Infektionskrankheiten und Impfungen bei Asylsuchenden
Update 2019 für die Praxis

Infektionskrankheiten und Impfungen bei Asylsuchenden

Übersichtsartikel
Ausgabe
2019/2324
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2019.08081
Swiss Med Forum. 2019;19(2324):386-390

Affiliations
a Medizinische Universitätsklinik und Infektiologie & Spitalhygiene, Kantonsspital Baselland, Bruderholz, Universität Basel; b Gemeinschaftspraxis FMH Innere Medizin und Zentrumsärztin Bundesasylzentrum, Muttenz, BL; c Bundesamt für Gesundheit (BAG), Abteilung Übertragbare Krankheiten, Bern

Publiziert am 05.06.2019

2018 wurden nationale Richtlinien zur Detektion und zum Management von Infektionskrankheiten, die in Asylzentren zu Ausbrüchen führen können, erarbeitet.

Einleitung

Im Dezember 2016 durften wir im Swiss Medical Forum die Empfehlungen unserer Expert(inn)engruppe zu Infektionen und Impfungen bei Asylsuchenden in der Schweiz präsentieren [1–2]. Seither gab es in diesem Bereich einige wichtige Neuerungen, die wir hier für die Hausärzte zusammenfassen möchten. Grundlage dieses Artikels bildet ein Mandat des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), das einer von uns (PT) 2017 zur Erstellung von nationalen Richtlinien betreffend Empfehlungen für Impfungen sowie zur Verhütung und zum Ausbruchsmanagement von übertragbaren Krankheiten entgegennehmen durfte [1].

Paradigmenwechsel bei neuem Epidemiegesetz und neuer Epidemienverordnung

Bisher standen beim Management von übertragbaren Krankheiten bei Asylsuchenden die Verhinderung der Krankheitseinschleppung in die Schweiz im Vordergrund, die sogenannten «grenzsanitätsdienstlichen» Massnahmen. Diese zielten primär auf das Erkennen von Tuberkulose und dem Anbieten einiger grundlegender Informationen zur HIV-Prävention ab (Zusammenfassung in [1]). Im Rahmen des neuen Epidemiengesetzes1, welches per 1.1.2016 in Kraft trat, kann der Bund neu Institutionen, die eine besondere Pflicht zum Schutz der Gesundheit von Menschen in ihrer Obhut haben, zur Durchführung geeigneter Verhütungsmassnahmen verpflichten [2]. Dazu gehören auch Asylsuchende in Gruppenunterkünften des Bundes oder der Kantone. In der neuen Epidemienverordnung wird zudem die Sicherstellung des Zugangs zu geeigneten Verhütungsmassnahmen von Infektionskrankheiten (geeignete Informationen, Präservative zur Verhinderung von Geschlechtskrankheiten, Impfungen) verlangt. Diese Neuerungen stellen in der Schweiz einen eigentlichen Paradigmenwechsel dar.

Massnahmen zur besseren medizinischen Versorgung der Asylsuchenden

Mit Inkraftsetzung des Epidemiengesetzes beauftragte der Bundesrat das BAG, gemeinsam mit dem Staats­sekretariat für Migration (SEM) und den involvierten kantonalen Stellen ein Konzept zu erarbeiten und umzusetzen, aufgrund dessen der Schutz der Asylsuchenden (und der Bevölkerung) vor übertragbaren Krankheiten gewährleistet werden kann. In einer Analyse im Auftrag des BAG2 wurde im Februar 2017 festgestellt, dass es in den Asylzentren des Bundes und der Kantone in den letzten Jahren wenig Probleme mit Infek­tionskrankheiten gab. Allerdings gab es bisher kein systematisches Vorgehen bezüglich der Prävention und Früherkennung von übertragbaren Krankheiten. Die den Asylsuchenden angebotenen Informationen waren limitiert und von Zentrum zu Zentrum nicht einheitlich. Ebenfalls uneinheitlich war das Impfangebot auf Ebene der Kantone (auf Ebene des Bundes nur für Kinder bis zu 6 Jahren). In der Analyse wurde gefolgert, dass die «Mehrheit der untersuchten Kantone (…) auf klare Vorgaben des Bundes» warten, wie die Impfung der Asylsuchenden in den Bundeszentren und die Fortsetzung der Impfungen auf Kantonsebene erfolgen soll, was die Vorbereitung auf potenzielle Ausbrüche von übertragbaren Krankheiten und die Rollen- und Aufgabenteilung zwischen den Akteuren betrifft. Zudem fehle in den Asylzentren die notwendige «Infrastruktur für eine effektive Isolation».

Neue Richtlinien für die am ehesten zu Ausbrüchen führenden Infektionserregern

Die nationalen Richtlinien wurden im November 2018 publiziert und im Mai 2019 aktualisiert3. Sie fokussieren primär auf diejenigen sieben Erreger, die im Asylbereich am ehesten Ausbrüche verursachen können: Meningokokken (s. Beispiel S1 im Online-Appendix des Artikels), Masern, Varizellen (und Herpes Zoster), Skabies, Diphtherie, Tuberkulose und Pertussis. Die nationalen Richtlinien sind mit den aktuell geltenden Empfehlungen des BAG harmonisiert; wir durften bei der Fertigstellung der Richtlinien vom ­Input einer Reihe von nationalen Expert(inn)en aus der Infektiologie, Migrationsmedizin, Pneumologie, Pflege, Spitalhygiene und der öffentlichen Gesundheit profitieren.
Die Angst der Bevölkerung, dass Asylsuchende unbekannte oder schwerwiegende Infektionskrankheiten einschleppen könnten, ist grösstenteils unbegründet [1]. Im Gegenteil, oft sind es die Asylsuchenden, welche einem erhöhten Erkrankungsrisiko ausgesetzt sind. Grund hierfür sind tiefere Infektionsraten (d.h. tiefere Seroprävalenz) in den Herkunftsländern (z.B. Varizellen), tiefere Impfraten (z.B. Masern) oder die endemische Verbreitung gewisser Erreger (z.B. latente Infektion mit Mycobacterium tuberculosis), die auch erst nach Ankunft in der Schweiz manifest werden können. Zudem herrschen in den Asylzentren oft enge räumliche Verhältnisse, welche die Ausbreitung von Infektionser­regern begünstigen können. Dazu gehören schwerwiegende (z.B. Meningokokken-Meningitis, Diphtherie) sowie harmlose, aber hochansteckende Krankheiten, bei denen die Früherkennung zentral ist (z.B. Skabies). Einige dieser Erkrankungen sind in der Schweiz seit Jahrzehnten ausgerottet (z.B. respiratorische Diphtherie) bzw. relativ selten geworden (z.B. Masern); daher sind die klinische Präsentation den behandelnden, insbesondere den jungen Pflegenden und Ärzte oft nur aus Lehrbüchern bekannt.

Klare Festlegung der Verantwortlichkeiten bei einem Infektionsausbruch

Bei der Formulierung der Richtlinien und deren konkreten Umsetzung im Asylzentrum richteten wir uns in erster Linie an Pflegefachpersonen und explizit nicht an das nicht-medizinische, z.B. Sicherheitspersonal. Denn die Pflegenden sind in den Zentren bei Gesundheits­fragen in der Regel die ersten Ansprechpartner für die Asylsuchenden. Sie sind häufiger vor Ort anwesend als die zuständigen Ärzte, die im Asylzentrum meist nur eine Teilzeittätigkeit ausüben, neben ihrer üblichen haus- oder spitalärztlichen Tätigkeit. Die formulierten Richtlinien enthalten konkrete Massnahmen und sind ergänzt durch praktische Algorithmen (als Beispiel siehe Abb. 1). Sie dienen der medizinischen Abklärung der Erkrankten und legen die konkreten Massnahmen fest, die bei exponierten Kontaktpersonen indiziert sind. Ein weiteres Ziel war, die Verantwortlichkeiten der Akteure (Pflegefachpersonen, Zentrumsärztin, Kantonsärztin, BAG, Staatssekretariat für Migration) in den Bundesasylzentren zu klären. Nur so ist eine korrekte Durchführung der Abklärungen und Massnahmen beim Ausbruch einer ­Infektionskrankheit, ein wirksamer Schutz der Kontaktpersonen und gute Kommunikation und Dokumentation gewährleistet (Wer meldet was? Wem? Innert welcher Frist?).
Abbildung 1: Algorithmus: Vorgehen bei invasivem Meningokokken-Verdachtsfall. (© 2018 BAG. Reproduktion mit freundlicher Genehmigung.) P&A = Fachbereich Personal & Administration des SEM; SEM = Staatssekretariats für Migration.

Unmöglichkeit der Isolation der Erkrankten und Verdachtsfälle in Asylzentren

Ohne einheitliche, nationale Richtlinien lag es auf der Hand, dass bisher die einzelnen Asylzentren verschiedene Ausbruchsmanagement-Konzepte hatten. Im Rahmen des BAG-Mandates besuchten wir daher Asylzentren in mehreren Kantonen und sprachen mit den Verantwortlichen. Trotz unserem Ziel von national einheitlichen Richtlinien konnten wir nicht alle Konzepte landesweit harmonisieren. Eine Herausforderung war es beispielsweise festzulegen, inwiefern Asylsuchende in den Asylzentren «isoliert» werden können. Denn schweizweit bestehen in den Asylzen­tren grosse Unterschiede in der Infrastruktur. Eine wirksame Isolation, welche im Fall von Varizellen oder Masern erforderlich wäre, lässt sich trotz aller Bestrebungen momentan nur in vereinzelten Zentren durchführen. Wenn nur ein Duschraum für alle weiblichen bzw. männlichen Asylsuchenden zur Verfügung steht, ist eine Isolation nicht möglich. Bei schweren Erkrankungen (z.B. Abklärung bei Verdacht auf aktive Lungentuberkulose, respiratorische Diphtherie) setzte sich ­zudem die Erkenntnis durch, dass diese Patient(inn)en –­ wie bisher – rasch in die Obhut eines Spitals gegeben werden sollen.

Impfempfehlungen für Bund und Kantone: relevante Veränderungen ab 2018

Es gilt der Grundsatz, dass Asylsuchende im Prinzip gleich wie die einheimische Bevölkerung behandelt werden sollen [3]. Sie haben also das Recht auf eine ­angemessene medizinische Grundversorgung inklusive Zugang zu empfohlenen Impfungen – und dies nicht erst auf kantonaler, sondern neu schon auf Bundesebene [1–3]. Das Erstellen eines sinnvollen nationalen Impfschemas für Asylsuchende basiert daher auf den Empfehlungen der Eidgenössischen Kommission für Impffragen, die jährlich im Schweizerischen Impfplan aktualisiert werden. Es gilt aber auch zu berücksichtigen, dass etwa 60% der Asylgesuchstellenden innert 3–5 Monaten die Bundesasylzentren wieder verlassen. Ein Teil von ihnen reist aus der Schweiz wieder aus (z.B. im Rahmen einer «Dublin»-Rückführung in ein anderes europäisches Land), ein Teil taucht in der Schweiz unter, während etwa 40% der Asylsuchenden – im Rahmen eines ordentlichen Asylverfahrens – in einem Kanton ankommen. Wie wir schon 2016 im SMF [2] darlegen durften, kommen die meisten Asylsuchenden nicht ungeimpft in der Schweiz an. Die allermeisten haben aber keinen Impfausweis dabei und sollen als ungeimpft betrachtet werden. Die Abnahme von Impftitern und -serologien zur Bestimmung des Impfbedarfs wird in den Bundeszentren prinzipiell nicht empfohlen, da die Resultate oft schwierig zu interpretieren sind und die serologische Resultatübermittlung vom Bundeszentrum zur nachbehandelnden Institution im Kanton noch nicht einheitlich gewährleistet ist [2].

Neu: Impfung in den Bundeszentren

Die wichtigste Neuerung in den nationalen Richtlinien betrifft das Ziel, den Asylsuchenden bereits während ihres Aufenthaltes im Bundesasylzentrum zumindest eine Erstdosis von prioritären Impfungen anzubieten (Tab. 1). Dies soll sie schon zu einem frühen Zeitpunkt vor Infektionskrankheiten schützen, die in den Bundeszentren zu Ausbrüchen führen können. Zudem kommen die Asylsuchenden mit einem Minimum an Basis­impfungen und im Besitz eines Impfausweises im Kanton an. Die Folgeimpfungen in den Kantonen sind in ­Tabelle 2 zusammengefasst.
Tabelle 1: Prioritäre Erstimpfungen für ungeimpfte* Asylsuchende (in den ­Bundesasylzentren).
AlterImpfungKommentar
2 Monate bis <1 JahrDTPa-IPV-Hib-HBV i.m.;
PCV13 i.m.
PCV-13 neu Basisimpfung von Säuglingen, gemäss Schweizer Impfplan 2019
1–2 JahreDTPa-IPV-Hib-HBV i.m.;
MMR s.c.; Varizellen s.c.
1. Dosis MMR neu im Alter von 9 Monaten gemäss Schweizer Impfplan 2019
3–4 JahreDTPa-IPV-Hib-HBV i.m.;
MMR s.c.; Varizellen s.c.
 
5–7 JahreDTPa-IPV i.m.; MMR s.c.;
Varizellen s.c.
 
8–14 JahredTpa-IPV i.m.; MMR s.c.;
Varizellen s.c.
 
≥15 JahredTpa-IPV i.m.; MMR s.c.;
Varizellen s.c.
Varizellen s.c. (bei Alter <40 Jahre)
Schwangere FrauendTpa-IPV i.m.Im November bis Februar: 
Influenza i.m., HBV i.m. (falls seronegativ)
Nach Entbindung: MMR und Varizellen
* Gesuchstellende ohne schriftlich dokumentierte Impfungen werden als ungeimpft ­betrachtet [2].
D = Diphtherietoxoid; d = reduziertes Diphtherietoxoid; T = Tetanustoxoid; P = Pertussistoxin; a = azellulär; pa = reduzierte Dosis von Pertussis-Antigenen; IPV = inaktiviertes Polyomyelitis-Vakzin; Hib = Haemophilus influenzae Typ b; HBV = Hepatitis-B-Virus; PCV = 13-valente Pneumokokken-Konjugat­impfstoff; MMR = Masern, Mumps, Röteln.
Tabelle 2: Folgeimpfungen von Asylsuchenden (in den Kantonen, bei den Hausärzten).
ImpfungAlter bei ErstimpfungTotale Anzahl Dosen (Erstimpfung und 
Folgeimpfungen) + Impfabstand (Monat)Kommentar
Kinder-Sechsfach-Impfung
DTPa-IPV-Hib-HBV
2–3 Monate
3 Dosen: 0, 2 sowie 3. Dosis mit 12 Monaten i.m.Mindestabstand von 6 Monaten zwischen 2. und 3. Dosis
4 –11 Monate3 Dosen: 0, 1, 8 i.m.
1–2 Jahre3 Dosen: 0, 2, 8 i.m.
DTPa-IPV-Hib*3–7 Jahre3 Dosen: 0, 2, 8 i.m.Mindestabstand von 6 Monaten zwischen 2. und 3. Dosis
dT(pa)-IPV8–10 Jahre3 Dosen: 0, 2 (dTpa-IPV), 
2 und 8 (dT-IPV) i.m.
ab 11 Jahre3 Dosen: 0 (dTpa-IPV),
2 und 8 (dT-IPV) i.m.
MMR>9 Monate**2 Dosen: 0, ≥1 s.c. (2. Dosis frühestens mit 12 Monaten)Kontraindiziert bei Immungeschwächten und Schwangeren → Impfung nach Entbindung.
Vor 1964 GeboreneKeine Impfung2. Impfung darf als Kombinationsimpfung MMRV gegeben werden.
Varizellen>12 Monate bis <40 Jahre2 Dosen: 0, ≥1 s.c.Kontraindiziert bei Immungeschwächten und Schwangeren → Impfung nach Entbindung.
≥40 JahreKeine Impfung, ausser bei Ausbruch2. Impfung darf als Kombinationsimpfung MMRV gegeben werden.
Hepatitis BGeburt bis 10 Jahre3 Dosen: 0, 1–2, ≥6 i.m.Bei Kindern 0–3 Jahre ist Hepatitis B im Sechsfach-Impfstoff enthalten.
11–15 Jahre2 Dosen: 0, 4–6 i.m.***
≥16 Jahre3 Dosen: 0, 1, 6 i.m.
HPV11–14 Jahre2 Dosen: 0, 6 i.m. 
15–19 Jahre3 Dosen: 0, 1–2, 6 i.m.
Pneumokokken2 Monate bis <1 Jahr3 Dosen: 0, 2, 8 i.m.Basisimpfung im Schweizer Impfplan 2019.
12–23 Monate2 Dosen: 0, 2 i.m.
24–59 Monate1 Dosis i.m.
Meningokokken ACWY****24 Monate1 Dosis i.m.Ergänzende Impfung gemäss schweizerischem Impfplan.
11–15 Jahre1 Dosis i.m.
*Nachholimpfungen gegen Hib sind bis zum 5. Geburtstag empfohlen (1 Dosis).
**Die erste Dosis soll gemäss Schweizer Impfplan 2019 neu mit 9 Monaten gegeben werden (Impfung möglich ab Alter 6 Monate bei Exposition mit einem Masernfall; im Falle einer ersten Impfung zwischen 6 und 8 Monaten sollte eine 2. Dosis im Alter von 9 Monaten und eine 3. Dosis im Alter von 12 Monaten verabreicht werden).
*** Das Hepatitis-B-Zweidosenschema im Alter von 11–15 Jahren erfolgt mit dem Erwachsenen-Impfstoff.
****Konjugierter Meningokokken-Impfstoff der Serogruppen A, C, W, Y [6].
a = azellulär; pa = reduzierte Dosis von Pertussis-Antigenen; IPV = inaktiviertes Polyomyelitis-Vakzin; Hib = Haemophilus influenzae Typ b; HBV = Hepatitis-B-Virus; MMR = Masern, Mumps, Röteln; HPV = humane Papillom-Viren.
Aufgrund der erhöhten Ausbruchsgefahr von Varizellen in den Bundeszentren (Zusammenleben z.T. auf engem Raum, tiefere Varizellen-Schutzraten bei Asylsuchenden aus gewissen Herkunftsländern) wird den 1- bis 11-jährigen Asylsuchenden grundsätzlich auch eine Varizellen-Impfung empfohlen – im Gegensatz zur einheimischen Bevölkerung, wo die Impfung nur für Kinder empfohlen wird, die mit 11 Jahren noch keine Varizellen durchgemacht haben [4]. Die Kontraindikationen für diesen lebend-abgeschwächten Impfstoff müssen beachtet werden, insbesondere Schwangerschaft und Immunsuppression. Hingegen stellen weder Hepatitis A noch Hepatitis B prioritäre Impfungen dar. Die Hepatitis-A-Impfung ist daher nur in Ausbruchssituationen zu erwägen, v.a. bei Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren, da bei A­usbrüchen gehäuft diese Altersklasse betroffen ist. Die Hepatitis-B-Impfung wird – falls keine chronische ­Hepatitis B vorhanden ist – als Folgeimpfung in den Kantonen empfohlen und von den ­zuständigen Hausärzten durchgeführt. Ausnahme: Hepatitis-B-Impfung schon im Bundeszentrum, im Rahmen einer «Sechsfach»-Kombinations-Kinderimpfung, in Kombination mit Diphtherie-Starrkrampf-Pertussis-Haemophilus-Poliomyelitis.

Das Wichtigste für die Praxis

• Die nationalen Richtlinien richten sich primär an die Pflegefachpersonen in den Asyleinrichtungen des Bundes und der Kantone, welche für die Asylsuchenden bei Gesundheitsfragen in der Regel die ersten Ansprechpersonen sind.
• Sie umfassen diejenigen Erreger, die im Asylbereich am ehesten Ausbrüche verursachen können: Meningokokken, Masern, Varizellen (und Herpes Zoster), Skabies, Diphtherie, Tuberkulose und Pertussis.
• Asylsuchende sollen gleich wie die einheimische Bevölkerung behandelt werden, mit dem Recht auf eine angemessene medizinische Grundversorgung und neu bereits in den Bundesasylzentren Zugang zu prioritären Impfungen.
• Die nationalen Richtlinien enthalten ein Impfschema für Asylsuchende, das auf den Empfehlungen der Eidgenössischen Kommission für Impffragen basiert, die jährlich im Schweizerischen Impfplan aktualisiert werden.
• Die meisten Asylsuchenden sind ohne Impfausweis und sollen als ungeimpft betrachtet werden. Die Abnahme von Impftitern und -serologien zur Impfbedarfbestimmung wird in den Bundeszentren nicht empfohlen.
Der Online-Appendix ist als separates Dokument verfügbar unter: https://doi.org/10.4414/smf.2019.08081.
Die Autoren danken Frau Dr. Anita Niederer-Loher, Infektiologin am Ostschweizer Kinderspital, St. Gallen, für die kritische Durchsicht des Manuskripts.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Prof. Dr. med. Philip Tarr
Medizinische
Universitätsklinik
Kantonsspital Baselland
CH-4101 Bruderholz
philip.tarr[at]unibas.ch
1 Notter J, Labhardt N, Hatz C, Wallnöfer A, Vollgra M, Ritz N, et al. Infektionen bei erwachsenen Flüchtlingen. Schweiz Med Forum. 2016;16(49–50):1067–74.
2 Tarr P, Notter J, Sydow V, Wirz S, Wallnöfer A, Vollgra M, et al. Impfungen bei erwachsenen Flüchtlingen. Schweiz Med Forum. 2016;16(49–50):1075–9.
3 Witschi M. Zugang zu Gesundheitsversorgung – auch für Asylsuchende und Flüchtlinge. Schweiz Med Forum. 2016;16(49–50):1057.
4 De Valliere S, Cani N, et al. Comparison of two strategies to prevent varicella outbreaks in housing facilities for asylum seekers. Int J Infect Dis. 2011;15(10):e716–21.
5 Bundesamt für Gesundheit. Abteilung Epidemiologie und Infektionskrankheiten. Prävention von invasiven Meningokokkeninfektionen. Bull BAG. 2001;46:893–901.
6 Bundesamt für Gesundheit. Anpassungen der Impfempfehlungen zum Schutz vor invasiven Meningokokken-Erkrankungen. Bull BAG. 2018;46:14–21.
7 Notter J, Ehrenzeller S, Tarr P. Empfehlungen für Impfungen sowie zur Verhütung und zum Ausbruchsmanagement von übertragbaren Krankheiten in den Asylzentren des Bundes und den Kollektivunterkünften der Kantone. https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/infektionskrankheiten-bekaempfen/infektionskontrolle/gesundheitsversorgung-asylsuchende.html.