HIFU: therapeutische Ultraschallanwendung
«High intensity focused ultrasound»

HIFU: therapeutische Ultraschallanwendung

Innovationen
Ausgabe
2018/49
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03412
Swiss Med Forum. 2018;18(49):1044-1045

Affiliations
a Département de chirurgie, Centre Léon Bérard, Lyon, France; b Univérsité de Lyon, Inserm, LabTau, Lyon, France

Publiziert am 05.12.2018

Ultraschallwellen können in gebündelter und hochintensiver Form zu therapeutischen Zwecken eingesetzt werden.

Wie kann mithilfe von HIFU erkranktes Gewebe behandelt werden?

Das Haupteinsatzgebiet von Ultraschall im medizinischen Bereich ist die Diagnostik mittels Sonographie und Dopplersonographie. Ebenso wie bei der Sonographie werden die Ultraschallwellen zu Therapiezwecken (hochintensiver fokussierter Ultraschall, «high intensity focused ultrasound» [HIFU]) auf einen Punkt oder einen Bereich gebündelt. Der Unterschied besteht darin, dass sie mehrere Sekunden lang kontinuierlich und mit einem sehr viel höheren Energiegrad abgegeben werden. Ultraschallenergie wird von biologischem Gewebe absorbiert, wodurch sich dessen Temperatur innerhalb weniger Sekunden auf bis zu 80 °C erhöhen kann. Dieser Temperaturanstieg ist ausschliesslich auf den fokussierten Bereich beschränkt und führt in Form einer Koagulationsnekrose zu einer irreversiblen Zerstörung des behandelten Gewebes [1].

Welche Vorteile hat HIFU?

Im Gegensatz zu Strahlenbehandlungen, bei denen Energie durch elektromagnetische Wellen übertragen wird, kommen beim HIFU mechanische, das heisst nichtionisierende Ultraschallwellen zum Einsatz. Demzufolge können die Behandlungen ohne Berücksichtigung einer Höchstdosis wiederholt werden [2]. Überdies können durch die Bündelung der Ultraschallwellen auch sehr tief liegende Organe auf nichtinvasive Weise behandelt werden [3]. Das heisst, dass HIFU im Gegensatz zu Behandlungen mit physikalischen Mitteln wie Radiofrequenz-, Laser-, Mikrowellen- und Kryotherapie ohne Inzision oder Punktion erfolgt. Thermische Behandlungen mit physikalischen Mitteln (Radiofrequenz- und Lasertherapie) bergen durch die thermische Konvektion aufgrund der Durchblutung ein Unterbehandlungsrisiko von Bereichen, die sich in der Nähe von Blutgefässen mit einem Durchmesser von über 5 mm befinden [4]. Durch die sehr rasche Temperaturerhöhung beim HIFU ist die Behandlung von der Durchblutung praktisch unabhängig [5]. HIFU-Behandlungen werden Magnetresonanztomographie(MRT)- oder Sonographie-gesteuert durchgeführt, wodurch eine millimetergenaue Zielerfassung [6] sowie die Darstellung des erhitzten Gewebebereichs in Echtzeit möglich sind [7].

Welche Nachteile bestehen derzeit bei ­einer HIFU-Therapie?

Jede HIFU-Anwendung führt zu einer kleinen elliptischen elementaren Gewebezerstörung, die typischerweise einen Durchmesser von 1–3 mm und eine Länge von 8–15 mm aufweist, also der Grösse eines Reiskorns entspricht. Daher müssen mehrere HIFU-Anwendungen nebeneinander erfolgen, um die gesamte Läsion abzudecken. Dazu sind mikrometrische robotergesteuerte Bewegungen des Schallgebers erforderlich. Aufgrund dessen entsteht eine lange Behandlungsdauer (von mehreren Dutzend Minuten [8] bis zu einigen Stunden [9]) und es muss eine ziemlich aufwendige Robotertechnik eingesetzt werden. Neuere Geräte verfügen über mehrere Schallgeber, damit die mikrome­trischen Bewegungen entfallen, was jedoch den Einsatz von kostenintensiven und sperrigen High-Tech-Elek­tronikgeräten erfordert.
Ein anderer bedeutender Nachteil betrifft Organe, die durch Knochenstrukturen oder Gasansammlungen ­geschützt sind. Die Ultraschallwellen werden durch Gasansammlungen fast vollständig reflektiert, während sie von Knochenstrukturen stark absorbiert werden, wodurch Sekundärläsionen entstehen können. Auch Atembewegungen können die Zielerfassung stark erschweren.

Welche klinischen Anwendungsbereiche gibt es?

Die «Focused Ultrasound Foundation» listet über 75 ­Erkrankungen auf, bei denen therapeutische Ultraschallanwendungen zum Einsatz kommen (https://www.fusfoundation.org/the-technology/state-of-the-technology). Die wichtigsten klinischen Anwendungsbereiche sind die Behandlung von Prostatakarzinomen [10], Uterusmyomen [11], hepatozellulären Karzinomen [12], Glaukomen [13] und essenziellem Tremor [14]. In der Prostatakrebstherapie kommt HIFU bereits am längsten zur Anwendung. Der erste Patient wurde im Jahr 1993 behandelt. Aufgrund des Behandlungserfolgs wurde HIFU bei Prostatakarzinomen von den europäischen Krankenversicherungen übernommen und von der «Food and Drug Administration» (FDA) zur Anwendung in den USA zugelassen. Vor Kurzem hat die FDA HIFU-Behandlungen auch bei essenziellem Tremor genehmigt.

Wie ist die klinische Wirksamkeit? ­Beispiel lokalisiertes Prostatakarzinom

Chirurgie und Strahlentherapie sind die beiden klassischen Therapiemöglichkeiten bei lokalisiertem Prostatakarzinom. Obgleich die onkologischen Resultate zufriedenstellend sind, gehen diese Behandlungsformen mit funktionellen Komplikationen (Harninkontinenz und sexueller Impotenz) und somit einer potentiellen Verschlechterung der Lebensqualität einher. Die aktuelle HIFU-Technologie nutzt eine Kombination aus Sonographie und MRT, mit der dieselben karzinologischen Resultate bei geringerer Morbidität erzielt werden [15].

Was sind die Perspektiven?

Dank der aktuellen technischen Entwicklungen können die meisten der oben genannten Einschränkungen behoben und insbesondere die vollständig nichtinvasive Behandlung von Hirngewebe [14] sowie von Bauchorganen [16] ermöglicht werden. Des Weiteren eröffnen sich mit der lokalen Medikamentenabgabe [17] und der Stimulation der Immunantwort nach der Behandlung [18] neue Forschungsgebiete.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Dr. med. Aurélien Dupré, PhD
Département de chirurgie
Centre Léon Bérard
FR-69008 Lyon
aurelien.dupre[at]lyon.unicancer.fr
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