Asthma: Langzeitmanagement

Asthma: Langzeitmanagement

EBM-Flash
Ausgabe
2019/2526
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2019.08306
Swiss Med Forum. 2019;19(2526):431-432

Publiziert am 19.06.2019

Dieser Beitrag ist ein Nachdruck aus der Online-
Version der «EbM-Guidelines – 
Evidenzbasierte Medizin für Klinik und Praxis». 
https://www.ebm-guidelines.ch

Wichtiges in Kürze

Wichtig ist, dass der Patient im Selbstmanagement seiner Erkrankung geschult wird. Regelmässige Evaluierung der Behandlung und Therapieanpassungen erfolgen beim Hausarzt.
Therapieziele:
– Minimierung der Symptome
– normale Leistungsfähigkeit
– Minimierung der bronchodilatatorischen Bedarfsmedikation
– keine Medikamentennebenwirkungen
– normale Lungenfunktion, kontrolliert mittels Spirometrie und PEF-Messung
– Prävention von Exazerbationen

Grundlagen

Inhalative Glukokortikoide wirken gegen die asthmatische Atemwegsentzündung und sind damit ein Eckpfeiler der Behandlung. Alle Pa­tienten mit Asthma sollten zusätzlich mit ­einem Bronchodilatator zur bedarfsweisen Anwendung ausgestattet sein. Schulung und Kontrolle der Inhalationstechnik sind wichtig. Die Behandlung wird individuell dem Schweregrad der Erkrankung angepasst und schrittweise verändert. Der Patient wird geschult, die Dosisanpassung seiner Medikamente selbst vorzunehmen (schriftliche Anweisungen!). Eine kurzzeitige Behandlung mit oralen Glu­ko­­kortikoiden ist manchmal notwendig. Im Rahmen von viralen Infekten muss die inha­lative Glukokortikoiddosis meist erhöht werden. Wenn das nicht ausreicht, ist eine orale Glukokortikoidstosstherapie erforderlich. Asthmatiker mit Allergien sollten Kontakt mit hohen Allergenkonzentrationen vermeiden. Die Exposition gegenüber höheren Konzentrationen von Atemwegsirritanzien (Stäube, Rauch, Chemikalien) verstärkt meistens die Asthmasymptome. ASS und andere NSAR sollten vorsichtig eingesetzt werden, da 10–20% aller Asthmapatienten ­dagegen allergisch sind. Betablocker, vor allem die nichtselektiven, können Asthmasymptome verstärken. Rauchen kann den Erfolg der Asthmabehandlung zunichte machen. Immuntherapie kann manchen Patienten helfen.

Durchführung

1. Kontrolliertes Asthma: Die Asthmasym­ptome treten nur gelegentlich auf, seltener als 1× pro Woche, nächtliche Symptome nicht öfter als 2× im Monat, und die Lungenfunktion ist normal.
– Allergenkarenz und Rauchstopp; eine Milbensanierung der Umgebung ist jedoch schwer durchführbar und es gibt keine Evidenz für eine Wirksamkeit.
– Inhalativer, kurzzeitig wirkender Bronchodilatator bei Bedarf (Salbutamol oder Terbutalin).
2. Teilweise kontrolliertes Asthma: Wenn die Symptome häufiger sind und inhalative Bronchodilatatoren mehrmals wöchentlich benötigt werden oder wenn der Schlaf durch das Asthma gestört ist, ist eine Dauer­behandlung mit Entzündungshemmern indiziert.
– Inhalative Glukokortikoide (Beclomethason, Budesonid, Fluticason, Ciclesonid oder Mometason produktabhängig 80–400 µg ein- bis zweimal täglich. Die älteren Dosieraerosole sollten im Normalfall nicht ohne Inhalationshilfe angewendet werden. Die neueren Aerosole enthalten ultrafeine ­Partikel und können auch ohne Spacerverwendet werden, wenn der Pa­tient die Technik ausreichend gut beherrscht. Pulver­inhalatoren werden normalerweise gut akzeptiert; Patienten mit schwacher Atemhilfsmuskulatur oder stark erniedrigter V­italkapazität sollten jedoch be­vorzugt ­Dosieraerosole mit Spacer verwenden. Tabelle 1 listet die klinischen Äquivalenz­dosen für inhalative Glukokortikoide auf.
Tabelle 1: Klinische Äquivalenzdosen inhalativer Steroide.
SubstanzDarreichungsform*Tagesdosis in µg
NiedrigMittelHoch
BeclometasonTrockenpulverinhalator200–500>500–1000>1000
HFA** Dosieraerosol100–200 >200–400 >400
BudesonidTrockeninhalator200–400 >400–800 >800
FluticasonTrockenpulverinhalator100–250 >250–500 >500
HFA** Dosieraerosol100–250 >250–500  >500
Mometason***Trockeninhalator100–200 >200–400 >400
Ciclesonid***HFA** Dosieraerosol 80–160 >160–320 >320
Quelle: Global strategy for asthma management and prevention. Global Initiative for Asthma (GINA) 2017 (Dosierung an die am deutschsprachigen Markt verfügbaren Zubereitungen angepasst). Die Dosen sind entsprechend der Wirkäquivalenz geschätzt. Es handelt sich um Hinweise, interindividuelle Unterschiede sind möglich. Ein klinischer Nutzen wird meist bereits in der niedrigen Dosierung erreicht, Evidenz zur Dosis-Wirkungsbeziehung ist spärlich. Mit steigenden Dosen über längere Zeit steigt auch das Nebenwirkungsrisiko.
* Verneblerlösungen wurden in die Tabelle nicht aufgenommen. ** HFA = Hydrofluoroalkane als Treibmittel. 
*** Mometason and Ciclesonid werden einmal täglich verabreicht.
– Ein Leukotrienantagonist (z.B. Zafirlukast 2 × 20 mg täglich oder Montelukast 10 mg täglich) kann als Alternative eingesetzt werden. Leukotrienantagonisten sind speziell für jene Patienten geeignet, die Schwierigkeiten bei der Handhabung von Inhalatoren haben. Sie werden gut vertragen. In der zugelassenen Dosierung ist die entzündungshemmende Wirkung jener der Glukokortikoide unterlegen.
3. Unkontrolliertes Asthma: Wenn weiterhin täglich Symptome auftreten, wenn häufiger Bedarf an bronchodilatatorischer Bedarfsmedikation besteht und wenn bei regelmässigen PEF-Messungen eine Obstruktion nachgewiesen wird, dann:
– ist die Inhalationstechnik zu überprüfen und nach Akzeptanz und Motivation des Patienten zu fragen. Exploration möglicher aggravierender Faktoren!
– Zusätzlich zum inhalativen Glukokortikoid:
• langwirksamer Bronchodilatator (Salme­terol 50 µg 2 × tgl., Formoterol 6–24 µg 2 × tgl.); auch eine Kombination aus inhalativem Glukokortikoid und langwirksamem Bronchodilatator ist möglich.
• Leukotrienantagonist oder Theophyllin 200–300 mg für die Nacht
• Tiotropiumbromid
4. Wenn die Symptomkontrolle mit einer Kombination aus inhalativem Glukokortikoid (entsprechend 800 µg Budensonid) und einem lang wirksamen Bronchodilatator (plus einem kurz wirksamen Bronchodilatator bei Bedarf) nicht ausreichend ist, werden zusätzlich folgende Massnahmen ergriffen:
– Applikation der Tageshöchstdosis des inhalativen Glukokortikoids
– zusätzliche Gabe eines Leukotrienantagonists (Montelukast oder Zafirlukast)
– zusätzliche Gabe von retardiertem Theophyllin 200–300 mg ein- bis zweimal täglich
– Bei trotzdem weiter persistierender Sym­ptomatik kann ein Versuch mit folgenden Massnahmen und Medikamenten gemacht werden:
• Verabreichung eines Bronchodilatators über einen Vernebler
• ein inhalierbares Anticholinergikum (z.B. Ipratropiumbromid 3–4 × 40 µg täglich oder Tiotropiumbromid einmal täglich)
• Cromoglykat oder Nedocromil (der Erfolg ist oft sehr begrenzt)
• Omalizumab (anti-IgE)
• Mepolizumab (anti-IL5).
– Die Erstverordnung mit Biologika (Omalizumab, Mepolizumab) erfolgt in der Regel an spezialisierten Einrichtungen.
– Auch eine Thermoplastie kann für Asthmapatienten, deren Symptome mit medikamentöser Therapie nicht kontrolliert werden können, in Erwägung gezogen werden. Die Evidenz für das Verfahren ist aber (noch) limitiert. Die Behandlungsmethode bleibt Patienten vorbehalten, bei denen alle anderen verfügbaren Behandlungsmodalitäten ausgeschöpft wurden, ohne dass eine hinreichende Symptomkontrolle erzielt werden konnte (siehe hierzu GINA 2017 [1]).
5. Während einer Exazerbation wird eine orale Stosstherapie mit Glukokortikoiden verabreicht (s. u.).

Schrittweise Dosisanpassung

Die in Tabelle 1 angegebenen mittleren Dosierungen werden hinsichtlich systemischer Wirkungen als sicher für die Langzeitanwendung bei Erwachsenen angesehen. Bei guter Symptomkontrolle kann die Dosis schrittweise verringert werden («step down»). Etwa 6 Monate nach Stabilisierung kann die Dosis der entzündungshemmenden Medikamente halbiert werden, wenn die Symptome minimal sind, nur ein geringer Bedarf an inhalativen Bronchodilatatoren besteht, die PEF-Werte normal sind und keine Schwankungen im Tagesverlauf auftreten. Die PEF-Werte und die Tagesschwankungen sollten weiter überwacht werden. Bei chronischem Asthma ist es oft nicht möglich, die entzündungshemmende Medikation ganz abzusetzen. Das muss auch nicht das Ziel sein; das Pausieren der antientzündlichen Medikamente kann aber von Zeit zu Zeit versucht werden.

Weitere wichtige Aspekte

Nur eindeutige Zeichen einer bakteriellen Infektion stellen eine Indikation für die Verordnung von Antibiotika dar. Hustenmittel haben keinen Platz in der Asthmabehandlung. Die Influenzaimpfung wird von GINA 2017 [1] für Patienten mit mittelschwerem bis schwerem Asthma empfohlen, obwohl die Evidenz für ­einen Nutzen als limitiert betrachtet wird. Für die Pneumokokken-Impfung wird mangels Evidenz keine generelle Empfehlung ausgesprochen. Die Möglichkeit einer allergischen oder nicht-allergischen Rhinosinusitis sowie eines gastroösophagealen Refluxes sollte bedacht werden. Übergewichtige Patienten sollten zur Gewichtsabnahme und Raucher sollten zum Rauchstop motiviert werden.

Orale Glukokortikoide

Indikationen

– Die Symptome nehmen über mehrere Tage zu, während die PEF-Werte abnehmen.
– Die Wirkdauer der inhalierten Sympathikomimetika nimmt ab.
– Die PEF-Werte betragen weniger als 80–70% der höchsten beim Patienten gemessenen Werte.
– Der Schlaf ist gestört.
– Die morgendlichen Symptome halten bis Mittag an.
– Auch die maximale Medikamentendosierung ohne orale Glukokortikoide bleibt wirkungslos.
– Eine akute Exazerbation mit der Notwendigkeit einer notfallmässigen Behandlung mit Bronchodilatatoren mittels Vernebler.

Dosierung

Tägliche Gabe von 30–40 mg Prednisolon bis 3 Tage über das Sistieren der Symptome hinaus bzw. bis zur Normalisierung der PEF-Werte, meist genügt eine Anwendung für 7–14 Tage. Wenn die Verabreichung nicht länger als 1 bis 2 Wochen erfolgt ist, kann das ­Glukokortikoid ohne auszuschleichen sofort abgesetzt werden.

Angeleitetes Selbstmanagement

Der Patient sollte im Selbstmanagement geschult werden. Erfolgreiches Selbstmanagement beinhaltet:
– Akzeptanz der Krankheit und der Behandlung;
– effizienter Einsatz von Medikamenten mit guter Adhärenz;
– ein eigenes PEF-Messgerät zu Hause und Kontrolle der Ergebnisse ;
– schriftliche Anweisungen für Problemsituationen.
Im Rahmen eines angeleiteten Selbstmanagements kann der Patient einen PEF-Kontrollbogen mit individuell angepassten Schwellenwerten und entsprechenden Dosierungsangaben erhalten:
– Wenn es zu einem gehäuften Auftreten von Symptomen oder der gehäuften Notwendigkeit der Applikation kurzwirksamer bronchodilatatorischer Medikation kommt, sollte die Dosis des inhalierten Glukokortikoids 2 Wochen lang verdoppelt werden.
– Wenn die morgendlichen PEF-Werte wiederholt weniger als 80–70% des Optimalwerts des Patienten betragen, kann der Patient eine 1–2-wöchige Stossbehandlung mit oralem Prednisolon (20–) 30–40 mg täglich beginnen.
– Wenn der gemessene PEF weniger als 50% des optimalen Wertes beträgt, soll der Patient zusätzlich zum Beginn der oralen Prednisolontherapie unmittelbar notfallmäs­sig Unterstützung suchen (Hausarzt, Spezialist) oder eine Notaufnahme aufsuchen.
Es wird empfohlen, während eines respiratorischen Infekts die Dosis des inhalativen ­Glu­kokortikoids auch dann für 2 Wochen zu erhöhen, wenn die PEF-Werte nicht vermindert sind. Zusätzlich sollte 3–4× täglich ein kurzwirk­­samer Bronchodilatator verwendet werden.

Überweisung zum Spezialisten

– diagnostische Unklarheiten
– wiederholte Exazerbationen
– Beurteilung der Arbeitsfähigkeit
– Verdacht auf berufsbedingtes Asthma (NB: Berufskrankheitenanzeige erforderlich!)
– eine deutliche Verschlechterung der Krankheit
– Symptome trotz hochdosierten inhalativen Glukokortikoiden
– die Einleitung einer Behandlung mit Omalizumab oder Mepolizumab bzw. die Durchführung einer Thermoplastie oder anderer spezieller Behandlungen wird in Betracht gezogen.
– Schwangere mit verstärkten Symptomen
– Indikationsstellung für eine Hyposensibilisierung
– Das Asthma behindert den Alltag des Patienten (z.B. sportliche Aktivitäten).

Kontrollen

Behandlung und Nachsorge liegen hauptsächlich in den Händen des Hausarztes. Ein Patient unter medikamentöser Behandlung sollte sich regelmässig bei seinem Hausarzt vorstellen. In leichten Fällen genügt eine Folgekonsultation pro Jahr, bei Verschlechterung sind die Kontrollen jedoch häufiger nötig. Zusätzlich zur Anamnese und Auskultation ist ein Protokoll der PEF-Werte über 1 Woche zu Hause meist ausreichend. Eine Spirometrie zur Kontrolle der Einstellung wird alle 3 bis 5 Jahre empfohlen, bei Pa­tienten mit nicht ausreichend kontrolliertem Asthma häufiger. In manchen Fällen kann die Bestimmung des ausgeatmeten Stickstoffmonoxid (FeNO) die Dosisfindung von inhalativen Glukokortikoiden mit dem Ziel der Vermeidung von Exazerbationen erleichtern; hierdurch kann die durchschnittliche Dosis an Steroiden etwas reduziert werden.