Bisphosphonate: seltener gegeben, dafür öfter indiziert
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Bisphosphonate: seltener gegeben, dafür öfter indiziert

Kurz und bündig
Ausgabe
2018/47
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03423
Swiss Med Forum. 2018;18(47):971-972

Publiziert am 21.11.2018

Fokus auf … Akne vulgaris

– Befällt bis zu 85% der 12- bis 25-jährigen Bevölkerung.
– Starke hereditäre Komponente (prominente genetische Komponente).
– Vier Komponenten der Pathogenese sind: erhöhte Talgproduktion, Hyperproliferation der follikulären Keratinozyten mit starker Verhornung, Hyperkolonisation mit Cutibacterium (früher: Propionibacterium) acnes, konsekutive Entzündung (siehe Abb. 1).
Abbildung 1: Histologischer Schnitt durch ­einen Talgdrüsenfollikel: Hyperproliferation der ­Keratinozyten, verhorntes, abgeschilfertes ­Material behindert den normalen Talgabfluss, ­rundzellige perifollikuläre Entzündungsinfiltrate. Wir verdanken diese sehr schöne Abbildung Herrn Prof. S. ­Büchner (Basel).
– Sekundäre Akneformen: Medikamente (Gestagene, Glukokortikoide, Lithium und Phenytoin), polyzystische Ovarien und andere hyperandrogene Zustände (gonadale Tumoren), Wachstumshormon- und Glukokortikoidüberproduktion.
– Grundpfeiler der Therapie: Topisch Benzoylperoxid, Retinoide und Antibiotika (Erythromycin, Clindamycin, diese wegen Resistenzen nur in Kombination mit Benzoylperoxid).
– Eine positive Therapieantwort kann eventuell erst nach 10–12 Wochen eintreten.
– Bei schwerer Akne und mangelnder Therapieantwort bei allen Schweregraden u.a. zur Evaluation einer systemischen Therapie dermatologisches Konsilium empfohlen.
Verfasst am 07.10.2018 mit fachlichem Rat durch Prof. S. Büchner (Basel).

Praxisrelevant

Bisphosphonate: seltener gegeben, dafür öfter indiziert

Aufgrund der Normalverteilung der Knochendichte und deren Assoziation mit Frakturwahrscheinlichkeit ist anzunehmen, dass es keinen wirklichen Schwellenwert für Frakturgefährdung, wie den ­gegenwärtig in vielen Ländern verwendeten T-Score von <–2,5, gibt. In Bestätigung dieser Tat­sache führte die prospektiv plazebo-kontrollierte Gabe von 5 mg Zoledronat alle 18 Monate bei ca. 70-jährigen Frauen (n = je 1000 in ­Behandlungs- und Plazebogruppe) mit einem initialen mittleren T-Score von –1,6 zu einer signifikanten Verringerung sowohl vertebraler als auch nichtvertebraler Frakturen (Beobachtungszeitraum sechs Jahre, ­initiale Gefährdung für Hüftfrakturen über zehn Jahre gemäss «Fracture Risk ­Assessment Tool» (FRAX) bei lediglich 2,3%!). Um eine Fraktur innert sechs Jahren zu verhindern, mussten 15 Frauen behandelt werden («number needed to treat»). Der positive Effekt der Intervention wurde nicht wesentlich beeinflusst, wenn die Frauen einen initialen T-Score von <2,5 oder schon vorbestehende Fragilitäts­frakturen hatten. Auch die kleinere Abnahme der Körperlänge (minus ca. 0,95 cm unter Plazebo versus minus ca. 0,70 cm in der Zoledronatgruppe) war signifikant.
Unklar bleibt, warum eine frühere Studie bei einer vergleichbaren weiblichen Population mit einem anderen Bisphosphonat (Alendronat p.o.) keinen signifikanten Effekt ergeben hatte (Wirkungsstärke und/oder kürzere Beobachtungszeit von 3,6 Jahren?). Beruhigend ist, dass im Rahmen dieser Studie (noch?) keine atypischen Femurfrakturen oder Osteonekrosen des Kiefers beobachtet wurden.
Die Implikationen dieser Studie sind in verschiedener Hinsicht erheblich, unter anderem angesichts der Tatsache, dass wohl gut 70% der über 70-jährigen Frauen einen T-Score von <1,0 aufweisen.
NEJM 2018, doi:10.1056/NEJMoa1808082.
Verfasst am 06.10.2018.

Neues aus der Biologie

Remission eines Diabetes mellitus Typ 2: Es ist nicht das Fett

Im Rahmen des «Diabetes Remission Clinical Trial» [1] fand man, dass die Hälfte der Diabetiker(inn)en nach Gewichtsreduktion (minus ca. 15%) eine anhaltende (Follow-up bis sechs Jahre) Normalisierung ihres Glukosestoffwechsels erreichten. War dies Folge der Gewichtsreduktion per se und der Reduktion des viszeralen Fettes, zum Beispiel in Leber und Pankreas, was zur Verminderung der ­sogenannten Lipotoxizität hätte führen können? Entsprechend einer metabolischen Untersuchung in einer Subgruppe von Patient(inn)en der eingangs erwähnten Studie lautet die Antwort: Nein [2]. Patient(inn)en mit und ohne Remission des Diabetes hatten die gleichen Reduk­tionen des Leber- und Pankreasfettgehaltes, aber nur jene mit Remission hatten eine normalisierte Insulin­antwort («first-phase insulin response»). Die Studie zeigt einerseits, dass die einmal gestörte Beta-Zell-Funktion nicht irreversibel ist. Andererseits scheinen es intrinsische Funktionen der Beta-Zellen zu sein, die über die Wahrscheinlichkeit einer Remission entscheiden. Diese Faktoren, die nicht ­direkt mit dem Übergewicht und dem viszeralen Fett zu tun haben, gilt es nun zu evaluieren. Die Gewichtsabnahme bleibt zwar conditio sine qua non, die Remission des Diabetes ist aber abhängig von der Erhaltung der endokrinen Beta-Zell-Funktion. Dementsprechend war die Remission auch wahrscheinlicher, je kürzer die Dauer des Diabetes vor dem Gewichtsverlust gewesen war. Also: sofort eingreifen und motivieren!
1 The Lancet 2018, 
doi.org/10.1016/S0140-6736(17)33102-1.
2 Cell Metabolism 2018, 
doi.org/10.1016/j.cmet. 2018.07.003.
Verfasst am 07.10.2018.

Immer noch lesenswert

Hyperdynamer Kreislauf bei der ­Leberzirrhose

Die – später sehr berühmt gewordenen – Hepatologen John F. Murray und Sheila Sherlock beschrieben 1958 zum ersten Mal, dass bei einer Leberzirrhose das erhöhte Blutvolumen überraschenderweise mit einer Erhöhung des Herzminutenvolumens (des Herzindexes) assoziiert war. Die Kontrollen waren Proband(inn)en und Patient(inn)en mit extrahepatischer Portalvenenobstruktion. Die Forscher bemerkten auch eine ausgeprägte Vasodilatation und machten einen Bezug zu den effektiven Links-Rechts-Shunts in Form der Spider Naevi. Zitat: «If a vasodilator substance is present it might act generally and the increased flow be more apparent in the upper extremities due to the greater number of arteriovenous anastomoses in hands and forearms.» Wir wissen heute, dass die peripher wirkende, vasodilatatorische Substanz, zumindest prädominant, das endotheliale Nitrat­oxid (NO) ist.
Am J Med 1958, doi.org.10.1016/0002-9343(58)90322-X. 
Verfasst am 07.10.2018.

Das hat uns gefreut

Bessere Behandlung der Flussblindheit

Die Flussblindheit wird durch Mikrofilarien des adulten Parasiten/Wurmes Onchocerca volvulus (siehe Abb. 2) verursacht, die durch eine Fliege ­(Simulium) entlang von Fliessgewässern in der Subsahara kutan oder okulär auf den Menschen übertragen werden. Eine Weiterentwicklung des bislang verwendeten Ivermectin heisst Moxidectin, das mit viel längerer Halbwertszeit die Mikrofilarien stärker und länger abtötete. Zwölf Monate nach Gabe einer Einzeldosis von Moxidectin waren fast 40% der Individuen noch frei von Filarien, verglichen mit lediglich 1,5% in der Ivermectin- Gruppe.
Abbildung 2: Die Flussblindheit (Onchozerkose) wird durch Mikrofilarien des Parasiten/Wurms Onchocerca volvulus verursacht (© CDC, Dr. Lee Moore, 1979).
The Lancet 2018, doi.org/10.1016/S0140-6736(17)32844-1. Verfasst am 07.10.2018.

Das hat uns weniger gefreut

Melatonin unwirksam im Spital

Bis zu einem Viertel der älteren Hospitalisierten entwickelt ein Delir, was in relevanter Weise durch die Verschiebung des zirkadianen Rhythmus und des Schlafentzuges mitbedingt ist. 3 mg Melatonin per os vermochte nicht, die im Spital subjektiv empfundene und objektiv gemessene Schlafdauer oder Schlafqualität zu beeinflussen. Melatonin hatte auch keinen Effekt auf die Verhinderung von Hospitalisations-induzierten deliranten Zuständen.
Verfasst am 07.10.2018.

Auch noch aufgefallen

Hüftfrakturen unter Protonenpumpen­inhibitoren

Wie in der Allgemeinbevölkerung erhöht eine sogenannte Protonenpumpeninhibitoren (PPI)-Therapie, nicht aber eine gastrale Säureblockade mit Histamin-2-Rezeptor-Antagonisten wie Ranitidin und anderen, auch bei Patient(inn)en, die mit Hämodialyse behandelt werden, die Wahrscheinlichkeit, eine Fraktur zu erleiden (für die hier speziell untersuchten Hüftfrakturen) um etwa einen Fünftel. Die Risikoerhöhung ist unabhängig von der gewählten Dosis und anscheinend auch vom Typ des PPI. Die Mechanismen sind ungeklärt (Kalzium- und/oder Magnesiummalabsorption, Stürze oder knochenspezifische Effekte?).
CJASN 201, doi.org/10.2215/CJN.02190218. 
Verfasst am 04.10.2018.

Wussten Sie?

Welcher der folgenden Aussagen zur hyper­trophen Kardiomyopathie sind richtig (mehr als eine richtige Antwort)?
A) Das mittlere Alter zum Zeitpunkt der Diagnose ist ca. 45 Jahre.
B) Die koexistente koronare Herzkrankheit determiniert die Prognose.
C) Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz determinieren die Prognose.
D) Kammerarrhythmien sind vor allem bei älteren Personen häufig.
E) Mutationen von Sarkomergenen haben einen prognostisch negativen Einfluss auf den Verlauf.

Antwort auf das «Wussten Sie?»

Die Antworten A, C und E sind richtig.
Aus einer Kohorte mit fast 4600 Patient(inn)en (Definition: anderweitig nicht erklärte linksven­trikuläre Hypertrophie von >13 mm) ist zu lernen: Die hyper­trophe Kardiomyopathie ist eine klinisch heterogene und genetisch multifaktorielle Erkrankung, deren Prognose durch gewisse Sarkomermutanten negativ beeinflusst wird. Mittleres Diagnosealter ist 45 Jahre. Die Prognose und die Morbidität sind schlechter respektive ausgeprägter, wenn sich die Krankheit schon vor dem 40. Lebensalter manifestiert. Kammerarrhythmien nehmen mit dem Alter ab (bei <40-Jährigen 32%, bei >60-Jährigen 1%), während das Vorhofflimmern und die Herzinsuffizienz zunehmen. Diese beiden Morbiditäts- und Mortalitätsfaktoren sind Ausdruck des progressiven (negativen) «remodelling» der Kammermuskulatur und erfordern eine lebenslange Betreuung der Patient(inn)en und die Hoffnung auf neue in diese Prozesse eingreifende Interventionen.
Verfasst am 08.10.2018.