Fokus auf ... Ressourcenschonende Therapie des Diabetes mellitus
Die folgenden neuen WHO-Empfehlungen gelten primär für Länder mit «low resources», aber explizit auch für reiche Länder («high income countries»), in denen Patient(inn)en interessiert sind an «care that takes into account costs and value»:
1. Sulfonylharnstoffe bei ungenügender Kontrolle unter Veränderungen des Lebensstils und Metformin (oder bei Kontraindikationen für letzteres).
2. Insulin, falls Patient(inn)en unter Metformin/Sulfonylharnstoffen ungenügend kontrolliert bleiben.
3. Falls Insulin nicht opportun ist: DPP-4-Inhibitor, SGLT-2-Inhibitor oder ein Thiazolidindion.
4. Genereller Gebrauch humanen Insulins.
5. Langwirksame Insuline, falls häufige, schwere Hypoglykämien unter humanem Insulin.
Für eine beachtliche Zahl häufiger Erkrankungen gibt es die Möglichkeit, einzelne, meist eher seltene Mutationen zu suchen, die konkrete individuelle Konsequenzen haben. So wissen wir beispielsweise, dass bei den familiären Hypercholesterinämien über das Cholestol-Screening hinaus, einzelne Genmutationen Individuen mit mindestens dreifach erhöhtem koronarem Risiko identifizieren und einer adäquaten Behandlung zuführen könn(t)en [1]. Beim grossen Teil der Patient(inn)en mit einer gegebenen Erkrankung (z.B. mit Diabetes mellitus) ist das genetisch bedingte Risiko aufgrund der polygenen Ätiologie dieser Krankheit aber durch die Summe häufiger genetischer Varianten (einzeln betrachtet alle vielleicht mit einem jeweils kleinen Effekt) bedingt. Dank Verwendung viel grösserer Datenmengen aus genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) in Populationen europäischen Hintergrunds (mehrere 10 000 Personen) und verbesserter rechnerischer Aufarbeitung gelang es erstmals, sogenannte genetische Scores zu entwickeln, die das spezifische Erkrankungsrisiko für Individuen mit einer Genauigkeit identifizieren, wie es bislang nur für monogene Varianten dieser Erkrankungen möglich war [2]! Bei folgenden Erkrankungen führte diese Analyse zur Identifikation eines mindestens dreifach erhöhten Erkrankungsrisikos (in Klammern jeweils der Anteil dieser Risikopopulation an der Gesamtbevölkerung): koronare Herzkrankheit (bei 8%), Vorhofflimmern (bei 6,1%), Typ-2-Diabetes (bei 3,5%), entzündliche Darmerkrankungen (bei 3,2%), Mammakarzinom (bei 1,5%). Zusammen sind das 20% der Population oder anders ausgedrückt: jede/r fünfte Patient/in in Ihrer Ambulanz. Die Zeit, in der wir diese Informationen mitberücksichtigen werden, scheint nun gekommen ...
Immer entfernen oder doch drainieren bei Cholezystitis?
Die laparoskopische Cholezystektomie (n = 66) wurde mit der perkutanen Katheterdrainage (n = 68) bei hospitalisierten, schwerkranken Patient(inn)en (Apache Score >7) mit kalkulärer, akuter Cholezystitis prospektiv verglichen. Der Mortalitätsunterschied war nicht signifikant, aber die Gruppe der laparoskopisch operierten Patient(inn)en wies eine tiefere Komplikationsrate (unter anderem weniger Infekte, kardiovaskuläre Komplikationen und Reinterventionen innerhalb eines Monats) auf, weshalb die Studie auch vorzeitig beendet wurde. Dies bedeutet wohl: laparoskopische Cholezystektomie indiziert weitgehend unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung(en).
Wann ist es Zeit, mit der Akutdialyse zu beginnen?
Im Rahmen eines septischen Schocks tritt häufig eine akute Niereninsuffizienz auf, die sowohl ein negativer prognostischer Faktor ist als auch durch die akuten metabolischen/immunologischen Veränderungen den Schweregrad der Sepsis mitbestimmt. Bei Anurie mit zum Beispiel Lungenödem, schwerer Azidose oder Hyperkaliäme ist eine Dialyse/Filtration umgehend indiziert. In Abwesenheit dieser Komplikationen war unklar, ob man beim septischen Schock schon bei Auftreten einer Niereninsuffizienz (dreifacher Kreatininanstieg, Oligurie von <0,3 ml/kg Körpergewicht/24 Stunden oder Anurie in den letzten zwölf Stunden in der vorliegenden Studie) sofort mit der Dialyse beginnen oder noch 48 Stunden (mit dem Potential der Erholung) warten soll. Prospektiv randomisiert und multizentrisch in Frankreich durchgeführt fand man bei 477 Patient(inn)en keinen Einfluss auf die 28- und 90-Tage-Mortalität, falls die Dialyse immediat (im Mittel nach 7,5 Stunden) oder erst nach Ablauf von durchschnittlich 55 Stunden begonnen wurde. Die (ebenfalls vorzeitig beendete) Studie bestätigt die insgesamt schlechte Prognose dieser Konstellation (Mortalität in beiden Gruppen etwa 55%). In der Gruppe mit später vorgesehenem Beginn, konnte in 29% (!) der Fälle wegen spontaner Besserung auf eine Dialyse ganz verzichtet werden.
Resistent gegen CAR-T-Zell-Therapien: In-vitro- und In-vivo-Mechanismen
Die Zufuhr von in vitro veränderten und vermehrten Wirts-T-Zellen, die einen chimären Antikörper (anti-CD19 und T-Zell-Aktivatormolekül) enthalten (Tisagenlecleucel, Kymriah®), hat zu eindrücklichen Therapieerfolgen bei therapierefraktären akuten B-Zell-lymphoblastischen Leukämien bei Kindern geführt. Leider werden die Zahlen von kompletten Therapieantworten (70–94%) durch Rückfälle (in ca. 35% der Fälle) geschmälert. Es ist also wichtig, diese Mechanismen zu klären: Bei einem komplexen Fall, bei dem 28 Tage nach Infusion eine komplette Remission dokumentiert war, fand man nach 252 Tagen eine zweite Zunahme von CAR-positiven Zellen, die aber einen B-Zellen-Phänotypen aufwiesen, also CAR-B-anti-CD19-Zellen! Es war also zu einer akzidentellen in vitro induzierten Transformation der lymphoblastären Leukämie in eine Anti-CD19-Leukämie gekommen, natürlich mit Resistenz gegen die ursprünglichen CAR-T-Zellen [1].
Ein weiterer Resistenzmechanismus wurde in vivo beobachtet und zwar durch Mutationen des CD19-Antigens auf den lymphoblastären Leukämiezellen, die zu CD19-negativen Zellen mutierten, ohne weitere Möglichkeit, von den T-Zellen attackiert zu werden [2].
In der «supplementary information» zur Referenz 1 finden sich noch weitere mögliche Mechanismen der Resistenzentwicklung.
Die Autoren verglichen die Detektionsrate von Leukozyten, Erythrozyten und Zylindern im Urin, wenn nach Zentrifugation die Angaben pro Gesichtsfeld oder mit einer quantitativen Methode (pro ml) gemacht wurden. Mit der bis dahin üblichen Gesichtsfeldmethode konnten nur 36% der effektiv pathologischen Urinsedimente identifiziert werden! Die gleiche Arbeit zeigt, dass aufgrund der kontinuierlichen Ausscheidung von Leukozyten ein «Spot»-Urin für die Diagnostik genügt und nicht länger gesammelt werden muss.
Sogenannte autoreaktive Lymphozyten induzieren bei Patient(inn)en mit entsprechender genetischer Disposition die Demyelinisierung, die exakten antigenen Ziele, gegen die diese Entzündungsantwort gerichtet sind, sind oder waren unbekannt. Durch das Studium der Reaktion von ZNS-infiltrierenden CD4+-T-Zellen auf eine enorme Menge verschiedener Eiweissfragmente konnten Forscher/innen aus Zürich und Basel (in europäischer Kollaboration) zwei Fragmente des den meisten Ärzten und Ärztinnen wohl bislang unbekannten Enzyms Guanosindiphosphat-L(GDP-L)-Fukose-Synthetase identifizieren. Diese Antigene wurden von Liquor-T-Lymphozyten von Patient(inn)en mit Multipler Sklerose erkannt. Auch die bakterielle Variante dieses Enzyms kann die T-Zellen stimulieren, was der Mikrobiom-Hypothese Auftrieb verleihen könnte. Fragmente der (GDP-L)-Fukose-Synthetase könnten also zumindest einen der autoimmunen Antwortmechanismen auslösen. Klinische Untersuchungen sollen 2019 folgen.
Wie wird sichergestellt, dass bei der regenerativen Anämie genügend Eisen angeboten wird?
Die lange ungeklärte Koppelung der Erythropoiese mit dem Eisenangebot ist in den letzten Jahren durch faszinierende neue Einsichten besser verständlich geworden. Bei einer Anämie (z.B. durch Blutverlust) steigen das Erythropoetin und die Produktion von Erythrozytenvorstufen, was den Eisenbedarf erhöht. Die Erythrozytenvorstufen sezernieren ein Hormon (Erythroferron), das via intermediäre Schritte («bone morphogenetic proteins» 5, 6, 7 [BMP] ) die Synthese von Hepcidin in der Leber hemmt (Abb. 1). Hepcidin hemmt die Eisenresorption im Duodenum und die Eisenfreisetzung aus Zellen des retikuloendothelialen Systems (via Suppression des Ferroportins). Die Erythroferron-induzierte Hepcidinhemmung führt also zu mehr zirkulierendem Eisen (gebunden an Transferrin) und befriedigt so die erhöhte Eisennachfrage des blutbildenden Knochenmarks. Sobald die Anämie ausreichend ausgeglichen, das Erythropoetin also wieder normal ist, werden das Erythroferron absinken, das Hepcidin konsekutiv ansteigen und dadurch die Eisentransporte ins Knochenmark wieder auf normale Werte abfallen.