Asthma-COPD-Overlap
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Asthma-COPD-Overlap

Übersichtsartikel
Ausgabe
2019/3738
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2019.08357
Swiss Med Forum. 2019;19(3738):611-615

Affiliations
a Abteilung für Pneumologie, Departement Innere Medizin, Kantonsspital Graubünden, Chur
b Departement Innere Medizin, Kantonsspital Graubünden, Chur

Publiziert am 11.09.2019

Das Asthma-COPD-Overlap ist ein wichtiger COPD-Phänotyp. Es lässt sich klinisch nicht erkennen, sondern muss aktiv gesucht werden.

Einleitung

Seit Jahrzehnten sind Parallelen und Unterschiede zwischen chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) und Asthma kontroversen Diskussionen unterworfen. Das COPD-GOLD-Komitee und die GINA-Asthma-Initiative haben sich auf den Begriff Asthma-COPD-Overlap (ACO) geeinigt, um das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass Überlappungen beider Krankheitsbilder existieren, identifiziert und differenziert behandelt werden müssen. Die definierenden Kriterien für das ACO befinden sich aber noch im Fluss.
Wir präsentieren hier zwei klinische Fälle, welche die klinischen Probleme der Diagnosestellung beleuchten, und möchten eine Empfehlung geben, wie eine sinnvolle Phänotypisierung in der Praxis durchgeführt werden kann.

Fall-Vignette 1

Bei der 52-jährigen Patientin, die bis Ende 2017 einen Tabakrauchkonsum von 35 Packyears (py) betrieben hat, traten 2014 erstmals bronchitische Symptome auf. Immer wieder kam es zu Exazerbationen mit produktivem Husten, thorakaler Enge und der Notwendigkeit der Gabe von oralen Steroidstössen und Antibiotika. Im Herbst 2017 war in der Spirometrie eine auf Salbutamol nicht reversible Obstruktion erkennbar mit einem forcierten exspiratorischen Volumen (FEV1) von 1,5 l (51% der Norm). Im High-Resolution-Computertomogramm (HR-CT) des Thorax wurde im Frühjahr 2018 ein zentrilobuläres Lungenemphysems nachgewiesen. Die Lungenfunktion zeigte zu diesem Zeitpunkt eine schwerste, nicht reversible Obstruktion mit einem FEV1 von 0,75 l (25% der Norm). Im 6-Minuten-Gehtest ergab sich eine massiv reduzierte Gehstrecke von 150 m mit signifikanter Desaturation der pulsoxymetrisch gemessenen Sauerstoffsättigung (SpO2). Trotz eines oralen Steroidstosses war die Sym­ptomatik progredient, sodass eine Hospitalisation notwendig wurde.
Unter empirischer antibiotischer Therapie und protrahierter Gabe oraler Kortikosteroide trat eine Besserung ein (Abb. 1), sodass die Patientin zur stationären Rehabilitation verlegt werden konnte. Wenige Wochen nach Entlassung aus der Rehabilitation wurde die Pa­tientin uns erneut wegen einer schweren Exazerbation zur stationären Therapie zugewiesen. Nun bestand eine respiratorische Globalinsuffizienz, weshalb mit einer nichtinvasiven Maskenbeatmung (NIV) in Kombination mit einer Sauerstoffgabe von 5 l/min begonnen wurde. Die tägliche Steroiddosis wurde auf 80 mg Prednisolon erhöht. Im Kontroll-CT fielen in den Oberfeldern ausgeprägte Dystelektasen und «mucoid impaction» auf. Zweimal erfolgte eine broncho­skopische Lavage bei zähem, nur schwer mobilisierbarem Bronchialsekret (Abb. 2).
Abbildung 1: Spirometrie vor und nach dem protrahierten und hochdosierten Steroidstoss. A) Spirometrie in Exazerbation. B) Spirometrie nach systemischer Steroidgabe. LLN: «lower limit of normal»; FVC: forcierte Vitalkapazität; SVC: langsame Vitalkapazität; FEV 1 : forciertes exspiratorisches Volumen; PEF: exspiratorischer Spitzenfluss; MEF 75, 50, 25: maximaler exspiratorischer Fluss bei 25, 50 und 75% der FVC.
Abbildung 2: Endoskopisches Bild des mit Sekret obliterierten rechten Unterlappens.
Im Labor imponierte eine Bluteosinophilie von 6% re­spektive 0,57 G/l absolut bei Eintritt. Die ANCA und die Asper­gillus-fumigatus-spezifischen IgE-Antikörper im Serum waren negativ. In der Rehabilitation war eine Bestimmung des Gesamt-IgE erfolgt mit einem mässig erhöhten Wert von 297 kU/l. Der Austrittsbericht aus der Rehaklinik enthielt die Information, dass sich dort die 6-Minuten-Gehstrecke verdreifacht und die Spirome­trie bei Austritt nur noch eine mässige, nicht reversible Obstruktion ergeben hatte. Das Nitritoxid in der Aus­atemluft (FeNO) war dort mit 102 ppb (Norm <25 ppb) erhöht gewesen.
Aufgrund dieser passageren deutlichen Besserung der Klinik in der Anamnese und der nachweisbaren eosinophilen Entzündung trotz oraler Kortikosteroide wurde nun ein hochdosierter, systemischer Steroidstoss mit 500 mg Methylprednisolon täglich begonnen. Nach zehn Tagen trat eine klinische Besserung ein, der FEV1 verbesserte sich auf 2,78 l (94% der Norm) und der FEV1/VC-Quotient auf 71% (89% der Norm, Z-Score –1,34).

Fall-Vignette 2

Bei der damals 54-jährigen Patientin mit einem Zigarettenkonsum von 30 Packyears erfolgte 2010 aufgrund progredienter Belastungsdyspnoe ein pneumologischer Work-up, der im HR-CT ein diffuses Lungenemphysem und in der Spirometrie eine mäs­sige, auf kurzwirksame Betastimulatoren fixierte Ob­struktion ergab. Die Diagnose COPD-GOLD 2 wurde gestellt. Nach Tabakrauchstopp und Beginn einer Inhalationstherapie mit langwirkenden Betastimulatoren war der Verlauf über fünf Jahre relativ stabil. Dann kam es zu einer schweren Exazerbation mit nachfolgender Hospitalisation. Dort erfolgte eine rasche klinische Besserung ­unter oraler Therapie mit Kortikosteroiden und Antibiotika. Bereits zwei Monate nach Entlassung traten zunehmender Husten und Belastungsdyspnoe ohne Hinweise auf das Vorliegen ­eines viralen Atemwegsinfektes auf. Es erfolgte eine erneute Hospitalisation mit kurzer systemischer Therapie und wieder raschem ­klinischen Ansprechen. Im Anschluss wurde die Patientin zur stationären pulmonalen Rehabilitation verlegt. Dort erfolgte bei Eintritt der Nachweis einer mässigen bronchialen Ob­struktion mit einem FEV1 von nur wenig unterhalb des im Jahr 2010 gemessenen Wertes. In der Austrittkontrolle am Tag vor der Entlassung klagte die Patientin über zunehmenden Husten. Die Lungenfunktion ergab eine Zunahme der Obstruktion und Erhöhung des FeNO. Im Labor fand sich eine Bluteosinophilie von 8% (0,52 G/l). Daraufhin wurde ein erneuter Steroidstoss appliziert und mit einem hochdosierten inhalativen Kortikosteroid (ICS) begonnen. Darunter besserte die Obstruktion wieder rasch. Im Verlauf des darauffolgenden Jahres blieb die Patientin klinisch stabil, eine mässige bronchiale Obstruktion war jedoch konstant nachweisbar.

Asthma – verschiedene Phänotypen

Asthma ist kein homogenes Krankheitsbild, sondern ein Schirm, der verschiedene Phänotypen überspannt. Bereits vor 200 Jahren gab es in der medizinischen Literatur klinische Angaben zum allergischen Asthma, das meist in der Kindheit beginnt. Das ­Intrinsic Asthma [1], das heute besser deskriptiv eosinophiles Asthma vom «adult-onset»-Typ genannt wird, ist zum ersten Mal bereits sehr präzise vor 100 Jahren und später wiederholt beschrieben worden [2]. Die zwei Phänotypen unterscheiden sich klinisch grundlegend, obwohl beiden eine eosinophile Entzündung zugrunde liegt.
Das allergische «early-onset» Asthma wird klinisch durch eine bronchiale Hyperreaktivität (BHR) charakterisiert. Je ausgeprägter die BHR ist, desto stärker imponiert die Peak-Flow-Variabilität («morning dipping»). Mit einer suffizienten Therapie nimmt die BHR ab und die Asthmakontrolle verbessert sich. Der Grad der Asthmakontrolle lässt sich zum Beispiel mit dem «Asthma-Control-Test» objektivieren [3]. Typische Asthmasymptome wie nächtliches Erwachen mit Reizhusten oder Atemnot sowie das Auftreten eines akuten Bronchospasmus während oder direkt nach intensiver körperlicher Aktivität (Anstrengungsasthma) sind Ausdruck einer ungenügend kontrollierten BHR.
Beim eosinophilen «late-onset» Asthma dagegen ist die BHR oft nur gering ausgeprägt [4]. Selbst in der Exazerbation können typische Asthmasymptome weitgehend fehlen, da der Bronchospasmus hier manchmal nur eine marginale Rolle spielt. Stattdessen treten eine Belastungsdyspnoe und produktiver Husten auf; beides Ausdruck der entzündlichen Schwellung und hochvisköser Sekretion der bronchialen Mukosa mit konsekutiver «mucus impaction» der Atemwege. Der Peak Flow zeigt entsprechend eine progrediente Abnahme ohne vermehrte Tagesvariabilität («drifter type») [5]. Die Anamnese kann in dieser Situation fehlleiten, da Patienten mit «adult-onset» Asthma zwangsläufig schon älter sind, oft geraucht haben und eine auf Salbutamol nicht reversible Obstruktion zeigen. Nur ein oraler Steroid-Trial von mindestens zehntägiger Dauer führt zur Reversibilität der Obstruktion und erlaubt die Differenzierung zwischen Asthma und COPD. Das «late-onset» Asthma imitiert also oft klinisch die COPD.
Dies war bei der Patientin der 1. Fallvignette der Fall. Aufgrund der vollen Reversibilität der Obstruktion lautet die Diagnose Asthma und nicht COPD, auch wenn bei der Ex-Raucherin im CT bereits ein leichtes Lungenemphysem erkennbar ist.
Bei einem hocheosinophilen Asthma muss differen­zialdiagnostisch noch an eine allergische bronchopulmonale Aspergillose (ABPA) und eine eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA) gedacht werden. Bei einem Gesamt-IgE-Wert von 297 U/l und fehlendem Nachweis von IgE-Antikörpern gegen spezifische Aspergillus-fumigatus-Antigene (Phadia m221 + m222) und gegen die Antigene von Aspergillus niger ergeben sich bei unserer Patientin serologisch keine Hinweise für eine ABPA [6]. Trotz negativer ANCA im Serum ist ein EGPA nicht ausgeschlossen. Der Erstbeschreiber der Erkrankung hat in einer späteren Publikation selber festgehalten, dass die Latenzphase, vom Beginn ­eines schweren eosinophilen Asthmas bis zum Nachweis einer Vaskulitis, länger als ein Jahrzehnt dauern kann [7].
Überraschend am klinischen Verlauf während des stationären Aufenthaltes unserer Patientin war, dass sich die Klinik trotz einer achttägigen, adäquat dosierten oralen Steroidgabe nicht verbesserte. Die Therapie­adhärenz ziehen wir nicht in Zweifel, da im späteren Verlauf auch die intramuskuläre Gabe einer Kristallsuspension mit 80 mg Triamcinolon ohne erkennbare klinische Wirkung blieb. Auch unter der sehr hoch ­dosierten intravenösen Methylprednisolon-Therapie dauerte es noch relativ lange, bis die volle Reversibilität der Obstruktion erreicht werden konnte. Kausal kommen hierbei zwei Gründe infrage: Vermutlich erfordert die mechanische Clearance der Bronchialausgüsse, die aus zähen Curschmann’schen Spiralen bestehen, länger als das Abschwellen der Mukosa selber. Zum anderen weiss man, dass beim eosinophilen Asthma gelegentlich eine relative Steroidresistenz [8] vorliegt. Diese kann oft durch den Einsatz älterer Kortikosteroide mit längerer Halbwertszeit durchbrochen werden [9], was aber hier nicht der Fall war. Die Kausalität dieser Resistenz wird unterschiedlich diskutiert [10, 11].
In der Vor-Kortison-Ära sind viele Patienten mit diesem Krankheitsbild in der Asphyxie verstorben beziehungsweise überlebten nur dank einer antiinflamma­torischen Strahlentherapie der Lunge. Diese führte dann aber innerhalb von wenigen Jahren zur Strahlenfibrose mit letalem Ausgang [12].

Was ist nun aber ein ACO?

Bei der Aufnahme dieses Begriffs in die Guidelines 2014 hiess es noch Asthma-COPD-Overlap-Syndrom. Schnell wurde aber klar, dass es sich hier nicht um ein einheitliches Syndrom handelt, sondern um unterschiedliche Entitäten.
Nur ca. 20% der Raucher entwickeln eine COPD. Ein wichtiger Risikofaktor für die COPD-Entwicklung beim Raucher ist ein juveniles Asthma in der Anamnese [13]. Entsprechend sollten COPD-Patienten dahingehend befragt werden. Es ist wahrscheinlich, dass bei Status nach «early-onset» Asthma auch im Alter eine BHR mit deutlicher Reversibilität des FEV1 persistiert, die durch den Einsatz von ICS redu­ziert werden kann.
Des Weiteren wurden in den letzten Jahren von verschiedenen Autoren eine eosinophile COPD [14] beschrieben. Über die Genese herrscht noch Uneinigkeit. Es ist aber wahrscheinlich, dass sich bei diesen Patienten ein eosinophiles «adult-onset» Asthma auf eine vorbestehende COPD aufgepfropft hat. Warum sollte auch eine COPD vor der Entwicklung eines «adult-onset» Asthmas schützen? Für beide Krankheitsbilder gelten dieselben Risikofaktoren, das heisst Rauchen und Luftverschmutzung [15].

Wie lassen sich ACO-Patienten identifizieren?

Die Autoren [16] der spanischen COPD-Guidelines liefern dazu eine Definition (Tab. 1), die in der Praxis hilfreicher ist als diejenige des GOLD-Komitees. Von einem ACO sollte dann gesprochen werden, wenn neben den Kriterien für eine COPD auch eine sehr deutliche Teilreversibilität der bronchialen Obstruktion durch einen Bronchospasmolysetest eintritt. Dies weist auf das Vorliegen einer relevanten BHR hin. Entsprechend ist hier neben der normalen medikamentösen COPD-Therapie der Einsatz von ICS sinnvoll.
Tabelle 1: Kriterien zur Diagnose eines Asthma-COPD-­Overlap [9].
Nikotinkonsum >10 Packyears
Alter >35 Jahre
FEV1/FVC <70% der Norm nach Bronchospasmolyse
und
entweder Bluteosinophilie >0,3 G/l
oder Verbesserung des FEV1 um >400 ml absolut und >15% nach Bronchospasmolyse (oder Status nach «early-onset Asthma)
FEV1 = forciertes exspiratorisches Volumen; FVC = forcierte Vitalkapazität
Auch wenn die Reversibilität auf Salbutamol fehlt, darf nach obiger Definition von einem ACO gesprochen werden, wenn neben den Kriterien der COPD häufige spontane Exazerbationen mit Nachweis einer Bluteosinophilie auftreten. Auch hier sind hochdosierte ICS indi­ziert, erweisen sich aber in einigen Fällen als un­genügend [17]. Dann gelingt es nur mit einer oralen Dauer­steroidtherapie respektive einer Steroid-sparenden Therapie mit einem modernen Anti-IL5-Antikörper, die eosinophile Entzündung und damit die Exazerbationen zu unterbinden [18].
Bei der Patientin der 2. Fall-Vignette bestand über mehrere Jahre eine klinische stabile COPD. 2015 dann aber traten wiederholte Exazerbationen auf. In diesem Rahmen wurde eine Bluteosinophilie und ein erhöhtes FeNO nachgewiesen. Mit Beginn einer ICS-Therapie kam es zur erneuten Stabilisierung auf dem vorgängigen ­Niveau. Da niemals eine volle Reversibilität der Obstruktion gelang, liegt es nahe, dass sich auf die vorbestehende COPD ein eosinophiles Asthma aufgepfropft hat. Das Krankheitsbild der Patientin muss deshalb jetzt als Asthma-COPD-Overlap bezeichnet werden.
Die Diagnose des ACO gelingt nur dann, wenn aktiv ­danach gesucht wird. Dazu empfehlen wir, dass bei ­jeder Exazerbation einer obstruktiven Atemwegserkrankung, unabhängig vom vorgängigen klinischen Label, noch vor Beginn einer Steroidtherapie ein Differenzialblutbild abgenommen und eine Eosinophilie gesucht wird. Viele Analysegeräte in der ärztlichen Praxis differenzieren die Eosinophilen allerdings nicht, sodass das Blut dann an ein externes Labor versandt werden muss. Ausserdem sollte vor und nach einem therapeutischen Steroidstoss eine Spirometrie erfolgen. Nur so kann eine eventuelle Reversibilität der bronchialen Obstruktion auf Kortikosteroide erfasst werden.
Ebenso ergibt es Sinn, dass das individuell beste FEV1 ­eines Patienten mit einer obstruktiven Atemwegs­erkrankung in Berichten des Pneumologen respektive des Spitals dokumentiert wird. Verschlechtert sich ­dieses im zeitlichen Verlauf sehr schnell, liegt einem exzessiven FEV1-Verlust meist nicht die Entwicklung ­eines Emphysems zugrunde, sondern eine eosinophile Entzündung in den Atemwegen, die potentiell behandelbar ist. Für die Asthmakomponente spricht auch das Neuauftreten rezidivierender Exazerbationen mit jeweils sehr gutem Ansprechen auf eine kurze orale Steroidtherapie.

Stellenwert inhalativer Kortikosteroide

Im Augenblick sind viele Grundversorger aufgrund neuer Studien verunsichert, welchen Stellenwert ICS in der Therapie der COPD innehaben. Folgendes kann als gesichert gelten:
– Eine ausgeprägte Reversibilität im Bronchospasmolysetest wie auch eine positive Asthmaanamnese in der Kindheit legen nahe, dass ein Therapieversuch mit ICS unternommen werden soll.
– Grosse Studien konnten darüber hinaus klar zeigen, dass COPD-Patienten mit häufigen Exazerbationen und einer Bluteosinophilie von >0,3 G/l ebenfalls von ICS profitieren [19, 20]. In manchen Fällen sind sogar tägliche orale Steroide für die Kontrolle der Symptome und Beibehaltung des bestmöglichen FEV1 notwendig.
Bei der alleinigen COPD, das heisst dem Fehlen einer Bluteosinophilie und einer deutlichen Reversibilität im Bronchospasmolysetest, hat sich dagegen die Gabe von ICS als nicht notwendig erwiesen [21, 22]. Auch eine Nachanalyse der neuen IMPACT-Studie hat dies bestätigt [23]. Hier ist eine langjährige ICS-Therapie sogar mit einem erhöhten Pneumonie- und Osteoporose­risiko assoziiert [24].

Zusammenfassung

Patienten mit einem Asthma-COPD-Overlap leiden oft unter einer ausgeprägteren Symptomatik als solche mit reiner COPD. Damit eine Therapie mit ICS initiiert werden kann, muss dieser COPD-Phänotyp identifiziert werden. Das eosinophile «late-onset» Asthma wie auch ein Asthma-COPD-Overlap können jedoch eine COPD imitieren. Nach beiden Entitäten muss deshalb aktiv gesucht werden. Dazu ist Folgendes erforderlich:
– Bei jeder Exazerbation einer obstruktiven Atem­wegs­erkrankung sollte ein Differenzialblutbild veranlasst werden, damit eine eventuelle Eosinophilie erfasst werden kann.
– Um abzuklären, ob Patienten mit COPD, aber ohne bisherige Therapie mit ICS, eine BHR aufweisen, sollten einmal über 48 Stunden die Inhalativa sistiert und dann eine Spirometrie mit Bronchospasmolysetest durchgeführt werden.
– Eine spirometrische Kontrolle des FEV1 vor und nach einem oralen Steroidstoss im Rahmen der Exazer­bation einer obstruktiven Atemwegserkrankung ist ­indiziert, um eine eventuelle Reversibilität durch die Steroidtherapie dokumentieren zu können.

Das Wichtigste für die Praxis

• Bei Patienten mit Asthma-COPD-Overlap (ACO) ist die Lebensqualität oft schlechter und Exazerbationen sind häufiger als bei der reinen chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD).
• Es lohnt sich daher, diese Patienten zu identifizieren und ihnen eine Therapie mit inhalativen Steroiden (ICS) nicht vorzuenthalten.
• Das ACO lässt sich nicht klinisch erkennen, es muss aktiv danach gesucht werden.
• Die Diagnosekriterien basieren neben dem Vorliegen einer fixierten Obstruktion auf dem Nachweis einer Bluteosinophilie (0,3 G/l) und/oder einem deutlichen Ansprechen im spirometrischen Bronchospasmolysetest.
• Bei jeder Exazerbation einer obstruktiven Atemwegserkrankung sollten deshalb initial – vor Beginn einer oralen Steroidtherapie – ein externes Labor (Eosinophilenzählung) und eine Spirometrie mit Bronchospasmolyse erfolgen. Es ist sinnvoll, die Spirometrie nach Abschluss der Kortisontherapie zu wiederholen.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Dr. med. Thomas Rothe
Leitender Arzt Pneumologie
Kantonsspital Chur
Loestrasse 170
CH-7000 Chur
thomas.rothe[at]ksgr.ch
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