Gut für die Schweizer (Milch-)Bauern
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Gut für die Schweizer (Milch-)Bauern

Kurz und bündig
Ausgabe
2018/44
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03405
Swiss Med Forum. 2018;18(44):893-894

Publiziert am 31.10.2018

Fokus auf … Praxisrelevante ­Neuigkeiten 2017

Eine Gruppe von Experten analysierte die Publikationen der wichtigsten internmedizinischen Journale im Jahre 2017 im Hinblick auf Resultate, die das alltäglich praktische Vorgehen am nachhaltigsten verändern (sollten?). Hier die Liste (kurz und bündige Vorbehalte mit «?» gekennzeichnet):
– Verschluss des Foramen ovale bei kryptogenem (= ätiologisch ungeklärtem) Schlaganfall (?*).
– Neue Zoster-Impfstoffe bei Erwachsenen >50 Jahre, auch bei Vorgeimpften.
– Die kosteneffektivste Abklärung der asymptomatischen Mi­krohämaturie erfolgt durch Zystoskopie und Ultraschall.
– Behandlungsziel bei Hypertonie: <130/80 mm Hg (?).
– Protonenpumpeninhibitoren bei älteren Patient(inn)en mit Aspirin® (?; zumindest nicht vergessen: Braucht diese/r ältere Patient/in wirklich Aspirin®?).
– Alle nichtsteroidalen Antirheumatika erhöhen des Myokard­infarktrisiko.
* Siehe auch «Immer noch lesenswert».
Am J Med 2018, doi.org/10.1016/j.amjmed.2018.01.046.
Verfasst am 24.09.2018.

Praxisrelevant

Gut für die Schweizer (Milch-)Bauern

Die negativ ausgefallene Abstimmung zur Ernährungssicherheit (23. September 2018) war für den sonst im Lobbying bemerkenswert erfolgreichen Bauernverband eine ungewöhnliche Erfahrung. Trost kommt aber bereits von der «PURE»-Kohortenstudie (ca. 136 000 Individuen, zwischen 35 und 70, 21 Länder, global verteilt, Beobachtungszeit eindrückliche 15,5 Jahre!), die fand, dass erhöhter Konsum von Milchprodukten (Milch, Joghurt, Käse) mit einer tieferen Mortalität und geringerer Chance, eine Manifestation einer kardiovaskulären Erkrankung zu erleiden, vergesellschaftet war [1]. Der Befund steht in diametralem Gegensatz zu den aktuell propagierten Ernährungsempfehlungen (einmal mehr!), wodurch sich auch der gewundene Kommentar der Editorialschreiber [2] erklärt, die diese Richtlinien denn auch noch nicht abgeändert haben wollen. Für die Schweizer Bauern tut sich vielleicht wieder ein traditioneller, aber zukunftssichernder Produktemarkt auf. Dass allerdings Milch nicht unbedingt gleich Milch ist (zumindest im Hinblick auf die vermuteten protektiven Effekte), hat kurz und bündig ein Freund (Prof. J. Beer, Baden) schon vor Jahren beobachtet respektive als Möglichkeit vorgeschlagen [3]. Milchprodukte von auf Alpen gesömmertem Vieh scheinen höhere Mengen an Omega-3-Fettsäuren aufzuweisen. Eine weitere Chance für ­unsere Bauern also, angesichts der klima­bedingten Ausweitung der Vegetationszone in höhere Lagen …
Verfasst am 24.09.2018.

Für Ärztinnen und Ärzte am Spital

Metronidazol nicht mehr erste Wahl bei Clostridium difficile

Clostridium-induzierte Enterokolitiden nehmen zu und sind ein Faktor, der vor allem bei Patient(inn)en in deren zweiten Lebenshälfte zu einer erhöhten Mortalität führt. Eine Metaanalyse der Wirksamkeit der für die Behandlung der Clostridium-difficile-Enterokolitisverwendeten Antibiotika kommt zum Schluss, dass es ausser Preisüberlegungen wegen limitierter Wirksamkeit kein Argument mehr gibt, auch bei milden bis mittelschweren ­Präsentationsformen Metronidazol einzusetzen. Fidaxomicin (Dificlir®) und Teicoplanin (Targocid®) waren im Hinblick auf eine anhaltende Symptomfreiheit etwas besser als oral verabreichtes Vancomycin, alle drei aber einzeln deutlich besser als Metronidazol. Die ­Autoren empfehlen – in Abänderung der meisten gültigen Fachempfehlungen – als Medi­kament erster Wahl das Fidaxomicin, aus­ser bei schweren Enterokolitiden (Vancomycin, beste verfügbare Evidenz, fehlend für ­andere Medikamente) mit Teicoplanin als Reservemedikament. Sie sehen keinen Platz mehr für Metronidazol, ausser als intervenöses Präparat zusammen mit kolonisch appliziertem Vancomycin bei schweren Kolitiden und deswegen Unmöglichkeit der oralen Antibiotikazufuhr. Rifaximin, das auch in dieser Indikation verwendet wird, konnte in dieser Analyse nicht konklusiv beurteilt werden, wie auch die fäkale Mikrobiom-Transplantation nicht Gegenstand der Analyse war.
Lancet Infectious Diseases 2018, 
doi.org/10.1016/S1473-3099(18)30285-8.
Verfasst am 24.09.2018.

Neues aus der Biologie

Kummerbuben oder Bodyguards?

Eine Thrombozytopenie infolge erhöhten ­peripheren Verbrauchs ist ein häufiger und prognostisch negativer Befund bei Malaria, am häufigsten bei der Infektion durch Plasmodium falciparum. Thrombozyten scheinen die Adhäsion von Malaria-tragenden Erythrozyten in «Zusammenarbeit» mit speziell gros­sen von-Willebrand-Multimeren zu fördern und so zur Kompromittierung der mikrovaskulären Zirkulation (inklusive Thrombenbildungen) beizutragen. Neuere Studien könnten aber zumindest zu einer teilweisen Neubeurteilung führen: Über die früheren Beschreibungen einer Bindung von Thrombozyten an Plasmodien-­beladene Erythrozyten und konsekutiver Hemmung der zytoplasmatischen Plasmodienvermehrung hinaus konnte jetzt gezeigt werden, dass Thrombozyten – vielleicht mittels des Plättchenfaktors 4 (PlF4) – zirkulierende Plasmodien aller (!) Spezies ab­töten können. Quantitativ vielleicht etwa 20% aller zirkulierenden Parasiten. Neben dieser (partiellen) Neuverteilung der Thrombozytenrolle geben diese Beobachtungen Hinweise auf bessere (Akut-)Therapien (molekularer Angriffspunkt von PlF4).
Verfasst am 26.09.2018.

Immer noch lesenswert

Prävalenz eines offenen Foramen ovale bei Patient(inn)en mit Schlaganfall

Mittels Kontrast-Echokardiographie beschrieb eine französische Gruppe ihre Befunde bei Patient(inn)en mit ischämischem zererbrovaskulärem Insult (n = 60, Alter <55 Jahren) und verglich diese mit normalen Kontrollen (n = 100). Ein offenes Foramen ovale fand sich bei 40% der Patient(inn)en, aber «nur» bei 10% der Kontrollen. Innerhalb der Schlaganfallgruppe stieg die Wahrscheinlichkeit eines offenen Foramen ovaleinvers zur Präzision der ätiologischen Klärung: 21% bei Vorliegen einer klaren Ursache, 40% bei Vorliegen von Risikofaktoren für Schlaganfall wie Migräne, Gebrauch von Kontrazeptiva und 54% bei ätiologisch ganz ungeklärtem («kryptogenem») Schlaganfall.
Verfasst am 26.09.2018.

Aus Schweizer Feder

Welche hyperthyreoten Patient(inn)en entwickeln eine Orbitopathie (Abb. 1)?

Abbildung 1: Die Magnetresonanztomographie zeigt einen bilateralen Exophthalmus. Wir ­danken Frau Dr. Nicole Fichter (ADMEDICO Augenzentrum AG, Olten) ganz herzlich 
für die ­Zurverfügungstellung des Bildes.
Die Mehrzahl (etwa 75%) der Patient(inn)en mit Morbus Basedow haben zum Zeitpunkt der Diagnose keine Anzeichen einer endokrinen Orbitopathie, die sich dann aber nach ­Beginn der Therapie manifestieren kann. Durch Identifikation eines hohen Risikos für eine Orbitopathie könnte man die Therapie adaptieren (z.B. Thyreostatika oder totale Thyroidektomie der 131-I-Therapie vorziehen) oder prophylaktisch Selenium (2 × 100 μg p.o./Tag) verschreiben, von dem ein Schutz vor Verschlechterung bei leichteren Formen der Or­bitopathie [1] bekannt ist. Bei 348 in Europa multizentrisch untersuchten Patient(inn)en mit Morbus Basedow (zum Zeitpunkt der Diagnose frei von Orbitopathie) entwickelte sich bei 15% innerhalb von 18 Monaten nach Therapiebeginn eine solche [2]. Folgende Faktoren zum Diagnosezeitpunkt erhöhten, statistisch unabhängig voneinander, aber in ihrer Gesamtheit kumulativ (zusammengefasst als sogenannter «PREDIGO»-Prognose-Score), das Risiko einer endokrinen Orbitopathie: klinische Aktivität, Titer-abhängig der Nachweis TSH-bindender Immunoglobuline, Dauer der hyperthyreoten Symptome (je länger, desto wahrscheinlicher) und Rauchen (höher bei aktiven Rauchern).
2 Eur J Endocrinol 2018, doi.org/10.1530/EJE-18-0039.
Verfasst am 26.09.2018, auf Hinweis von Frau Dr. N. Fichter (Olten).

Auch noch aufgefallen

Angiotensin-Rezeptor- oder Beta-­Blockade beim Marfan-Syndrom?

Das Marfan-Syndrom ist eine phänotypisch heterogene genetische Erkrankung mit einer Vielzahl von Mutationen im Fibrillin-1-Gen. Da die systemischen Manifestationen – etwas im Gegensatz zu den Lehrbüchern – wie Augen- und Skelettmanifestationen fehlen können, ist bei einer positiven Familienanamnese von frühzeitigen kardiovaskulären Erkrankungen, namentlich Aortenaneurysma/-insuffizienz, daran zu denken. Kann man die progressive Aortendilatation medikamentös verlangsamen? Im Vergleich mit der Standardtherapie mit Beta-Blockern (zur Reduktion der Wandscherkräfte) war die Therapie mit Losartan, einem Angiotensin-Rezeptorblocker, etwa gleich wirksam in Bezug auf die Progression der Aortendilatation. Die Angiotensin-Rezeptorblocker hemmen den in der Marfan-Pathogenese inkriminierten «tumor growth factor» (TGF-Beta). In der Studie wurden 64 Patient(inn)en (5- bis 60-jährig, 85% mit einer Mutationsanalyse) 6,7 Jahre lang bildgebend nachkontrolliert. In beiden Gruppen musste innerhalb dieser Zeit jede/r 6. Patient/in wegen Aortendilatation/-dissektion operiert werden.
JACC 2018, doi.org/10.1016/j.jacc.2018.07.052.
Verfasst am 25.09.2018.

Wussten Sie?

Eine 47-jährige Frau kommt zum Einholen einer Zweitmeinung, nachdem sie seit zwei Monaten an intermittierenden, epigastrischen Schmerzen, exazerbiert nach Nahrungsaufnahme, und ungewolltem Gewichtsverlust von 5 kg litt. CT Abdomen und Becken sowie obere Panendoskopie und hepatobiliäres System sind szintigraphisch unauffällig. Im Labor fiel das CRP von 280 mg/dl und die BSR von 65 mm/h auf. Urinsediment unauffällig, alle Autoantikörper negativ. Bei persistierenden Schmerzen wurde eine renale und mesenteriale Angiographie durchgeführt mit folgenden Hauptbefunden: Gefässirregularitäten, Gefäss­einengungen und multiple kleine Aneurysmen an den Gefässverzweigungen.
Die wahrscheinlichste Diagnose ist (nur eine Antwort richtig):
A Marfan-Syndrom
B Mesenteriale Arteriosklerose (Angina abdominalis)
C Polyarteriitis nodosa
D Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (ehemals: Morbus Wegener)

Antwort auf das «Wussten Sie?»

Die Kombination von Entzündungszeichen, arteriellen Aneurysmen und negativen Autoantikörpern zusammen mit den chronischen, intermittierenden Schmerzen und dem Gewichtsverlust ist wegweisend für eine Polyarteriitis nodosa (Antwort C). Bei der Patientin wurden nachträglich mit negativem Befund Hepatitis-B- und -C-Serologien durchgeführt. Nach sechs Monaten Immunsuppression (Prednison und Cyclophosphamid) konnte eine Remission erreicht werden. Der abdominelle Schmerz entsteht wohl ischämie-bedingt im Gefolge einer Arteriitis mesenterialis. Eine histologische Sicherung ist nicht nötig, die Assoziation mit HBV und HCV (im positiven Fall antivirale Therapie indiziert und so bald wie möglich Minimisierung der Immusuppression) ist gut bekannt, wenn auch mechanistisch noch nicht gut aufgeschlüsselt.
Gastroenterology 2018, 
doi.org/10.1053/j.gastro.2018.02.043.
Verfasst am 25.09.2018.