a Institut für Notfallmedizin, UniversitätsSpital Zürich; b Schulthess Klinik, Abteilung für Fusschirurgie, Zürich; c Klinik für Pneumologie, UniversitätsSpital Zürich
Bei der Schilderung eines Sportunfalls mit einem peitschenschlagartigen Schmerz im Fussbereich denkt man an eine Achillessehnenruptur. Dieser Fallbericht beschreibt eine seltene Differentialdiagnose.
Hintergrund
Bei der Schilderung eines Sportunfalls mit einem peitschenschlagartigen Schmerz im Fussbereich assoziieren viele Mediziner eine Achillessehnenruptur. Aufgrund der pathognomonischen Schilderung sowie des Unvermögens des Patienten bei kompletter Ruptur einen Einbein- oder Zehenstand durchzuführen, liegt man mit der initialen Vermutung oft richtig. Trotz allem können auch andere Läsionen als Achillessehnenruptur fehlgedeutet werden. Dieser Fallbericht beschreibt eine seltene Differentialdiagnose.
Fallbericht
Anamnese
Der 29-jährige, bis anhin gesunde, Patient (BMI 25,2 kg/m2) spürte während eines Triathlons beim Zieleinlauf einen plötzlichen, «peitschenschlagartigen» Schmerz im linken Bein. In der Folge konnte der linke Fuss schmerzbedingt nicht mehr belastet werden. Bei einer Evaluation am gleichen Tag in einem Zentrumsspital zeigten sich persistierende Schmerzen unter Dorsalflexion des Fusses sowie Druckschmerzen im Bereich des medialen anterioren Calcaneus. Das umgebende Weichteilgewebe inklusive Achillessehne zeigte keine pathologischen Auffälligkeiten bei allseits intakter peripherer Durchblutung, Motorik, Sensibilität (pDMS). In einem konventionellen Röntgenbild konnte eine (Stress-)Fraktur ausgeschlossen werden, nebenbefundlich präsentierte sich jedoch ein Fersensporn (Abb. 1). In Folge wurde eine konservative analgetische Therapie veranlasst bei initialer Verdachtsdiagnose eines traumatisierten Fersensporns.
Diagnostik
Bei weiterhin persistierender Funktionseinschränkung und Schmerzen erfolgte nach vier Tagen eine weitere Selbstvorstellung und eine Magnetresonanztomographie (MRT). Hier zeigte sich eine intakte Achillessehne und kein Hinweis auf eine Stressfraktur. Sichtbar wurde jedoch eine Ruptur des Hauptzügels der Plantarfaszie mit Retraktion und umgebendem Hämatom sowie «bone bruise» an der Insertion am plantaren Calcaneus (Abb. 2). Nach der Beurteilung durch einen Fusschirurgen wurden zusätzlich zur analgetischen Therapie lokalantiphlogistische Massnahmen und Physiotherapie (fokussierte Stosswellentherapie und Elektrotherapie [1] eingeleitet. Ergänzend wurde eine deutliche Verkürzung der Wadenmuskulatur sowie ein normales Fussgewölbe dokumentiert.
Therapie und Verlauf
Unter Schonung und Entlastung an Unterarmgehstützen für zwei Wochen konnte eine deutliche Verbesserung der Schmerzsymptomatik erzielt werden. Nach sechs Wochen war das schmerzfreie Gehen von längeren Strecken unter Einlagenversorgung mit Weichbettung im Bereich der Ferse wieder möglich. Eine Darstellung der normalen Anatomie zeigt Abbildung 3.
Diskussion
Die Plantarfaszie überträgt die Kraft für die Fussflexion (bis zu 10-faches Körpergewicht) vom Calcaneus ausgehend über eine V-förmige Sehnenplatte mit fünf Längs- und Querzügeln, die in die Metatarsalköpfchen sowie die Gelenkkapseln der Zehengrundgelenke inserieren. Rupturen der Plantaraponeurose sind sehr seltene Verletzungen, genaue Angaben zu Inzidenz und Prävalenz existieren nicht. In speziellen Patientenpopulationen und Sportarten, wie etwa Eliteathleten (z.B. Mitglieder des Nationalkaders) und bei Ballsportarten, wurde ein gehäuftes Auftreten beschrieben [2].
In der klinischen Untersuchung kann eine Schwellung plantar medial und eine Ekchymose imponieren [3, 4]. Um eine Ruptur zu diagnostizieren, ist eine Ultraschalluntersuchung adäquat [4]. Um knöcherne Begleitverletzungen oder einen Fersensporn darzustellen, kann eine konventionelle Röntgenuntersuchung durchgeführt werden. Kleinere Frakturen sowie «bone bruise» oder parallel vorhandene ligamentäre Verletzungsmuster lassen sich jedoch in einer MRT-Untersuchung dokumentieren. Während die Benutzung der «bedside» Ultrasonographie immer mehr Einzug in den klinischen Alltag hält, gibt es keine gute Studienlage bezüglich eindeutiger Überlegenheit einer Methode. Der Einsatz ist auch von den vorhandenen Ressourcen abhängig [4].
Die Ruptur kann partiell oder komplett auftreten, in den meisten Fällen zeigt sich (wie in diesem Fall) ein proximaler Riss im Bereich der Insertion am Calcaneus [5, 6]. Bei einem prompten Schmerzereignis im Fussbereich sollten die Achillessehnenruptur, eine (Stress-) Fraktur, sich akut manifestierende entzündliche Erkrankungen (etwa inflammatorische Arthritis) oder das «painful heel pad syndrome» abgegrenzt werden.
Weiterhin ist eine Ruptur der Plantaraponeurose eine Komplikation der Fasziitis plantaris, oft bei gleichzeitigem Vorhandensein eines Fersensporns. Die Ätiologie der Fasziitis plantaris ist noch nicht vollständig verstanden und wahrscheinlich multifaktoriell [7]. Potentielle Risikofaktoren sind Übergewicht, Tätigkeiten die langes Stehen erfordern und Plattfüsse. Weil es eine erhöhte Inzidenz bei Läufern gibt, wird davon ausgegangen, dass immer wiederkehrende Mikrotraumata eine Rolle spielen. In seltenen Fällen kann auch eine Systemerkrankung wie Sarkoidose oder Spondyloarthritis zugrunde liegen. Eine Injektion mit Koritkosterioden wurde als Therapieoption der Fasziitis plantaris propagiert, allerdings wird auch ein Zusammenhang zu einer erhöhten Neigung von Rupturen der Plantaraponeurose vermutet. Leider gibt es nur sehr wenig hochwertige Studien in diesem Bereich [6]. Einzig gute Evidenz für einen Zusammenhang von Sehnenläsionen im Rahmen der Einnahme von gewissen Antibiotika (etwa Fluorochinolone) ist vorhanden [7].
Das Wichtigste für die Praxis
• Bei plötzlichen atraumatischen Fussschmerzen sind neben einer Achillessehnenruptur auch eine Ruptur der Plantaraponeurose sowie eine (Stress-)Fraktur möglich.
• Eckpunkte der Diagnosestellung beinhalten neben der Klinik eine sorgfältige Anamneseerhebung: das Fragen nach Systemerkrankungen sowie nach Einnahme von Antibiotika oder Kortikosteroiden.
• Bildgebende Massnahmen: Röntgen, Ultraschall, MRT in Abhängigkeit von Hergang, Schwere der Verletzung und angestrebter Behandlung.
• Die Therapie der Ruptur der Plantaraponeurose beinhaltet Schonung, nichtsteroidale anti-inflammatorische Medikamente, Physiotherapie und in schweren Fällen eine operative Behandlung.
Verdankung
Die Autoren danken dem Patienten für die Mitarbeit und Dr. med. Hötker, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, UniversitätsSpital Zürich für die radiologischen Abbildungen.
Disclosure statement
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
Korrespondenz
Dr. med. Sira Thiel UniversitätsSpital Klinik für Pneumologie Rämistrasse 100 CH-8091 Zürich sira.thiel[at]usz.ch
Literatur
1 Malay DS, Pressman MM, Assili A, Kline JT, York S, Buren B, et al. Extracorporeal shockwave therapy versus placebo for the treatment of chronic proximal plantar fasciitis: results of a randomized, placebo-controlled, double-blinded, multicenter intervention trial. J Foot Ankle Surg. 2006;45(4):196–210.
2 Saxena A, Fullem B. Plantar fascia ruptures in athletes. Am J Sports Med. 2004;32(3):662–5.
3 Walther M. Fersenschmerz: Einriss der plantaren Platte. Orthopädie aktuell. 2016;8:1–2.
4 Servey JT, Jonas C. Plantar Fascia Rupture: Ultrasound to Facilitate Recognition. J Am Board Fam Med. 2018 Mar-Apr;31(2):282–285.
5 Lim AT, How CH, Tan B. Management of plantar fasciitis in the outpatient setting. Singapore Med J. 2016;(4):168–70.
6 Kim C, Cashdollar MR, Mendicino RW, Catanzariti AR, Fuge L. Incidence of plantar fascia ruptures following corticosteroid injection. Foot Ankle Spec. 2010;3:335–7.
7 Wise BL, Peloquin C, Choi H, Lane NE, Zhang Y. Impact of age, sex, obesity, and steroid use on quinolone-associated tendon disorders. Am J Med. 2012;125(12):1228.e23.