-Adenosinmonophosphat massiv zunahm und dann zur Bildung ­eines zyklischen Adenosinmonophosphates (cAMP) führte. Erst später fand man, dass Adrenalin/Glukagon nach der Rezeptorbindung vor der cAMP-Bildung erst einen sogenannten G-Protein-gekoppelten Rezeptor aktivieren müssen. cAMP fördert via die von ihr induzierte Proteinkinase A dann die weiteren ­intrazellzulären Aktivierungs­schritte durch multiple Transfers von Phosphat auf verschiedene intrazelluläre Moleküle.
Verfasst am 05.09.2018.

Auch noch aufgefallen …

Verhinderung der Diabetes Rezidive nach Magen-Bypass-Operationen?

Ein Jahr nach einer Roux-en-Y-Operation erfreuen sich 60% der operierten Diabetespa­tientInnen einer Vollremission. Im Gefolge dieser Daten wird an verschiedenen Orten empfohlen, DiabetespatientInnen mit unbefriedigender Blutzuckerkontrolle auch zu operieren, wenn ihr Body-Mass-Index (BMI) erst >30 kg/m2 beträgt! Die dabei zu erwartende Zunahme opera­tiver Eingriffe verklärt aber den Blick auf die Tatsache, dass die Hälfte dieser ­DiabetespatientInnen innerhalb von fünf Jahren ein Diabetesrezidiv erleiden! Kann man das vorausahnen und durch frühzeitige Interventionen allenfalls verhindern? Eine neu entwickelte Risikoanalyse («5y-Ad-DiaRem») bestehend aus einer präoperativen Information (Diabetesdauer, Zahl der antidiabetischen Medikamente und HbA1C) sowie ­einem Datenset ein Jahr postoperativ (zusätzlich zu präoperativ noch: postoperativer Gewichtsverlust und Remissionsstatus) erlaubt es, ein 5-Jahres-Rezidiv ziemlich genau vorauszusagen. Deutlich besser jedenfalls als ­gegenwärtig angewandte «Scores» wie ABCD (Alter, BMI, C-Peptid, Dauer des Diabetes). Die Hoffnung ist, dass sich die Hausärzte individualisert auf die von einem Wiederauftreten des Diabetes bedrohten PatientInnen konzentrieren können.
Diabetes Care 2018, doi.org/10.2337/dc18-0567.
Verfasst am 03.09.2018, auf Hinweis von Prof. M. Braendle (St. Gallen).

Knochendichte genetisch als wichtiger Frakturprädiktor bestätigt

Die Knochendichte ist – neben oder gar nach dem Alter – der wichtigste prognostische Faktor für das Erleiden einer Fraktur. Eine sogenannte GWAS-Studie («genome wide association study») fand 15 verschiedene Orte im menschlichen Genom, die mit erhöhter Frakturwahrscheinlichkeit assoziiert sind. Ausnahmslos sind alle dieser Gen-Orte auch mit der Knochendichte assoziiert. Interessanterweise stehen Orte, die mit einem veränderten Vitamin-D-Status und/oder Kalziumhaushalt assoziiert sind, nicht damit im Zusammenhang.
Verfasst am 03.09.2018.

Für ÄrztInnen am Spital

Arztfaktoren in der Prognose des ­Herzinfarktes bei Frauen

Eine ansehnliche Literatur beschreibt die schlechtere Prognose für Frauen mit akutem Myokardinfarkt. Eine neue Beobachtung aus Florida zwischen 1991 und 2010 findet eine ­höhere Mortalität, falls der hauptverantwortliche Arzt ein Mann war. Die Mortalität sank mit einem höheren Frauenanteil zum Beispiel auf der Notfallstation und wenn die männ­lichen Ärzte in der Vergangenheit Gelegenheit hatten, mehr Frauen mit akutem Koronarsyndrom zu behandeln [1]. Schon letztes Jahr hatte das JAMA berichtet, dass die Mortalität älterer PatientInnen bei Behandlung durch Frauen tiefer ausfiel als bei Männern [2]. Angesichts des gestiegenen Frauenanteils im ärztlichen Beruf eine beruhigende Tatsache. Die neue Studie bringt aber insofern einen neuen (durchaus interessanten) Aspekt, als dass eine Geschlechtskonkordanz einen positiven Effekt hatte und sie den Männern trotzdem eine relevante Lernkurve zubilligt. Allerdings werden wir kurz und bündig angesichts der vielen, im Alltag wirksamen Varia­blen den Verdacht nicht los, dass die publizierten Resultate auch etwas einem Tribut an den aktuellen Zeitgeist entsprechen könnten ...
Abbildung 1: Ändert sich die Prognose durch die Betreuung einer Frau?
(© Katarzyna Bialasiewicz | Dreamstime.com)
2 JAMA Internal Medicine 2017, 
doi: 10.1001/jamainternmed.2016.7875.
Verfasst am 04.09.2018.