Pneumologie: Lungenhochdruck nach Embolie – interdisziplinäre Behandlung
Schlaglicht der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie

Pneumologie: Lungenhochdruck nach Embolie – interdisziplinäre Behandlung

Schlaglichter
Ausgabe
2018/5152
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.08017
Swiss Med Forum. 2018;18(5152):1100-1102

Affiliations
Interdisziplinäres Zentrum für Pulmonale Hypertonie, Inselspital, Universität und Universitätsspital Bern

Publiziert am 19.12.2018

Die chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie ist eine wichtige Differentialdiagnose der persistierenden Dyspnoe nach Lungenembolie. Wie wird die Diagnose gestellt und welche Therapien können eingesetzt werden? Teamwork ist entscheidend.

Hintergrund

Die pulmonale Hypertonie (PH) subsumiert eine Vielzahl unterschiedlicher Grunderkrankungen und wird in fünf Gruppen eingeteilt. Die häufigsten Formen sind die postkapilläre PH bei Linksherzerkrankungen, gefolgt von der PH bei Lungenerkrankungen wie zum Beispiel der COPD. Bei beiden Formen steht die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund. Einer spezifischen Therapie zugänglich sind die pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH) und die chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH).
Alle PH-Formen sind durch einen mittleren pulmonal-arteriellen Druck ≥25 mm Hg definiert. Der Rechtsherzkatheter ist entscheidend für die Diagnose und Klassifikation. Klinisch äussert sich die PH mit progressiver Dyspnoe und Zeichen der Rechtsherzbelastung bis hin zu Schwindel, Synkopen und terminaler Herzinsuffizienz. Aufgrund der unspezifischen Beschwerden wird die Diagnose oft mit einer Latenz von >1 Jahr gestellt. Im Schweizer PH-Register liegt das durchschnittliche 5-Jahres-Überleben nach Diagnose bei 50%, wobei die beste Prognose der CTEPH und idiopathischen PAH zukommt [1]. Prognosebestimmend ist das Rechtsherzversagen, wobei verschiedene nicht­invasive Marker wie das NTproBNP und der 6-Minuten-Gehtest zur Risikostratifizierung eingesetzt werden können. Therapeutisch ist primär die Vorlastsenkung des rechten Herzens das Ziel. Dies wird bei der PAH durch verschiedene Klassen von pulmonalen Vasodilatoren angestrebt. Im Gegensatz zur Behandlung des systemischen Bluthochdruckes kann bei der PAH auch mit Kombinationstherapien nur selten eine Norma­lisierung des Hochdruckes erreicht werden. Lediglich bei der CTEPH besteht die Möglichkeit, bei ausgewählten Patienten den Lungendruck zu normalisieren. Dazu ist Teamarbeit nötig.

Interdisziplinarität der Behandlung

Die Interdisziplinarität wird bei Tumorerkrankungen seit Längerem propagiert. Bei der PH, die ein seltenes und heterogenes Krankheitsbild darstellt, lässt sich Gleiches festhalten. Die Pathophysiologie der kardiopulmonalen Interaktionen ist komplex und die Abschätzung, wie stark vorbestehende Lungen- oder Herzerkrankungen zur PH beitragen, die Auswirkungen der Grunderkrankung auf den Verlauf, ein immer polymorbideres Patientenkollektiv, komplexe Therapien – sei es medikamentös oder bis hin zur Lungentransplantation – stellen eine grosse Herausforderung dar und werden am besten gemeistert durch die Zusammenarbeit verschiedener Spezialisten. Daher haben sich in den letzten Jahren PH-Boards bis hin zu interdisziplinären Sprechstunden etabliert, in denen Spezialisten Hand in Hand arbeiten. Bei der CTEPH kommen die ­Interdisziplinarität und ihre Vorteile am besten zum Tragen.

Chronisch thromboembolische ­pulmonale Hypertonie

Die Ursache der CTEPH wird in einer inkompletten Auflösung von pulmonalen Thromboembolien vermutet, die sich in fibrotische, Fluss-limitierende organisierte Thromben verwandeln, oft begleitet von einer Arteriopathie der nachgeschalteten kleinen Lungengefässe. Im Schweizer PH-Register machen sie 25% aller PH-Patienten aus und das 4-Jahres-Überleben liegt bei 75%, bei einem mittleren Alter von 60–65 Jahren zum Zeitpunkt der Diagnose [1]. Die CTEPH ist die einzige potentiell kurativ angehbare Form der präkapillären PH, betrifft beide Geschlechter gleich häufig und wird bei 3 von 100 Lungenembolie-Überlebenden nach 6–12 Monaten diagnostiziert [2]. Risikofaktoren für die Entwicklung einer CTEPH sind rezidivierende oder unprovozierte Lungenembolien, grosse Perfusions­defekte, eine PH bereits zum Zeitpunkt der Lungenemboliediagnose, Hämostaseanomalien (z.B. ein erhöhter Faktor VII oder Antiphospholipid-Antikörper) sowie Begleiterkrankungen (z.B. Malignom, Status nach Splenektomie, chronische Infekte) [3]. Typischerweise lösen sich die Thromben bei akuter Lungen­embolie nach 3–6 Monaten unter oraler Antikoagulation auf. Bei persistierender Leistungsintoleranz oder Dyspnoe nach dieser Zeit muss an die CTEPH gedacht werden. Der Ventilations-Perfusions-Szintigraphie kommt in der ­Abklärung eine wichtige Rolle zu (Abb. 1). Sie ist auch heute noch sensitiver als die Angio-Computertomographie, um distale Gefässverschlüsse zu erkennen (97% vs. 86% Sensitivität).
Abbildung 1: Diagnose und Abklärung der chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie (CTEPH). Die Ventilations-Perfusions-Szintigraphie spielt eine zentrale Rolle. Ein normaler Scan schliesst eine CTEPH aus, ein positiver Scan benötigt weitere ­Abklärungen. PH: pulmonale Hypertonie; EKG: Elektrokardiogramm.
Bei positiver Szintigraphie ist wie in der allgemeinen PAH-Diagnostik ein Rechtsherzkatheter nötig, ergänzt durch die Pulmonalisangiographie. Neben der Diagnosesicherung geht es dabei um die Abklärung der Operabilität und Risikoabschätzung. Entscheidend ist, ob die Thromben so distal lokalisiert sind, dass sie chirurgisch nicht mehr erreichbar sind. Bei chirurgisch erreichbaren Thromben ist die Therapie der Wahl die komplette bilaterale pulmonale Thrombendarterektomie in tiefer Hypothermie mit Kreislaufstillstand. Die Mortalität des Eingriffes ist in den letzten Jahren von >20% auf <2% ­in führenden Zentren gesunken. Bei nicht operabler CTEPH werden pulmonale Vasodilatoren eingesetzt und in ausgewählten Fällen vermehrt auch die perkutane Angioplastie von verengten Lungengefässen. Die verschiedenen therapeutischen Ansätze bei CTEPH sind in Abbildung 2 vorgestellt. Die Auswahl des optimalen ­Behandlungspfades bedingt interdisziplinäre Patientenbesprechungen unter PH-Spezialisten, Thorax- oder Herzchirurgen, Radiologen und interventionellen Radiologen/Kardiologen, unter Berücksich­tigung der Pa­tientenwünsche. Seit Neuem ist es auch möglich, Patienten mit CTEPH am SWISS-CTEPH-Board der Schweizer Gesellschaft für Pulmonale Hypertonie (SGPH) vorzustellen.
Abbildung 2: Behandlungspfade der chronisch thromboembolischen pulmonalen ­Hypertonie (CTEPH). Eine interdiziplinäre Einschätzung der Therapiemöglichkeit ist entscheidend. Einzig nach pulmonaler Thrombendarterektomie (PTE) bestehen reelle Aussichten auf eine Normalisierung der Hämodynamik. Deswegen ist sie weiterhin die Therapie der Wahl. Die perkutanen Ballonangioplastie hat in den letzten Jahren an Bedeutung der gewonnen, der genaue Stellenwert der Therapieoption ist noch nicht geklärt. PH: pulmonale Hypertonie.

Ballonangioplastie bei CTEPH

Im klinischen Alltag werden bis zu 50% der CTEPH-Pa­tienten nicht chirurgisch therapiert wegen Bedenken hinsichtlich Operabilität oder ungeeigneter Anatomie [4]. Für die Betroffenen steht neben der medikamentösen Behandlung eine Ballonangioplastie der Lungenarterien (BPA) zur Verfügung. Die BPA beinhaltet eine über die Leistenvene durchgeführte Ballondilatation der segmentalen oder subsegmentalen pulmonal-arteriellen Stenosen, Strickleitern oder Verschlüsse (Abb. 3).
Abbildung 3: Eine segmentale Lungenarterie mit 90%iger Stenose vor (A), während (B) und nach (C) Ballonangioplastie.
Ziel des Eingriffes ist eine Symptomreduktion und Prognoseverbesserung durch Reduktion des pulmonalen Mitteldruckes. Im Unterschied zu den Koronarinterventionen hat die Devise «the bigger the better» keine Gültigkeit. Es werden nämlich Ballone von kleiner Grösse mit tiefen Inflationsdrucken verwendet, ohne Benutzung von Stents. Die ersten BPA-Serien wurden mit aggressiveren Techniken durchgeführt und waren mit einer erhöhten Mortalität vergesellschaftet (5–10%) [5]. Anpassungen haben zwischenzeitlich zu einer erheblichen Erhöhung der Behandlungssicherheit geführt. Hämoptysen und Reperfusionsödem sind gefürchtete Komplikationen, die aber in den neuesten Registern auch reduziert werden konnten (<5%). Die BPA führt durchschnittlich zu einer Senkung des pulmonalen Widerstandes von ~50% und des pulmonal-arteriellen Mitteldruckes von ~25%. Um dies zu erreichen, bedarf es allerdings 3–10 Behandlungssitzungen. Randomisierte Studien, welche die BPA mit der medikamentösen Therapie vergleichen, stehen derzeit aus und werden diese guten Effekte bestätigen müssen.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Dr. med.
Jacqueline Pichler Hefti
Interdisziplinäres Zentrum für Pulmonale Hypertonie
Universitätsklinik für
Pneumologie, Inselspital
CH-3010 Bern
Jacqueline.Pichler[at]
insel.ch