Nebenwirkungen von onkologischen Immuntherapien
Update 2019

Nebenwirkungen von onkologischen Immuntherapien

Übersichtsartikel
Ausgabe
2019/0910
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2019.08038
Swiss Med Forum. 2019;19(0910):159-163

Affiliations
Luzerner Kantonsspital, Luzern
a Medizinische Onkologie; b Dermatologie; c Notfallzentrum; d Gastroenterologie; e Pathologie; f Endokrinologie; g Hämatologie; h Kardiologie; i Nephrologie; Radiologie; k Rheumatologie; l Pneumologie; m Neurologie

Publiziert am 27.02.2019

2016 stellten wir im SMF Empfehlungen zum Management der häufigsten Nebenwirkungen von Immuntherapien vor. Inzwischen gibt es neue Erkenntnisse, die nicht nur für Onkologen, sondern auch für Grundversorger relevant sind.

Hintergrund

2016 durften wir im Swiss Medical Forum unsere Empfehlungen zum Management der häufigsten Nebenwirkungen von Immuntherapien publizieren [1]. In der Zwischenzeit gibt es neue Erkenntnisse, die nicht nur für Onkologen, sondern auch für Ärzte in der Grundversorgung relevant sind. Diese Erkenntnisse fassen wir im Folgenden kurz zusammen.
Die Verwendung von Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) in der Onkologie nimmt stark zu. Die Liste der zugelassenen Präparate wächst jedes Jahr. Die palliativen Therapieindikationen umfassen neben Melanom und Lungenkarzinom heute auch Hodgkin-Lymphom, Nierenzellkarzinom, Merkelzellkarzinom, Urothelkarzinom, Adenokarzinom des Magens oder des gastro-ösophagealen Überganges sowie Plattenepithelkarzinom im Kopf-Hals-Bereich (Tab. 1). Daneben gibt es Evidenz für den Nutzen einer adjuvanten ICI-Therapie in kurativer Absicht bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Melanom sowie Lungenkrebs.
Tabelle 1: Checkpoint-Inhibitoren.
ZielstrukturAntikörper (Handelsname)Swissmedic-Zulassungen (Januar 2019)
CTLA-4Ipiliumumab (Yervoy®)Melanom
PD-1Nivolumab (Opdivo®)Nichtkleinzelliges Lungenkarzinom, Melanom,Nierenzellkarzinom, klassisches Hodgkin-Lymphom, Plattenepithelkarzinom im Kopf-Hals-Bereich, kolorektales Karzinom mit ­fehlerhafter MMR oder hoher MSI, Urothelkarzinom, Adenokarzom des Magens oder des gastro-ösophagealen Überganges
Pembrolizumab (Keytruda®)Nichtkleinzelliges Lungenkarzinom, Melanom, klassisches Hodgkin-Lymphom, Urothel­karzinom
PD-L1Atezolizumab (Tecentriq®)Nichtkleinzelliges Lungenkarzinom
Avelumab (Bavencio®)Merkelzellkarzinom
Durvalumab (Imfinzi®)Lokal fortgeschrittenes, nichtkleinzelliges Lungenkarzinom nach Chemoradiotherapie
Abkürzungen: CTLA-4 = «cytotoxic T-lymphocyte-associated protein 4»; MMR = «DNA mismatch ­repair»; MSI = «microsatellite instability»; PD-1 = «programmed cell death 1»; PD-L1 = «programmed cell death ligand 1»
Mit fortlaufender Indikationsausweitung steigt auch die Zahl der Patienten mit Immuntherapie-assoziierten Nebenwirkungen («immune-related adverse events» [IRAE]). IRAE unterscheiden sich wesentlich von Chemotherapie-bedingten Nebenwirkungen. Unter ICI sind Alopezie, Erbrechen, Blutbildveränderungen und Infektionen selten, hingegen verursachen ICI ein breites Spektrum an Auto­immunphänomenen, die oft in Kombination auftreten (Abb. 1).
Abbildung 1: Patient mit multiplen, simultanen Immuntherapie-assoziierten Nebenwirkungen (IRAE): Schwellung des Interphalangealgelenks (A) mit entsprechenden Dopplersignalen im Ultraschall (B), Kniegelenkerguss (C) mit hämorrhagischem Synovia­aspirat (D), Pannikulitis der unteren Extremität (E), sowie Hepatitis (nicht abgebildet).
IRAE können nach Beendigung einer ICI-Therapie noch lange persistieren. Aus diesen Gründen werden an ­unserem Spital alle ICI-Therapien von medizinischen Onkologen eingeleitet und überwacht. Wir führen vor jeder ICI-Infusion eine klinische Untersuchung und eine Labor-Untersuchung durch (Tab. 2).
Tabelle 2: Routine-Kontrollen.
UntersuchungEmpfehlung
ZeitpunktVor Therapiebeginn bis 6 Monate über das Therapieende hinaus
IntervallVor jeder Infusion, mindestens einmal pro Monat
AnamneseMüdigkeit, Schmerzen, Hautveränderungen, Juckreiz, Husten, Atemnot, Miktion, Defäkation
StatusBlutdruck, Puls, Gewicht, Integument, Lungenauskultation
LaborHämatogramm, Glukose, Natrium, Kalium, Kreatinin, ALAT, TSH, fT4, Urinstatus mit Sediment
Zusatzunter­suchungenBei Risikopatienten oder Verdacht auf IRAE, in Absprache mit Onkologen und Organspezialisten
Abkürzungen: ALAT = Alanin-Aminotransferase; fT4 = freies Thyroxin; TSH = Thyreoidea-stimulierendes Hormon; IRAE = Immuntherapie-assoziierte Nebenwirkungen.
Den Schweregrad von IRAE beurteilen wir anhand der «Common Terminology Criteria for Adverse Events»(CTCAE) wie sie in klinischen Studien und Richtlinien von europäischen und amerikanischen Fachgesellschaften verwendet werden [2–4]. Bei leichten IRAE (Grad 1 und 2) setzen wir die ICI-Therapie fort, bei mittelgradigen IRAE (Grad 3) pausieren wir sie und bei schwergradigen IRAE (Grad 4) sistieren wir sie in der ­Regel. Bei IRAE Grad 3 und 4 sind wir mit einer Reexposition zurückhaltend. Retrospektive Daten suggerieren zwar einen prognostischen Vorteil für Patienten mit IRAE im Vergleich zu Patienten ohne IRAE, bei einer Reexposition kommt es jedoch meist zu einem Aufflammen der IRAE. Das Risiko von tödlichen (Grad 5) IRAE lag in einer Metaanalyse zwischen 0,3% und 1,2%, je nachdem ob die ICI-Therapie innerhalb einer Studie (tieferes Risiko als ausserhalb) oder als Kombinationstherapie (höheres Risiko als Monotherapie) verabreicht wurde [5].

Neue Daten zu den häufigen Neben­wirkungen

Hautreaktionen sehen wir fast bei jedem Patienten ­unter ICI-Therapie. Meist handelt es sich um diskrete ­Reaktionen mit trockener Haut, was jedoch störenden Pruritus bereiten kann. Wir verschreiben deshalb prophylaktisch eine neutrale Lotion. Bei schwereren Formen sind eine fachärztliche Beurteilung und eine Suche nach IRAE innerer Organe indiziert (Abb. 1). IRAE können verschiedene Hautveränderungen hervorrufen und klassische Hautkrankheiten imitieren. Hautbiopsien machen wir bei Verdacht auf Vaskulitis, Pemphigus und zum Ausschluss von Metastasen. Oft reicht bei leichten Hautreaktionen eine topische Glukokortikosteroidtherapie. Beim Stevens-Johnson-Syndrom sollten neben ­intravenösem Methylprednisolon auch intravenöses Immunglobulin (IVIG) oder Ciclosporin erwogen werden. ICI können zur Exazerbation einer vorbestehenden, autoimmunen Hautkrankheit führen. Bei Exazerbation einer Psoriasis ist eine Therapie mit dem anti-Interleukin-17-Antikörper Secukinumab wirksam, aber vermutlich mit dem Verlust der Tumor­antwort verbunden [6].
Die Pneumonitis tritt regelmässig auf (3–5%) [7]. Radiologisch lässt sie sich kaum von einer Pneumonie oder einer Lymphangiosis carcinomatosa unterscheiden (Abb. 2A). Deshalb besprechen wir alle Patienten interdisziplinär, führen bei mittleren und schwereren Formen eine broncho-alveoläre Lavage (BAL) durch und leiten anschliessend eine empirische (und in der Regel intravenöse Therapie) mit einem Breitspektrum-Antibiotikum und hochdosiertem Glukokortikosteroid ein. Letzteres schleichen wir sehr langsam aus, damit es nicht zum Aufflammen der Pneumonitis kommt. Persönliche Beobachtungen und Angaben in der Literatur zeigen verschiedene zelluläre Reaktionsmuster, es gibt lymphozytäre, neutrophile und Sarkoidose-ähnliche Reaktionen. Am schlechtesten auf Glukokortikosteroide sprechen die neutrophilen Alveolitiden an. Sarkoidose-ähnliche Reaktionen mit hilärer Lymphadenopathie bedürfen bei asymptomatischen Patienten nicht zwingend einer Therapie (Abb. 2 und 3).
Abbildung 2: Pneumonitis und Kolitis. Thorax-Computertomographie mit bilateralen «Milchglas»-Infiltraten bei Pneumonitis (A). Rechtshiläre Lymphadenopathie bei ­Sarkoidose-ähnlicher Entzündungsreaktion (B). Koloskopie mit akut-entzündlichen Schleimhautveränderungen bei zwei Patienten mit Kolitis (C , D).
Abbildung 3: Histo- und Zyto-pathologische Befunde. Transbronchiale Feinnadelpunktion mit epitheloiden Histiozyten bei Sarkoidose-ähnlicher Entzündungsreaktion (A). Autopsie mit Riesenzell-Granulomen bei fataler Myokarditis (B). Nierenbiopsie bei schwerer Nephritis mit interstitiellen Entzündungsinfiltraten, Übersicht (C) und hohe Vergrösserung (D). Kolitis mit vermehrtem Zellgehalt der Mukosa (E) und Vermehrung von CD3-positiven T-Lymphozyten (braun) im Epithel der Krypten (F). 
 AE : Hämatoxylin-Eosin-Färbungen. F : Immunhistochemie für CD3.
Die Kolitis ist unter Ipilimumab häufig (9%), unter PD-(L)1-Inhibitoren jedoch selten (1%) [8]. Wegen potenzieller Perforationsgefahr verzichten wir auf eine komplette Koloskopie und bevorzugen eine Sigmoidoskopie mit Biopsie (Abb. 2 und 3). Glukokortikosteroide wirken meist gut, Infliximab kann die Abheilung der Kolitis beschleunigen und den Kortikosteroidbedarf senken. Die Hepatitis sehen wir auch unter PD-(L)1-Inhibitoren regelmässig (2–5%) [9]. Wegen Blutungsgefahr verzichten wir in der Regel auf eine Leberbiopsie und leiten bei negativer Virusserologie wegen der Gefahr einer fulminanten Entwicklung rasch eine hochdosierte, intravenöse Kortikosteroidtherapie ein. Bei fehlendem Rückgang der Serumtrans­aminasen nach drei Tagen kann zusätzlich orales Mycophenolat-Mofetil erwogen werden (kein Infliximab wegen Lebertoxizität). Gastritis, Pankreatitis und Cholezystitis sind selten.
Rheumatologische IRAE (20%) treten meist auf in Form von milden Arthralgien und Myalgien, die keinen Unterbruch der ICI-Therapie erfordern [10]. Nach unserer Erfahrung sprechen diese IRAE nicht immer gut auf nichsteroidale Antirheumatika (NSAR) und Analgetika an, häufig jedoch auf niedrigdosiertes Prednisolon (10–20 mg/Tag). Schwere, inflammatorische Mono- bis ­Polyarthritiden, polymyalgische Entzündungsbilder, Vaskulitiden, Lupus und Sjögren-/Sicca-Sydrom sind selten. Immunserologische Untersuchungen können diagnostisch weiterhelfen, es sind aber sowohl positive wie negative Formen möglich. Die Synoviaanalyse bestätigt bei hoher Zellzahl die Arthritis (Abb. 1). Im gleichen Schritt kann bei mono- bis oligoartikulären arthritischen Befunden eine intraartikuläre Steroidinjektion eingesetzt werden. Bei steroidrefraktären Arthritiden scheinen sich Tocilizumab und Infliximab als Biologika neben Methotrexat zu etablieren [11].
Renale IRAE sind häufiger (3–9%) als früher angenommen, weshalb wir routinemässig Laborkontrollen durchführen [12]. Es wurden sowohl akute als auch verzögerte Nephritiden beschrieben. Eine Nierenbiopsie hilft, die Verdachtsdiagnose zu bestätigen. Kortikosteroide sind oft wirksam, Daten zu anderen Immunsuppressiva sind beschränkt.
Endokrine IRAE sind häufig (je nach Organmanifestation bis 20%) und wir verweisen auf einen früheren ­Artikel unserer Endokrinologie [13]. Die häufigste Form ist die Schilddrüsenfunktionsstörung (Hypothyreose/Hyperthyreose), die oft schleichend verläuft. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um eine destruktive Thyreoiditis mit entzündlicher Freisetzung von Schilddrüsenhormonen und Hyperthyreose. Im Verlauf entwickelt sich daraus typischerweise eine Hypothyreose, die substituiert werden muss. Thyreostatika wie Carbimazol sind in diesen Fällen wirkungslos und sollen nicht eingesetzt werden. Symptome der Hyperthyreose (Schwitzen, Palpitationen) werden erfolgreich mit einem Betablocker behandelt. Da wir unter ICI-Therapie routinemässig TSH und fT4 messen, entdecken wir die Thyreoiditis meist in einem frühen, subklinischen Stadium. Die gleichzeitige Bestimmung von TSH und fT4 kann in der weiteren Differentialdia­gnose hinsichtlich der zentralen Form der Hypothyreose (sekundäre Hypothyreose bei Hypophysitis) entscheidende Hinweise liefern. Die Bestimmung der Anti-TSH-Rezeptorantikörper (TRAK) und Anti-TPO-Antikörper erlaubt die Diagnose einer autoimmun-vermittelten Genese der Schilddrüsenfunktionsstörung (z.B. Morbus Basedow). Die Hypophysitis und sehr selten auch die Adrenalitis sehen wir typischerweise unter Ipilimumab. In wenigen Fällen sind auch Erstmanifestationen eines Typ-1-Diabetes unter immunmodulierender Therapie beschrieben. Im Gegensatz zu letzterer Erkrankung, die meist mit klinischen Zeichen der Hyperglykämie (Polyurie, Polydipsie, Gewichtsverlust) einhergeht, können Hypophysitis und Adrenalitis unspezifische Symptome (Übelkeit, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Leistungsknick) verursachen. Die entsprechenden Laborkontrollen bei Verdacht sollten nach Rücksprache mit dem Endokrinologen erfolgen. Basale Kortisolwerte können Hinweise auf eine Nebennierenrindeninsuffizienz liefern, häufig ist eine dynamische Testung mittels Synacthen®(Tetracosactid)-Test notwendig.

Seltene, aber gefährliche Nebenwirkungen

Neurologische IRAE (3%) verlaufen meist leichtgradig und mit unspezifischen Symptomen wie Kopfschmerzen, Dysgeusie und Sensibilitätsstörungen. Schwere Formen wie Myasthenie, Meningitis, Enzephalopathie und Guillain-Barré-Syndrom kommen gehäuft vor bei Patienten mit vorbestehenden Autoimmunkrankheiten, Thymusneoplasien oder ICI-Kombinationstherapien. Diese IRAE können fulminant verlaufen und müssen mittels Magnetresonanztomografie (MRT) und Liquorpunktion rasch abgeklärt werden. Wir verwenden den diagnostischen Algorithmus aus Paris, hochdosierte Glukokortikosteroide sind indiziert, zusätzlich können IVIG oder eine Plasmapherese eingesetzt werden [14]. Okuläre IRAE sind selten und meist leichtgradig (trockene Augen oder Uveitis).
Kardiale IRAE (1%) umfassen Myokarditis, Vaskulitis, Ischämie, Arrhythmie und Perikarditis [15]. Die Myokarditis tritt typischerweise früh auf, verläuft fulminant und hat eine hohe Mortalität von 40–50% [16]. Sie wird oft begleitet von einer Entzündung der Skelettmuskulatur (Myositis) und ist gehäuft unter ICI-Kombinationstherapien, weitere Risikofaktoren sind nicht bekannt. Im Gegensatz zu anderen Formen der Myokarditis kann die linksventrikuläre Auswurffraktion bei der Immuntherapie-assoziierten Myokarditis normal sein, was nicht fehlinterpretiert werden darf [17]! Ein erhöhter Troponinwert ist mit einer schlechten Prognose assoziiert und eignet sich wie das «brain natriuretic peptide» (BNP) als Verlaufsmarker. Die Biopsie wäre zwar diagnostisch, ist aber selten sofort durchführbar und die Glukokortikosteroidtherapie darf dadurch nicht verzögert werden.
Hämatologische IRAE (<1%) können einzelne oder mehrere Zellreihen betreffen. Am häufigsten ist die Immunthrombozytopenie (ITP), je nach Schweregrad gefährlich wegen des Blutungsrisikos. Die Abklärung erfolgt durch den Facharzt und beinhaltet oft auch eine Knochenmarkuntersuchung zum Ausschluss anderer Ursachen. Glukokortikosteroide sind meist wirksam, bei schweren Formen ergänzt durch Rituximab oder IVIG.

Besondere Patientengruppen

Patienten mit fortgeschrittenem Alter, Organdysfunktionen oder Autoimmunkrankheiten waren in den ICI-Zulassungsstudien untervertreten, sind aber im klinischen Alltag häufig. Entsprechend wächst bei diesen Gruppen der Wissenszuwachs in der Postmarketing-Periode kontinuierlich. Retrospektive Daten zeigen, dass ICI-Therapien von älteren Patienten nicht schlechter (aber auch nicht besser) toleriert werden als von jüngeren Patienten [18]. Eine vorbestehende Antibiotika- oder Glukokortikosteroidtherapie korreliert möglicherweise mit einer reduzierten Tumorwirkung von ICI [19, 20]. Bei längerer Glukokortikosteroidgabe verordnen wir prophylaktisch Cotrimoxazol und Calcium/Vitamin-D3. Zusätzlich einen Protonenpumpenhemmer, falls gleichzeitig ein NSAR gegeben wird. Impfungen dürfen unter einer ICI-Therapie durchgeführt werden [21].
Vorbestehende Autoimmunkrankheiten sind keine Kontraindikation für eine ICI-Therapie [22, 23]. Weil das Risiko sowohl für eine Reaktivierung der autoimmunen Vorerkrankung wie für andere IRAE erhöht ist, informieren wir die Patienten vorgängig und überwachen sie engmaschig. Patienten mit chronischer Hepatitis-B- oder HIV-Infektion sollten vor ICI-Therapie eine antivirale Behandlung erhalten [24, 25]. Erfahrungen bei Patienten mit Hepatitis C sind beschränkt, weshalb auch hier ein erfahrener Facharzt beigezogen werden muss (vor Beginn einer ICI-Therapie). Bei Patienten mit durchgemachter Tuberkulose ist eine antibiotische Abschirmung zu diskutieren [26]. Organtransplantierte Pa­tienten haben unter PD-(L1)-Inhibitoren ein Risiko von bis zu 100% für eine Abstossung des Transplantates [27]. ­PD-(L)1-Inhibitoren sind deshalb bei organtransplantierten Patienten kontraindiziert. Mit dem zuständigen Transplantationszentrum muss eine Therapie­alternative erwogen (Ipilimumab scheint etwas sicherer zu sein) und gegebenenfalls eine prophylaktische Immunsuppression diskutiert werden. ICI sind kontraindiziert während der Schwangerschaft sowie bei Frauen im gebärfähigen Alter ohne sichere Kontrazeption. Jüngeren Frauen, die eine einjährige, adjuvante ICI-Therapie erhalten, empfehlen wir mindestens ein Jahr über das Therapieende hinaus eine sichere Verhütungsmethode anzuwenden.

Das Wichtigste für die Praxis

• Bei onkologischen Patienten mit neuen Symptomen stets an Immuntherapie-assoziierte Nebenwirkungen (IRAE) denken und mit den behandelnden Onkologen Kontakt aufnehmen.
• Tumorprogress bildgebend ausschliessen (gilt vor allem bei neurologischen, pulmonalen und abdominalen Problemen).
• Bei Verdacht auf IRAE sofort handeln.
• Immuntherapie pausieren, Spezialisten einbeziehen, grosszügig Kortikosteroide geben und Patient engmaschig nachkontrollieren oder sogar hospitalisieren.
• Schwere und unerwartete Nebenwirkungen an das Pharmacovigilance-Zentrum melden.
Wir danken Dr. med. J. Wey (Praxis für Innere Medizin, Sursee) und Prof. Dr. med. C. Henzen (Departementsleiter und Chefarzt Medizin am Luzerner Kantonsspital) für die Durchsicht des Manuskripts.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Prof. Dr. med. Oliver Gautschi
Universität Bern und ­Kantonsspital Luzern
CH-6000 Luzern
oliver.gautschi[at]luks.ch
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