Das kranke Herz des Babys bricht das Herz seiner Mutter
Peripartale Linksherzinsuffizienz

Das kranke Herz des Babys bricht das Herz seiner Mutter

Was ist Ihre Diagnose?
Ausgabe
2019/3940
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2019.08094
Swiss Med Forum. 2019;19(3940):646-650

Affiliations
Kantonsspital St. Gallen: a Klinik für Kardiologie; b Klinik für Allgemeine Innere Medizin; c Frauenklinik

Publiziert am 25.09.2019

Die Diagnose eines schweren, komplexen Herzfehlers des Neugeborenen führt bei der Mutter zu akuter Dyspnoe, Blutdruckanstieg bis systolisch 177 mm Hg und schwerer Hypoxämie.

Fallbeschreibung

Eine zuvor gesunde, 34-jährige erstmals Schwangere stellt sich in der 38. Schwangerschaftswoche mit beginnender Wehentätigkeit vor. Da es im Verlauf zum Geburtsstillstand mit pathologischem Kardiotokogramm kommt, wird die Indikation zur Notfall-Sectio gestellt. Nach primär komplikationslosem Eingriff zeigt sich bei dem männlichen Neugeborenen eine Adaptationsstörung mit persistierender Hypoxie und Intubationsnotwendigkeit, weshalb es zur weiteren Abklärung und Therapie auf die Intensivstation verlegt werden muss. Dabei wird die Diagnose eines schweren, komplexen Herzfehlers gestellt (Pulmonalatresie mit grossem Ventrikelseptumdefekt). Nachdem die Patientin über die Diagnose und den Zustand des Babys informiert worden ist, kommt es drei Stunden nach Sectio zu akuter Dyspnoe, Blutdruckanstieg bis systolisch 177 mmHg und einer schweren Hypoxämie (Sauerstoffsättigung 70% bei Raumluft). Die Patientin ist tachypnoeisch (Atemfrequenz 24/min), es finden sich Rasselgeräusche basal beidseits, die Halsvenen sind leicht gestaut, und die Herzauskultation ist unauffällig. Das Elektrokardiogramm (EKG) zeigt Abbildung 1.
Abbildung 1: Ruhe-EKG der Patientin bei der akuten ­Präsentation.

Frage 1: Welche Untersuchung würden Sie in dieser Situation als erstes durchführen?

a) Computertomographie
b) D-Dimer-Bestimmung
c) Echokardiografie
d) Troponin-Bestimmung
e) Koronarangiographie
Aufgrund des klinischen Kontexts (Schwangerschaft bzw. Wochenbett, Operation) mit einer Lungenembolie als weitaus wahrscheinlichster Differentialdiagnose entschliesst man sich primär zur Durchführung einer Computertomographie (CT). Diese schliesst eine Lungenembolie aus, zeigt aber ein Lungenödem (Abb. 2).
Abbildung 2: Thorakale Computertomographie, Lungen­fenster: Lungenödem und bilaterale Pleuraergüsse.
Der D-Dimer-Wert wäre postoperativ und unmittelbar postpartal kaum normal gewesen und hätte eine Lungenembolie somit nicht ausschliessen könnten. Damit ein Sättigungsabfall und eine Tachykardie erklärt gewesen wären, hätte es sich allerdings um eine sehr schwere Lungenembolie handeln müssen, die aufgrund der Reduktion des Schlagvolumens (infolge des akuten Anstiegs des pulmonalen Widerstands) mit tiefem oder allenfalls normalem, aber nicht mit deutlich erhöhtem Blutdruck assoziiert gewesen wäre. Auch hat das EKG keine suggestiven Zeichen für eine schwere Lungenembolie gezeigt (wie etwa Rechtslage, SIQIII-Typ, Rechtsschenkelblock). Aufgrund der dramatischen Präsentation mit respiratorischer Insuffizienz und Tachykardie ist eine notfallmässige Echokardiographie als nächster Schritt indiziert [1]. Hier wäre eine schwere Lungenembolie durch eine akute Rechtsherzbelastung sichtbar geworden. Die Echokardiographie zeigt aber eine schwer eingeschränkte linksventrikuläre Auswurffraktion («left ventricular ejection fraction» [LVEF] 15%) bei Akinesie der midventrikulären Segmente und noch vorhandenen Kontraktionen ganz basal und apikal (Abb. 3). Eine Myokardhypertrophie oder Herzklappenvitium liegen nicht vor. Somit handelt es sich um eine akute Herzinsuffizienz mit schwer eingeschränkter LVEF als Ursache der klinischen Zeichen.
Abbildung 3: Transthorakale Echokardiographie bei Eintritt, enddiastolische und endsystolische Standbilder des apikalen Vierkammerblicks: globale Hypokinesie mit besten Kontraktionen am Apex und den sehr basalen Segmenten. Stark reduzierter globaler longitudinaler Strain (GLS –7,5%).
Die kardialen Biomarker sind erhöht: Der maximale Troponin I-Wert liegt bei 7455 ng/l (Normbereich <18 ng/l), das «B-type natriuretic peptide» bei 1545 ng/l (Normbereich <37 ng/l). Die Entzündungsparameter sind unauffällig. Die Urinuntersuchung zeigt keine Proteinurie. Da das EKG nicht eindeutig das Bild eines akuten Myokardinfarkts zeigt, ist eine notfallmässige Koronarangiographie vor weiterer nicht-invasiver Bildgebung nicht indiziert. Im Verlauf wird eine Darstellung der Koronarien aber wesentlich sein. Es ist wichtig zu realisieren, dass das deutlich erhöhte kardiale Troponin auf eine relevante myokardiale Schädigung hinweist, aber als unspezifischer Marker nicht diagnostisch für eine bestimmte Entität ist [2].

Frage 2: Welche beiden Differentialdiagnosen sind am wahrscheinlichsten?


a) Hypertensive Schwangerschaftserkrankung und Myokarditis
b) Myokardinfarkt bei spontaner Koronardissektion und hypertensive Schwangerschaftserkrankung
c) Stress-Kardiomyopathie und Myokarditis
d) Peripartale Kardiomyopathie (PPCM) und Myokardinfarkt
e) Stress-Kardiomyopathie und PPCM
Aufgrund der initialen Blutdruckentgleisung wird eine beginnende Präeklampsie in Betracht gezogen, zumal diese mit kardialer Dysfunktion assoziiert sein kann [3]. Die fehlende Proteinurie und der unauffällige Schwangerschaftsverlauf ohne Hinweise für eine arterielle Hypertonie sprechen aber gegen einer Präeklampsie. Eine Myokarditis ist bei ausgeprägter linksventrikulärer Dysfunktion und stark erhöhtem Troponin ebenfalls eine wichtige Differentialdiagnose, auch wenn diese nicht speziell Schwangerschafts-assoziiert auftritt. Die fehlenden Hinweise auf einen vorausgehenden Infekt, die unauffälligen Entzündungsparameter und der zeitliche Ablauf der Ereignisse sprechen eher gegen eine Myokarditis, schliessen diese aber nicht aus [4]. Im weiteren muss ein Myokardinfarkt in Betracht gezogen werden, was im Rahmen der Schwangerschaft zwar sehr selten, aber möglich ist. Insbesondere ist an eine spontane Koronardissektion zu denken – dies ist eine nicht-atherosklerotische Form der akuten koronaren Herzkrankheit, die vor allem bei jungen Frauen mit geringem Risikoprofil auftritt, wobei sich eine Subgruppe (ungefähr 10%) in der Spätschwangerschaft oder in der frühen Peripartalzeit manifestiert [5]. Das EKG ist im vorliegenden Fall aber unspezifisch, und das echokardiographische Muster der linksventrikulären Funktionsstörung passt nicht zu einem Koronarterritorium. Bei geringer Wahrscheinlichkeit einer Koronarpathologie wird diese im Verlauf mittels CT-Koronarangiographie ausgeschlossen. Aufgrund der besonderen Situation mit physischem (Sectio) und emotionalem Stress (Nachricht über die komplexe Herzfehlbildung des ­Babys) ist eine Stress-Kardiomyopathie eine wichtige Differentialdiagnose [6]. Eine kardiale Dekompensation in der Peripartalzeit mit dem echokardiographischen Nachweis einer eingeschränkten LVEF muss aber immer auch an eine Peripartale Kardiomyopathie (PPCM) denken lassen [7], selbst wenn die linksventrikuläre Dysfunktion bei der PPCM eher diffus als regional ist. Bei der akuten Herzinsuffizienz handelt es sich um ein Krankheitsbild mit hoher Mortalität, und es ist entscheidend, dass parallel zum Abklärungsgang frühzeitig die Therapie eingeleitet wird [1].

Frage 3: Welche therapeutische Massnahme ist nicht sinnvoll?


a) Intravenöse Betablockade
b) Schleifendiuretika
c) ACE-Hemmer
d) Bromocriptin
e) Nitrate
Die Behandlung der akuten Herzinsuffizienz ist kaum evidenzbasiert. Die Leitlinien empfehlen für die Behandlung von Patienten mit akuter Lungenstauung und normaler Gewebeperfusion und normalem Blutdruck unabhängig von der Ätiologie der linksventri­kulären Dysfunktion intravenöse Schleifendiuretika, ­Nitrate und nicht-invasive Beatmung [1]. So früh wie möglich soll ein ACE-Hemmer etabliert werden. Dies gilt analog auch für das Management der akuten postpartalen Herzinsuffizienz [8]. Während eine perorale, zunächst niedrig dosierte Betablockade nach Stabilisierung sinnvoll ist, kann die intravenöse Applikation eines Betablockers bei tachykarden Patienten mit akuter Herzinsuffizienz und schwer eingeschränkter LVEF lebensgefährlich sein (akute Bedarfstachykardie). Die Patientin wird auf der Intensivstation mit Schleifendiuretika, Nitroglycerin, ACE-Hemmer und nicht-invasiver Beatmung behandelt. Da eine PPCM möglich bleibt, wird zusätzlich eine Therapie mit Bromocriptin eingeleitet. Resultate intensiver Forschungsbemühungen der letzten Jahre weisen auf eine pathophysiologische Rolle des 16 kDa-Prolaktin-Fragments und eine wichtige Rolle für Bromocriptin als spezifische Therapie hin [7]. Entsprechend wird eine Therapie mit Bromocription bei möglicher PPCM empfohlen [7, 8]. Zusätzlich wird bei schwer eingeschränkter LVEF mit dem Risiko einer Thrombus-Bildung eine Vollheparinsierung durchgeführt. Für mit Bromocriptin behandelte Patientinnen mit PPCM ist eine mindestens prophylaktische Heparinisierung zwingend [8]. Bei der Stress-Kardiomyopathie wird bei einer LVEF <30% eine zumindest vorübergehende Antikoagulation (bis zur nächsten Echokardiographie) vorgeschlagen [9]. Auf Thrombozytenaggregationshemmer wird nach Ausschluss einer Koronarpathologie verzichtet.

Frage 4: Was ist die definitive Diagnose?


a) Myokarditis
b) Stress-Kardiomyopathie
c) PPCM
d) Akuter Myokardinfarkt
e) Hypertensive Schwangerschaftserkrankung
Eine definitive Abgrenzung von PPCM und Stress-Kardiomyopathie und letztlich auch Myokardtis ist erst durch den Verlauf möglich. Die PPCM ist definiert als eine nicht anderweitig (etwa Klappenvitien, Hypertonie) erklärbare Herzinsuffizienz mit LVEF <45% und Manifestation gegen Ende der Schwangerschaft oder in den Monaten nach der Geburt [7]. Die Erholung der LVEF unter Herzinsuffizienz-Therapie und Bromocriptin ist langsam und nicht immer vollständig. Die definitive Diagnose der Stress-Kardiomyopathie erfordert den Nachweis einer vollständigen Normalisierung der LVEF [6].
Gut 24 Stunden nach Beginn der Therapie kommt es bei unserer Patientin zu einer raschen klinische Besserung. Die Echokardiographie drei Tage nach der initialen Untersuchung zeigt eine vollständige Normalisierung der LVEF (60%) (Abb. 4).
Abbildung 4: Transthorakale Echokardiographie nach drei Tagen, enddiastolische und endsystolische Standbilder des apikalen Vierkammerblicks: normalisierte regionale sowie globale Wandbewegung. Normalisierter globaler longitudinaler Strain 
(GLS –25,4%).
Auffallend bei unserer Patientin war der deutlich erhöhte Troponin-Wert. Typisch für die Stress-Kardiomyopathie ist ein relativ zu einem sehr hohen B-natriure­tischen Peptid (BNP) wenig erhöhter Troponin-Wert (deutlich tiefer als es bei einem Myokardinfarkt mit gleicher linksventrikulärer Funktionsstörung zu erwarten wäre) (Tab. 1) [6]. Diesbezüglich war die Konstellation im vorliegenden Fall atypisch. Die übrige Präsentation und vor allem der Verlauf sind aber sehr gut mit einer Stress-Kardiomyopathie vereinbar. Wäre die Diagnose unklar geblieben, wäre ein kardiale Magnet­resonanztomographie die Untersuchung der Wahl zur Klärung der Situation gewesen. Sie hätte bei einer Stress-Kardiomyopathie ein diffuses Ödem, aber kaum einen subendokardial lokalisierten Myokardschaden (sogenanntes «late enhancement») gezeigt [10], anders als bei einem Myokardinfarkt mit derartigem «late enhancement» und bei Myokarditis mit vor allem subepikardial lokalisiertem Myokardschaden. Aufgrund der sehr schnellen Normalisierung der LVEF hatten wir auf eine kardiale Magnetresonanztomographie verzichtet.
Tabelle 1: Differentialdiagnose der peripartalen Linksherzherzinsuffizienz.*
 Dekompensation einer vorbestehenden KardiopathieHypertensive Erkrankung im Rahmen einer PräeklampsiePeripartale Kardiomyopathie (PPCM)MyokarditisMyokardinfarkt, typischerweise spontane KoronardissektionStress-Kardiomyo­pathie
KlinikLangsam progredient (seltener akut)AkutLangsam progredient im dritten TrimenonAkutAkutAkut
AnamneseGegebenenfalls Herzmuskel- oder KlappenerkrankungEventuell vorbestehende schwangerschaftsinduzierte Hypertonie oder Präeklampsie (Hypertonie, Proteinurie, abnorme Leberparameter, Gerinnung)Gegebenenfalls kar­diale Probleme in einer früheren SchwangerschaftMeist blandMeist blandMeist bland
StatusLungenstauung, eventuell Herzgeräusch und/ oder Rechtsherzinsuffi­zienzzeichenLungenstauung,
eventuell Augenflimmern, gesteigerte und verbreiterte Reflexe
Lungenstauung und/oder RechtsherzinsuffizienzzeichenLungenstauung bis kardiogener SchockLungenstauung bis kardiogener SchockLungenstauung bis kardiogener Schock
EKGEtwa P mitrale, Linksherzhypertrophie, QRS-Verbreiterung, VorhofflimmernUnspezifischIn der Regel unspezifischPQ-Senkungen, ­ST-Hebungen (zum Teil ­perikarditisch, zum Teil koronar)Unspezifisches bis klassisches STEMI-EKGUnspezifisches bis klassisches STEMI-EKG
Kardiale ­BiomarkerTroponin: (↑)
BNP: ↑.↑↑
(Ausnahme: ­Mitralstenose)
Troponin und BNP: (↑)Troponin: (↑)
BNP: ↑ bis ↑↑
Troponin: ↑ bis ↑↑
BNP: variabel, abhängig vom Ausmass der LV-Dysfunktion
Troponin: ↑ bis ↑↑
BNP: variabel, abhängig vom Ausmass der LV-Dysfunktion
Troponin: ↑, aber typischerweise ­weniger stark als bei Infarkt
BNP: ↑ bis ↑↑
Bildgebende DiagnostikEchokardiographieEchokardiographieEchokardiographie, gegebenenfalls kardiales MRT und Ausschluss KHK durch CCTA oder ICAEchokardiographie, zusätzlich kardiales MRT, Ausschluss KHK durch CCTA oder ICAEchokardiographie, meist früh ICAEchokardiographie,
Ausschluss KHK durch CCTA oder ICA, eventuell kardiales MRT
TherapieMedikamentöse Herzinsuffizienz-Therapie, im Verlauf gegebenenfalls KlappeninterventionEntbindung,
antihypertensive Therapie
Medikamentöse Herzinsuffizienz-Therapie, Bromocriptin, AntikoagulationMedikamentöse Herzinsuffizienz-Therapie, selten spezifische Therapie (zum Beispiel Steroide)Blutverdünnung; meist konservatives Management (selten Koronar-Intervention oder -Operation)Medikamentöse Herzinsuffizienz-Therapie
VerlaufAbhängig von der KardiopathieMeist günstigVariabel; oft keine vollständige Erholung der LV-DysfunktionVariabel, abhängig vom Ausmass der LV-Dysfunktion und der ÄtiologieVariabel; abhängig von der KoronaranatomieErholung der LV-Dysfunktion in Tagen bis Wochen, fatale Verläufe möglich
PrognoseAbhängig von der KardiopathieVariabel, hohes Rezidivrisiko in Folgeschwangerschaft und erhöhte kardiovaskuläre MorbiditätVariabel; oft keine vollständige Erholung der LV-Dysfunktion, hohes Rezidivrisiko in FolgeschwangerschaftAbhängig vom Ausmass der LV-Dysfunktion und der ÄtiologieAbhängig von der Infarktgrösse; Rezidivrisiko in einer weiteren SchwangerschaftMeist gut, aber Rezidivrisiko (unabhängig von Schwangerschaft)
*Bei im Vordergrund stehender Rechtsherzinsuffizienz umfassen die Differentialdiagnosen primär die akute Lungenembolie, die Dekompensation einer chronischen pulmonalen Hypertonie (typischerweise pulmonalarterielle Hypertonie) bzw. die Dekompensation eines kongenitalen Vitiums (hier nicht weiter diskutiert).
STEMI: «ST-segment elevation myocardial infarction», MRT: Magnetresonanztomographie, BNP: «B-type natriuretic peptipe», LV: linksventrikulär, ICA: invasive Koronarangiographie, CCTA: Computertomographie-Koronarangiographie, KHK: Koronare Herzkrankheit, MRT: Magnetresonanztomographie.

Frage 5: Welche Aussage zur Stress-­Kardiomyopathie trifft zu?


a) Ist bedingt durch den akuten Verschluss einer Koronararterie
b) Tritt nur bei postmenopausalen Frauen auf
c) Echokardiographisch findet sich immer eine ausgedehnte Akinesie des linksventrikulären Apex und aller midventrikulären Wandabschnitte
d) Die Wandbewegungsstörungen können keinem Versorgungsgebiet einer Koronararterie zugeordnet werden
e) Die Prognose ist immer gut
Die Stress-Kardiomyopathie wurde im Jahr 1991 erstmals durch japanische Ärzte beschrieben. Aufgrund der Ähnlichkeiten der endsystolischen Form des linken Ventrikels in der Ventrikulographie mit einem traditionellen japanischen Tonkrug («Takotsubo»), der zum Tintenfischfang verwendet wurde, entstand der Name «Takotsubo-Kardiomyopathie». Bei dieser typischen Form findet sich eine ausgedehnte Akinesie des linksventrikulären Apex und aller midventrikulären Wandabschnitte. Gut beschrieben sind aber auch atypische Formen mit Akinesie der midventrikulären oder basalen Myokardanteile. Nach heutigem Wissensstand ist die Erkrankung nicht durch eine Koronarobstruktion erklärt. Die linksventrikulären Wandbewegungsstörungen können per definitionem keinem Versorgungsgebiet einer Koronararterie zugeordnet werden [6]. Die Stress-Kardiomyopathie ist keine benigne Erkrankung. Akute Komplikation wie Kammerflimmern, AV-Block und akute Herzinsuffizienz infolge schwerer linksventrikulärer Dysfunktion (wie im vorliegenden Fall) oder dynamischer Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstraktes sind beschrieben. Kardiogener Schock und Tod sind gleich häufig wie bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt [9].
Die Patientin konnte nach insgesamt einwöchiger Hospi­talisation in gutem Allgemeinzustand nach Hause entlassen werden. Der neugeborene Sohn der Patientin wurde erfolgreich behandelt: In einer initialen Phase erfolgte eine Prostaglandin-Therapie und ein Ductus arteriosus-Stenting (zum Offenhalten des Lungenkreislaufs); sekundär erfolgte eine Totalkorrektur mit Pulmonalklappenrekonstruktion und Ventrikelseptumdefekt-Verschluss. Er konnte drei Monate nach Geburt in gutem Allgemeinzustand nach Hause entlassen werden.

Diskussion

Die Manifestation einer akuten Linksherzinsuffizienz in der Peripartalzeit muss an einige wenige potentiell lebensgefährliche Differentialdiagnosen denken lassen, die eine notfallmässige Diagnostik und Therapie erfordern (Tab. 1). Aufgrund des Verlaufs und der vorangehenden Argumentation wurde bei unserer Patientin eine «Stress-Kardiomyopathie» diagnostiziert. Die Diagnose der kongenitalen Herzerkrankung des Kindes ist natürlich nicht direkt mit der Herzerkrankung der Mutter assoziiert. Aufgrund der Anamnese in diesem Fall kann aber die schwere Herzerkrankung des Kindes als Trigger für die «Stress-Kardiomyopathie» gewertet werden. Nicht ganz typisch waren das Alter der Patientin und das Muster der linksventrikulären Dysfunktion (kein klassischer «Takotsubo»). Das Auftreten einer Stress-Kardiomyopathie nach Sectio ist aber beschrieben. Die 28 bisher publizierten Fällen von Stress-Kardiomyopathie nach Sectio wurden kürzlich zusammengestellt: Die LVEF ist in mehr als 50% der Fälle substantiell eingeschränkt (LVEF <35%), über ein Drittel der Patientinnen präsentieren sich mit einem akuten Lungenödem und fast 50% der Frauen haben keine typische apikale Form der Kardiomyopathie [11].
Der Verlauf war im aktuellen Fall sehr günstig. Schwierig ist die Beratung der Patientin bezüglich weiterer Schwangerschaften. Für Frauen mit PPCM stellt eine weitere Schwangerschaft ein Risiko dar. Falls sich die LVEF nicht über 50–55% erholt hat, wird sogar von einer Schwangerschaft abgeraten [8]. Bei Patientinnen mit erholter LVEF sind weitere erfolgreiche Schwangerschaften unter engmaschigem Monitoring der kardialen Funktion beschrieben [12]. Das Rezidivrisiko der Stress-Kardiomyopathie ist insgesamt relativ klein ­(1–2%) [9], im speziellen Kontext der Schwangerschaft aufgrund der kleinen Fallzahlen aber unbekannt. Kürzlich ist der Fall einer komplikationslosen zweiten Schwangerschaft (mit geplanter Sectio) bei einer Patientin berichtet worden, die in der ersten Schwangerschaft nach komplizierter Geburt mit Notfall-Sectio eine schwere Stress-Kardiomyopathie erlitten hatte [13].

Antworten:


Frage 1: a; Frage 2: e; Frage 3: a; Frage 4: b; Frage 5: d.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
PD Dr. med. Micha T. Maeder
Klinik für Kardiologie
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacherstrasse 95
CH-9007 St. Gallen
micha.maeder[at]kssg.ch
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