Lachen und Lächeln
Ein Gedicht

Lachen und Lächeln

Divertimento
Ausgabe
2019/3334
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2019.08353
Swiss Med Forum. 2019;19(3334):560-561

Publiziert am 14.08.2019

Ein Gedicht.

Prolog

Schallt es tief aus einer Brust
mit der vollen Herzenslust,
lässt es Sorgenfalten schwinden,
weil es stärkt das Wohlbefinden.
Lächelt nur ein steifes Mündchen,
wird es kein erbaulich Stündchen;
Lachen, Lächeln, das ist wahr,
sind ein zwar verwandtes Paar,
doch es trennt sie nebst dem Ton
auch die Art der Emotion.
Memotechnisch nimmt man klar
Englisch die Bedeutung war:
was die Stimme soll entfachen,
heisst «to laugh», meint unser Lachen,
setzt man an zum Worte «smile»,
hält der Mund das Lächeln feil.

I

Lachen hat oft satt, dann flieht es
allen Lärm des Stadtgebietes
bis der Zirkus uns besucht,
wo man, wenn man Plätze bucht,
mit dem Clown es wieder findet,
und der Ärger sanft entschwindet.
Auch freut seit geraumer Zeit
sich der Lachkunsttherapeut,
der für’s Wieder-Lachen bürgt
gegen Griesgram, der uns würgt.
In Vereinen und Betrieben
kann man es gemeinsam üben,
es verleiht die Resistenz
gegenüber Konkurrenz,
und es stiftet neben Freud
tägliche Gemeinsamkeit.

II

Lächeln bringt an manchem Tage
uns in vorteilhafte Lage,
deshalb wird es uns gegeben
schon im frühen Säuglingsleben:
hat dasselbe kaum begonnen,
wird die Umwelt flugs gewonnen,
weil ein Lächeln schon gelingt,
das in Herzen überspringt,
und von Anfang an gerät,
weil es als Reflex entsteht.
schon nach Tagen bis drei Wochen
zeigt sich dieses ausgesprochen.
Doch mit einem Dritteljahre
hat das Lächeln eine klare
Richtung, wird nun, weil’s erkannt,
Mutter’s Antlitz zugewandt;
solches Lächeln dannzumal
nennt man drum emotional.
Lächeln heisst ab dieser Zeit
traute Zugehörigkeit.
Lächeln für Bezugspersonen
bildet Koalitionen,
weil es Empathie vermittelt,
ohne dass man Hände schüttelt,
dient der Seelenkonkordanz
als ein Bote auf Distanz.
Und in fünf Monaten Zeit
reift heran die Fähigkeit
auch zum Lachen, das erschallt,
ist auch klein noch die Gestalt.

III

Allgemein ergeht die Kund’:
Lachen halte uns gesund,
drum sei’s Leib und Seel geraten,
dass sie fähig sind zu Taten.
Lachen aber, das voll Häme
nicht aus Bauch und Herzen käme,
sondern starte in der Kehle,
sei ein Gift für Leib und Seele.
Mancher Schmerz wär ­unerträglich,
und wir litten hart und kläglich,
schützte nicht ein Schuss Humor
oft ein bisschen uns davor.
Kann man auf des Lachens Schwingen
Schmerzen zum Verschwinden bringen?
Einer hat, wie er beschrieben,
dieses mit Erfolg betrieben
und indem er aufgespürt
habe, was zum Lachen rührt,
wenn der Schmerz ihn heftig traf
und ihm raubte seinen Schlaf.*
Mittels lustiger Geschichten,
allerhand Humor-Berichten,
glückte, dass er für zwei Stunden
immer wieder Schlaf gefunden:
konnte Lachen ihn erfassen,
haben Schmerzen nachgelassen.
Und sogar ward mit der Zeit
er vom Leiden selbst befreit,
(einer Rheumadiagnose
mit bedenklicher Prognose),
Ist es möglich drum, dass Lachen
Heilung könnte mitentfachen?
Noch hat uns die Wissenschaft
nicht die Evidenz verschafft,
dass das Lachen sei ein Grund
für den schnellen Schmerzensschwund
oder froher Sinn vielleicht
schon bewirkt, dass er entweicht;
sicher hat man nur gefunden,
dass es anders wird empfunden,
wird beeinflusst, was da schmerzt
durch ein anderes, das scherzt.
Auch ob Lachen könnt’ enthalten
einen Kern, sich zu entfalten,
um zur Heilung beizutragen,
in den kranken Erdentagen,
zählt nicht zu den Haupt­problemen,
die die Welt in Anspruch nehmen,
aber, falls es sicher stände,
dass man, lachend, sich befände
auf vom Chemikaliensegen
nicht gesäumten heitern Wegen,
könnte man damit gewinnen,
Prämienlasten zu entrinnen –
meistens blieb erst noch dabei
Lachen nebenwirkungsfrei.

IV

In Bezug auf Gruppenlachen
gibt es wunderliche Sachen:
nicht nur forschungsakademisch,
sondern manchmal epidemisch:
Lachen kann man leicht erwecken
bei dem Nächsten. Anzustecken
ist’s im Stande auf die Länge
eine grosse Menschenmenge:
Epidemischem Gelächter
einst verfielen College-Töchter
Tanganjikas: und das Land
diese Krise überwand
dank der strikten Quarantäne,
was im Gang der Schulungspläne
ohne Kichern nach 2 Jahren
neu erlaubte, fortzufahren.**

V

Niemals also wird es glücken,
Lachen schlicht zu unterdrücken,
selbst in Situationen
karrierer Ambitionen.
Auch zwingt Kitzeln stets zum Lachen –
mit sich selbst ist’s nicht zu machen.

VI

Eventuell wär’ auch im Krieg
Lachen Mittel für den Sieg,
hätte man ein Lachzwang-Virus
für den Lachmotorik-Gyrus
gegen das man selbst sich impflich
schützte und dann fried- und glimpflich
Gegner, den das Lachen fesselt,
kampflos hätte eingekesselt,
welchen, weil er ohne Verve,
auch nicht taugte als Reserve,
ohne Schuss und ohne Hieb
man beschwingt nach Hause trieb’.

VII

Neben lachenden Soldaten
gibt es weitere Primaten,
die ihr Sozialverhalten
durch das Lachen mitgestalten.
und auch diese lachen friedlich,
dennoch tönt es unterschiedlich:
Menschenlachen nur entsteht,
wenn die Lunge sich entbläht,
doch beim Affen es geschieht,
auch wenn er die Luft einzieht.

VIII

Lachen, was ein jeder spürt,
zu vertrauter Stimmung führt,
bringt Erquickung auf der Stell’,
schont den Leib auch hormonell,
denn die Stresshormone sinken,
und es will uns alsdann dünken,
dass es nichts auf Erden gebe,
was den Frohsinn höher hebe:
häufig ist man nach Sekunden
gegenseitig sich verbunden;
Merkel braucht gar nur zu lächeln,
dass die Gegner schmählich schwächeln
und verzichten auf die Finten,
wandeln sich zu Gleichgesinnten.

IX

Lachen kann sich mit dem Weinen
rasch und wiederholt vereinen,
Weinen und auch Lachen: beide
können Ausdruck sein der Freude,
sind laut Goethe wie die Neffen,
oft gemeinsam anzutreffen.
Analog, so will es scheinen,
uns ein einziger Kern fürs Weinen
und fürs Lachen schon genügt,
der im Pons rostralwärts liegt,
sich damit im Hirnstamm findet,
was die Forschung hat ergründet.

X

Lachen, hier ist Kenntnis spärlich,
ist gelegentlich gefährlich,
deshalb sei jetzt abgehandelt,
wie es zum Malheur sich wandelt:

XI

Durch des Zwerchfells Ruck, Ruck, Ruck
steigt des Bauches Innendruck
und darum bei heiteren Szenen
auch der Druck in hohlen Venen,
der sofort und ohne Milde
fort sich pflanzt aufs Hirngebilde,
was nicht selten dazu führt,
dass darin das Blut stagniert
und man sich am Boden findet,
weil das in die Ohnmacht mündet:
wer derart den Lachschlag kriegt,
lacht am besten, wenn er liegt.

XII

Traurig machen Kranken-Fälle,
ist des Lachens Grund und Quelle
nicht die Wohlbefindlichkeit,
sondern die Verletzlichkeit:
denn ein Hirnschlag führt nicht selten
zum Zerfall in fremde Welten:
eine Seel’ in finstrer Nacht
einen Körper, der da lacht.
So ein Lachen pädagogisch
nennt man deshalb pathologisch,
weil das, was zum Lachen führt,
nicht ist, was der Kranke spürt.
Solches kann auch schon geschehen,
prodromal, bevor wir sehen,
dass ein Schlag dem Manne droht:
Handeln ist hier das Gebot.
Beim Infarkt, der rechts liegt vor,
fehlt Verständnis für Humor,
denn der beste Witz kann Lachen
bei dem Kranken nicht entfachen;
selber Witze machen bleibt
ihm dennoch als Fähigkeit.
Doch es sind halt Blödeleien,
nicht die Witze, die uns freuen,
sondern sie sind eine Frucht
sogenannter Witzelsucht,
und der Kranke kommt uns vor
wie ein ungeschliffner Tor.
Das Verständnis ist gestört,
was zum feinen Witz gehört,
und es fehlt die Funktion
kluger Witzproduktion;
im Frontalhirn rechts basal
liegt das Schadensareal.

XIII

Falls da einer, der nicht trinkt,
wenn er lacht, zusammensinkt
und sich solches immer wieder
wiederholt und seine Glieder-
muskeln unverhofft erschlaffen,
was ihn hemmt, sich aufzuraffen,
ist’s bedingt nicht apoplektisch,
sondern immer kataplektisch.
Leider trifft das oft bei Leuten
ein, die Unerfreulichkeiten
der Natur schon unterliegen,
dass der Übel zwei sie kriegen:
narkoleptisch unverhofft
schlafen ein sie nämlich oft.

XIV

Epileptisch, selten zwar,
wird gelacht, doch droht Gefahr,
wenn man meint, dass Anfalls­leiden
nie als Lachen sich verkleiden,
und so kann der Arzt verpassen,
das Problem recht aufzufassen.

XV

Manchem steht auch, ist er tot,
noch ein Lächeln zu Gebot,
und er gibt so zu erkennen,
dass nach hetzen, schuften, rennen,
er versöhnt ist hingeschieden
in den grossen Totenfrieden.

Epilog

Lachen möge uns begleiten,
doch auch Lächeln sich verbreiten
und vermeiden jenen Schaden,
den, wenn wir mit Wut geladen
unser Antlitz stets erzeugt,
weil es diese nie verschweigt.
Medizinisch muss man Lachen
ernstlich immer klar sich machen.
Alles was der Klärung diene,
soll den Geist uns und die Miene
nicht verdunkeln, doch erhellen,
Diagnosen recht zu stellen.
Der Text wurde in Anlehnung an ein Referat von Herrn Prof. Dr. med. Christian W. Hess, ehem. Direktor der Neurologischen Klinik des Inselspitals Bern, verfasst. Ich danke ihm herzlich für den stimulierenden Vortrag sowie auch die freundliche fachliche Unterstützung, die Durchsicht des Manuskriptes und Hinweise auf die Literatur.
Autor und Verlag danken dem Künstler, Ruedi Pfirter ­(Hölstein), ganz herzlich für die Zeichnungen.
Prof. em. Dr. med.
Max Stäubli
Lebernhöhe 4
CH-8123 Ebmatingen
maxstaeubli[at]bluewin.ch