Medikamentöse Tumorschmerztherapie
Ausgewählte Basics für die ärztliche Praxis und aktuelle Entwicklungen

Medikamentöse Tumorschmerztherapie

Übersichtsartikel
Ausgabe
2019/0506
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2019.03450
Swiss Med Forum. 2019;19(0506):83-90

Affiliations
a Palliativzentrum Hildegard, Basel; b Departement für Anästhesie, Universitätsspital Basel; c Palliative Care, Klinik für Psychosomatik, Universitätsspital Basel
*Die beiden Autoren haben zu gleichen Teilen zu diesem Artikel beigetragen.

Publiziert am 30.01.2019

Dieser Artikel vermittelt eine Auswahl essentieller Fakten für den ärztlichen Alltag und wirft zugleich einen praxisorientierten Blick auf einige aktuelle Entwicklungen und Kontroversen.

 

 

Hintergrund

Etwa zwei Drittel aller Tumorpatienten leiden im Verlauf der Erkrankung unter Schmerzen. Bei einem Grossteil dieser Patienten kann eine ausreichende Schmerzlinderung erreicht werden. Dennoch leiden viele Patienten unter mittleren oder starken Schmerzen und erhalten keine angemessene Therapie.

Tumorschmerz: mehr als Nozizeption

«Total pain»

Besonders in palliativen Situationen ist es essentiell, nicht nur körperliche, sondern auch psychologische, soziale und spirituelle Ursachen für Schmerzen zu ­beachten. Cicely Saunders prägte diesbezüglich den Begriff «total pain». Das kann zum Beispiel bedeuten, dass Emotionen wie Angst, aber auch biographische ­Erlebnisse die Fähigkeit der Betroffenen, mit Tumorschmerzen umgehen zu können, massiv beeinträch­tigen. So ist es oft «nicht der Schmerz, der das Leben unerträglich macht, sondern das Leben, mit all seinen Umständen, das den Schmerz unerträglich macht» (Abb. 1).
Abbildung 1: Einflussfaktoren auf die Wahrnehmung von ­Tumorschmerzen nach dem Bio-psycho-sozio-spirituellen Schmerzmodell. Im Zentrum steht die Generalisierung ­eines Schmerzerlebens, des «total pain».
Beispiel: Eine junge, beruflich erfolgreiche Frau mit drei Kindern im Grundschul- und Kindergartenalter wird aufgrund tumorbedinger Schmerzen, die vor allem bei Belastung (Gehen) extrem sind, erfolglos behandelt. Sie leidet unter einem weit fortgeschrittenen metastasierten Mamakarzinom, ist kachektisch und extrem geschwächt. Selbst Massnahmen der invasiven Schmerztherapie (Anlage eines Periduralkatheters) konnten keine Linderung bringen. Im Gespräch äussert der Oberarzt die Vermutung, dass vielleicht nicht nur das Gehen den Schmerz auslöse, sondern vor allem die krankheitsbedingte Schwäche und die daraus resultierende Unfähigkeit, ihren familiären und beruflichen Aufgaben nachzukommen, Ursache für den Schmerz sein könnten. Daraufhin bricht die Patientin in Tränen aus. In den restlichen vier Lebenswochen ist sie fast gänzlich unbelastet von Schmerzen und kann sich auf die ihr angebotene Hilfe und Hilfsmittel erstmals einlassen, um so gut wie möglich ein Familienleben aufrecht zu erhalten.

Anamnese: Ausschluss behandelbarer sowie nicht-tumorbedingter Schmerzen

Der vielleicht wichtigste Schritt ist die Abklärung von behandelbaren und nicht-tumorbedingten Schmerzursachen.
So kann zum Beispiel die Punktion von Aszites oder Pleuraergüssen oder die Reduktion von Leberkapselspannungs- oder Nervenkompressionsschmerz zu ­einer raschen Linderung von Druckschmerzen bei­tragen. Insbesondere bei schmerzhaften Knochenmetastasen sollte die Möglichkeit einer Strahlentherapie überprüft werden.
Nicht-tumorbedingte Schmerzen machen häufig eine ursächliche Therapie nötig. Oft übersehen werden ­beispielsweise Schmerzen aufgrund eines Dekubitus, Harnverhaltes oder paraneoplastisch auftretender ­tiefer Venenthrombosen. Allerdings ist eine kausale Therapie in Situationen, bei denen das Lebensende unmittelbar bevorsteht, nicht immer möglich respektive oft nicht mehr angemessen. Auch therapiebedingte Schmerzen wie zum Beispiel eine Chemotherapie-­bedingte, schmerzhafte, periphere Polyneuropathie, Arthralgien unter Aromataseinhibitoren oder Knochenschmerzen durch Granulozyten-stimulierenden Faktor erfordern unter Umständen ein anderes Herangehen. Generell gilt, dass kausale Therapieansätze in der Schmerztherapie bei Tumorpatienten genutzt werden sollten. Dabei ist zu bedenken, dass diese oft nicht allein ausreichen beziehungsweise verzögert wirken und mit einer symptomatischen Analgesie kombiniert werden.
Neben der Erfragung der Lokalisation und der Dauer der Schmerzen liefert die Erfassung der Schmerzqualität Hinweise für die Schmerzursache. Nozizeptive Schmerzen sind häufig gut lokalisierbar und werden häufiger als stechend bezeichnet (Bindegewebe, Muskel, Knochen etc.). Viszerale Schmerzen sind hin­gegen oft eher dumpf und schwerer zu lokalisieren. Neuropathische oder Nervenschmerzen werden häufig als brennend, einschiessend oder elektrisierend beschrieben.

Anamnese: Schmerzauslöser, Tag-/Nachtrhythmus und Wirkung von Medikamenten

Die basale Anamnese von Tumorpatienten mit Schmerzen beinhaltet immer auch die Erfassung von Schmerz­auslösern, wie zum Beispiel belastungsabhängige Schmerzen. Auch tageszeitliche Schwankung sollten erfragt werden.
Ausserdem sollte nach der Wirkung und Dosierung ­bereits eingenommener Opioide gefragt werden, um einen Anhalt für die beim Patienten notwendige Opioid­dosis zu erhalten. Die Schmerzstärke sollte erfragt und dokumentiert werden. Einfache Skalen sind die numerische Rating-Skala ([NRS]; 0 = keine bis 10 = stärkste vorstellbaren Schmerzen) oder die für manche Betroffenen einfacher zu verstehende verbale Rating-Skala ([VRS]; z.B. 0 = keine, 1 = leichte, 2 = mittelstarke, 3 = starke Schmerzen).

Therapie mit Opioiden

Das wichtigste und unverzichtbarste Prinzip ist die ­Unterscheidung der Basis- von der Reserve- (oder Bedarfs-)medikation.

Basismedikation

Die Basismedikation soll einen gleichmässigen Opioidspiegel sicherstellen. Dies erfolgt meist durch retardierte (ret.) Tabletten oder transdermale (t.d.) Systeme (Pflaster), manchmal jedoch auch als subkutane (s.c.) oder intravenöse (i.v.) Dauerinfusionen. In anderen, vor allem hospizlichen Kontexten wird die Basismedikation als vierstündliche Gabe unretardierter, oraler Opioide (z.B. Morphinlösung) oder vierstünd­liche s.c. Injektion über eine liegende s.c. Nadel ver­abreicht.
Beispiel: Ein bisher opioid-naiver, im Sterben liegender Patient wird zuhause betreut. Den Zugang einer s.c. Dauerinfusion zieht er sich regelmässig. Hier ist es möglich, durch Anlage einer s.c. Nadel («Butterfly», mit einem transparenten Pflaster fixiert und locker um­wickelt) alle vier Stunden 2,5 mg Morphin s.c. zu verabreichen und so einen konstanten niedrigen Wirkspiegel sicherzustellen.

Reservemedikation

Prinzip

Jeder Patient mit Tumorschmerzen und einer Opioid-therapie benötigt neben der Basis-Opioidmedikation auch ein nicht-retardiertes Opioid (Lösung/Tropfen, unretardierte Tabletten, s.c. oder i.v. Injektion bzw. buccale, sublinguale oder nasal Applikation), um Schmerzspitzen zu behandeln. Die Patienten sollen ­angehalten werden, dieses Medikament gegebenenfalls auch antizipatorisch 20–45 Minuten vor dem ­Eintritt zu erwartender Schmerzspitzen, wie etwa bei belastungsabhängigen Schmerzen, zu nehmen. Die Reservemedikation sollte also stets verfügbar sein. Für den Spitalalltag kann es bedeuten, dass die Patienten eine Dosis der Reservemedikation ans Bett gestellt bekommen, damit sie im Bedarfsfall für einen möglichst zeitnahen Wirkeintritt sofort eingenommen werden kann. Dies ist in manchen Spitälern bisher nicht üblich, jedoch wichtig für viele Patienten.

Wahl der Substanz

In der Regel wird die gleiche Substanz gewählt, die auch als Basismedikation gegeben wird.
Beispiel: Ein Patient, der 2× täglich Morphin Retard-­Tabletten per os (p.o.) als Basismedikation bekommt, erhält als Reservemedikation meist unretardiertes Morphin.
Die Befolgung dieser Regel ist jedoch nicht immer zwingend nötig. So können beispielsweise Patienten, die als Basismedikation Fentanyl t.d. erhalten, zur Reserve Morphin-Lösung bekommen. Umgekehrt könnte aber auch ein Patient, der retardiertes Morphin p.o. als Basismedikation erhält, auch ein schnelles Fentanyl (siehe unten, z.B. als Nasenspray) benutzen. In aller ­Regel nicht sinnvoll ist jedoch die Kombination schwacher (WHO II) und starker (WHO III ) Opioide.

Wahl der Darreichungsform

Stets sollte die Zeit bis zum Wirkeintritt der Reservemedikation bedacht werden. Orale Substanzen (z.B. Morphin- oder Hydromorphon-Lösung) sollten ausreichend dosiert nach etwa 20–30 Minuten wirksam ­werden. Eine Zeitspanne, die bei starken, schnell einsetzten Schmerzspitzen für viele Patienten eine vergleichsweise lange Zeit darstellt, in der sie auf die einsetzende Schmerzlinderung warten müssen. Opioide, die s.c. ­appliziert werden, wirken hingegen schon nach 10–15 Minuten und bei i.v. Gabe stellt sich in der Regel eine Wirkung nach fünf Minuten ein. Auch die sogenannten «schnellen Fentanyle» (siehe unten) wirken nach ca. 10–15 Minuten.

Dosierung

Grob orientierend wird davon ausgegangen, dass die meisten Patienten etwa 1/10 bis 1/6 der Opioid-Tagesdosis der Basismedikation benötigen.
Beispiel: Ein Patient, der 2× 30 mg Morphin ret. p.o. als Basismedikation erhält, benötigt häufig 6–10 mg Morphin-Lösung p.o. oder 2–3 mg s.c./i.v. (Drittelung der Dosis aufgrund des «First-pass»-Effektes) als Reservemedikation.
Diese Regel ist jedoch nicht für alle Patienten zutreffend. Insbesondere ist bei hohen Dosen der Basismedikation, bei der Umrechnung von einer Substanz auf die andere gemäss Dosisäquivalenztabellen (Tab. 1) und bei den schnellen Fentanylen Vorsicht geboten.
Tabelle 1: Opioid-«Umrechnungs»-Faktoren respektive «Äquivalenzdosen».
Morphin p.o. zu Morphin s.c./i.v.2–3:1 (Bioverfügbarkeit)
Hydromorphon p.o. 
zu Hydromorphon i.v./s.c2–3:1 (Bioverfügbarkeit)
Hydromorphon p.o. zu Morphin p.o.1:5–7
Oxycodon p.o. zu Morphin p.o.1:1,5
Fentanyl t.d. zu Morphin p.o.1:100 (50–150)
25 μg/h Fetanyl t.d. = 60 mg Morphin p.o.
Buprenorphin t.d. zu Morphin p.o.1:75 (50–100)
35 μg/h Buprenorphin = 60 mg Morphin p.o.
Hinweis: Alle Angaben sind aufgrund hoher interindividueller Schwankungen als grober Richtwert für mögliche Umrechnungen bei Opioidumstellungen und der Dosisermittlung der Bedarfsmedikation («Reserve») im unteren bis mittleren Dosisbereich zu verstehen. Die in der Literatur und den gängigen Leitlinien angegebenen Umrechnungsverhältnisse basieren nur auf unkontrollierten Fallserien und die dort ermittelten interindividuellen Unterschiede sind sehr hoch. Zudem verstärken eine ganze Reihe klinischer Faktoren diese Heterogenität weiter. Besonders gross ist die Varianz bei der Umrechnung von transdermaler (t.d.) auf orale (p.o.) oder parenterale (s.c./i.v.) Opioidtherapie, hohen Morphin-Äquivalenzdosen und der Umrechnung von und auf Methadon. Die Dosis schneller Fentanyle soll NICHT errechnet, sondern stets titriert werden.
Beispiel: Eine Patientin mit einem metastasierten Pan­kreaskarzinom ist bezüglich ihrer Tumorschmerzen unter 250 μg/h Fentanyl t.d. gut eingestellt. Sie leidet nicht unter Nebenwirkungen. Für mögliche Schmerzspitzen möchten Sie eine Reservemedikation von oralem Morphin verschreiben. Aus der Fentanyldosis errechnen Sie ein Morphinäquivalent von 600 mg p.o./d. Geteilt durch 6 erhalten somit eine Dosis von 100 mg Morphin oral als Reserve. Dies ist rechnerisch richtig, jedoch aus der Praxis heraus aufgrund einer Reihe von Gründen häufig völlig unzutreffend. Wenn Sie nicht wissen, wie die Patientin bisher auf Morphingaben ­reagiert hat, ist es ratsam, mit einer deutlich niedrigeren Dosis zu starten, aber die Patientin zu instruieren, dass die Dosis gering bemessen ist und sie gegebenenfalls sehr zügig die Dosis eigenständig respektive nach Rücksprache erhöhen solle. Im vorliegenden Fall könnte der Beginn mit 20 mg Morphin p.o. als Reserve durchaus gerechtfertigt sein.

Opioide WHO-Stufe-III

Morphin

Darreichungsformen

Morphin ist als weitverbreitete Substanz in allen Darreichungsformen verfügbar. Als Dauermedikation stehen neben Retard-Tabletten auch Suppositorien und ein Retard-Granulat zur Verfügung, das in flüssiger Form zum Beispiel über PEG-Sonden (PEG = perkutane endoskopische Gastrostomie) gegeben werden kann, ohne seine Retard-Wirkung zu verlieren. Morphin-­Lösung und auch die Ampullen zur s.c. und i.v. Gabe sind allseits verbreitet. Die Verneblung von Morphin respektive die Darreichung als Morphin-Gel stellt eine eher seltene Ausnahme für bestimmte Situationen der spezialisierten Palliative Care dar.

Bioverfügbarkeit

Von der oral verabreichten Sub­stanz sind durch Metabolisierung in der Leber lediglich 30–50% systemisch wirksam. Dies ist von praktischer Bedeutung etwa bei der Umstellung einer i.v. auf eine p.o. Therapie.
Beispiel: Ein Patient erhält 60 mg Morphin p.o./d. Aufgrund des Sterbeprozesses kann er die Medi­kamente nicht mehr zuverlässig einnehmen, benötigt jedoch weiterhin die Opioide zur Schmerzreduktion (und Verhinderung einer Entzugssymptomatik). Bei der Umstellung auf eine i.v. oder s.c. Dauerin­fusion werden also lediglich ¹⁄₃ der oralen Tagesdosis (also ca. 20 mg/d) benötigt. Die Bioverfügbarkeit ist interindividuell hochgradig variabel. Im Zweifelsfall sollte immer die niedrigere Dosis angenommen ­werden.

Niereninsuffizienz

Ein weiterer pharmakologischer Aspekt von hoher praktischer Relevanz ist die Metabolisierung von Morphin in zwei aktive und neurotoxische Glucuronide. Diese werden renal ausgeschieden, sodass es bei einer fortschreitenden Niereninsuffizienz zu einer Akkumulation der Metabolite kommen kann. Mögliche Folgen sind Überdosierungserscheinungen und Myoklonie als Zeichen der Neurotoxizität. In der Praxis wird ­daher in aller Regel eine Opioidrotation (siehe unten) auf ein nicht renal ausgeschiedenes Medikament vorgenommen (vgl. folgendes Beispiel). Da die Akkumu­lation der Metaboliten dosisabhängig ist, können Akut- respektive Notfallsituationen Ausnahmen sein, hier kann für wenige Tage Morphin in unretardierter Form dosisreduziert beziehungsweise im verlängerten Zeitintervall gegeben werden.

Praxis

Eine häufige Einstiegsdosis bei Opioid-naiven Patienten sind 20 mg Morphin ret./d (2× 10 mg), selten werden ­Dosen über 500 mg p.o./d benötigt. Bei fragilen Patienten kann jedoch eine vorsichtigere Titration notwendig sein, zum Beispiel 5–6× täglich 2 mg Morphin-Tropfen.

Hydromorphon

Da Hydromorphon weder renal eliminiert, noch zu aktiven Metaboliten verstoffwechselt wird, setzt man die Substanz häufig als Opioid der ersten Wahl bei Niereninsuffizienz ein; allerdings bestehen auch Alternativen (z.B. Buprenorphin, Fentanyl, Oxycodon). Hydromorphon ist als Retard-Tablette, Tropfen unretardiert und als Injektionslösung erhältlich. Die Reservemedikation kann parenteral (s.c./i.v.) oder p.o. als Tropfen verabreicht werden. Hydromorphon hat eine ähnliche Bioverfügbarkeit wie Morphin. Dies muss auch hier bei der Umrechnung von oraler auf parenterale Gabe bedacht werden. Hydromorphon ist 5–7-fach potenter als Morphin. Dabei ist bei Niereninsuffizienz die analgetische Potenz von Hydromorphon noch höher einzuschätzen (Tab. 1).

Praxis

Die Titration erfolgt in der Regel mit Hydromorphon-Tropfen, zum Beispiel Hydromorphon-Tropfen p.o. 0,5–1 mg 5–6/d. In der Schweiz beträgt die niedrigste mögliche Tagesdosis für retardiertes Hydromorphon 8 mg/d p.o. (2× 4 mg). Dies entspricht einem ungefähren Dosisäquivalent von 40–56 mg Morphin p.o./d und ist somit meistens als Einstiegsdosis für Opioid-naive Pa­tienten zu hoch bemessen (Tab. 1).

Oxycodon

Oxycodon hat eine orale Bioverfügbarkeit von über 50%. Oxycodon und sein aktiver Metabolit Oxymorphon akkumulieren bei Leber- und Niereninsuffizienz, sodass eine Dosisreduktion oder Opioidrotation nötig werden können. Oxycodon ist etwa 1,5-fach potenter als Morphin.
Oxycodon wird meist oral in Tablettenform oder als Lösung verabreicht. Es ist zwar auch als Ampulle für die s.c./i.v. Gabe erhältlich, dabei ist die parenterale Form in der Schweiz jedoch nur im Spital zugelassen und die Anwendung auf 72 Stunden limitiert.
Bei der oralen Medikation ist Obacht geboten, um die retardierte Form (für die Basismedikation) von der unretardierten (für die Reserve) nicht zu verwechseln und die Patienten entsprechend zu instruieren.

Praxis

Die Titration erfolgt in der Regel mit Oxycodon-Lösung, z.B. Oxycodon-Lösung 2 mg 5–6/d respektive mit retardierten Tabletten Oxycodon 5 mg alle 12 Stunden p.o. In der Schweiz ist die niedrigste mögliche Tagesdosis für retardiertes Oxycodon 10 mg/d p.o., (2× 5 mg). Dies entspricht einem ungefähren Dosisäquivalent von 15 mg Morphin oral/Tag (Tab. 1).

Diskussion: Oxycodon/Naloxon-Kombinations­präparate

Seit einigen Jahren werden Fixkombinationen von Oxycodon und dem Opioidantagonisten Naloxon angeboten. Das inkludierte Naloxon soll nach der oralen Aufnahme die Opioid-bedingte Obstipation vermindern. Da Naloxon nach der enteralen Resorbtion nahezu vollständig von der Leber metabolisiert wird und damit eine orale Bioverfügbarkeit von ca. 3% aufweist, ist eine Antagonisierung der zentralnervös vermittelten Schmerzreduktion nicht zu erwarten (Ausnahme: Leberversagen; Umgehungskreisläufe bei Leberzirrhose: verminderte Metabolisierung und damit höhere Bioverfügbarkeit; Niereninsuffizienz: verminderte Elimination von Naloxon). Die Reduktion der Opioid-induzierten Obstipation unter dem Kombina­tionspräparat kann als bewiesen angenommen werden, jedoch sollte aus Sicht der Autoren – wie bei der Gabe aller anderen Opioide – regelmässig nach Obstipation gefragt werden, eine entsprechende Aufklärung der Pa­tienten erfolgen und ein Laxans regelhaft verschrieben werden (Tab. 2).
Tabelle 2: Tumorschmerz: Neuzulassungen und kontrovers diskutierte Medikamente.
Medikament oder SubstanzklasseSteckbrief des Autorenteams Subjektive Bewertung des Autorenteams
TapentadolErste Neuzulassung eines synthetischen Opioids seit Jahrzehnten. Dualer Wirkmechanismus durch Wirkung am Opioidrezeptor und gleichzeitiger zentralnervöser Monamino-Reuptake-Inhibition. Stellenwert für die Tumorschmerztherapie noch nicht geklärt. ­Möglicherweise günstiges Wirkprofil bei neuropathischen ­Schmerzen.
Oxycodon /
Naloxon Durch die Zugabe des Opioidantidots Naloxon werden ­gastrointestinale Nebenwirkungen (Obstipation) vermindert.Trotz der Vorzüge sollten die Patienten weiterhin ein Laxans erhalten und bzgl. Opioid-induzierter Obstipation beraten werden. 
Cave: des Wirkstoff ist nicht retardiert schnellere Anflutung als sonstige Retard-Präparate. 
Prinzipiell positiv, aber zwei Probleme: a) Abhängigkeits-Potential, b) Schwierigkeiten bei Rotation auf langsam anflutende Präparate.
Schnelle 
Fentanyle 
«rapid onset 
fentanyl»Das buccal, sublingual oder nasal verabreichte Fentanyl hat im Vergleich zu oralen, nicht-retardierten Opioiden ­einen ­deutlich schnelleren Wirkeintritt.Alternative, vor allem wenn orale Applikation (Schlucken) nicht möglich ist. Nach Autorenmeinung wegen schneller Tachyphylaxieentwicklung und Abbhängigkeitspotential Patienten mit starken Durchbruch­schmerzen und sehr begrenzter Lebenserwartung vorbehalten.
CannabinnoideSynthetisch erzeugtes reines Tetrahydrocanabinol ([THC], Dronabinol) oder Kombinationspräparate aus THC und Canabidiol (CBD) sowie frei verkäufliche CBD-Präparate werden in den Medien zunehmend diskutiert und von Patienten immer häufiger angefragt. THC-haltige Präparte benötigen eine Bewilligung des Bundesamtes für Gesundheit und sind keine Pflichtleistung der Krankenkassen.Valide Daten bzgl. Tumorschmerztherapie sind rar. Bei ausgewählten Patienten können Cannabinoide als Adjunkt eingesetzt werden. Die Indikation und Präparateauswahl sollte im Umgang erfahrenen Anwendern vorbehalten sein. Information des Patienten über ­mögliche hohe Therapiekosten, falls nicht durch die Krankenkasse übernommen.
KetaminVerabreichung i.v., i.m. aber auch transnasal als Spray möglich. Analgetische Wirkung über NMDA-Rezeptor-Antagonismus. Schnelle Anflutung, kein Risiko der Atemdepression, kaum 
Tachyphylaxie bekannt.Reservepräparat, vor allem bei Opioid-refraktären Durchbruchschmerzen. I.v. und i.m. Therapie nur durch erfahrene Anwender. Aufgrund psychotroper Nebenwirkungen, des Abhängigkeitspotentials und möglicher orthostatischer Reaktionen ist eine gute Patientenin­struktion gerade bei der transnasalen Selbstapplikation unerlässlich.
Methadon/
LevomethadonWurden aufgrund ihrer schwer einschätzbaren Pharmakokinetik und somit schlechten Steuerbarkeit trotz potenter Analgesie von anderen Opioiden verdrängt.Nur in speziellen Situationen (z.B. Polytox-Patienten) und durch ­erfahrene Anwender zu indizieren. Da potentiell letale (QT-Zeit-Verlängerung) sowie neuropsychiatrische Nebenwirkungen schon bei niedrigen Dosierungen auftreten, ist von einer begleitenden Therapie als «Krebs»-Medikament aktuell abzuraten.
Pentinoide 
(Pregabalin/
Gabapentin)Wirkstoffe sind GABA-Analoga und binden an spannungsab­hängige Kalziumkanäle. Der genaue Wirkmechanismus ist dabei ungeklärt. Bei neuropathischen Schmerzen aufgrund des besseren Wirkungs-/Nebenwirkungsprofils den Opiaten vorzuziehen.Gerade bei Therapie-induzierten Schmerzen wie Chemotherapie-­induzierte Polyneuropathie sind Pentinoide zu erwägen. Gabapentin scheint in Studien besser verträglich als Pregabalin ­(«number ­needed to harm»: 25,6 vs. 13,9), vgl. auch [5].
AntidepressivaTrizyklische Antidepressiva («numer needed to treat»: 3,6) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer zeigen gute Ergebnisse in der Behandlung neuropathischer Schmerzen. ­Besonders bei den Trizyklika muss die Wirkung auf die QT-Zeit beachtet werden.Sollte sich für ein Antidepressivum zur Schmerztherapie entschieden werden, ist zudem die aktivierende (z.B. Duloxetin) oder sedierende (z.B. Amitriptylin) Nebenwirkung in der Therapie zu berücksichtigen.
Nichtsteroidale Antirheumatika/ 
ParacetamolSie bilden zusammen mit Metamizol die Stufe I des WHO-Stufenschema und stellen nach Meinung der Autoren unter Beachtung der bekannten Nebenwirkungen und Kontraindikationen weiter die Basis der Tumorschmerztherapie dar.
MetamizolMetamizol ist bzgl. analgetischer Potenz vergleichbar zur Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika. Sicher ist es bzgl. Nephrotoxizität und wahrscheinlich bzgl. gastrointestinaler und kardialer Nebenwirkungen überlegen, jedoch fehlen hierzu beweisende Daten. Die häufig diskutierte Agranulozytose ist eine potentiell tödliche, seltene Nebenwirkung der Therapie mit Metamizol. In der Schweiz ist Metamizol nur bei starken Schmerzen als «second line»-Therapie zugelassen. Nach Auffassung der Autoren hat Metamizol unter strenger Indikationsstellung seine Berechtigung in der Schmerztherapie.

Fentanyl

Auch Fentanyl ist im Falle von Nieren- oder Leberinsuffizienz eine mögliche Alternative unter den Opioiden.

Pflaster

Der Wirkeintritt bei erstmaliger Applikation eines transdermalen Systems («Pflaster») beträgt etwa 12 Stunden, Gleiches gilt bezüglich des Abklingens der Wirkung nach Entfernung. Ein Steady-State wird meist nach der zweiten Applikation (144 Stunden) erreicht. Die transdermale Bioverfügbarkeit ist individuell sehr unterschiedlich, was sich im breiten Range der Äquivalenzdosen widerspiegelt (50–150-fach stärker als Morphin p.o). Die Pflaster werden meist alle drei Tage gewechselt. Teilweise ist ein Wechsel bei rascher Resorption schon nach 48 Stunden nötig, was häufig auf die Notwendigkeit einer Dosissteigerung hinweist. Vorteil der transdermalen Applikation sind der gleichmässige Wirkspiegel und die Unabhängigkeit von der oralen Aufnahme («adherence»-Aspekte, Vermeidung weiterer Tabletten). Jedoch ist im Rahmen von Tumorschmerzen und ihrem wechselhaften Verlauf die orale Medikation über retardierte Opioide schneller und besser zu steuern. Da die Resorption über das Fettdepot der Subkutis bei Patienten mit ­Kachexie häufig unzuverlässig wird und die B-Symptomatik mit Nachtschweiss die Haftung des Pflasters beeinträchtigt, ist eine transdermale Applikation in diesen Situationen nicht zu empfehlen. Vorsicht ist geboten (siehe oben) bei der unkritischen Umrechnung des Dosisäquivalentes (Tab. 1), insbesondere bei höheren Dosen.
Fentanyl-Pflaster, Praxis: Eine häufige Einstiegsdosis bei Opioid-naiven Patienten sind 12 μg/h (cave: entspricht 30 mg oralem Morphin-Äquivalent), gelegentlich aber auch 25 μg/h, Dosen über 250 μg/h sind eher ungewöhnlich.

Schnelle Fentanyle

Seit einigen Jahren wird Fentanyl auch buccal, sublingual (Effentora®) oder nasal (in der Schweiz nicht als Ferigprodukt erhältlich, jedoch prinzipiell durch jede Offizinalapotheke herstellbar) für die Reservemedikation zur Behandlung von Durchbruchschmerzen angeboten. Diese schnellen Fentanyle haben den Vorteil des raschen Wirkeintritts (bereits nach 10–15 Minuten). Die Wirkdauer beträgt zirka vier Stunden und ist damit ungefähr gleich lang wie bei Morphin-Tropfen.
Schnelle Fentanyle, Praxis und Patienteninstruktion: Die buccalen Präparate sind häufig sehr aufwendig verblistert, sodass das Öffnen des Medikamentes anhand von Plazebos (von der Firma kostenlos zur Verfügung gestellt) geübt werden sollte. Keinesfalls sollten Tabletten auf Vorrat entblistert werden, da sich das Fentanyl in der Luftfeuchtigkeit auflöst (die Matrix bleibt zurück, dies ist auch im Mund der Fall, sie kann nach spätestens 15 Minuten ausgespuckt werden). Bei Verwendung von nasalem Fentanyl (in der Schweiz prinzipiell durch jede Offizinalapotheke herstellbar) ist es wichtig, die Patienten genau über die korrekte Anwendung zu instruieren, da es sonst häufig zu Fehlgebrauch des Sprühapplikators kommt.
Wichtig: die Dosis des schnellen Fentanyls sollte niemals errechnet, sondern beginnend mit der jeweils niedrigsten verfügbaren Dosis titriert werden (Tab. 2). Aufgrund des schnellen Anflutens des Wirkstoffes und des damit erhöhten Abhängigkeitsrisikos bei nasaler oder buccaler Gabe sollte diese Applikationsform nicht oder nur in Ausnahmefällen bei Patienten eingesetzt werden, die noch eine lange Lebenserwartung oder gar Kuration zu erwarten haben. Es empfiehlt sich die Konsultation oder kollegiale Beratung mit entsprechenden Spezialisten.

Methadon

Methadon und sein aktives Isomer Levomethadon sind sehr wirksame WHO-III-Opioide, unterscheiden sich aber in ihrer Rezeptoraffinität, ihrem Nebenwirkungsspektrum und ihrer komplexen Pharmako­logie grundlegend von anderen Opioiden. In den meisten palliativmedizinischen Leitlinien wird darauf verwiesen, dass Methadon (und Levomethadon) nur von erfahrenen Ärzten eingesetzt werden sollten (Tab. 2).

Diskussion: Methadon als Krebsmedikament

Zurzeit wird die antineoplastische Wirkung von Methadon, vor allem bei gleichzeitiger Gabe von Chemotherapien und bei Glioblastompatienten, besonders in ­populärwissenschaftlichen Kreisen diskutiert. Die zuständigen Fachgesellschaften raten jedoch von der Verwendung ab. Aus Sicht der Autoren dieses Artikels sollte eine Verwendung ausserhalb der Tumorschmerztherapie (bzw. Substitutionsbehandlung) schon aus ethischer Sicht (nihil nocere) nicht erfolgen, da neben den bekannten kardialen Nebenwirkungen in Abwesenheit von Schmerzen vor allem neuropsychiatrische Nebenwirkungen häufig sind.

Buprenorphin

Buprenorphin ist ein Partialantogonist an Opioid­rezeptoren, jedoch wird die vormals beschriebene «ceiling dose» mittlerweile kritisch gesehen und ist im üblichen Dosisbereich der Schmerztherapie irrelevant. Es ist als transdermales System mit bis zu viertägiger (ca. 96 Stunden) Wirksamkeit, in Ampullen- (s.c./i.v.) und sublingualer Form (Bioverfügbarkeit ca. 50%) erhältlich. Da es über den Gastrointestinaltrakt ausgeschieden wird, ist es bei Leber- und Niereninsuffizienz einsetzbar.

Opioide WHO-Stufe-III: Nebenwirkungen und Überdosierungszeichen

Neben Müdigkeit gehören Obstipation und Übelkeit zu den häufigsten Opioid-bedingten Nebenwirkungen. Während die Übelkeit nur beim Einsatz einer für den ­Patienten neuen Substanz vorübergehend für einige Tage zu erwarten ist (vorübergehende Gabe eines Anti-emetikums ist empfohlen), bleibt das Risiko einer Opioid-induzierten Obstipation bestehen, sodass die Pa­tienten zu instruieren sind und regelhaft ein Laxans zu verordnet werden sollte. Weitere häufige Opioid-­bedingte Nebenwirkungen beinhalten Harnverhalt, Mundtrockenheit, Juckreiz und sämtliche anitcholinergen Wirkungen. Typische Überdosierungszeichen sind Bradypnoe (tiefe, seltene Atmung), Myoklonien und ­Benommenheit.

Praxis: Opioidtitration und ­Opioidrotation

Opioidtitration

Bei Patienten mit starken Tumorschmerzen, die bisher keine Opioide erhalten haben oder bei denen ein Sub­stanzwechsel vorgenommen werden soll, kann mit ­unretardierten oralen respektive s.c. oder i.v. Gaben die notwendige Dosis titriert werden.

Opioidrotation

Unter einer Opioidrotation versteht man eine Einstellung auf ein anderes Opioid. Umgerechnet wird in die neue Opioiddosis anhand der entsprechenden Morphin-Äquivalente, da Morphin als Referenzsubstanz gilt. Dabei sollte immer beachtet werden, dass die Umrechnungstabellen empirische Richtwerte darstellen (Tab. 1) und eine Dosisreduktion von 30–50% empfohlen wird (je höher die ursprüngliche Dosis, desto grös­ser die Dosisreduktion).
Beispiel: Bei obiger Patientin mit 250 μg/h Fentanyl t.d. kommt es im Verlauf zu einer massiven Schmerzverstärkung. Sie erachten eine Opiatrotation für sinnvoll und entfernen das Pflaster. Sie haben nun die Möglichkeit, die Dosis des neuen Opiats zu titrieren oder, falls dies nicht umsetzbar ist, rechnerisch zu bestimmen:
– Titration: Morphin i.v. zum Beispiel in 5-mg-Schritten alle 5 Minuten. Sobald die Patientin eine deut­liche Schmerzlinderung erreicht, entspricht die ­Dosis in etwa der Reservedosis. Im Beispiel erreichte die Patientin bei insgesamt 15 mg Morphin i.v. Schmerzlinderung. Daraus errechnet sich die Tagesdosis: 15 mg × 6 (Reserve = 1/6 Tagesdosis) = 90 mg Morphin i.v.
– Rechnerisch: Fentanyl 250 μg/h entspricht Tagesdosis von 200 mg Morphin i.v. Aufgrund der relativ hohen Dosis wird eine Dosisreduktion von 50% empfohlen. Die rechnerisch ermittelte Tagesdosis beträgt 100 mg Morphin i.v.
Die Patientin möchte nach Hause austreten und Sie die Morphin-Applikation auf p.o. rotieren: Die Tagesdosis Morphin 90 (100) mg i.v. entspricht 270 (300) mg Morphin p.o. Unter Berücksichtigung einer Dosisreduktion von ca. 30% können Sie der Patientin eine Tagesdosis von 200 mg Morphin p.o. verschreiben (z.B. Morphin Retard-Tabletten 100 mg p.o. alle 12 Stunden). Ergänzend sollten eine Reserve von 20–30 mg unretardiertem Morphin, ein Antiemetikum (z.B. Haloperidol 3× 0,3 mg p.o.) und ein Laxans rezeptiert werden.

Ergänzende Bemerkungen zur ­Opioidtherapie

Zu bedenken ist, dass nicht sämtliche Schmerzen adäquat mit Opiaten zu behandeln sind. So zeigen zum Beispiel neuropathische Schmerzen nur ein unzureichendes Ansprechen trotz Dosiseskalation. Bei Schmerzpersistenz trotz Dosiseskalation sollte immer auch die Indikation von Koanalgetika erwogen werden (Tab. 2)

Das Wichtigste für die Praxis

• Nicht alle Tumorpatienten haben Schmerzen aufgrund der Erkrankung oder Therapie. Daher sollten die Anamnese und klinische Untersuchung im ersten wichtigsten Schritt potentiell reversible Schmerzursachen ­ausschliessen und nicht-körperliche Ursachen oder Verstärker erfassen («total pain»: körperlich, psychisch, soziale und spirituell). Letztere sprechen nicht auf Opioide an.
• Neben der Einleitung einer medikamentösen Tumorschmerztherapie kann vor allem in frühen Stadien der Erkrankung, aber auch bei peripheren (z.B. Knochen-)Metastasen, eine Schmerzlinderung durch onkologische oder strahlentherapeutische Interventionen bewirkt werden. Basale Grundprinzipien der Tumorschmerztherapie beinhalten die Unterscheidung und bedarfsgerechte Auswahl von Basis- (Dauer-, Regel-) und Reservemedikation. Letztere sollte vom Patienten so oft als nötig bedarfsgerecht (unter Umständen antizipatorisch) eingenommen werden.
• Bei ausgeprägten Schmerzzuständen und vor Opioidrotationen kann eine Opioidtitration eine zügigere Dosisfindung ermöglichen.
• Patienten, die von der eingeleiteten medikamentösen Tumorschmerz­therapie nicht oder nicht ausreichend profitieren, sollten zeitnah die Mitbehandlung durch die spezialisierte Palliative Care (z.B. Palliative Care Ambulanz, Home-Care, Palliativstation) ermöglicht werden, um das volle Potential einer multiprofessionellen Begleitung für die nicht-körperlichen Komponenten der Schmerzen sowie die rasche Augmentation der medikamentösen Schmerztherapie zu gewährleisten.
• Bei Patienten mit vergleichsweise langer Lebenserwartung (mehrere Jahre) sollte aufgrund der Erkenntnisse rund um das Abhängigkeitspotential und die aktuelle «Opioid-Krise» eine Opioidtherapie mit Bedacht eingeleitet werden. Besondere Vorsicht ist hier geboten bei Patienten mit Suchtanamnese, Einsatz von schnellen Fentanylen sowie i.v. Gaben. Diese (Schmerz-)Patienten benötigen häufig die enge, interdisziplinäre Begleitung (z.B. Schmerztherapie, Psycho-Onkologie, Palliative Care).
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
PD Dr. med. Jan Gärtner
Palliativzentrum Hildegard
Sankt Alban Ring 151
CH-4002 Basel
jan.gaertner[at]pzhi.ch
1 Best Practice BIGORIO Empfehlung Durchbruchschmerz palliative.ch. https://www.palliative.ch/de/fachbereich/arbeitsgruppen-standards/best-practice/
2 S3 Leitlinie Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung. Kapitel 6. Tumorschmerz. S. 58ff. AWMF-Registernummer:128/001OL www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/128-001OLl_S3_Palliativmedizin_2015-07.pdf
3 Gaertner J, Stamer UM, Remi C, Voltz R, Bausewein C, Sabatowski R, et al. Metamizole/dipyrone for the relief of cancer pain:
A systematic review and evidence-based recommendations for clinical practice. Palliat Med. 2017;31(1):26–34.
4 Caraceni A, Hanks G, Kaasa S, Bennett MI, Brunelli C, Cherny N, et al. Use of opioid analgesics in the treatment of cancer pain: evidence-based recommendations from the EAPC. Lancet Oncol. 2012;13(2):e58–68.
5 Finnerup N. et al. Pharmacotherapy for neuropathic pain in adults: systematic review, meta-analysis and updated NeuPSIG recommendations. Lancet Neurol. 2015;14(2):162–73.