Plasmespin IX und Plasmespin X: Zielproteasen im Kampf gegen Malaria
Ist «the magic bullet» gefunden?

Plasmespin IX und Plasmespin X: Zielproteasen im Kampf gegen Malaria

Aus der Forschung
Ausgabe
2019/1112
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2019.08072
Swiss Med Forum. 2019;19(1112):192-195

Affiliations
a Département de Microbiologie et Médecine Moléculaire, Faculté de Médecine de l’Université de Genève; b Institut für Zellbiologie, Universität Bern

Publiziert am 13.03.2019

Mit der Identifizierung zweier Schlüsselproteasen im Lebenszyklus der Malariaparasiten sowie einer vielversprechenden Hemmsubstanz scheint «the magic bullet» gegen Malaria gefunden.

Hintergrund

Weltweit leiden mehr als 200 Millionen Menschen an Malaria und fast eine halbe Million Menschen sterben jedes Jahr daran, hauptsächlich in Afrika südlich der ­Sahara. Das erinnert uns daran, dass Malaria auch heute noch ein grosses Problem der öffentlichen Gesundheit ist. Beim Menschen entsteht die Krankheit durch eine oder mehrere der folgenden fünf Parasitenspezies: Plasmodium (P.) falciparum, P. vivax, P. ovale, P. malariae und P. knowlesi. Die Primärinfektion ist meist durch fieberhafte Attacken gekennzeichnet, die dann rhythmisch wiederkehren, weshalb man auch von «Wechselfieber» spricht. Die Symptomatik der Malaria ist aber wenig charakteristisch: Fieber, Kopfschmerzen, starke Schmerzen, Verdauungsstörungen, Hepatosplenomegalie etc. Wegen der unspezifischen Symptome kommt es immer wieder zu fatalen Fehldia­gnosen.
Eine P. falciparum-Infektion kann nämlich jederzeit und innerhalb weniger Stunden zu einer tödlichen neuronalen Malaria führen. Das Phänomen ist meist dramatisch, mit hohem Fieber (40–41 °C), gefolgt von einem Koma mit neurologischen Symptomen: Krämpfe, Hypotonie, Unterdrückung von Reflexen und starke Hirnschmerzen. Die Prognose dieser Malaria-Enzephalopathie oder zerebralen Malaria hängt vor allem mit dem frühen Beginn der Behandlung zusammen. Wird diese frühzeitig durchgeführt, sind Fälle schneller Genesung ohne Folgen möglich, bei verspäteter Behandlung kann die Letalität 50% erreichen. Eine fehlende Behandlung hat unausweichlich den Tod zur Folge.
Die Infektion des Menschen beginnt mit dem Stich ­eines infizierten Anopheles-Moskitos. Sogenannte Sporozoiten, die im Speichel der Mücke enthalten sind, werden dabei in die Haut injiziert. Die Parasiten gelangen zunächst in die Blutbahn und dann innerhalb von Minuten in die Leber. Einmal in Kontakt mit Hepatozyten dringt ein Sporozoit schnell in eine Zelle ein und beginnt eine klinisch unauffällige Leberphase. Bei ­­­P. falciparum-Infektionen entwickelt sich ein Leberparasit, der in einer parasitären Vakuole residiert, zu einer riesigen, vielkernigen Parasitenmasse, dem Schizonten (Abb. 1). Dieses Parasitenstadium überschreitet bei Weitem die ursprüngliche Grösse der Hepatozyten und bildet dann Tausende von Tochter-Merozoiten, die die infektiöse Form für Erythrozyten darstellen (Abb. 2). Nach dem Aufreissen der parasitophoren ­Vakuolenmembran werden kleine, mit Merozoiten gefüllte Vesikel von der infizierten Zelle in den Blutkreislauf abgegeben (Abb. 2), wo diese Vesikel dann platzen und die Merozoiten freigeben. Diese wiederum befallen sofort die roten Blutzellen und damit beginnt der Erythrozytenzyklus.
Abbildung 1: Lebendmikroskopie eines Hepatozyten (grün), der von einem Plasmodiumparasiten (rot) befallen ist. Es ist sehr gut zu erkennen, dass der Parasit sich in einer Vakuole befindet.
Abbildung 2: Schematische Darstellung des Entwicklungszyklus der Plasmodien und der durch die Verbindung 49c gehemmten Schritte.
Der Zyklus in den Erythrozyten dauert bei P. falciparum-Infektionen etwa 48 Stunden und führt zur Bildung von 16 bis 32 Merozoiten. Während der Invasion setzen am vorderen Pol des Merozoiten gelegene Sekretvesikel jeweils ihren Inhalt frei. Dies ist ein wesentlicher Schritt für die Bildung der parasitophoren Vakuolenmembran, die durch Umbau und Veränderung der Zusammensetzung aus der Erythrozytenmembran gebildet wird. AMA1 ist ein Beispiel für ein vom Parasiten sezerniertes Protein, das eine wichtige Rolle bei der Invasion spielt. Schliesslich werden die parasitophore Vakuolenmembran und die Erythrozytenmembran durch ­einen aktiven Mechanismus (Abb. 2), der mehrere Proteasen und wahrscheinlich Lipasen und Perforine umfasst, aufgebrochen, die Merozoiten werden freigesetzt und ein neuer Invasionszyklus beginnt. Die Entwicklung der Malariaparasiten umfasst auch eine Phase der sexuellen Differenzierung (Abb. 2), die beim Menschen mit der Produktion von männlichen und weiblichen Gametozyten beginnt und sich in den Mücken mit ­deren Reifung zu männlichen und weiblichen Keimzellen fortsetzt.
Es gibt vor allem zwei Gründe, warum es mit den heutigen Medikamenten nicht gelungen ist, die Malaria nachhaltig zu bekämpfen: das Auftreten von Resistenzen und die Tatsache, dass diese Medikamente die Übertragung nicht verhindern.
Menschen, die in Endemiegebieten leben, entwickeln eine natürliche Immunität; wenn sie mit dem Parasiten infiziert sind, leiden sie nur an einer milden Form der Krankheit. Wenn infizierte Menschen jedoch wieder von einer Mücke gestochen werden, können sie den Parasiten auf diese übertragen und sie zu einem Malariavektor machen. Im Idealfall würde «the magic bullet», also das ideale Malariamedikament, sowohl die erythrozytären Stadien als auch die Leberstadien, aber eben auch die Übertragung zwischen Moskito und Mensch blockieren.
Proteasen im Allgemeinen und Aspartatproteasen im Besonderen sind Hauptziele der Chemotherapie gegen Pathogene. P. falciparum verfügt über ein Repertoire von zehn Aspartatproteasen, sogenannten Plasmepsinen, sowie mehreren anderen Proteasefamilien wie Serin-, Cystein- oder Metalloproteasen. Proteasen wirken wie molekulare Scheren, die durch Schneiden bestimmter Proteine deren Reifung oder Aktivierung ermöglichen. Es ist seit Langem bekannt, dass die proteolytische Aktivierung von Proteinen eng mit dem Phänomen der Invasion der roten Blutkörperchen verbunden ist und ebenfalls, nach der Vermehrung der Parasiten, bei der Freisetzung aus der infizierte Zelle. Obwohl eine proteolytische Aktivität festgestellt werden kann, sind die verantwortlichen Proteasen allerdings oft unbekannt.

Achillesferse des Plasmodium-Parasiten

In einer vom Schweizer Nationalfonds geförderten Studie [1]1 interessierten wir uns für zwei Aspartatproteasen, die Plasmepsine IX und X (PMIX und PMX) des Plasmodium-Parasiten. Durch genetische Manipulationen und biochemische Ansätze haben wir ihre Funktion erforscht. Parallel dazu untersuchten wir die Spezifität des von der Firma Actelion entwickelten Aspartatproteasehemmers 49c. Es war schon bekannt, dass dieses Molekül eine starke Anti-Malaria-Aktivität hat und in vitro bei einer Konzentration von 0,6 nM 50% aller Parasiten nach 72 Stunden ­tötet. Da es aber eine eingeschränkte Aktivität nach 24 Stunden aufweist, wurde die Forschung mit diesem Molekül von anderen Arbeitsgruppen aufgegeben. Wir haben die Wirkungsweise von 49c neu überprüft und PMIX und PMX als seine Zielproteasen identifiziert und im Detail analysiert. Wir konnten zunächst zeigen, dass 49c sowohl die Invasion der Plasmodium-Blutstadien als auch ­deren Freisetzung aus den roten Blutkörperchen blockiert (Abb. 2). Der Inhibitor wirkt zwischen drei und fünf Stunden vor der Freisetzung der Parasiten und verhindert die Prozessierung und Aktivierung der vom Parasiten ausgeschiedenen Schlüsselmoleküle. Insbesondere hemmt 49c die Aktivierung der Parasitenproteine PfAMA1 und PfSUB1-Subtilase und blockiert damit die Invasion respektive die Freisetzung der Parasiten aus den roten Blutkörperchen.
Nach diesem ersten Erfolg wurde PMIX durch genetische und biochemische Ansätze weiter charakterisiert. Es wurde ein transgener Stamm von P. falciparum ­generiert, in dem die PMIX-Expression ein- und ausgeschaltet werden kann. Damit war es möglich, den Phänotyp der transgenen Parasiten nach dem Ausschalten der PMIX-Expression zu untersuchen. Dieser Ansatz hat gezeigt, dass PMIX für den Lebenszyklus des Parasiten unerlässlich ist. In Abwesenheit von PMIX erscheint die Entwicklung im Erythrozyten zwar zunächst normal, aber die produzierten Merozoiten können trotz normaler Morphologie nicht in neue Erythrozyten eindringen. Ähnliche Ergebnisse wurden gleichzeitig von ­einem anderen Forschungsteam erzielt [2] und beide Studien wurden in führenden Fachjournalen als Durchbruch in der Malariaforschung diskutiert [3, 4].
Auf biochemischer Ebene ist es uns zudem gelungen, die beiden Proteasen PMIX und PMX in ihrer aktiven Form in einem In-vitro-Expressionssystem herzustellen. Mit diesen rekombinant hergestellten Proteasen konnten wir eindeutig zeigen, dass sie durch die 49c-Verbindung spezifisch gehemmt werden. Diese biochemischen Tests erlaubten es uns ausserdem, die Sub­strate für diese beiden Proteasen zu validieren: PMIX ist direkt an der Prozessierung und damit der Reifung der beiden Parasitenproteine AMA1 und RAP1 beteiligt, die beide in speziellen Sekretionsorganellen gespeichert werden. PMX aktiviert dagegen direkt die SUB1-Protease, die bis zum Gebrauch in anderen Organellen gelagert wird.
So haben beide Ansätze gezeigt, dass PMIX für die Invasion von Parasiten unerlässlich ist und dass die PMX-Aktivität für die Invasion und den Austritt von roten Blutkörperchen entscheidend ist.
Wie bereits erwähnt, ist das Blockieren der Übertragung des Parasiten ein entscheidender Schritt für die Ausrottung der Malaria. Für die Untersuchungen der Übertragung der sexuellen Parasitenformen vom Säugerwirt auf den Moskito und bei der Sporozoitenübertragung vom Moskito auf den Säugerwirt haben wir den Mausmodellorganismus der Malaria, P. berghei, genutzt, der leicht im Labor untersucht werden kann. Wie bei P. falciparum-Kulturen führt eine 49c-Behandlung von mit P. berghei infizierten Mäuse zur schnellen Eliminierung der Parasiten und zu einer vollständigen Heilung der Mäuse. Mit diesem Modell konnten wir bestätigen, dass 49c die Übertragung des Parasiten von seinem Säugetierwirt auf die Mücke blockiert (Abb. 2). Tatsächlich sind die in vivo produzierten Gametozyten bei Mäusen, die mit 49c behandelt wurden, nicht aktivierbar und können daher den Entwicklungszyklus nicht fortsetzen.
Schliesslich konnten wir mit dem Malaria-Mausmodell eine Aktivität der 49c-Verbindung auf die Leberstadien des Parasiten überprüfen. Wir konnten zeigen, dass sich die Tochterparasiten in Anwesenheit des Inhibitors zwar zunächst normal entwickelten, aber am Ende ihrer Entwicklung ihre Wirtszellen nicht verlassen können, ganz ähnlich, wie wir das schon für andere Parasitenstadien beobachtet hatten. Die infizierten ­Leberzellen werden letztendlich dann vom Immunsystem eliminiert. Diese letzte Beobachtung eröffnet eine sehr attraktive Perspektive in Bezug auf eine Impfung gegen Malariainfektionen: zum ersten Mal können wir die letzte Phase der ansonsten normalen Leberentwicklung blockieren, so dass dem Immunsystem Zeit bleibt, eine effektive Reaktion gegen die Leberstadien auf­zubauen. Im Gegensatz zur Verwendung abgeschwächter Parasiten als Lebendimpfstoff, die früh während der Leberentwicklung absterben, hätte dieser Ansatz den Vorteil, dass die Parasiten die ganze Entwicklung in der Leberzelle durchlaufen, was die Aktivierung ­einer optimalen Immunreaktion verspricht.

Zusammenfassung

Zusammenfassend konnten wir durch unsere funktionellen und biochemischen Experimente klar zeigen, dass PMIX und PMX absolut essentiell für den Parasiten sind. Dank der spezifischen Wirkung von 49c konnten wir zeigen, dass diese beiden Proteasen für die Invasion und die Freisetzung verschiedener Parasitenstadien aus ihren Wirtszellen im Erythrozyten-, Leber- und ­Mückenstadium essentiell sind (Abb. 2). Die Hemmung von PMIX und PMX verhindert das Auftreten von Krankheitssymptomen, heilt infizierte Tiere und verhindert die Übertragung des Erregers. Die 49c-Verbindung hemmt sowohl PMIX- als auch PMX-Enzyme in extrem niedrigen Dosen. Es ist zudem bemerkenswert, dass in unseren Experimenten keine Resistenzbildung gegen 49c beobachtet wurde, was eine wichtige ­Voraussetzung für die Entwicklung eines erfolgreichen Medikamentes ist. Ähnlich wie bei einer dualen Therapie reduziert die Tatsache, dass dieser Inhibitor zwei Enzyme gleichzeitig blockiert, die Wahrscheinlichkeit erheblich, dass beide Gene zur selben Zeit ­Resistenzmutationen entwickeln. Wir haben also ­offensichtlich eine besonders empfindliche Achillesferse des Plasmodium-Parasiten entdeckt. Es scheint, dass wir mit der Verbindung 49c «the magic bullet» gegen Malaria gefunden haben. Allerdings gilt es jetzt, diese Verbindung noch zu optimieren, so dass sie auch allen Anforderungen für ein wirksames Medikament gerecht wird. Dabei geht es vor allem darum, den schnellen Abbau der Verbindung zu verhindern, um deren Konzentration im Blut hoch zu halten und ihre Verfügbarkeit in infizierten Zellen zu erhöhen, was durch das Anhängen von hydrophoben (wasserabweisenden) Seitengruppen erreicht werden könnte. Das wird sicher noch einige Zeit in Anspruch nehmen, aber die beiden Proteasen als Zielmoleküle für einen höchst wirksamen Einsatz gegen die Malaria anzugreifen, ist durch unseren Ansatz sehr aussichtsreich.
Die Ergebnisse dieser Studie eröffnen aber noch ganz neue Dimensionen, weil sie auch eine grosse Bedeutung im Kampf gegen andere Parasiten haben können. Plasmodien gehören zur Gruppe der Apikomplexa, ­einer Klasse von Parasiten, die ein breites Spektrum von Wirten infizieren können, einschliesslich verschiedener Krankheitserreger von Mensch und Tieren. So wurde schon beim weit verbreiteten humanen Parasiten Toxoplasma, Verursacher der Toxoplasmose, eine ähnliche Aspartatprotease gefunden, die ebenfalls für die Übertragung des Parasiten und damit dessen ­Verbreitung wichtig ist [5]. Die identifizierte Protease kann ebenfalls hoch spezifisch durch 49c gehemmt werden und blockiert damit die Verbreitung des Parasiten. Da Toxoplasma, im Gegensatz zu Plasmodium, interessanterweise nur eine 49c-sensitive Protease ­besitzt, ist es nun viel leichter möglich, resistente Parasiten zu erzeugen, was uns hilft, den Wirkungsmechanismus der Proteasen noch besser zu verstehen [6].
Wir möchten der Firma Carigest für die Unterstützung des Projektes danken. Unser Dank gilt ausserdem Frau Monique Wehrle-Haller für die kritische Durchsicht des Manuskriptes und die Übersetzung ins Französische.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Prof. Dr. rer. nat.
Volker Heussler
Institut für Zellbiologie
Universität Bern
Baltzerstrasse 4
CH-3012 Bern
volker.heussler[at]izb.unibe.ch
1 Pino P, Caldelari R, Mukherjee B, Vahokoski J, Klages N, Maco B, et al. A multi-stage antimalarial targets the plasmepsins IX and X essential for invasion and egress. Science. 2017;27;358(6362):522–8.
2 Nasamu AS, Glushakova S, Russo I, Vaupel B, Oksman A, Kim AS, et al. Plasmepsins IX and X are essential and druggable mediators of malaria parasite egress and invasion. Science. 2017;27;358(6362):518–22.
3 Boddey JA. Plasmepsins on the antimalarial hit list. Science. 2017;27;358(6362):445–6.
4 Paul AS, Duraisingh MT. Targeting Plasmodium Proteases to Block Malaria Parasite Escape and Entry. Trends Parasitol. ­2018F;34(2):95–7.
5 Dogga SK, Mukherjee B, Jacot D, Kockmann T, Molino L, Hammoudi PM, et al. A druggable secretory protein maturase of Toxoplasma essential for invasion and egress. eLife 2017;6:e27480.
6 Mukherjee B, Tessaro F, Vahokoski J, Kursula I, Marq JB, Scapozza L, Soldati-Favre D. Modeling and resistant alleles explain the selectivity of antimalarial compound 49c towards apicomplexan aspartyl proteases. EMBO J. 2018;3;37(7). pii: e98047.