Infektiologie: Antikörper-basierte Therapien für bakterielle Infektionen – Beispiel Bezlotoxumab
Schlaglicht der Schweizerischen Gesellschaft für Infektiologie

Infektiologie: Antikörper-basierte Therapien für bakterielle Infektionen – Beispiel Bezlotoxumab

Schlaglichter
Ausgabe
2018/5152
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.08011
Swiss Med Forum. 2018;18(5152):1093-1094

Affiliations
Klinik für Infektiologie und Spitalhygiene, Universitätsspital Basel

Publiziert am 19.12.2018

Bezlotoxumab, ein monoklonaler Antikörper mit hoher Affinität zum Clostridioi­des-difficile-Toxin B, ist seit Ende 2017 zur Prävention von Clostridioides-difficile-Rezidiven in der Schweiz zugelassen.

Hintergrund

In Anbetracht stetig steigender Antibiotikaresistenzraten gewinnen alternative Therapieansätze zur Behandlung bakterieller Infektionskrankheiten zunehmend an Bedeutung. Dazu gehören monoklonale Antikörper, Immunmodulatoren, Phagen-und Mikrobiom-basierte Therapien, Behandlungen, die gegen bakterielle Virulenzfaktoren gerichtet sind, Antibiotika-verstärkende Moleküle und Antisense-Oligonikleotide, welche die Bildung spezifischer Zielproteine hemmen [1]. Während monoklonale Antikörpertherapien in der Onkologie und zur Behandlung von Autoimmunkrankheiten gut etabliert sind, finden sie bei der Behandlung bakterieller Infektionen bisher noch kaum Verwendung. Dies, obwohl Antikörper eine hohe Selektivität für verschiedene bakterielle Zielstrukturen wie Antigene (als Bestandteile der bakteriellen Oberflächenstruktur), Toxine oder Virulenzfaktoren aufweisen können.
Antikörper, welche ­direkt an Antigene der bakteriellen Zell­oberfläche binden, haben das Potential, einer bakteriellen Kolonisation entgegenzuwirken oder Bakterien für entsprechende Immunabwehrmechanismen zu «markieren» [2] und so deren Zerstörung auszulösen – sie haben zum Ziel, das Bakterium direkt anzugreifen. Ein alternativer Ansatzpunkt sind Antikörper, welche gegen bakterielle Virulenzfaktoren oder Toxine gerichtet sind. Ihr Einsatz hat zum Ziel, dem pathogenen ­Effekt von Bakterien entgegenzuwirken – das Bak­terium selber muss durch das Immunsystem oder durch zusätzlich verabreichte Antibiotika kontrolliert werden [2].
Monoklonale Antikörpertherapien haben den Vorteil, dass sie durch ihre hohe Selektivität kaum eine weit­reichende Resistenzentwicklung induzieren und das ­natürliche Mikrobiom nicht störend beeinflussen [3]. Nachteile sind hohe Entwicklungs- und Herstellungskosten, insbesondere da Antikörper meist als ergänzende Therapie eingesetzt werden, was zusätzlich das Design der entsprechenden klinischen Zulassungsstudien kompliziert, sowie mögliche Infusionsreaktio­nen [1].
Am 20.11.2017 wurde in der Schweiz Bezlotoxumab – ein monoklonaler Antikörper, der gegen das Clostridioides­(C.)-difficile-Toxin B gerichtet ist, von der Swissmedic zugelassen. Seine Zulassung durch die amerikanische «Food and Drug Administration» (FDA) 2016 war eine der ersten Zulassungen eines Vertreters dieses alternativen Therapieansatzes zur Behandlung einer bakteriellen Infektion [4].

Ergänzung zur antibiotischen Therapie

Bezlotoxumab ist ein humaner monoklonaler Immunglobulin-G-Antikörper (IgG-Antikörper), welcher das von C. difficile gebildete Toxin B neutralisiert. Das Toxin B ist verantwortlich für die Entzündung und den Zellschaden, welche im Rahmen einer C.-difficile-Infektion ausgelöst werden, somit für die Induktion der eigent­lichen Kolitis [3].
In zwei randomisierten plazebokontrollierten Studien konnte gezeigt werden, dass bei gleichzeitiger Verabreichung einer einzelnen Dosis Bezlotoxumab (10 mg pro Kilogramm Körpergewicht) während einer Standardtherapie (Vancomycin, Metronidazol oder Fidaxomicin) für C. difficile, die Rezidivrate innert 12 Wochen um 38% reduziert wurde, während das primäre klinische Ansprechen unverändert blieb [5]. Letzteres lässt sich möglicherweise darauf zurückführen, dass Bezlotoxumab nicht gleich bei Beginn der Standard-Antibiotikatherapie verabreicht wurde, sondern nach einem Median von drei Tagen. Der günstige Effekt von Bezlotoxumab auf die Rezidivrate kommt vermutlich durch eine Reduktion des epithelialen Schadens der Darmschleimhaut zustande, sowie durch eine Begünstigung der Wiederherstellung des normalen Mikrobioms [6] – der genaue Wirkmechanismus ist allerdings nicht bekannt.
Als häufigsterErreger der im Spital erworbenen Diarrhoe und einer der wichtigsten Erreger Spital-erworbener ­Infektionen überhaupt ist C. difficile ein Verursacher ­signifikanter Morbidität, Mortalität und auch von Kosten[7] – insbesondere im Rahmen rezidivierender Infek­tionen [8]. Nach initialer antibiotischer Therapie einer C.-difficile-Infektion, tritt bei rund 20% aller Patienten ein Rezidiv auf, welches das Risiko für weitere Rezidive auf etwa 45% erhöht [9]. Aktuell empfohlene Therapie­optionen zur Vermeidung eines Rezidivs sind limitiert und beschränken sich bei Patienten mit entsprechend erhöhtem Risiko auf eine antibiotische Therapie mit Vancomycin oder Fidaxomycin respektive bei Patienten mit bereits mehreren durchgemachten Rezidiven auf Vancomycin-Ausschleichschemen oder die Durchführung einer Stuhltransplantation (zusätzlich zu einer antibiotischen Therapie) [10, 11]. Während die Wirksamkeit einer Stuhltransplantation zur Verhinderung von Rezidiven klar nachgewiesen ist [12], bleiben bei der ­Implementation noch viele Fragen offen, insbesondere zu Sicherheitsaspekten, langfristigen Auswirkungen ­eines durch diese Therapie veränderten Mikrobioms, Voruntersuchungen und Selektion des Spenders sowie Applikationsformen.
In der Schweiz ist Bezlotoxumab zugelassen zur Prävention eines Rezidives einer C.-difficile-Infektion bei Pa­tienten über 18 Jahren, die eine antibiotische Therapie zur Behandlung einer aktuellen C.-difficile-Infektion erhalten und ein hohes Rezidivrisiko aufweisen. Als entsprechende Risikofaktoren gelten ein Alter ≥65 Jahre, die Vorgeschichte einer oder mehrerer Episoden einer ­C.-difficile-Infektion in den letzten sechs Monaten, ­Immunsuppression, das Vorliegen einer schweren ­C.-difficile-Infektion (definiert gemäss einer Zar-Punkteskala von ≥2 [13]) oder eine Infektion mit einem hyper­virulenten Stamm (Ribotyp 027, 078 oder 244) [5]. Die ­genannten Risikofaktoren wurden in einer prospektiv geplanten kombinierten Analyse der beiden randomisierten Studien identifiziert [14].
Zurzeit bestehen seitens international anerkannter Fachgesellschaften noch keinerlei Empfehlungen zur Posititionierung von Bezlotoxumab. In den Anfang 2018 publizierten revidierten Empfehlungen zur Behandlung von C.-difficile-Infektionen der Amerikanischen Gesellschaft für Infektiologie («Infectious ­Diseases Society of America» [IDSA]) [11], konnten die entscheidenden Resultate der klinischen Studie zu Bezlotoxumab nicht mehr berücksichtigt werden. Die ­Europäische ­Gesellschaft für klinische Mikrobiologie («European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases» [ESCMID]) plant die Revision ihrer Behandlungsempfehlungen [15] für C.-difficile-Infektionen nächstes Jahr.

Diskussion

Offizielle Empfehlungen zur Selektion von Patienten, welche am meisten von der zusätzlichen Verabreichung von Bezlotoxumab zu einer Standard-Antibiotikatherapei für eine C.-difficile-Infektion profitieren fehlen zurzeit – revidierte Behandlungsempfehlungen seitens ESCMID werden nächstes Jahr erwartet.
Voraussichtlich wird Bezlotoxumab als erster Vertreter eines alternativen Therapieansatzes zur Behandlung bakterieller Infektionen einen verhältnissmässig grossflächigen Markt erreichen und somit entscheidenden auf die Entwicklung weiterer Antikörper-basierter Therapieoptionen zur Behandlung bakterieller Infektionen Einfluss nehmen.
STS is Member of the Merck Sharp & Dohme AG (MSD) C. difficile ­advisory board and Member of the Astellas Fidaxomicin advisory board and reports unresistricted research grants from Astellas.
Prof. Dr. med. ­Sarah ­Tschudin-Sutter
Klinik für Infektiologie
und Spitalhygiene
Universitätsspital Basel
Petersgraben 4
CH-4031 Basel
sarah.tschudin[at]usb.ch
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