Empfehlungen zur Prävention der Atherosklerose 2018: Update der AGLA
Fokus auf Dyslipidämie

Empfehlungen zur Prävention der Atherosklerose 2018: Update der AGLA

Aktuell
Ausgabe
2018/47
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03407
Swiss Med Forum. 2018;18(47):975-980

Affiliations
a Institut für Klinische Chemie, UniversitätsSpital Zürich; b Emeritus Zentrum für Labormedizin, St. Gallen; c Service de Cardiologie, HUG;
d Cardiologia-Angiologia, Ospedale Regionale Valli, Bellinzona; e HerzKlinik Hirslanden, Zürich; f Praxis für Innere Medizin und Kardiologie, Bern;
g Policlinique médicale universitaire, Lausanne; h Klinik für Kardiologie, UniversitätsSpital Zürich; i Innere Medizin, Kantonsspital Baden

Publiziert am 21.11.2018

Die Schweizer Arbeitsgruppe Lipide und Atherosklerose (AGLA) hat Anfang 2018 ihre Empfehlungen zur Prävention der Atherosklerose aktualisiert und eine neue Version des gleichnamigen AGLA-Pocketguides herausgegeben.

Einleitung

Der Pocketguide «Prävention der Atherosklerose», der seit 2003 erscheint und zuletzt 2014 aktualisiert wurde, fasst die jeweils aktuellsten Guidelines der «European Society of Cardiology» (ESC) und der «European Atherosclerosis Society» (EAS) zusammen und passt sie an die Situation in der Schweiz, einem Land mit niedrigem kardiovaskulärem Risiko, an. Die AGLA-Empfehlungen zur Prävention der Atherosklerose stellen die medizinische Richtschnur für ein effizientes medizinisches Vorgehen zur Abklärung, Schätzung und Beurteilung des kardiovaskulären Risikos in der Schweiz dar und skizzieren die Behandlungsstrategien für pharmakologische und nichtpharmakologische Interventionen.
Die 6. Auflage des Pocketguides «Prävention Athero­sklerose 2018», der den Zusatz «Fokus auf Dyslipid­ämie» im Titel trägt, wurde gegenüber der Vorgängerversion von 2014 nicht nur inhaltlich aktualisiert, sondern auch substanziell erweitert (Tab. 1). ­
Tabelle 1:Inhalt des AGLA-Pocketguides «Prävention der Atherosklerose 2018 – Fokus auf Dyslipidämie».
Indikationen für eine kardiovaskuläre ­Risikoabklärung  
AGLA-Empfehlungen 2018Kardiovaskuläre Risikokategorien
Schätzung des kardiovaskulären Gesamtrisikos mit dem AGLA-Risiko-Score
ESC/EAS-Empfehlungen 2016Kardiovaskuläre Mortalitätsrisiken nach ESC/EAS
Risikofaktoren und relatives Risiko
Allgemeine EmpfehlungenAbklärung einer familiären Hyperlipidämie (neu)
Bei der Risikoberechnung nicht berücksichtigte Risikofaktoren und Risikomarker
AGLA-Empfehlungen 2018Allgemeine Behandlungsstrategien bei kardiovaskulären Risikofaktoren und ­Zielwerte (stark erweitert)
Diagnostik und Zielwerte bei Dyslipidämie (neu)
Behandlungsstrategien bei Dyslipidämien – Therapie der Hypercholesterinämie (stark erweitert)
Labormonitoring unter Cholesterinsenker-Therapie (erweitert)
Zusammenfassung der relevanten ­Lipid-Zielwerte pro Risikokategorie (neu) 
Websites und Literatur 
AGLA: Schweizer Arbeitsgruppe Lipide und Atherosklerose; ESC: «European Society of Cardiology»; EAS: «European Atherosclerosis Society»

Basis der AGLA-Empfehlungen 2018

Die, wie ersichtlich, noch stärker als bisher auf den Risikofaktor Fettstoffwechselstörungen ausgerichteten neuen AGLA-Empfehlungen zur Prävention der Atherosklerose berücksichtigen vor allem die beiden 2016 aktualisierten, gemeinsamen Guidelines der ESC und der EAS zum Management der Dyslipidämie [1] sowie zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen [2].
Die ESC/EAS-Guideline zur Behandlung der Dyslipid­ämie plädiert vor allem für eine effiziente Kontrolle des LDL-Cholesterins (LDL-C) mit risikoabhängigen Zielwerten als primären Parameter der kardiovaskulären Prävention, weil durch die Senkung des LDL-C nach wie vor am besten eine effiziente Risikoreduktion erzielt werden kann [1]. Die Dyslipidämie-Guideline von ESC und EAS ist konzeptionell in Übereinstimmung mit der kurz zuvor publizierten Guideline zur kardiovaskulären Prävention [2].
Letztere schlägt erstmals eine Einteilung in individualisierte Interventionen zur Reduktion von Risikofaktoren vor und bezieht bei der Risikoberechnung nicht berücksichtigte zusätzliche Risikofaktoren und -marker sowie psychosoziale Risikofaktoren mit ein. Dank dieser kann – vor allem in Grenzfällen – die mit klassischen Risikofaktoren ermittelte Zuteilung zu einer Risikokategorie durch nachträgliche Reklassifizierung angepasst werden [2].
Zudem stützen sich die aktualisierten AGLA-Empfehlungen zur Prävention der Atherosklerose auf das Consensus-Statement der ESC/EAS-Taskforce (Update 2017) zum Einsatz von Hemmern der Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9 (PCSK9) bei Patienten mit sehr hohem kardiovaskulärem Risiko, das heisst mit klinisch bestätigter atherosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankung («atherosclerotic cardiovascular disease» [ASCVD]) oder familiärer Hypercholesterinämie (FH) [3]. So wurde in den neu aufgelegten Pocketguide auch ein Kapitel zur Abklärung der FH aufgenommen. Berücksichtigt wurde auch ein 2016 publiziertes Joint-Consensus-Statement der EAS und der «Federation of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine» (EFLM), das die Bedeutung des Nüchternstatus bei der Bestimmung des Lipidprofils relativiert beziehungsweise diejenigen Situationen listet, wo eine Nüchternblutanalyse empfohlen ist (siehe unten) [4].
Im vorliegenden Beitrag werden die Eckpunkte der aktualisierten AGLA-Empfehlungen respektive die wichtigsten Inhalte des neuen Pocketguides erläutert.

Was ist unverändert seit 2014?

Unverändert geblieben gegenüber den AGLA-Empfehlungen von 2014 sind die Kriterien für die Einteilung in die vier kardiovaskulären Risikokategorien als zen­trale Grundlage für die risiko- und zielwertorientierte Behandlung von Risikofaktoren in der kardiovaskulären Prävention. Einziger Unterschied ist, dass beim hohen Risiko ein Blutdruck von >180/100 mm Hg statt zuvor >160/100 mm Hg als Schwellenwert gilt (Tab. 2).
Tabelle 2:Kardiovaskuläre Risikokategorien.
Patienten werden in vier Risikokategorien eingeteilt:
Sehr hohes RisikoBekannte kardiovaskuläre Erkrankungen/Atherosklerose1
Diabetes mellitus Typ 2; Diabetes mellitus Typ 1 mit Endorganschäden wie Mikroalbuminurie
Chronische Niereninsuffizienz mit eGFR <30 ml/min/1,73 m2
Hohes Risiko10-Jahres-Risiko2 >20%
Stark erhöhte einzelne Risikofaktoren: 
LDL-Cholesterin >4,9 mmol/l; Blutdruck>180/110 mm Hg
Chronische Niereninsuffizienz mit eGFR 30–59 ml/min/1,73 m2
Moderates Risiko10-Jahres-Risiko2 10–20%
Risiko beeinflusst durch weitere Risikofaktoren
Niedriges Risiko10-Jahres-Risiko2 <10%
eGFR: geschätzte glomeruläre Filtrationsrate.
1 Vorgängiger Myokardinfarkt,akutes Koronarsyndrom, koronare Revaskularisation und andere ­arterielle Revaskularisationsverfahren, Hirnschlag/transient ischämische Attacke, Aortenaneurysma, periphere arterielle Verschlusskrankheit.
2Absolutes Risiko in %, innerhalb von 10 Jahren ein tödliches Koronarereignis oder einen nichttödlichen Myokardinfarkt zu erleiden.
Für die Senkung des LDL-C bei Patienten mit sehr hohem Risiko gilt weiterhin ein Zielwert (Zielbereich) von <1,8 mmol/l, für Patienten mit hohem Risiko von <2,6 mmol/l. Bei moderatem Risiko sollte ein LDL-C-Wert von <3,0 mmol/l angestrebt werden, während bei niedrigem Risiko kein Zielwert existiert und lediglich eine Optimierung des gesundheitsbezogenen Lebensstils vorgenommen werden sollte.

Risiko-Scores nach EAS/EAS und AGLA

Nicht verändert gegenüber 2014 haben sich auch die Zahlenwerte in den Tabellen für den ESC/EAS-SCORE («systemic coronary risk estimation»; für die Schweiz: Chart-Version für Regionen mit niedrigem kardiovaskulärem Krankheitsrisiko) und der AGLA-Risiko-Score nach dem PROCAM-Weibull-Modell. Der AGLA-Score im Pocketguide eignet sich zur Bestimmung des kardiovaskulären Gesamtrisikos bei Menschen bis 75 Jahre, falls diese nicht direkt, das heisst über die Merkmale, den Kategorien «sehr hohes Risiko» oder «hohes Risiko» zugeordnet werden können. Bei einer Gesamtpunktzahl von grösser oder gleich dem alters- und geschlechtsentsprechenden Wert fällt die betreffende Person in die Kategorie «hohes Risiko» (10-Jahres-Risiko >20%). Aus Platzgründen sind im Pocketguide nur die Schwellenwerte für dieses (hohe) kardiovaskuläre Risiko dargestellt. Für eine differenziertere Risikobestimmung wird auf die elektronische Version des AGLA-Risiko-Rechners auf www.agla.ch verwiesen.

Was ist neu?

Bei den Risikoberechnungen nicht ­berücksichtigte Faktoren und Marker

Wesentlich ausführlicher und detaillierter als bisher wird in der Neuauflage die Bedeutung von Risikofaktoren und -markern behandelt, die in den Berechnungen zur Bestimmung des 10-Jahres-Risikos mit dem SCORE-Chart von ESC/EAS oder dem AGLA-Risiko-Rechner nicht berücksichtigt sind. Die wichtigsten sind psychosoziale Risikofaktoren, weitere Lipidparameter (Non-HDL-Cholesterin [Non-HDL-C], Apolipoproteine A1 [ApoA-I] und B [ApoB], Lipoprotein(a) [Lp(a)] etc.), Biomarker (Albuminurie, BNP/NT-proBNP, sensitives kardiales Troponin), metabolisches Syndrom und Autoimmunerkrankungen. Mit der Bestimmung dieser zusätzlichen Risikofaktoren kann vor allem in Grenzfällen die Risikozuteilung optimiert werden.

Allgemeine Behandlungsstrategien bei ­kardiovaskulären Risikofaktoren und Zielwerte

Grundlegend überarbeitet, neu gegliedert und inhaltlich ausgebaut wurde das Kapitel «Behandlungsstrategien bei kardiovaskulären Risikofaktoren». Neu werden zunächst die «Allgemeinen Behandlungsstrategien bei kardiovaskulären Risikofaktoren und deren Zielwerte» (Lebensstil, psychosoziale Faktoren, Inaktivität, Rauchen, Ernährung, Körpergewicht, Diabetes mellitus und Hypertonie) behandelt. Dieser Abschnitt enthält zudem eine ausführliche Beschreibung vieler praxisrelevanter Angaben wie zum Beispiel Indikationswerte für ein differenziertes Vorgehen bei Interventionen. Auf das in Vorversionen des Pocketguides enthaltene Kapitel zu thrombozytenaggrega­tionshemmenden Therapien wurde in der Neuauflage aus Platzgründen verzichtet; stattdessen wird auf den AGLA-Pocketguide «Antithrombotika» verwiesen.
Nach den «Allgemeinen Behandlungsstrategien» kommt der Risikofaktor Lipide mit dem eigenen Kapitel «Diagnostik, Beurteilung und Behandlung von Dyslipidämien» auf zwei Seiten ausführlich zur Sprache. Neben den jeweiligen Zielwerten werden für die Parameter Gesamtcholesterin (TC), LDL-C, HDL-C, Triglyzeride (TG), Non-HDL-C, TC/HDL-C, ApoB/ApoA-I, Apo B und Lp(a) sowohl der diagnostische Wert respektive Nutzen für die Risikostratifizierung als auch die jeweilige Bedeutung als Screening-Parameter angegeben (Tab. 3).
Tabelle 3:Diagnostik und Zielwerte bei Dyslipidämien.
LipidparameterScreeningDiagnose; RisikostratifizierungZielwerte
Gesamt-Cholesterin (TC)Stark empfohlenUnzureichendNur wenn LDL-C nicht verfügbar
LDL-CPrimär empfohlenPrimär empfohlenSehr hohes Risiko: <1,8 mmol/l
Hohes Risiko: <2,6 mmol/l
Moderates Risiko: <3,0 mmol/l
Niedriges Risiko: kein Zielwert; Optimierung des ­Lebensstils
HDL-CStark empfohlenStark empfohlenKein Behandlungsziel
Tiefes HDL-C geht mit erhöhtem kardiovaskulären ­Risiko einher; ein sehr hohes HDL-C verringert das ­kardiovaskuläre Risiko jedoch nicht. Bei isoliert niedrigem HDL-C (<1 mmol/l, TG <2,3 mmol/l) Korrektur von Lebensstilfehlern und anderen Risikofaktoren
Triglyzeride (TG)EmpfohlenEmpfohlenModerate Hypertriglyzeridämie (2,3–10,0 mmol/l):
Primäres Therapieziel:
– Prävention der akuten Pankreatitis
– TG senken, Chylomikronämie eliminieren
Sekundäres Therapieziel:
– Grunderkrankungen behandeln (z.B. dekompensierter Diabetes, Alkoholabusus)
– LDL-C, non-HDL-C auf Zielwerte senken
Schwere Hypertriglyzeridämie (>10 mmol/l):
Primäres Therapieziel:
– LDL-C auf Zielwerte senken gemäss Risikokategorie
– Non-HDL-C auf Zielwerte senken
Sekundäres Therapieziel:
– Grunderkrankungen ausschliessen bzw. behandeln
Non-HDL-C
(= TC minus HDL-C = 
Total der atherogenen Lipoproteine)Generell empfohlen, zumal im Lipidstatus ohne Mehrkosten leicht zu rechnen und verfügbar. Speziell ­relevant bei:
– Hypertriglyzeridämie, vor allem wenn 
LDL-C nicht mehr berechnet werden darf ­(wenn TG >4,6 mmol/l)
– Metabolischem Syndrom
– Diabetes mellitus Typ 2
Sehr hohes Risiko:
<2,6 mmol/l
Hohes Risiko:
<3,4 mmol/l
Moderates Risiko:
<3,8 mmol/l
(der Zielwert berechnet sich als LDL-C + 0,8 mmol/l)
Ratios:
TC/HDL-C
ApoB/ApoA-I
Nicht
empfohlen
Nicht
empfohlen
Keine Zielwerte vorhanden
ApoBBedenkenswert bei:
– Metabolischem Syndrom
– Diabetes mellitus Typ 2
– Hypertriglyzeridämie (weil dadurch die LDL-C-Bestimmung ­ungenau ist)
– Non-HDL-C ist gleichwertig aber ­kostengünstiger
Sehr hohes Risiko:
<0,8 g/l
Hohes Risiko:
<1,0 g/l
Lp(a)Bedenkenswert bei Patienten mit:
– frühzeitiger koronarer Herzkrankheit
– familiärer Hyperlipidämie
– positiver Familienanamnese bezüglich frühzeitiger kardiovasku­lärer Erkrankungen und/oder erhöhtes Lp(a)
– rezidivierender kardiovaskulärer Erkrankung trotz optimaler ­Lipidsenkung
– moderatem Risiko zur besseren Beurteilung des kardiovaskulären Risikos
– intraindividuell sehr stabil; muss in der Regel nur einmalig ­bestimmt werden
Risikoschwellenwerte, keine Behandlungsziele
Kontrovers wegen unterschiedlicher Studien­ergebnisse:
Lp(a) <75 nmol/l (<300 mg/l) laut der meisten Studien
Gemäss ESC/EAS-Empfehlungen:
Lp(a) <120 nmol/l (<500 mg/l)
C: Cholesterin; ApoA-I: Apolipoprotein A1; ApoB: Apolipoprotein B; Lp(a): Lipoprotein a; ESC: «European Society of Cardiology»; EAS: «European Atherosclerosis Society»

Bemerkungen zur Präanalytik und Analytik bei Dyslipidämien

Entgegen früheren Meinungen kann das Plasma-Lipidprofil gemäss einem Consensus-Statement der EAS und der EFLM [4] in den meisten Fällen auch nach Nahrungseinnahme erstellt werden. In folgenden Situationen wird eine Nüchternblutentnahme jedoch empfohlen: Nicht-Nüchtern-TG >5mmol/l; bekannte Hypertriglyzeridämie; nach Hypertriglyzeridämie-induzierter Pankreatitis; vor Beginn einer medikamentösen Therapie mit schwerer Hypertriglyzeridämie als möglicher Nebenwirkung; wenn zusätzliche Analysen gefordert sind, die nüchtern zu bestimmen sind, zum Beispiel Nüchtern-Glukose; therapeutisches Medikamenten-Monitoring.
Zu beachten ist, dass die Lipidwerte und damit das kardiovaskuläre Risiko bei Diabetespatienten unterschätzt werden können, weil letztere um bis zu 0,6  mmol/l tiefere LDL-C-Werte aufweisen, sofern die Werte nicht nüchtern abgenommen werden; allenfalls kann das Non-HDL-Cholesterin berücksichtigt werden.
Auch die Vorgaben zur Behandlung der Dyslipidämien sind in den neuen AGLA-Empfehlungen wesentlich ausführlicher und spezifischer dargestellt. Augenscheinlichste Neuerung in diesem Zusammenhang ist ein übersichtliches, nach Risikogruppen gegliedertes Flowchart, das die Behandlungsstrategien bei der ­Therapie der Hypercholesterinämie zusammenfasst (Abb. 1).
Abbildung 1: Behandlungsstrategien bei Dyslipidämien – Therapie der Hypercholesterinämie (© AGLA, Nachdruck mit freundlicher Genehmigung).

Neue Cholesterinsenker-Klasse: ­PCSK9-Hemmer

Integriert in den obigen Algorithmus zur Hyperchole­sterinämiebehandlung wurden auch die Kriterien ­sowie die LDL-C-Indikations- und -Zielwerte für den Einsatz der neuen Klasse der PCSK9-Hemmer gemäss der aktuellsten ESC/EAS-Konsensusempfehlung [3] sowie gemäss der Limitatio des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) für die beiden in der Schweiz verfügbaren Medikamente, Evolocumab und Alirocumab. PCSK9 steht für Proproteinkonvertase vom Subtilisin/Kexin-Typ 9. Durch die Hemmung dieses regulatorischen Enzyms wird der intrazelluläre Abbau der LDL-C-Rezeptoren gebremst und deren Recycling gefördert. Indem sich dank PCSK9-Hemmung die Rezeptordichte auf der Oberfläche der Hepatozyten erhöht, kann von der Leber mehr LDL-C aus dem Blut resorbiert werden. Durch die Gabe von PCSK9-Hemmern zusätzlich zu Statinen lässt sich der LDL-C-Spiegel um zusätzliche 50–70% senken.
Die ESC/EAS-Expertengruppe empfiehlt die Anwendung von PCSK9-Inhibitoren, wenn es nicht gelingt, bei Patienten mit bestätigter ASCVD oder mit heterozygoter FH (mit Evolocumab auch homozygoter FH) den LDL-C-Zielwert mit einem Statin in maximal verträglicher Dosis (40–80 mg Atorvastatin oder 20–40 mg Rosuvastatin pro Tag) mit oder ohne zusätzliche Gabe von Ezetimib zu erreichen [3].
Vergütet werden die 2017 in die Spezialitätenliste aufgenommenen PCSK9-Hemmer – jeweils begleitend zu einer Diät und zusätzlich zu einer intensivierten LDL-C-senkenden Statintherapie mit mindestens zwei verschiedenen Statinen in maximal verträglicher Dosierung und mit oder ohne Ezetimib über mindestens drei Monate – wie folgt:
– in der Primärprävention bei Patienten mit FH (LDL-C >5 mmol/l, >4,5 mmol/l mit zusätzlichen Risikofaktoren);
– in der Sekundärprävention bei Patienten mit sehr hohem Risiko, das heisst mit bestätigter ASCVD (LDL-C >3,5 mmol/l) oder bei progredienter ASCVD (LDL-C >2,6 mmol/l).

Behandlung von Hypertriglyzeridämien und gemischten Hyperlipidämien

Auch die Therapie der Hypertriglyzeridämie (moderat: TG 2–10 mmol/l bzw. schwer: TG >10 mmol/l) und der gemischten Hyperlipidämie (TC >6 mmol/l, TG >2 mmol/l) wird im neuen Pocketguide ausführlich abgehandelt. Auf zwei Seiten findet sich eine tabellarische Auflistung der Therapieziele und der wichtigsten nichtpharmakologischen und pharmakologischen Interventionen.

Labormonitoring

Im Kapitel «Labormonitoring unter Cholesterinsenker-Therapie» wurde analog zum «Kontrollschema unter Statintherapie» ein «Kontrollschema für PCSK9-Hemmer» aufgenommen. Im Unterschied zur Therapie mit Statinen ist beim Einsatz von PCSK9-Hemmern vor Therapiebeginn keine Bestimmung der Leberenzymspiegel oder der Creatinkinase (CK) erforderlich. Nach Therapiebeginn oder im Langzeitverlauf ist bei PCSK9-Hemmern jeweils nur die Evaluation der LDL-Senkung angezeigt. Sechs Monate nach Therapiebeginn muss als Voraussetzung für die weitere Kostenübernahme einer PCSK9-Therapie eine LDL-C-Reduktion von 40% gegenüber Ausgangswert oder ein LDL-C <1,8 mmol/l erreicht werden (bei Evolocumab: ausser bei homozygoter Hypercholesterinämie). Das Therapiemanagement bei Statinintoleranz ist im separaten AGLA-Pocketguide «Statinintoleranz/FH» beschrieben.

Zusammenfassung: Zielwerte aller Lipide 
pro Risikokategorie

Ein praktisches Tool findet sich am Ende des Pocketguides: In einer tabellarischen Zusammenfassung sind die Zielwerte aller relevanten Lipidparameter (LDL-C, Non-HDL-C, HDL-C, TC, TG) für die verschiedenen und farblich entsprechend markierten Risikogruppen übersichtlich dargestellt (Abb. 2). Die Zusammenfassung kann auf der AGLA-Website als PDF kostenlos heruntergeladen werden. Der Pocketguide selbst kann in gedruckter Form im Shop auf www.agla.ch bestellt werden.
Abbildung 2: Zusammenfassung der Risikokategorien und der entsprechenden Lipidzielwerte (© AGLA, Nachdruck mit freundlicher Genehmigung).
Prof. em. Dr. Dr. h.c.
Walter F. Riesen
Hintergasse 65
CH-8253 Diessenhofen
wf.riesen[at]bluewin.ch
1 Catapano AL, Graham I, De Backer G, Wiklund O, Chapman MJ, Drexel H, et al.; ESC Scientific Document Group. 2016 ESC/EAS Guidelines for the Management of Dyslipidemias. Eur Heart J. 2016;14;37(39):2999–3058.
2 Piepoli MF, Hoes AW, Agewall S, Albus C, Brotons C, Catapano AL,et al.; 2016 EuropeanGuidelines on cardiovascular disease revention in clinical practice. The Sixth Joint Task Force of the European Society of Cardiology and Other Societies on Cardiovascular Disease Prevention in Clinical Practice (constituted by representatives of 10 societies and by invited experts) Developed with the special contribution of the European Association for Cardiovascular Prevention & Rehabilitation (EACPR). Eur Heart J. 2016;37(29):2315–81.
3 Landmesser U, Chapman MJ, Stock JK, Amarenco P, Belch JJF, Borén J et al.; 2017 Update of ESC/EAS Task Force on practical clinical guidance for proprotein convertase subtilisin/kexin type 9 inhibition in patients with atherosclerotic cardiovascular disease or in familial hypercholesterolaemia. Eur Heart J. 2018;39(14):1131–43.
4 Nordestgaard BG, Langsted A, Mora S, Kolovou G, Baum H, Bruckert E, et al.; Fasting is not routinely required for determination of a lipid profile: clinical and laboratory implications including flagging at desirable concentration cut-points – A joint consensus statement from the European Atherosclerosis Society and European Federation of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine. Eur Heart J. 2016;37(25):1944–58.