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Fokus auf … CCR5: ethische Kontroversen, aber auch Chancen
– CCR5* ist ein transmembranöses Protein auf Immunzellen (inkl. CD4- und CD8-Lymphozyten sowie Makrophagen).
– Es ist – zusammen mit dem CD4-Molekül – ein Ko-Rezeptor für die Bindung des HI-Virus.
– 2018 wurde das CCR5-Gen mit der «Genschere» bei Embryos mutiert, die so HIV-resistent werden.
– Die Hemmung dieses Rezeptors im Zentralnervensystem führt zu verbessertem Lernen und neuronaler Plastizität (Adaptation der neuronalen Anatomie und Funktion).
– Im Gefolge eines ischämischen Hirninsultes wird die CCR5-Expression erhöht.
– Patient(inn)en mit CCR5-Mutanten sollen sich schneller und besser von einem ischämischen Hirninsult erholen.
– Die Applikation eines Anti-CCR5-Hemmers (zugelassen in der Anti-HIV-Therapie, Maraviroc) verbessert die neurologische Erholung bei Mäusen mit traumatischer Hirnschädigung.
Schwierige Zeiten für die Katheterablation des Vorhofflimmerns
Im Alter von 75 Jahren weisen etwa 10% der Bevölkerung ein Vorhofflimmern mit erhöhter Mortalität (×2) und Schlaganfallsrate auf. Mehr als 2200 Patient(in- n)en (Durchschnittsalter 68 Jahre, ca. ⅓ Frauen) meist mit etabliertem, mehrjährigem (oft medikamentös vorbehandeltem) Vorhofflimmern und zu 90% symptomatisch wurden randomisiert entweder mit einer Katheterablation (die in fast jedem 5. Fall kurzfristig wiederholt werden musste) oder medikamentös behandelt. Die Katheterablation brachte leider keine signifikante Verbesserung des kombiniert gewählten Endpunktes (Tod, invalidisierende Schlaganfälle, Blutungen, Herzstillstand; [1]), jedoch eine leicht bessere Lebensqualität [2] als die medikamentöse Therapie. Bei einer unverblindeten Therapie ist aber dieser kleine Nutzen schwierig zu beurteilen. Ein enttäuschendes Studienresultat sicher, aber die Studie hat auch eine positive Nachricht: In der konservativ behandelten Gruppe zeigten sich die Vorteile der modernen kardial-medikamentösen und antikoagulatorischen Therapie – die Mortalität nach vier Jahren betrug nur 5,3% (bislang ging man von einer Mortalität von 5–10% im ersten Jahr aus), die Häufigkeit schwerer Schlaganfälle nur 0,7%. Wie bei allen Studien mit einem «invasiven» Arm, war das sogenannte Crossover in denselben ein Problem. Allerdings rezidivierten auch etwa 50% der Patient(inn)en in der Ablationsgruppe, was die Zahl der Rezidiveingriffe in der Praxis potentiell erhöhen und damit die Gesamtbehandlung weiter verteuern könnte.
Bei Patient(inn)en mit Leberzirrhose und grossen Ösophagusvarizen oder signifikanter portaler Hypertonie können Beta-Blocker die Blutungswahrscheinlichkeit signifikant reduzieren. Können Beta-Blocker durch Reduktion der portalen Hypertonie auch eine Dekompensation, die per se die Lebensprognose verschlechtert, verhindern? 201 (von über 600 evaluierten) Patient(inn)en wurden randomisiert entweder mit Propranolol (bis 2 × 160 mg), Carvedilol (bis 25 mg) oder Plazebo behandelt, falls sie eine klinisch signifikante, invasiv gemessene portale Hypertonie von >10 mm Hg aufwiesen. Die Patient(inn)en hatten noch nie eine Dekompensation ihrer Zirrhose erlitten, die Ursache lag in fast 60% der Fälle in einer während der Studie nicht behandelten chronischen Hepatitis C. In der Beta-Blocker-Gruppe traten bei einer Nachbeobachtung von bis zu 54 Monaten bei 16% Dekompensationen (meist Aszites) oder hepatisch bedingte Todesfälle, in der Plazebo-Gruppe jedoch bei 27% auf («number needed to treat» = 9). Die Autoren weisen selber darauf hin, dass diese Indikation von der Verfügbarkeit einer nicht-invasiven portalen Druckmessung oder eines Surrogat-Biomarkers abhängen dürfte. Blinde Therapie bei guter Toleranz der Beta-Blocker als (zu ?) sehr pragmatische Alternative?
Noch mehr Evidenz für verlängerte Antikoagulation nach (provozierter) Thromboembolie
Frühere Befunde zeigten, dass eine längere als in den meisten Guidelines minimal empfohlene Dauer der Antikoagulation (Rivaroxaban) die Rezidivrate signifikant reduziert (siehe [1, 2]). Provozierte Thromboembolien (also assoziiert mit mindestens einem bekannten Risikofaktor) rezidivieren nach Absetzen der Antikoagulation in 10% im ersten, in 30% nach fünf Jahren. Die meisten Guidelines empfehlen ein Absetzen der Antikoagulation nach drei Monaten, wenn der provozierende Faktor anhaltend eliminiert werden konnte.
Wie wirksam verhindert eine verlängerte Antikoagulation dieses Risiko und wie hoch ist dann das Blutungsrisiko? Eine Antikoagulation (Rivaroxaban) länger als drei Monate (4900 Patient[inn]en) senkte das Rezidivrisiko im Vergleich zum Verzicht auf Gerinnungshemmung oder nur Aspirin® um 44% [3]. Die Frage, wie viel länger, kann die Studie aufgrund ihrer Methodologie nicht beantworten. Angeblich gab es bei den Antikoagulierten nicht mehr Blutungsnebenswirkungen, was nur vorsichtig auf den praktischen Alltag übertragbar scheint. Also bleibt: wie viel länger (bis das Risiko den Nutzen übertrifft)?
Soll man symptomatische Patient(inn)en mit dokumentiert neu aufgetretenem Vorhofflimmern sofort konvertieren oder lohnt es sich, den Spontanverlauf abzuwarten? Es lohnt sich gemäss einer holländischen Studie mit 437 Patient(inn)en mit innert 36 Stunden dokumentiert neuem Vorhofflimmern. Die frühe Interventionsgruppe (mit elektrischer Kardioversion oder Flecainid) wies nach vier Wochen die gleiche Häufigkeit von Vorhofflimmern auf wie die konservative Gruppe. Die Akutkonversion verlängerte den Aufenthalt auf der Notfallstation aber um etwa 40 Minuten [1].
Die Antikoagulation bei Patient(inn)en mit Vorhofflimmern und akutem koronarem Syndrom oder einem koronaren Dilatationseingriff ist schwierig: Hemmung der plasmatischen Gerinnung und Plättchenhemmung, aber womit? Die Kombination eines direkt wirkenden Antikoagulans (Apixaban) mit einem P2Y12-Hemmer (in mehr als 90% Clopidogrel) ohne Azetylsalizylsäure führte nicht zu vermehrten ischämischen Ereignissen (über 6 Monate), dafür weniger Blutungen und Re-Hospitalisationen
Alternative Operationstechnik zum klassischen Magenbypass
Die häufigste und hier mehrmals besprochene operative Alternative zum klassischen Magenbypass (Roux-en-Y-Magenbypass [RYGB], Abb. 1) ist die Schlauchmagenoperation, die bis auf eine fragliche Häufung von ösophagealem Reflux und Barret-Ösophagus-Bildung dem anspruchsvolleren RYGB zumindest nicht unterlegen ist. Ein weitere, jedoch weniger rigorose Vereinfachung der operativen Technik scheint ebenfalls dem RYGB ebenbürtig zu sein (Abb. 2): Der sogenannte «one anastomosis gastric bypass» (OAGB) wurde in Frankreich bei 129 Patient(inn)en randomisiert den Resultaten bei 124 Patient(inn)en mit RYGB gegenübergestellt. Nach zwei Jahren waren der Gewichtsverlust und die metabolischen Verbesserungen identisch. Die Patient(inn)en mit langem biliopankreatischem Schenkel (200 cm) schienen allerdings mehr malabsorptive Symptome (Steatodiarrhoe) aufzuweisen. Es gibt also immer mehr Optionen in der Adipositaschirurgie, weitere technische Adaptationen werden sicher noch folgen. Zur Erinnerung illustriert Abbildung 3 auch die Schlauchmagenoperation.
Bessere Therapie für Kinder mit Kawasaki-Vaskulitis
Immer noch ist der Kurz und Bündige beeindruckt von einer Autopsie, wo er bei einem plötzlich verstorbenen 7-jährigen Knaben ein Aneurysma des RIVA-Hauptstamms mit konsekutiv arterio-arterieller Embolisation gefunden hatte [1]. Die weitere Abklärung ergab die Diagnose eines Kawasaki-Syndroms, einer Vaskulitis ungeklärter Ätiologie mit Prädilektion der Koronararterien von (Klein-)Kindern und Adoleszenten. Nicht alle Patient(inn)en sprechen auf eine intravenöse Immunglobulintherapie (IVIG) an. Bei 175 japanischen Patient(inn)en (4 Monate bis 15 Jahre) mit Risiko für eine IVIG-Resistenz hat die zusätzliche Therapie mit einem Calcineurin-Inhibitor (Ciclosporin) innerhalb von sieben Tagen nach Diagnosestellung das spätere Auftreten von Veränderungen an den Koronararterien signifikant vermindert. Die Ciclosporin-Dosis betrug 5 mg/kg Körpergewicht/Tag für sieben Tage (plus Aspirin und IVIG).
Stellungnahme zur besten diagnostischen Methode einer Wirbelkörperfraktur
Kurz und bündig wurde mehrmals darauf verwiesen, dass es nach wie vor keinen Goldstandard für die Diagnose (osteoporotischer) Wirbelfrakturen gibt, ein veritabler Notstand angesichts deren negativen prognostischer Bedeutung. Eine internationale Arbeitsgruppe kommt nun zum Schluss, dass morphologische Kriterien (in den seitlichen Strahlengängen entweder konventionell-radiologisch oder mittels «Dual Energy X-ray Absorptiometry» [DXA]) präferentiell anzuwenden sind. Wichtig sind Diskontinuitäten der Deckplatten und der Vorder- oder Hinterkanten. Rein morphometrische Analysen (z.B. Vorderkante mehr als 25% kleiner als Hinterkante) bei sonst intakter Wirbelstruktur sind vielmehr Quellen für Überdiagnostik. Die Arbeit enthält auch lesenswerte Hinweise, wie ein adäquater radiologischer Bericht zu verfassen ist.
Angesichts der durch investigativen Wissenschaftsjournalismus aufgeworfenen Frage, ob die Diagnose «Prädiabetes» (gestellt bei 90 Mio. US-Amerikanern) teilweise eher einem Verkaufsargument als einem sinnvollen Ausgangspunkt für wirksame Prävention entspricht (s. «Kurz und bündig» der letzten Ausgabe [1]), ist ein geraffter Rückblick in die bestehende Evidenz wichtig. Die «diabetes prevention program outcome study» (DPPOS) hatte bei Patient(inn)en, die aufgrund einer pathologischen Glukosetoleranz ausgewählt worden waren, ein geringeres Auftreten von Typ-2-Diabetes nach Metformin oder Lebensstilveränderungen gezeigt [2]. Zwischenzeitlich gibt es für diese Studienteilnehmer(inn)en bis zu 20 Jahre Nachbeobachtung: Etwa 50% der unbehandelten Patient(inn)en bleiben anhaltend ohne Diabetes [3]. Der viel zitierte Ausbau der Prädiabetes-Therapie mit Einbezug von Glitazonen und GLP-1-Agonisten (im Vergleich zu Lebensstiländerungen allein) behauptet einen Nutzen dieser Strategie, war aber kurzzeitig (30 Monate), klein und retrospektiv, also nicht aussagekräftig [4]. Noch braucht es also einige Schritte zu einer individualisierten, allfällige Überbehandlungen vermeidenden (Sekundär-)Prävention.
In der Therapie von Patient(inn)en mit metastasiertem Nierenzellkarzinom hatte die Therapie mit einem sogenannten VEGF*-Hemmer (meist Sunitinib) einen signifikanten Überlebensvorteil gebracht. Die primäre Kombinationstherapie mit einem sogenannten «immune checkpoint inhibitor» und einer VEGF-Blockade verbesserte das progressionsfreie Überleben um 3–5 Monate im Vergleich zu Sunitinib (von ca. 8 auf ca. 11–13 Monate)
Ein weiteres Produkt des sogenannten «Global Burden of Disease»-Projekts findet, dass gemäss Beobachtungen in 170 Ländern über eine Zeit von 46 Jahren die Mortalität in Abhängigkeit des – sozusagen – demokratischen Niveaus eines Landes je nach untersuchter Krankheit um bis zu 25% variiert. Eine (bescheiden definierte) demokratische Politik hatte einen viel grösseren Einfluss auf das Überleben als das Bruttosozialprodukt! Sind wir direkt-demokratischen Schweizerinnen und Schweizer deshalb so langlebig? Erinnern wir uns doch daran, setzen uns mit Sach- und Wahlfragen (2019 ist ein eidgenössisches Wahljahr) nachhaltig auseinander und äussern und diskutieren unsere Meinungen!
Eine interessante und witzige Diskussion vorwiegend von Proponenten einer sehr tiefen Kochsalzdiät kritisiert die auch hier – ziemlich positiv – diskutierte [1] PURE(«prospective urban rural epidemiology»)-Studie [2], die gefunden hatte, dass sich eine Kochsalzreduktion nur bei Individuen in Populationen lohnen würde, wenn die Zufuhr >12,5 g Kochsalz (oder >5 g Natrium) liegen würde. Die Studie wird vor allem wegen den bekanntermassen ungenauen Morgenurin-Messungen der Natriurese kritisiert. Sie bleibt aber die eindrücklichste Beobachtungsstudie (fast 8 Jahre Nachbeobachtung, 135 000 Patient(inn)en, viele Länder, 200 Zentren) und die beste Evidenz, die wir haben. Dass dieselbe Lücken hat, ist den Leserbriefen unterhaltend zu entnehmen [3].
Ein innert neun Wochen sich selbstresorbierendes Netz über den implantantierten Aggregaten (z.B. Herzschrittmacher, Defibrillatoren etc.) mit Antibiotika (Minocyclin und Rifampin), die innert etwa sieben Tagen ins Gewebe diffundieren, führt zu einer signifikanten Reduktion dieser Protheseninfekte. Bei je knapp 3500 Patient(inn)en trat in der «Netzgruppe» bei 25, in der unbehandelten Gruppe bei 42 Fällen ein bakterieller Infekt auf. Absolut gesehen ein signifikanter Unterschied von 0,5% entsprechend einer «number needed to treat» von 200.